Die Übersetzung ist ein Scherz bzw. sie animiert zum Lachen. Ich weiß nur nicht, ob Adorno den Punkt trifft. Meine diffuse Ahnung meint, es sei was anderes. Aber was?Adorno hat geschrieben : § 26 [...] Es gibt ein »Mädchenlied« von Brahms, auf ein Gedicht von Heyse, darin stehen die Zeilen: »O Herzeleid, du Ewigkeit! / Selbander nur ist Seligkeit.« In der verbreitetsten amerikanischen Ausgabe wird das so gebracht: »O misery, eternity! / But two in one were ecstasy.« Aus den altertümlich leidenschaftlichen Hauptwörtern des Originals sind Kennworte für Schlager geworden, welche diesen anpreisen. In ihrem angedrehten Licht erstrahlt der Reklamecharakter der Kultur.
Sprache der Sinne und Sprache des Begriffs
- Friederike
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Entdecke eben in den "Minima Moralia" folgende Stelle:
- Friederike
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Friederike Mayröcker, "Requiem für Ernst Jandl", Frankf./M 2001, S. 23-27 enthält eine längere Notiz aus dem Dezember 1990, in der sie ihren Eindruck über ein Gedicht von Ernst Jandl festgehalten hat. Das Gedicht stelle ich vorweg. Die Notiz habe ich um die Ausführungen zum "Realitätshintergrund" (Mayröcker) gekürzt. Im Übrigen tippe ich den Text mit Interpunktion, Leerstellen usw. genau so, wie er im Druck steht.
"in der küche ist es kalt
ist jetzt strenger Winter halt
mütterchen steht nicht am herd
und mich fröstelt wie ein Pferd"
***
"Zu : in der küche ist es kalt
ein Wintergedicht/ein Endzeitgedicht/ein Gedicht um Tränen zu vergießen/ein Gedicht/ man möchte es umarmen, weil es alle Verzweiflung, alle Traurigkeit, alle Gottverlassenheit dieser Welt vermittelt. [...] Diese letzte Zeile, die von tiefster Verlassenheit, Vereinsamung, Ausgegrenztheit kündet, von trostsuchendem Identifikationsversuch mit der stummen Kreatur - der Droschkengaul in der Winterkälte, der stundenlang mit hängendem Kopf auf dem gleichen Platz steht, ohne Obsorge, ohne Betreuung, wartend auf einen Menschen, der ihn in Trab setzt - greift ans Herz. [...]
Diese Zeile : mütterchen steht nicht am Herd : drückt die verdammungswürdige, die entwürdigende Vergänglichkeit und Endlichkeit unseres Lebens aus, mütterchen steht nicht am Herd - wohin ist sie gegangen. Bis zuletzt hat sie ihre Aufgabe erfüllt, sie hat ihre Sache geleistet.
Herd : ja, das ist dieser winzige Kanonenofen, mit dem sie uns über die bittersten Kriegswinter hinübergerettet hat, er hatte ein wenig, wenngleich nur für Stunden, Wärme gespendet, sie hat darauf kleine Mahlzeiten gekocht, Brotsuppe vermutlich und gehamsterte Kartoffeln.
Dieses Gedicht, ein kleines Meisterwerk eines mir nahestehenden Dichters, während eines heftigen Depressionsschubs entstanden, gehört zu meinen Lieblingsgedichten".
Mich interessiert, wie Ihr das Gedicht wahrnehmt. Ohne die Interpretation von M., so ist es mir gegangen, hätte ich über das Gedicht hinweggelesen. Es ist kein inneres Bild aufgetaucht, meine Sinne blieben unberührt. M. nun hält es für ein "Meisterwerk", und das hauptsächlich ließ mich spitzohrig werden.
"in der küche ist es kalt
ist jetzt strenger Winter halt
mütterchen steht nicht am herd
und mich fröstelt wie ein Pferd"
***
"Zu : in der küche ist es kalt
ein Wintergedicht/ein Endzeitgedicht/ein Gedicht um Tränen zu vergießen/ein Gedicht/ man möchte es umarmen, weil es alle Verzweiflung, alle Traurigkeit, alle Gottverlassenheit dieser Welt vermittelt. [...] Diese letzte Zeile, die von tiefster Verlassenheit, Vereinsamung, Ausgegrenztheit kündet, von trostsuchendem Identifikationsversuch mit der stummen Kreatur - der Droschkengaul in der Winterkälte, der stundenlang mit hängendem Kopf auf dem gleichen Platz steht, ohne Obsorge, ohne Betreuung, wartend auf einen Menschen, der ihn in Trab setzt - greift ans Herz. [...]
Diese Zeile : mütterchen steht nicht am Herd : drückt die verdammungswürdige, die entwürdigende Vergänglichkeit und Endlichkeit unseres Lebens aus, mütterchen steht nicht am Herd - wohin ist sie gegangen. Bis zuletzt hat sie ihre Aufgabe erfüllt, sie hat ihre Sache geleistet.
Herd : ja, das ist dieser winzige Kanonenofen, mit dem sie uns über die bittersten Kriegswinter hinübergerettet hat, er hatte ein wenig, wenngleich nur für Stunden, Wärme gespendet, sie hat darauf kleine Mahlzeiten gekocht, Brotsuppe vermutlich und gehamsterte Kartoffeln.
Dieses Gedicht, ein kleines Meisterwerk eines mir nahestehenden Dichters, während eines heftigen Depressionsschubs entstanden, gehört zu meinen Lieblingsgedichten".
Mich interessiert, wie Ihr das Gedicht wahrnehmt. Ohne die Interpretation von M., so ist es mir gegangen, hätte ich über das Gedicht hinweggelesen. Es ist kein inneres Bild aufgetaucht, meine Sinne blieben unberührt. M. nun hält es für ein "Meisterwerk", und das hauptsächlich ließ mich spitzohrig werden.
- Jörn Budesheim
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Das Gedicht ist so wie ich Jandl liebe: so profan, so lapidar, so unpoetisch, so jandelig, dass mir die Interpretation zunächst völlig (völlig!) fremd war. Ich dachte zunächst sogar an einen Scherz! Und war auf die Auflösung des Scherzes gespannt. Schließlich klingt es wie die Interpretation eines hundsgewöhnlichen Lyrikstücks. Aber vielleicht lese ich Jandl immer zu sehr auf das jandelige hin, was oft einen Witz hat, zweu Stöck Zöcker, pördon und übersehe, was die Autorin sah. Interessanter Prozess!
Im Prinzip habe ich das Gedicht wie Mayröcker wahrgenommen, es drückt für mich große Einsamkeit, Verlassenheit, Antriebslosigkeit und Hoffnungslosigkeit aus. Obgleich, da Du nicht erwähntest, von wann das Gedicht ist und/oder unter welchen Umständen es entstanden ist, (was Mayröcker jedoch vermutlich wusste), mir einige der Assoziationen von Mayröcker fehlten wie "winziger Kanonenofen", "Kriegswinter", "Droschkengaul".Friederike hat geschrieben : ↑So 3. Dez 2017, 13:53Mich interessiert, wie Ihr das Gedicht wahrnehmt.
- Friederike
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1988 haben Mayröcker und Jandl beim Aufräumen seiner Wohnung einen Zettel gefunden, auf dem dieses Gedicht stand. Wann exakt er es notiert hatte, außer der Angabe, es sei während eines Depressionsschubs gewesen, das wußte er beim Auffinden des Zettels selber nicht mehr. Die näheren Umstände der Entstehung bleiben daher im Dunkeln. Die Assoziation "Pferd" mit dem Droschkengaul, stimmt, die konnte ich ebenso wie Du nicht herstellen. Das scheint mir jetzt, da Du darauf hnweist, nicht unentscheidend dafür, wie man die Zeilen liest. Das "Pferd" stand für mich unverankert da. Ein Wort, irgendein Wort. Ohne Bild, ohne Klang, ohne Aura. Ja, vielleicht muß man in Wien wohnen ...Herr K. hat geschrieben : ↑Mo 4. Dez 2017, 17:46Im Prinzip habe ich das Gedicht wie Mayröcker wahrgenommen, es drückt für mich große Einsamkeit, Verlassenheit, Antriebslosigkeit und Hoffnungslosigkeit aus. Obgleich, da Du nicht erwähntest, von wann das Gedicht ist und/oder unter welchen Umständen es entstanden ist, (was Mayröcker jedoch vermutlich wusste), mir einige der Assoziationen von Mayröcker fehlten wie "winziger Kanonenofen", "Kriegswinter", "Droschkengaul".
- Friederike
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Beim ersten Lesen des Gedichtes ist es mir wie Jörn gegangen. Jandl - das Spiel mit der Sprache, den Lauten, den Buchstaben, mehr oder weniger tiefsinnig. Zur Kenntnis genommen habe ich seine Lyrik sowieso nur, wenn sie im Rahmen lit. Abhandlungen o.ä. beispielhaft vorgeführt wurden, weil sie mich nie auf irgendeine Weise berührt hat.
Übrigens zeigt die Lesart dieses Gedichts sehr gut -durch mich und Jörn (falls ich Dich mit einbeziehen darf )- welchen enormen Einfluß die Erwartungshaltung auf die Rezeption hat. Das Wissen um den Autorennamen ist nun nicht mehr rückgängig zu machen. Mir fehlt die Phantasie, wie ich die Zeilen ohne Verfassernamen gelesen hätte.
Mayröcker schreibt zum letzten Vers, wenn das fröstelnde Pferd nun schon einmal unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, daß Jandl diese Zeile später gegen eine frühere Version, die er ausradiert hatte und die nicht mehr zu ermitteln war, ausgetauscht hat.
Übrigens zeigt die Lesart dieses Gedichts sehr gut -durch mich und Jörn (falls ich Dich mit einbeziehen darf )- welchen enormen Einfluß die Erwartungshaltung auf die Rezeption hat. Das Wissen um den Autorennamen ist nun nicht mehr rückgängig zu machen. Mir fehlt die Phantasie, wie ich die Zeilen ohne Verfassernamen gelesen hätte.
"Frösteln" = "ein wenig frieren"; ein "leichtes Frieren". Grammatikalisch und vom Gebrauch der Wörter her schließe ich mich Dir an. Wenn ich nun allerdings probehalber in die Wörter eintauche, dann bemerke ich, daß "frösteln" für mich das Bedeutungsumfeld eines Zustandes hat, der von innen her ausgelöst wird, der Körper und Seele erfaßt. "Frösteln" ist deutlich weniger punktuell und nur die Physis erfassend als "Frieren".novon hat geschrieben : Meint ihr, "fröstelt" (Diminutiv) wäre nicht auch so zu lesen...? Kein Drama lese ich. Wie "fröstelt" es Pferden...? Vermutlich recht beiläufig.
Mayröcker schreibt zum letzten Vers, wenn das fröstelnde Pferd nun schon einmal unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, daß Jandl diese Zeile später gegen eine frühere Version, die er ausradiert hatte und die nicht mehr zu ermitteln war, ausgetauscht hat.
- Friederike
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Als "kleines Meisterwerk" bezeichnet Mayröcker das Poem deswegen, so verstehe ich sie, jetzt schon besser als zuerst, weil es mit einzelnen, sparsam gesetzten Wörtern eine große Gefühls- und Daseinslandschaft beschreibt.
Wenn man eine Lesart für das fröstelnde Pferd wählt wie Du es tust @novon, welche Gefühlswelt wird dann eigentlich wachgerufen? Ödnis, Langeweile, Lustlosigkeit, Lebensverdruß ...?
Wenn man eine Lesart für das fröstelnde Pferd wählt wie Du es tust @novon, welche Gefühlswelt wird dann eigentlich wachgerufen? Ödnis, Langeweile, Lustlosigkeit, Lebensverdruß ...?
Jandl ist - ganz und gar nicht ohne Grund - ein Getriebener, im positivsten (weiß schon, geht eigentlich gar nicht) Sinne. Ein Mensch, der quasi das ganze Drama des 20sten Jhd. durchlebt und durchlitten hat und daheraus etwas schafft, das nicht als Anklage, sondern als Anschauung verstanden sein muss. Er zeigt schonungslos her ohne zu dramatisieren. Letzteres oblegt er - zwar quasi nötigend - dem individuellen Rezipienten.
https://www.youtube.com/watch?v=ixgbtOcEgXg
Und dann gibt es da noch eine (womöglich) gesellschaftskritische Rezeption...
https://www.youtube.com/watch?v=ccC25XOXXZE
https://www.youtube.com/watch?v=ixgbtOcEgXg
Und dann gibt es da noch eine (womöglich) gesellschaftskritische Rezeption...
https://www.youtube.com/watch?v=ccC25XOXXZE
- Jörn Budesheim
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Ja, spielerisch. Im ersten Moment wirkt Jandl trivial, fast banal und ungelenk. Dann fängt es an, im Hinterkopf zu kribbeln und man wird neugierig und setzt sich vielleicht ein wenig näher mit dem Dargebotenen auseinander. Was dabei rauskommt, beeindruckt, und noch mehr, nachdem man mal gewisser biografischer Details gewahr wurde. (Eingesetztes "Man" hier bitte als "Ich" lesen. *g)Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 7. Dez 2017, 09:11Gerade das Zusammenspiel des Spielerischen und Mörderischen macht die starke Wirkung aus, finde ich.
Keine Ahnung. Als Literat gehe ich nicht durch. *gJörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 7. Dez 2017, 09:11Diese widerborstige Verbindung von Inhalt und Form fehlt mir bei der Interpretation von Friederike Mayröcker.
Mayröcker ist mir lediglich als Jandls Lebensgefährtin und Coworker (s. 2tes Video oben) ein Begriff.
- Friederike
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Hatte Meinereiner nienicht irgendwie inzweifel gezogen, Meinereiner enthält sich aber auch definitiv eines entsprechend orientierten Urteils... *ggFriederike hat geschrieben : ↑Fr 8. Dez 2017, 10:18ojemineojemine ... naguteinkorrekturwörtchendoch - Jandl hielt Mayröcker für die bessere Poetin.
@novon, nimm es nicht persönlich.
(Auch als Poesiekritiker gehe ich nicht durch. Jandl stellt für mich einen Kreativen mit recht deutlicher und hoffenlich nachhaltig wirksamer Botschaft dar. Viel mehr interessiert mich hier nicht.)
- Jörn Budesheim
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"Was 'sagt' denn eine Dichtung? Was teilt sie mit? Sehr wenig dem, der sie versteht."
Walter Benjamin, Die Aufgabe des Übersetzers (zitiert nach Wolfram Eilenberger via Twitter)
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Hier soll es hin, ein Gedicht der F. Mayröcker ...*
Aspekte der Malerei
und jeden Tag der Blumenstrauß
im Milchglasfenster vis-à-vis
ich ahne Tulpenrot in altem Blechgeschirr,
und weißen Phlox, und Doldengelb sehr murmelnd.
("Es auseinanderblutet wie der heilige Geist ...")
vielleicht ist die letzte Zeile ein Zitat aus einem Gedicht, ich weiß es nicht.
* aus: F.M., "Mein Arbeitstirol", 2003).
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* aus: F.M., "Mein Arbeitstirol", 2003).
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ich ahne Tulpenrot in altem Blechgeschirr,
und weißen Phlox, und Doldengelb sehr murmelnd.
("Es auseinanderblutet wie der heilige Geist ...")
Unter Verweis zum Bedeutungsüberschuß des Denkens über die Sprache (Blumenberg) und den "Totaleindrücken" (J. Möser), die Sprache nicht wiedergeben könne (Auinger-Thread), meine ich hier im Gedicht aus der Perspektive der Lesenden bestätigt zu finden, daß die Sprache lediglich die "Tangenten anlegt". Während ich die Wörter lese, sehe ich Farben, Formen, sich verändernde Bilder (Stilleben), ich höre ein leises Geräusch. Dann wie ein Bruch, der Wechsel vom reinen Sehen und Hören zum auch Denken. Was da auseinanderblutet, das "es", das Bild, die Ansicht des gegenüberliegenden Fensters ...? Der heilige Geist nur für sich ist (bildloses) Denken. Warum er auseinanderblutet und was dieses noch nie gehörte Wort meint ... ? Ich kann mir keinen Reim drauf machen, d.h. eine Erklärung/Interpretation finden, die zwischen dem letzten Zeile und den vorangehenden Zeilen einen -sinnvollen- Zusammenhang herstellt. Aber in erster Linie kommt es mir sowieso darauf an, daß das Gedicht sehr gut demonstriert, wie die Wörter und/oder Begriffe (ich gebrauche sie hier synonym) lediglich wie Initiatoren für Eindrücke fungieren.
und jeden Tag der Blumenstrauß
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und weißen Phlox, und Doldengelb sehr murmelnd.
("Es auseinanderblutet wie der heilige Geist ...")
Unter Verweis zum Bedeutungsüberschuß des Denkens über die Sprache (Blumenberg) und den "Totaleindrücken" (J. Möser), die Sprache nicht wiedergeben könne (Auinger-Thread), meine ich hier im Gedicht aus der Perspektive der Lesenden bestätigt zu finden, daß die Sprache lediglich die "Tangenten anlegt". Während ich die Wörter lese, sehe ich Farben, Formen, sich verändernde Bilder (Stilleben), ich höre ein leises Geräusch. Dann wie ein Bruch, der Wechsel vom reinen Sehen und Hören zum auch Denken. Was da auseinanderblutet, das "es", das Bild, die Ansicht des gegenüberliegenden Fensters ...? Der heilige Geist nur für sich ist (bildloses) Denken. Warum er auseinanderblutet und was dieses noch nie gehörte Wort meint ... ? Ich kann mir keinen Reim drauf machen, d.h. eine Erklärung/Interpretation finden, die zwischen dem letzten Zeile und den vorangehenden Zeilen einen -sinnvollen- Zusammenhang herstellt. Aber in erster Linie kommt es mir sowieso darauf an, daß das Gedicht sehr gut demonstriert, wie die Wörter und/oder Begriffe (ich gebrauche sie hier synonym) lediglich wie Initiatoren für Eindrücke fungieren.
Mir ging es gleich: Die Begriffe geben im Gedicht nur das Nötigste vor. Sie lesen sich wie ein unfertiges Puzzle, dessen fehlenden Teile im Gegenüber liegen, der sie alle zu einem Ganzen zusammensetzt.
Ein wunderbares Gedicht.
(Zur Deutung muss ich mir noch ein paar Gedanken machen.)
Ein wunderbares Gedicht.
(Zur Deutung muss ich mir noch ein paar Gedanken machen.)
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Alle lächeln in derselben Sprache.
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Lest ihr euch selbst das Gedicht laut vor?
Bei mir spielen insbesondere diese Punkte ineinander:
Bei mir spielen insbesondere diese Punkte ineinander:
- der angenehme Sprachrhythmus, der jedoch nach hinten für mich schwieriger wird, ich habe das Gefühl eine Stimme zu hören - das Gedicht spricht mich an, bis plötzlich dieses Zitat kommt, das für mich stimmlos ist und "stört".
- Das Fenster als Chiffre der Malerei - wenn man so will der gerahmte Blick - wobei es ja zusätzlich ein Fenster im Fenster ist, vermute ich
- Dieser Augenblick, der sowohl ganz besonders ist, aber dennoch Teil einer täglichen Routine.
- Eine andere, eine andere private Welt, die durch das Milchglas verborgen ist, sodass ihr (Mayröckers) Blick darauf ruhen kann, ohne zudringlich zu sein.
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Nein. Erst nachdem Du gefragt hast.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 15. Apr 2018, 16:57Lest ihr euch selbst das Gedicht laut vor?
Stimmt. Beim lauten Lesen bremst "sehr murmelnd" auf zweifache Weise den Fluß. Mir war nur der Wechsel zum Hörsinn aufgefallen. Aber der ruhige Lauf des Sprachrythmus wird ebenfalls gestört. Eine Stimme habe ich nicht gehört und höre ich nicht. Aber das macht ja nichts.Jörn hat geschrieben : Bei mir spielen insbesondere diese Punkte ineinander:
- der angenehme Sprachrhythmus, der jedoch nach hinten für mich schwieriger schwieriger wird, ich habe das Gefühl eine Stimme zu hören - das Gedicht spricht mich an, bis plötzlich dieses Zitat kommt, das für mich stimmlos ist und "stört".
Ich habe versucht, das Zitat im Kursivdruck irgendwo zu finden (falls es sich um ein Zitat handelt), bisher vergebens. Aber was mir in diesem Moment einfällt @Jörn, der Titel und die letzte Zeile sind kursiv (in der Buchausgabe sind durchaus nicht alle Titel kursiv) ... hast Du irgendeine Idee zu einem Gemälde, auf das die letzte Zeile hinweisen könnte?
- Jörn Budesheim
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Ich habe weder bei Google noch in meiner Erinnerung etwas dazu gefunden :)