Sprache der Sinne und Sprache des Begriffs

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Jörn Budesheim
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Sa 21. Apr 2018, 11:55

hmmm. Ich befürchte, da muss ich erst mal passen. Vielleicht auch schon zu heiß hier :-( Auf jeden Fall verstehe ich nicht so wirklich, worauf du hinaus willst.




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Alethos
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Sa 21. Apr 2018, 14:36

Leider habe ich keine Zeit, mich vertieft darum zu kümmern, die Familie möchte Minigolf spielen und da will ich mit :)

Meine Überlegung baut auf der Vorstellung auf, dass Bedeutung in der Sache selbst liegt als ihr Wesen. Begriffe konstituieren diese Bedeutung mit, aber sie sind nicht Alleinverursacher. Sie sind Teilmengen. Und als solche konstruieren sie jeweils eine implizite Differenz zu alle dem, das sie nicht erfassen.

Ich glaube, dass wir innere Vorstellungen haben, die über die reine Begrifflichkeit hinausgehen. Wir kriegen nicht auf Papier, was wir sagen wollen, aber das heisst ja nicht, dass es nicht da wäre. Und diese Differenz zwischen innerer und äusserer Verfassung des Gedankens ist real. Dann aber ist nicht jedes Denken ein durch öffentliche Sprache konstituiertes Etwas, sondern zugleich ein verborgenes Etwas, das im Schatten des Lichts des öffentlichen Begriffs immer verborgen bleibt. Es ist eine negative Dialektik zwischen Innen und Aussen, die uns mit der Welt verbindet uns aber zugleich von ihr getrennt lässt.



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Friederike
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So 22. Apr 2018, 16:09

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Apr 2018, 14:36
Meine Überlegung baut auf der Vorstellung auf, dass Bedeutung in der Sache selbst liegt als ihr Wesen. Begriffe konstituieren diese Bedeutung mit, aber sie sind nicht Alleinverursacher. Sie sind Teilmengen. Und als solche konstruieren sie jeweils eine implizite Differenz zu alle dem, das sie nicht erfassen.

Ich glaube, dass wir innere Vorstellungen haben, die über die reine Begrifflichkeit hinausgehen. Wir kriegen nicht auf Papier, was wir sagen wollen, aber das heisst ja nicht, dass es nicht da wäre. Und diese Differenz zwischen innerer und äusserer Verfassung des Gedankens ist real. Dann aber ist nicht jedes Denken ein durch öffentliche Sprache konstituiertes Etwas, sondern zugleich ein verborgenes Etwas, das im Schatten des Lichts des öffentlichen Begriffs immer verborgen bleibt. Es ist eine negative Dialektik zwischen Innen und Aussen, die uns mit der Welt verbindet uns aber zugleich von ihr getrennt lässt.
Aufgrund der -begrifflichen- Unschärfe, die ich meine, bei Dir zu finden, kann ich jetzt immerhin begrifflich klarer trennen. Daß wir Gedanken haben, die wir nicht vollständig auch sagen können, das nehme ich nicht an. Ein Gedanke ist immer sprachlich verfaßt. Ich weiß nicht, wie es gehen sollte, daß ich einen Gedanken in mir denke, ohne daß ich ihn in mir sprachlich formuliere. Etwas anderes als Gedanken sind das, was ich unter "inneren Vorstellungen" verstehe. Der Begriff ist zwar mit der Schwierigkeit der Subjektphilosophie behaftet, aber ungeachtet dessen, würde ich darunter ein Konglomerat von Denken, Fühlen, Wahrnehmen verstehen, einen "Zustand", in dem die unterschiedlichen Modi zusammenkommen und von dem ich ebenfalls sagen würde, daß er sich exakt, d.h. ohne Überschüsse, in Sprache ausdrücken läßt. Das heißt, daß ich im Unterschied zu Dir nicht von einer grundsätzlich und notwendig gegebenen Differenz ausgehe. Obwohl ich hier einräumen würde, daß es in praktischer Hinsicht eher ausgeschlossen ist, jemals einen dieser derartigen Zustände vollkommen in Worte zu fassen.

Ich habe nochmal nachgesehen, wie wir eigentlich auf das "Bild" gekommen sind, und um den Bogen zu dem obigen Zitat schlagen zu können, würde ich das Bild unter die "inneren Vorstellungen" einsortieren. Zusätzlich also zum Denken, Empfinden und Wahrnehmen die bildliche/bildhafte Vorstellung. Das wäre dann eine komplexere Form einer visuellen Wahrnehmung.

Mt der Verbindung zwischen dem 1. und 2. Absatz komme ich nicht zurecht. "Die Sache selbst", sind das alle Sachverhalte, die Du "innere Vorstellungen" nennst?




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Alethos
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So 22. Apr 2018, 16:59

Friederike hat geschrieben :
So 22. Apr 2018, 16:09
Mt der Verbindung zwischen dem 1. und 2. Absatz komme ich nicht zurecht. "Die Sache selbst", sind das alle Sachverhalte, die Du "innere Vorstellungen" nennst?
Entschuldige die begriffliche Unschärfe.

Ich meine das so, dass unsere Begriffe aufgeladen sind mit der Bedeutung, die ihnen zukommen durch die Dinge, die sie bezeichnen. Wenn wir 'Baum' sagen, dann meinen wir doch ein allgemeines Etwas, das wir erfahren haben. Wir haben den Begriff, weil wir die Sache haben.

Und wenn wir nun denken: 'Dieser Baum rauscht schön im Sommerwind', dann haben wir zu all diesen Begriffen einen empirischen Gegenstand. Unser Denken wurzelt in der Welt der Dinge, denn die Begriffe, durch die wir denken, sind den Dingen abstrahierend entlehnt.

Nun denken wir also durch Begriffe, ja, aber darum ist unser Denken gegenständlich und nicht leer. Der Gegenstand des Denkens sind Begriffe, aber ihre Bedeutung haben sie ja nicht aus sich selbst, sondern von den Dingen, von denen sie handeln. Dabei ist es unerheblich, ob diese Begriffe empirische sind oder Verstandesbegriffe: Sie erhalten ihre Bedeutung durch das Netz der Tatsachen, aus denen sie gewonnen werden. Das meinte ich mit 'Sache selbst'.

Nun denken wir also durch Begriffe, aber während wir denken, haben wir doch nicht einfach nur Begriffe vor Augen, sondern auch innere Bilder. Ich denke, während ich das hier schreibe z.B. an einen sardinischen Strand. Aber noch bevor ich überhaupt Sardinien, Strand, Sand und Sonne denken konnte, war da ein Bild in meiner Vorstellung. Wieso sollte es nun so sein, dass diese inneren Bilder nichts Gedachtes sind? Oder anders gesagt: Welche Begriffe ich auch immer anwende, ich werde es nicht vermögen, dieses Bild in seiner reinen Form in Worte zu fassen. Ich kann den Sand als fein, weiss-bräunlich, brennend oder am Abend kühl beschreiben, ich werde doch unmöglich diese vollumfängliche Erfahrung in Worte bringen können, obwohl es in mir diese Erfahrung als Erinnerung gibt. Wenn jemand diese besonders gut ausdrücken kann, ist er Literat. Aber auch er/sie wird immer eine Differenz herstellen zwischen der Tatsächlichkeit des inneren Bilds und dem Bedeutungsumfang der Begriffe, die ihm zur Verfügung stehen.

Nun macht es keinen Unterschied, ob wir von inneren Bildern oder von Dingen der Aussenwelt als von der Sache selbst sprechen: Es wird doch immer eine Differenz bleiben zwischen dem, was ist, und dem, was sich in Sprache ausdrücken lässt. Oder wie sollten sich die Gegenwart einer Erfahrung, eines damit verbundenen Gefühls, die in der Erinnerung vorkommende Gegenstände etc. ausdrücken lassen im Nacheinander der Wörter? Allein doch schon in der Zeit, in der ich einen Satz ausformuliere, verändert sich der Inhalt des Gedankens, und zwar immer schneller als es die Worte zu fassen kriegen.

Ich denke aber nicht, dass das ein praktisches Unvermögen ist, sondern eine prinzipielle Unmöglichkeit der Erfassung der Sache selbst durch Worte, die in der Differenz zwischen Begriffen und Sache selbst begründet liegt.



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Jörn Budesheim
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Mo 23. Apr 2018, 18:47

Alethos hat geschrieben :
So 22. Apr 2018, 16:59
Der Gegenstand des Denkens sind Begriffe, aber ihre Bedeutung haben sie ja nicht aus sich selbst, sondern von den Dingen, von denen sie handeln.
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie wörtlich du das meinst. Ich meine, man muss es ziemlich wörtlich meinen. Ich glaube die Dinge selbst sind Teil der Bedeutung / Teil der Gedanken.

Damit ergibt sich jedoch ein Problem, das insbesondere Frege umtrieb (nach dem bisschen was ich weiß). Im Gegensatz zu der trivial wahren Aussage "der Morgenstern ist der Morgenstern" kann die Aussage der Morgenstern ist Abendstern eine bedeutende Erkenntnis ausdrücken. Wenn der Gegenstand selbst jedoch Teil der Aussage ist, dann müssten beide Aussagen gleichermaßen trivial sein. Wenn wir die verschiedenen "Arten des Gegebenseins" zu dem Gegenstand selbst rechnen, dann haben wir einen Pfad zu Gabriel eröffnet, den wir bei Gelegenheit verfolgen sollten :-)




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Jörn Budesheim
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Mi 1. Mai 2019, 18:14

"Die poetische oder ästhetische Funktion der Sprache sei, so Jakobson, die Einstellung auf die Form der Botschaft um ihrer selbst willen.6 Sie lenke die Aufmerksamkeit des Zeichenbenutzers auf die formalen Besonderheiten der sprachlichen Botschaft. Man betrachte einen künstlerisch geformten Text nicht in erster Linie als informationshaltige Mitteilung, sondern als in besonderer Weise geformtes Sprachmaterial. Dies ist nicht dahingehend misszuverstehen, dass die anderen Funktionen der Sprache (referentielle, appellative, emotive, phatische und metasprachliche Funktion) ausgeschaltet würden. Es handelt sich vielmehr um eine Dominantenbildung, das heißt, dass die poetische Funktion – die Betrachtung der sprachlichen Verfasstheit des Textes um ihrer selbst willen – im Vordergrund steht, während die anderen Sprachfunktionen hinter der ästhetischen zurücktreten. " (Thomas Klinkert )




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Friederike
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Sa 4. Mai 2019, 18:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 1. Mai 2019, 18:14
"Die poetische oder ästhetische Funktion der Sprache sei, so Jakobson, die Einstellung auf die Form der Botschaft um ihrer selbst willen.6 Sie lenke die Aufmerksamkeit des Zeichenbenutzers auf die formalen Besonderheiten der sprachlichen Botschaft. Man betrachte einen künstlerisch geformten Text nicht in erster Linie als informationshaltige Mitteilung, sondern als in besonderer Weise geformtes Sprachmaterial. Dies ist nicht dahingehend misszuverstehen, dass die anderen Funktionen der Sprache (referentielle, appellative, emotive, phatische und metasprachliche Funktion) ausgeschaltet würden. Es handelt sich vielmehr um eine Dominantenbildung, das heißt, dass die poetische Funktion – die Betrachtung der sprachlichen Verfasstheit des Textes um ihrer selbst willen – im Vordergrund steht, während die anderen Sprachfunktionen hinter der ästhetischen zurücktreten. " (Thomas Klinkert )
Das wäre das Gegenteil zur Rhetorik (wie sie gemeinhin verstanden wird), in der die Form der Botschaft hauptsächlich einem anderen Zwecke gilt. Und man könnte auch von der "Schönheit der Sprache" sprechen, die gezeigt und wahrgenommen wird.




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Alethos
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Do 15. Aug 2019, 21:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 23. Apr 2018, 18:47
Ich glaube die Dinge selbst sind Teil der Bedeutung / Teil der Gedanken.

Damit ergibt sich jedoch ein Problem, das insbesondere Frege umtrieb (nach dem bisschen was ich weiß). Im Gegensatz zu der trivial wahren Aussage "der Morgenstern ist der Morgenstern" kann die Aussage der Morgenstern ist Abendstern eine bedeutende Erkenntnis ausdrücken. Wenn der Gegenstand selbst jedoch Teil der Aussage ist, dann müssten beide Aussagen gleichermaßen trivial sein. Wenn wir die verschiedenen "Arten des Gegebenseins" zu dem Gegenstand selbst rechnen, dann haben wir einen Pfad zu Gabriel eröffnet, den wir bei Gelegenheit verfolgen sollten :-)
Vielleicht findest du einmal Zeit und Muße auszuformulieren, was du damit meinst, dass die Dinge Teil der Bedeutung seien. Inwiefern Teil?

Ich vermute, dass ich dir beim zweiten Abschnitt folgen kann, verzichte aber wegen meiner Tendenz zur Sinnüberfrachtung meine Gedanken dazu mitzuteilen :) Ich meine aber, dass dies nicht ungesagt bleiben soll: Begriffe, indem sie ein Ding bezeichnen, müssen alles dies bedeuten, was dieses Ding für sich genommen ausmacht: Meine Frau ist die Mutter meiner Kinder. Sie ist Ärztin. Sie ist schön. Sie ist dieses und vieles mehr. Alle Begriffe, die auf sie gerichtet sind, haben ihre Plastizität von ihr. Sie schmiegen sich nicht einfach an ein Ding wie eine Etikette und bezeichnen diese zweidimensional, sondern sie beziehen ihre Konturen durch die Perspektivität, durch die das Ding uns gegeben ist. Begriffe in dieser ontischen Auslegung sind Teil der Dinge, weil sie auf die Formen des Gegebenen gerichtet sind. In einem Ding ist soviel mehr als dieses eine Gegebensein, es ist ein indefinites Gegebensein, sodass seine Bedeutungen (im Verständnis von Frege) ebenso indefinite sein müssen.



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Do 15. Aug 2019, 21:25

Wenn Begriffe uns ein Ding in seinen Perspektiven gibt (denn nur deshalb sind sie auf die Dinge gerichtet, weil sie von ihnen bezogen sind, mehr als dass wir sie auf die Dinge bezögen), dann sind Begriffe immer in der Sprache der Sinne verfasst. Alle Bedeutung haben sie durch ihre Sinnlichkeit. Die Sprache der Begriffe und der Sinne ist ein und dieselbe, ihr Fokus eine und dieselbe Wirklichkeit der Dinge.



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Fr 16. Aug 2019, 09:28

Alethos hat geschrieben :
Do 15. Aug 2019, 21:18
[...[ Ich meine aber, dass dies nicht ungesagt bleiben soll: Begriffe, indem sie ein Ding bezeichnen, müssen alles dies bedeuten, was dieses Ding für sich genommen ausmacht: Meine Frau ist die Mutter meiner Kinder. Sie ist Ärztin. Sie ist schön. Sie ist dieses und vieles mehr. Alle Begriffe, die auf sie gerichtet sind, haben ihre Plastizität von ihr. Sie schmiegen sich nicht einfach an ein Ding wie eine Etikette und bezeichnen diese zweidimensional, sondern sie beziehen ihre Konturen durch die Perspektivität, durch die das Ding uns gegeben ist. Begriffe in dieser ontischen Auslegung sind Teil der Dinge, weil sie auf die Formen des Gegebenen gerichtet sind. [...]
"Was dieses Ding für sich ausmacht" oder "Perspektivität, durch die das Ding uns gegeben ist" ... mir fällt dazu sofort der "Name" ein. Das Begriffsverständnis, das Du hier ansprichst, kommt mir vor, als gäben wir den Dingen ihren Namen und ihnen ihren Namen zu geben ist fast so, als gäben wir ihnen so etwas wie einen "Eigennamen." Der Eigenname allerdings bezeichnet nur das einzelne Ding.

Kinder sprechen zuerst "Hauptwörter"? Ist es so? Sie sprechen die Namen für das, was sie sehen, hören und be-greifen (tasten).




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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
Do 15. Aug 2019, 21:18
Vielleicht findest du einmal Zeit und Muße auszuformulieren, was du damit meinst, dass die Dinge Teil der Bedeutung seien. Inwiefern Teil?
Am deutlichsten wird das bei "deiktischer Bezugnahme": "Das da ist rot!" Hier ist dasjenige, worauf mit "das da" Bezug genommen wird, konstitutiv oder (mit-)bestimmend für die Bedeutung. Viele Begriffe, die wir nutzen, haben wir in solchen Situationen gelernt, sie begründen unseren direkten Bezug zur Welt.




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Fr 16. Aug 2019, 11:02

Alethos hat geschrieben :
So 22. Apr 2018, 16:59
[...] Nun denken wir also durch Begriffe, aber während wir denken, haben wir doch nicht einfach nur Begriffe vor Augen, sondern auch innere Bilder. Ich denke, während ich das hier schreibe z.B. an einen sardinischen Strand. Aber noch bevor ich überhaupt Sardinien, Strand, Sand und Sonne denken konnte, war da ein Bild in meiner Vorstellung. Wieso sollte es nun so sein, dass diese inneren Bilder nichts Gedachtes sind? Oder anders gesagt: Welche Begriffe ich auch immer anwende, ich werde es nicht vermögen, dieses Bild in seiner reinen Form in Worte zu fassen. schneller als es die Worte zu fassen kriegen.
Zur Verbindung von Bild und Gedanken/Sehen und Denken aus einem Aufsatz: F. Kurbacher, "Bild und Theorie".
Kurbacher hat geschrieben : Denken ist, nach Kant, zeitlich und räumlich, damit ist es u.a. auch bildlich. Wer denkt, hat immer etwas, woran sein Geist sich aufhängen kann. Selbst bei den Vorstellungen, die gemeinhin keine Anschauung haben, wie mathematische Gleichungen etwa, gibt es in diesem weiten Bildverständnis immer etwas, womit die menschlichen Erkenntniskräfte sich befassen können, hier die Zahlen nämlich. Es gibt demnach - bei aller Abstraktion - kein gegenstandsloses Denken, in dem Sinne, dass es kein inhaltsleeres Denken gibt, und in diesem Sinne ist alles Denken potentiell bildlich.
Ob wir nun "Begriff" oder "Wort" sagen, darüber kann man wohl streiten, aber "Sinne" und "Sprache" gehören zusammen. Vielleicht ist es auch trivial 8-) ... ich weiß nicht recht.




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Jörn Budesheim
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Die Unterscheidung von Begriff und Wort ist für diesen Thread vielleicht nicht ganz unwichtig?! "Maison" und "Haus" sind zwei verschiedene Worte für denselben Begriff. Maison reimt sich auf Raison. Und Haus auf Maus. :) sie stehen also für denselben Begriff, haben aber, wenn man so sagen möchte, unterschiedliche Material Eigenwerte. Und in dieser Weise kann der Dichter die Sinne in verschiedener Weise ansprechen :)




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Friederike hat geschrieben :
Fr 16. Aug 2019, 09:28
Name
der Name spielt auch in der sprachtheorie Walter Benjamins eine große Rolle. Wenn ich es richtig verstehe, ist im Namen alles "ausgesprochen". Ich würde das so verstehen, dass alles was über einen Gegenstand wahr ist, zum Gegenstand gehört und im Namen gesagt ist.




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Alethos
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Fr 16. Aug 2019, 12:45

Friederike hat geschrieben :
Fr 16. Aug 2019, 09:28
mir fällt dazu sofort der "Name" ein. Das Begriffsverständnis, das Du hier ansprichst, kommt mir vor, als gäben wir den Dingen ihren Namen und ihnen ihren Namen zu geben ist fast so, als gäben wir ihnen so etwas wie einen "Eigennamen."
Interessant, dass du das aus meinem Beitrag herausliest. Ich meine, dass wir den Dingen Namen geben, aber doch nicht so, wie wir von Ihnen Begriffe haben. Jede Frau hat einen eigenen Namen, sie ist aber immer Frau. Nicht wegen des Namens erkennen wir sie als solche.

Der Name markiert den Begriff lediglich und gibt ihm die weitere Eigenschaft, so zu heissen. Ob ich dem Gegenstand 'Latmon' oder 'Kylamon' nenne, das scheint völlig willkürlich möglich, aber ob dieser Gegenstand ein Haus oder ein Hund ist, das hingegen ergibt sich durch das Wesen des Dings. Der Name bezieht nicht auf das Wesen des Dings, weil sonst jede Frau Friederike und jeder Mann Pedro heissen müsste, was für alle Jörns und Stefanies mit Blick auf Ihr Mann- und Frausein verheerend wäre. :) Ich vermute daher, dass du eine andere Intuition verfolgst?



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Fr 16. Aug 2019, 12:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 16. Aug 2019, 10:52
Alethos hat geschrieben :
Do 15. Aug 2019, 21:18
Vielleicht findest du einmal Zeit und Muße auszuformulieren, was du damit meinst, dass die Dinge Teil der Bedeutung seien. Inwiefern Teil?
Am deutlichsten wird das bei "deiktischer Bezugnahme": "Das da ist rot!" Hier ist dasjenige, worauf mit "das da" Bezug genommen wird, konstitutiv oder (mit-)bestimmend für die Bedeutung. Viele Begriffe, die wir nutzen, haben wir in solchen Situationen gelernt, sie begründen unseren direkten Bezug zur Welt.
Okay, meinst du es so: 'Das da' gibt durch sein Rotsein unserem Urteil, dass es rot sei, den Inhalt? 'Das da' bildet einen Bestandteil des Gedankens (z.B. in einem Urteil), da wir 'das da' denken und er der Gegenstand ist, den wir reflektieren.



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Fr 16. Aug 2019, 13:04

Yepp. "Das da" ist Teil der Bedeutung des Satzes.




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Fr 16. Aug 2019, 13:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 16. Aug 2019, 11:45
Die Unterscheidung von Begriff und Wort ist für diesen Thread vielleicht nicht ganz unwichtig?! "Maison" und "Haus" sind zwei verschiedene Worte für denselben Begriff. Maison reimt sich auf Raison. Und Haus auf Maus. :) sie stehen also für denselben Begriff, haben aber, wenn man so sagen möchte, unterschiedliche Material Eigenwerte. Und in dieser Weise kann der Dichter die Sinne in verschiedener Weise ansprechen :)
Das französische Wort 'maison' meint denselben Begriff wie das deutsche Wort 'Haus'. Daran sieht man, dass Wort und Bedeutung (Bedeutung im Wortsinn von Frege) dasselbe sind, oder? Denn ob ich dem Begriffenen dieses Wort oder ein anderes gebe, immer meine ich das Begriffene. Mit Frege: Ob ich dieses Ding Morgen- oder Abendstern nenne, das hat für den Sinn des Bezeichneten keinen Unterschied, es ist immer dieses da Begriffene.

Aber ob ich sage, dieser Stern heisse Margrit oder Hans, Haus oder Hund, das meint nicht den Stern im Sinn dieses Dings, es bezeichnet nicht dieses Ding als Stern, sondern legt dem Einzelding lediglich einen Namen bei. Nicht insofern er Stern ist, heisst er Hans oder Margritt, sondern insofern es dieses konkrete Etwas ist, nenne ich es so. Nicht also deshalb, weil es so beschaffen ist wie ein Stern, hat er seinen Namen, sondern weil ich es so nominiere und bestimme. Weshalb die Worte in unterschiedlichen Sprachen nicht Namen sind, sondern Begriffe in, wie man sagen könnte, unterschiedlichen Formen (Frege-Bedeutungen).

Und es ist das Wort, das auf die Perspektivität des Gegebenseins eines Ding verweist, weil nur das Wort das Ding in seiner Form-Vielfalt darstellt. Ein Name ist völlig unberührt von dieser Tatsache, dass ein Ding sich so oder anders präsentiert.



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Fr 16. Aug 2019, 13:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 16. Aug 2019, 12:38
Friederike hat geschrieben :
Fr 16. Aug 2019, 09:28
Name
der Name spielt auch in der sprachtheorie Walter Benjamins eine große Rolle. Wenn ich es richtig verstehe, ist im Namen alles "ausgesprochen". Ich würde das so verstehen, dass alles was über einen Gegenstand wahr ist, zum Gegenstand gehört und im Namen gesagt ist.
Das kann ich, vielleicht weil ich Benjamin nicht gelesen habe, nun überhaupt nicht nachvollziehen. Von den Dreien: Name, Wörter, Begriffe ist der Name das am wenigsten Dinghafte überhaupt. Es sei denn, es handle sich um einen Namen im 'Namen Gottes', dann kann ich etwas Wages damit anfangen.



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Friederike
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Fr 16. Aug 2019, 13:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 16. Aug 2019, 11:45
Die Unterscheidung von Begriff und Wort ist für diesen Thread vielleicht nicht ganz unwichtig?! "Maison" und "Haus" sind zwei verschiedene Worte für denselben Begriff. Maison reimt sich auf Raison. Und Haus auf Maus. :) sie stehen also für denselben Begriff, haben aber, wenn man so sagen möchte, unterschiedliche Material Eigenwerte. Und in dieser Weise kann der Dichter die Sinne in verschiedener Weise ansprechen :)
Apropos "reimen" und mit Blick auf den "Pseudo-Rilke", hier offtopic - "der Dingen" reimt sich auf "singen".





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