Der Begriff "Kultur"

Kultur- und Geisteswissenschaften im erweiterten Umfeld der Philosophie
szimmer
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Di 5. Mär 2019, 00:48

...und hier noch was Bildliches zum Thema Hochkultur in marktwirtschaftlich kapitalistischen Zeiten:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/also-s ... nen-3248/4

Ich habe mal gehört (sry keine Quelle) dass das Wort Kapital von "Kuh" abstammt. Nur falls sich jemand wundert warum die Stadt bei Nietzsche "Bunte Kuh" heißt...



P.S. Wer den Fehler findet darf ihn behalten ;)

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Jörn Budesheim
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Di 5. Mär 2019, 05:06

TsukiHana hat geschrieben :
Di 5. Mär 2019, 00:28
Förderung kleiner Kulturprojekte? Ach!
Ja, es gibt (beispielsweise) ein krasses und meines Erachtens völlig ungerechtes Missverhältnis zwischen der Förderung etablierter und großer Projekte und Institutionen und der Förderung kleiner privater Initiativen, die Jahr um Jahr um ihre Existenz bangen müssen oder beendet werden müssen. Systematische Selbstausbeutung solcher Initiativen ist die Normalität. Ich kenne das aus eigener Anschauung. In der freien Szene fehlt es in der Regel an allen Ecken und Enden und zwar an allem Möglichen. Von so etwas wie Künstler-Gehältern für Ausstellung kann man z.b. zurzeit nur träumen, obwohl es an manchen Orten schon die ersten kleineren Entwicklungen in diese Richtung gibt.

Zusätzlich setzt sich vielerorts "die neue Rechte" für weitere Kürzungen ein, insbesondere wenn ihnen die fraglichen Aktivitäten missliebig sind. (In Kassel ist die AFD im letzten Jahr im Zusammenhang mit der documenta mit einigen unfassbaren Statements in die Öffentlichkeit getreten, sodass ich zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der Kunst- und Kulturszene eine Anti-AFD Demonstration organisiert habe. Das sind wirklich sehr besorgniserregende Entwicklungen.)

Geld ist ein Problem, das stelle ich nicht in Abrede. 95 % der Künstler können nicht von ihrer Arbeit leben. Im letzten Jahr gab es hier eine Demo, weil die Ausstattung der Kunsthochschule im Argen liegt. Meines Erachtens müsste deutlich mehr Geld in die Kunst- und Kulturszene fließen und es müsste gerechter verteilt werden.

Aber es ist meines Erachtens nicht gut, so zu tun, als wenn praktisch gar kein Geld für die Kunst und Kulturszene da wäre. Kassel zum Beispiel hat ein vielfältiges und reiches Angebot, sowohl an institutionellen als auch im privaten Initiativen. Es ist viel Geld dafür da, auch wenn es immer noch (deutlich) zu wenig ist und zu schlecht verteilt.




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Stefanie
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Di 5. Mär 2019, 06:10

szimmer hat geschrieben :
Di 5. Mär 2019, 00:05
Ich weiß jetzt nicht auf welchen Faktencheck Du Dich berufst Stefanie...auf meinen Beitrag bestimmt nicht.
Mein Argument war jedenfalls nicht Masse statt Klasse...sondern Darstellung der Vermassung der am Kulturbetrieb Teilnehmenden in Zeiten von Demokratie und seine Konsequenzen!
Dass Qualität und um das geht es bei Kunst, nichts für die breite Masse ist, dürfte eigentlich bekannt sein. Was nicht heißt, dass sie nicht irgendwann weltbekannt ist.
Siehe Beispiel Van Gogh. Da ist im Herbst eine Ausstellung in Frankfurt und ich werde froh sein wenn ich rein komme.

Das wesentliche Kriterium bei Kunst ist für mich immer Qualität und nicht Quantität. Interessant ist wie ein/e Künstler/in ein Werk gestaltet und welche Wirkung es auf ein Individuum hat und nicht wie viel er/sie produziert, Likes oder Verkäufe hat...
In den letzten Tagen habe ich mir die Besucherzahlen etlicher Kunstmuseen angeschaut. Diese belegen die Aussage, dass sich 60 % nicht oder kaum für Kunst und Kultur interessieren.

Dass Qualität und um das geht es bei Kunst, nichts für die breite Masse ist, dürfte eigentlich bekannt sein.

Bei solchen Aussagen dürften meine Aussagen nicht verwunderlich sein.
Es ist übrigens auch ein Vorurteil der Kunst, welches das Photo in der NZZ widerspiegelt. Die Besucherin, die dort gezeigt wird, und etwas erstaunt auf das Kunstwerk sieht, steht für die Masse. Für die Masse ist diese Kunst, die sie sich da anschaut, nichts.

Wenn es mit Frankfurt nicht klappt, versuch's in Amsterdam, dort gibt es eigenes Museum für Van Gogh. Zielgruppe ist die Masse.



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Jörn Budesheim
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Di 5. Mär 2019, 06:11

szimmer hat geschrieben :
Di 5. Mär 2019, 00:05
Dass Qualität und um das geht es bei Kunst, nichts für die breite Masse ist, dürfte eigentlich bekannt sein.

[...]

Das wesentliche Kriterium bei Kunst ist für mich immer Qualität und nicht Quantität. Interessant ist wie ein/e Künstler/in ein Werk gestaltet und welche Wirkung es auf ein Individuum hat und nicht wie viel er/sie produziert, Likes oder Verkäufe hat...
Die langjährige Leiterin der Kunsthalle in Kassel Susanne Pfeffer ist nach Frankfurt gewechselt. Ihr folgt Moritz Wesseler, der gerade dabei ist, die ersten Ausstellungen für das Fridericianum in Kassel vorzubereiten. Vor wenigen Wochen hatten wir vom documenta Forum ihn zu Gast. Dort hat er sich vorgestellt und die Fragen des Publikums beantwortet.

Und ganz selbstverständlich stand irgendwann auch die Frage nach dem Besucherzahlen im Raum. Weder hat jemand gefordert noch plant Moritz Wesseler Abstriche an der Qualität, zugunsten einer besseren "Publikums-Kompatibilität". Selbstverständlich steht die Qualität im Vordergrund.

Damit ist die Frage aber nicht vom Tisch!

Bleiben die Besucher aus, wird es schwierig, zusätzliche Sponsorengelder einzuwerben und die Institution als Ganze gerät irgendwann unter Legitimationsdruck. Es hat doch keinen Sinn, so zu tun, als gäbe es hier kein Problem und keinen Handlungsbedarf.

Daher wird in solchen Institutionen ständig an neuen Formen der Vermittlung und neuen Formen der Kommunikation gearbeitet. Und daher hat Moritz Wesseler auch (nicht ohne Stolz) von eigenen Initiativen berichtet, wo er den Spagat geschafft hat, das heißt qualitätvolle Ausstellung zu machen und die Besucherzahlen zu erhöhen. Mit anderen Worten, auch die Akteure in der Szene haben hier ein Problembewusstsein und versuchen entsprechend zu handeln. Kommunikation und Vermittlung sind mittlerweile wichtige eigene Posten der Institution. Wunder wird man allerdings nicht erwarten können ...

Nur ein Beispiel dafür, dass so etwas erstrebenswert ist, was mir in besonderer Erinnerung geblieben ist: 2014 waren ich und das Aufsichtspersonal in der wunderbaren Ausstellung von Helen Marten "Parrot Problems" manchmal ganz alleine, während 100 m weiter die Fußgängerzone berstend voll war. Helen Marten hat später den Turner Preis erhalt! Ich für meinen Teil finde es sehr schade, wenn solche tollen Ausstellungen nicht die Resonanz beim Publikum erhalten, die ihrer Qualität entspricht. Und ich finde das Anliegen, dass die Museen ein größeres Publikum finden, völlig legitim.

Was für die "Großen" gilt, gilt natürlich auch für die "Kleinen". Auch die Produzentengalerie, zu der ich gehöre, hat nicht vor, Ausstellungen ohne Publikum zu machen ...




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Friederike
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Di 5. Mär 2019, 13:47

TsukiHana hat geschrieben :
Di 5. Mär 2019, 00:28
Ich nehme mal ein Beispiel aus meiner Stadt: für die Rettung des legendären Streits-Kinos war kein Geld da, dafür wurden Unsummen in ein umstrittenes Gebäude gesteckt, mit dem wir jetzt immerhin auf Platz zwölf im Ranking der teuersten Gebäude der Welt stehen. Ganz großes Kino!
Das ist nun ein wenig offtopic, aber das "Streits" ruft Erinnerungen wach, wie ich als junge Frau innerhalb von einer Woche 3 x "Die Unbestechlichen" mit D. Hoffmann und R. Redford angeschaut habe. Ich kannte Hoffman bis dahin gar nicht ... und habe mich auf der Stelle in ihn verliebt. Also bin ich das zweite und das dritte Mal nur hingegangen, um ihn zu sehen. Für Redford hatte ich keinen Blick. :lol: Zweimal -mit etwas längeren zeitlichen Abständen- habe ich mir dort wegen der wundervollen Sissy Spacek "Vermißt" angesehen -und ja, verschiedene Bergmann-Filme; auch "Jenseits von Afrika", aber da war ich, glaube ich, schon politisierter und fand dieses Schmachtstück nur reichlich kitschig.

Nebstbei: Dann wohnen wir offenbar in derselben Stadt @TsukiHana. Ich wußte übrigens bisher nur von den arschteuren Wohnungen im Magellan-Turm.




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Friederike
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Di 5. Mär 2019, 14:04

Zur menschlichen Kultur, was ich erwähnenswert finde, gehört auch das "Hauen und Stechen", d.h. die kriegerischen Unternehmungen (der Krieg ist nun auch "demokratisiert") und das Ersinnen von immer fieseren technischem Gerät (ein vorläufiger Höhepunkt in der Anonymisierung: die Drone).

Zweifellos kein Bereich, den man mit "Kulturgut" überschreiben würde.




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TsukiHana
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Di 5. Mär 2019, 18:26

Friederike hat geschrieben :
Di 5. Mär 2019, 13:47
TsukiHana hat geschrieben :
Di 5. Mär 2019, 00:28
Ich nehme mal ein Beispiel aus meiner Stadt: für die Rettung des legendären Streits-Kinos war kein Geld da, dafür wurden Unsummen in ein umstrittenes Gebäude gesteckt, mit dem wir jetzt immerhin auf Platz zwölf im Ranking der teuersten Gebäude der Welt stehen. Ganz großes Kino!
Das ist nun ein wenig offtopic, aber das "Streits" ruft Erinnerungen wach, wie ich als junge Frau innerhalb von einer Woche 3 x "Die Unbestechlichen" mit D. Hoffmann und R. Redford angeschaut habe. Ich kannte Hoffman bis dahin gar nicht ... und habe mich auf der Stelle in ihn verliebt....

Ich wußte übrigens bisher nur von den arschteuren Wohnungen im Magellan-Turm.
Moin min Deern!
Da das legendäre Streit`s - Filmtheater seit 1956 ein Stück Kulturgeschichte der Stadt geschrieben hat, ist es für mich keineswegs offtopic hier daran besonders und mit Genuss zu erinnern! :D
Verliebt habe ich mich dort in keinen der Leinwandhelden, doch erinnere ich mich sehr wohl noch an die besondere, erhebende Stimmung im Saal bei Filmpremieren, für die man mit viel Glück eine Karte ergattert hat, wenn die Protagonisten persönlich anwesend waren und vor, oder nach der Vorstellung noch einige Worte zum Publikum sagten... zwar erlebte ich die Weltstars wie Romy Schneider, Michael Douglas oder Barbra Streisand nicht mehr, denn dazu war ich etwas zu jung, doch dafür einige Größen des deutschen Films.
Das Streit`s war insbesondere aufgrund der Filmvorführungen in Originalsprache beim Publikum sehr beliebt. Ein vergleichbares Angebot gibt es seit der letzten Vorstellung in ganz Hamburg nicht mehr, was ich sehr bedauere. Auch das ist (für mich) Kultur, die erhaltenswert gewesen wäre!

Heute befindet sich dort einer der vielen uniformen Konsum-Tempel...nun ja.
Der Eigentümer wirbt auf seiner Homepage mit "gepflegter Tradition" und natürlich unverbaubarem Alsterblick. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich derzeit für knapp 10 000 Euro im Monat ca. 360 m² dieser "Tradition" leisten, eine Kaution von 24 300 Euro vorausgesetzt. 8-)
Im Filmchen zum 175-jährigen Jubiläum wird das Streit`s - Filmtheater zwar noch erwähnt, nicht aber das traurige Ende.
Für schöne Fassadenbilder ist es dann allemal gut:



Die sündhaft teuren Luxus-Wohnungen hinter der Glitzerfassade der Elbdisharmonie wollte man auch gerne weiter "geheim"halten, dabei waren sie ein Teil des ursprünglichen Finanzierungsplans, als die Kosten noch nicht völlig aus dem Ruder geraten sind...
Ach, was rege ich mich überhaupt noch auf?

Apropos Filmkultur... @ Friederike, kannst Du Dich noch an das schnuggelige, alte Kino in der Nähe vom Dammtor erinnern? Mir will der Name gerade nicht einfallen... aus diesem Kino besitze ich noch zwei alte Kinosessel, mit rotem Samt bezogen, Nr. 14 und 15, Reihe 11. ;)



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Friederike
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Mi 6. Mär 2019, 08:34

O mein Gott :lol: @TsukiHana, ich weiß genau, mein Lieblingskino, man ging von der Esplanade eine kleine Querstraße rein, vom Dammtor aus gesehen nach links und am Ende war das Kino. Wieso komme ich ebenfalls nicht auf den Namen ... ?!!! Vertrackt, verhext - und ich kriegs auch nicht ergoogelt.




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Jörn Budesheim
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Mi 6. Mär 2019, 08:35

Stefanie hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 18:17
Ich versuche es mal anders.
Es sind nicht nur meine Eindrücke, sondern von allen Menschen in meinem Umkreis. Einer der meist gesagten Sätze ist ein altbekannter Klassiker...Ist das schon Kunst, oder kann das weg? Zweite Aussage ist, gut es ist Kunst, ja aber was zeigt es denn, was soll ich da sehen, was bedeutet es usw.
Diese Aussage fallen in der Regel bei Kunstwerken, die gemeinhin mit moderner Kunst bezeichnet werden.
Du machst dir den Ausdruck nicht zu eigen, sondern zitierst ihn nur, aber dennoch: Wenn man bedenkt, dass ein Kunstwerk (auch) Ausdruck der Freiheit einer Person ist, dann ist "oder kann das weg" schon ziemlich derb, findest du nicht? Und ganz allgemein: Natürlich gibt es in der Kunst oft auch Fremdes. Auch hier stellt sich die Frage, wie man mit Fremden umzugehen gedenkt - "kann das weg" ist dann sicher nicht die beste aller möglicher Reaktionen, finde ich :-)




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Jörn Budesheim
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Mi 6. Mär 2019, 09:23

Zu der Abbildung von Erwin Wurm: Im Prinzip ist das "Unverständnis" manchmal eine Sache "auf Gegenseitigkeit". Mir fällt es bei vielen Reaktionen des Staunens, der Zurückweisung, des Unverständnis oftmals schwer, überhaupt zu verstehen, woher das rührt. Gerade die Arbeiten von "Wurm" sind ja nichts in sich verschlossenes, finde ich. Ihr gelegentlich skurriler Humor (oder wie immer man es nennen mag) ist meiner Ansicht nach doch nicht so, dass man ein Studium der Kunstwissenschaften braucht, um ihn zu sehen, zu schätzen ... oder einfach: zu mögen. Das sind einfach tolle Arbeite, die man lieben kann - ohne jede Vor- und Verbildung. Denke ich ... um mich dann darin enttäuscht zu sehen :-(




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Friederike
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Mi 6. Mär 2019, 09:42

"Urania" ... juhujuhu. Ich bin einfach das Alphabet durchgegangen. 8-)




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Stefanie
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Mi 6. Mär 2019, 10:57

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 6. Mär 2019, 08:35
Stefanie hat geschrieben :
So 3. Mär 2019, 18:17
Ich versuche es mal anders.
Es sind nicht nur meine Eindrücke, sondern von allen Menschen in meinem Umkreis. Einer der meist gesagten Sätze ist ein altbekannter Klassiker...Ist das schon Kunst, oder kann das weg? Zweite Aussage ist, gut es ist Kunst, ja aber was zeigt es denn, was soll ich da sehen, was bedeutet es usw.
Diese Aussage fallen in der Regel bei Kunstwerken, die gemeinhin mit moderner Kunst bezeichnet werden.
Du machst dir den Ausdruck nicht zu eigen, sondern zitierst ihn nur, aber dennoch: Wenn man bedenkt, dass ein Kunstwerk (auch) Ausdruck der Freiheit einer Person ist, dann ist "oder kann das weg" schon ziemlich derb, findest du nicht? Und ganz allgemein: Natürlich gibt es in der Kunst oft auch Fremdes. Auch hier stellt sich die Frage, wie man mit Fremden umzugehen gedenkt - "kann das weg" ist dann sicher nicht die beste aller möglicher Reaktionen, finde ich :-)
Stimmt, ich zitiere nur. Bis vor zwei Jahren war mir dieser Satz nicht bekannt. In einer Mittagpause, in der zur Abwechslung nicht über Essen geredet wurde, sondern über die documenta´, hörte ich den Satz zum ersten mal.
Für viele Menschen ist nicht klar, wann denn was ein Kunstwerk ist.
Das ist der entscheidende Teil dieser Frage: Was ist Kunst? Wer bestimmt, was Kunst ist?
Ich hinterfrage dies bis auf ganz wenige Ausnahmen (wie seine eigene Katze eigenhändig töten und daraus eine Handtasche machen, oder eine tote Katze präparieren und eine Drohne aus ihr machen) nicht.
Der Klassiker ist u.a. das WC von Duchamps. Oder Skulpturen, irgendeine Form, in einem Material und farbig oder nicht. Mit einem phantasievollen Titel. Ist das Kunst?
Wenn es keine Kunst ist, was soll man denn damit? Dann kann man es auch wegwerfen. Bestimmte moderne Kunst schafft es in den Augen vieler noch nicht einmal dazu, den Status "Kunst" zu erhalten. Und wenn es keine Kunst ist, ist es nicht nützlich, also kann es weg. Interessant ist, dass Aktionen wie die von Christo, oder H.A. Schult toll gefunden werden, aber nicht unbedingt als Kunst angesehen werden. Bei sagen wir mal Abramović dürfte es richtig kompliziert werden. (offtopic: Wie hat sie den Esel dazu gekriegt, so lange so still zu stehen?)
Sehen sie solche Objekte in einem Museum, wird sich das auch nicht ändern, denn es gibt in diesem Moment nicht wirklich Erklärungen dazu, auch nicht zu der Frage, warum es Kunst ist. Diese Thematik hatten wir, glaube ich, schon mal angeschnitten. Es gibt derzeit keinen teilnehmenden, gleichberechtigten Dialog zwischen Kunst und Betrachtenden. Die Betrachtenden sollen das Wissen mitbringen, die Kunst erklärt nicht. Es gibt ab und an mal Antworten, und dann wird sich gefragt, na die Frage hätte man (oft ich auch) sich auch schenken können.

Wenn ein Vater von zwei kleinen Kindern folgenden Sätze sagt: Na gut, dann ist es eben Kunst, aber die hat was gekostet, und kostet immer noch was, ich mit dem Kunstwerk aber nichts anfagen, ich verstehe diese Kunstwerk noch nicht mal, und wegen der Förderung solcher "Kunst" wird dann woanders gekürzt, und meine Tochter hat dann kein Schwimmbad mehr, in dem sie schwimmen lernen kann.
Dann kommt man in Erklärungsnot.



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TsukiHana
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Friederike hat geschrieben :
Mi 6. Mär 2019, 09:42
"Urania" ... juhujuhu. Ich bin einfach das Alphabet durchgegangen. 8-)
JAAAAAA!!!! :lol:
Du rettest meinen Tag Friederike! Seit gestern suche ich den Namen und er will und wll mir nicht einfallen...
Das "Urania" - auch für mich ein Ort unvergessener cineastischer Erlebnisse - verschwand damals in der Welle des großen Kino-Sterbens, die den Großraum-Kinos weichen mussten. Bis heute fühle ich mich darin unwohl und bevorzuge das "Holi", oder halt mein geliebtes "Abaton".
Mögen sie uns noch lange erhalten bleiben.

Gerade merke ich, dass meine beiden alten "Urania"-Kinosessel, mit rotem Samt bezogen, Nr. 14 und 15, Reihe 11, für mich im Wert noch erheblich gestiegen sind. ;)



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Mi 6. Mär 2019, 12:14

Stefanie hat geschrieben :
Mi 6. Mär 2019, 10:57
N.N. hat geschrieben : Wenn es keine Kunst ist, was soll man denn damit? Dann kann man es auch wegwerfen.
Äußerungen von anderen Menschen verlangen doch nicht nur Respekt, wenn sie Kunst sind, oder? Wegwerfen=zerstören, weil man etwas nicht versteht? Das ist keine gute Logik, meine ich.




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Mi 6. Mär 2019, 12:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 6. Mär 2019, 09:23
Im Prinzip ist das "Unverständnis" manchmal eine Sache "auf Gegenseitigkeit". Mir fällt es bei vielen Reaktionen des Staunens, der Zurückweisung, des Unverständnis oftmals schwer, überhaupt zu verstehen, woher das rührt....

Das sind einfach tolle Arbeite, die man lieben kann - ohne jede Vor- und Verbildung. Denke ich ... um mich dann darin enttäuscht zu sehen :-(
Woher das rührt, ist eine gute Frage.
Lange Zeit habe ich versucht darauf eine Antwort zu finden. Die Teilantworten, die ich fand, ließen mich resigniert zurück und ich gab es letztlich auf.
So verzichte ich auch darauf es hier in epischer Breite auszuführen, denn mir fehlt schlicht die pädagogische Geduld...

Dafür bin ich E.Wurm & Kollegen dankbar für die oft verschlungenen Wege der künst­le­ri­schen Subver­sion: Witz, Ironie, Dezen­tra­li­sie­rung, Frag­men­tie­rung, Blind­heit und Versper­rung! :D
Dateianhänge
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Stefanie
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Mi 6. Mär 2019, 15:01

Es geht um ein Unverständnis. Es mag auch Gegenseitig sein. Es geht aber nicht um Logik oder formelles, theoretisches Hintergrundwissen.
Es geht um Emotionen.
Die Seite der Betrachtenden fühlt sich schlicht missverstanden, oft in eine rechtfertigende Position gedrängt gefühlt, erst recht, wenn die Aussage, qualitätsvolle Kunst ist nicht für die Masse, scheinbar immer noch gilt. Das ist nämlich das Gegenstück "Ist das Kunst..oder" nur in Richtung der Kunstbetrachtenden. Damit werden Interessierte von vorne herein abgeschreckt "Du gehörts hier nicht rein". Ich versuche gerade diese Seite der sich nicht Interessierten zu beschreiben, weil wie kann man etwas ändern, wenn man nicht weiß, wie gefühlt wird? Offenbar ein gescheiterter Versuch.

Es wird zu Recht bedauert, dass gute, schöne Kunst oftmals niemand zu sehen bekommt, weil niemand es sich ansieht. Oder so gut wie niemand es sich ansieht.
Es gibt übrigens Kunstmuseen auch mit moderner Kunst, auch in Deutschland, die haben Besucherzahlen von deutlich über 500.000 Besucher im Jahr, irgendwas müssen diese ja richtig machen.

Nee doch noch was:
Was ist eigentlich so schlimm daran, ein Kunstwerk staunend zu betrachten? Ist staunen etwas negatives? Ist etwas negatives, dass die Dame vor dem Kunstwerk staunt? Warum? Wer sagt, dass es kein positives Staunen ist, ein Staunen darüber, dass es so was schönes gibt?



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Mi 6. Mär 2019, 15:17

Stefanie hat geschrieben :
Mi 6. Mär 2019, 15:01
Was ist eigentlich so schlimm daran, ein Kunstwerk staunend zu betrachten? Ist staunen etwas negatives? Ist etwas negatives, dass die Dame vor dem Kunstwerk staunt? Warum? Wer sagt, dass es kein positives Staunen ist, ein Staunen darüber, dass es so was schönes gibt?
Staunen ist gut. Wie kommst du darauf, dass es "schlimm" ist?




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Mi 6. Mär 2019, 15:19

Weil Du schreibst:

Mir fällt es bei vielen Reaktionen des Staunens, der Zurückweisung, des Unverständnis oftmals schwer, überhaupt zu verstehen, woher das rührt....



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Mi 6. Mär 2019, 15:20

Kulturfinanzbericht 2018 hat geschrieben : 1.2 Kulturbegriff

Von zentraler Bedeutung für die Ermittlung der absoluten Höhe der Kulturfinanzierung von Bund, Ländern und Gemeinden ist die zugrunde liegende Definition von Kultur.

Der Begriff Kultur kommt vom Lateinischen colere, was pflegen bedeutet und sich ursprünglich inhaltlich auf das Gebiet der Landwirtschaft bezieht. Heute dagegen finden sich Kulturdefinitionen mit unterschiedlichsten Dimensionen: Sie können zum Beispiel das lebendige gesellschaftliche Miteinander, den Zeitgeist einer Epoche, wissenschaftliche oder philosophische Anschauungen oder Gruppenverhalten adressieren.

Die Bestimmung des Kulturbegriffs im Bereich der öffentlichen Haushalte Deutschlands orientiert sich an der eng gefassten Definition der Haushaltssystematiken. Sie umfasst die Abbildung der Aufgabenbereiche Theater, Musikpflege, nichtwissenschaftliche Bibliotheken und nichtwissenschaftliche Museen, Denkmalschutz, Sonstige Kultur­pflege sowie die Verwaltung für kulturelle Angelegenheiten. Für die doppisch buchenden Haushalte wurden Produktpläne entwickelt, die weitgehend mit den Aufgabenbereichen der Haushaltssystematik vergleichbar sind.

Zusätzlich zu den genannten Aufgabenbereichen werden auch die wissenschaftlichen Museen und wissenschaftlichen Bibliotheken sowie die Auswärtige Kulturpolitik in die Analyse der öffentlichen Kulturausgaben einbezogen. Bildungsausgaben im Bereich Kultur finden darüber hinaus immer dann Berücksichtigung, wenn es sich bei den Anbietern um kulturspezifische Einrichtungen handelt. Das heißt, öffentliche Kunsthochschulen sind enthalten, nicht jedoch entsprechende Angebote an öffentlichen Universitäten und Volkshochschulen. In „Öffentliche Ausgaben für Kulturnahe Bereiche“ (Kapitel 5) werden allerdings zusätzlich die für die Gemeinden wichtigen Förderschwerpunkte Volkshochschulen/Sonstige Weiterbildung sowie die Ausgaben für Kirchliche Angelegenheiten nachgewiesen. Nachrichtlich erfolgt zudem eine detaillierte Darstellung der Filmförderung.

Die oben genannten Kulturbereiche, die diesem Bericht zugrunde liegen, orientieren sich an den von der Europäischen Union (EU) definierten Kulturbereichen, unterscheiden sich aber in Teilen. Beispielsweise bleiben im vorliegenden Bericht die Architekturförderung sowie die Unterstützung des Bücher- und Pressewesens bei einer Betrachtung der öffentlichen Förderung außer Acht, da sie innerhalb der deutschen Kulturförderung kaum eine Rolle spielen. Im Gegensatz dazu sind zoologische und botanische Gärten im Kulturfinanzbericht dem Kulturbereich zugeordnet, während sie nach der EU-Definition unberücksichtigt bleibe




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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Mi 6. Mär 2019, 15:19
Weil Du schreibst:

Mir fällt es bei vielen Reaktionen des Staunens, der Zurückweisung, des Unverständnis oftmals schwer, überhaupt zu verstehen, woher das rührt....
Ich hab versucht mit einem knappen und verkürzenden Begriffsfeld kurz zu umschreiben, was du schreibst. Da kannst die Begriffe "Zurückweisung" und "Unverständnis" nicht einfach raus lassen. Wen das Staunen dazuführt, zu fragen "kann das weg", kann das entsorgt werden, dann haben wir es nicht wirklich mit einem "offenen Staunen" zu tun, oder?




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