Poetische Philosophie

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Tosa Inu
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Friederike hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 16:27
Du meinst also, im Text würde auf Anfang und Ende der Menschheitsgeschichte Bezug genommen.
Der Text spricht ja eigentlich für sich und das recht klar.
Ich meinte, dass man in die Welt hineinliest, was man erwartet/sucht. Lange sah man Evolution als Spiel der Konkurrenz, kaum deuteten Frauen dasselbe, war Kooperation und Sorge im Spiel. Die finden wir auch bei Heidegger.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 4. Okt 2017, 23:05
Philosophist hat geschrieben :
Sa 30. Sep 2017, 06:47
Ok ich glaube dich da zu verstehen....
Ja, wir sind hier ziemlich einer Meinung.
Was aber immer blöd ist, für den Fortgang der Diskussion.
Wo machen wir weiter?
Naja vielleicht ist das ja nur in diesem Punkt der Fall...

Aber natürlich können kontroverse Diskussionen "spannender" sein, als wenn man immer einer Meinung ist.

Zu deiner Frage: kann ich so ad hoc nicht beantworten. Entweder vielleicht ein neues Gedicht oder die "alten Gedichte" Heidegges versuchen weiterzuanalysieren.



φιλοσοφος και σοφιστες

"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

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Fr 6. Okt 2017, 04:33

Friederike hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 12:03
Tosa Inu hat geschrieben : Ja, wir sind hier ziemlich einer Meinung. Was aber immer blöd ist, für den Fortgang der Diskussion.
Wo machen wir weiter?
Hmja, hier beispielsweise? Und vielleicht sogar kontrovers? Und noch besser, falls Euch der Textauszug nicht bekannt ist, dann ratets bzw. tüftelt herum, bevor Ihr die Quelle anseht.
Anonymus hat geschrieben : Zuletzt die Idee, die alle vereinigt, die Idee der Schönheit, das Wort in höherem platonischen Sinne genommen. Ich bin nun überzeugt, daß der höchste Akt der Vernunft, der, indem sie alle Ideen umfaßt, ein ästhetischer Akt ist und daß Wahrheit und Güte nur in der Schönheit verschwistert sind. Der Philosoph muß ebensoviel ästhetische Kraft besitzen als der Dichter. Die Menschen ohne ästhetischen Sinn sind unsere Buchstabenphilosophen. Die Philosophie des Geistes ist eine ästhetische Philosophie. Man kann in nichts geistreich sein, selbst über Geschichte kann man nicht geistreich raisonnieren – ohne ästhetischen Sinn. Hier soll offenbar werden, woran es eigentlich den Menschen fehlt, die keine Ideen verstehen – und treuherzig genug gestehen, daß ihnen alles dunkel ist, sobald es über Tabellen und Register hinausgeht.

Die Poesie bekommt dadurch eine höhere Würde, sie wird am Ende wieder, was sie am Anfang war – Lehrerin der Menschheit; denn es gibt keine Philosophie, keine Geschichte mehr, die Dichtkunst allein wird alle übrigen Wissenschaften und Künste überleben.
Am dunkelsten ist mir die Prophezeiung am Schluß. Bezieht sich der Text auf eine konkrete historische Situation? Oder ist es eine fiktive bzw. systematische Heilsgeschichte der Poesie? Versteht Ihr es auch so, daß der höchste Vernunftakt, der ein ästhetischer ist, am Ende (welchem Ende auch immer) die Vernunft auflöst, sodaß an die Stelle der Vernunft die reine Ästhetik bzw. die Poesie tritt?


Könnte es sich bei dem Anonymus um Adorno hier handeln?

Es ist auf jedenfall interessant wie die Poesie hier bestimmt wird.



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Sa 7. Okt 2017, 09:40

Philosophist hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 04:31
Zu deiner Frage: kann ich so ad hoc nicht beantworten. Entweder vielleicht ein neues Gedicht oder die "alten Gedichte" Heidegges versuchen weiterzuanalysieren.
Oder vielleicht noch mal eine Schritt ins Allgemeinere und der Frage nach dem Verhätnis von Wahrheit, Schönheit und dem Guten?
Man hat ja immer versucht, alles auf einen Aspekt zu reduzieren wobei viele Wahrheitssucher von der Möglichkeit alles in Richtung Schönheit aufzulösen erstaunlich angetan waren. Heute ist man wieder versessen auf die Wahrheit, scheint mir.



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Sa 7. Okt 2017, 21:19

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Okt 2017, 09:40

Oder vielleicht noch mal eine Schritt ins Allgemeinere und der Frage nach dem Verhätnis von Wahrheit, Schönheit und dem Guten?
Man hat ja immer versucht, alles auf einen Aspekt zu reduzieren wobei viele Wahrheitssucher von der Möglichkeit alles in Richtung Schönheit aufzulösen erstaunlich angetan waren. Heute ist man wieder versessen auf die Wahrheit, scheint mir.

Wäre das dann nicht auf Platon im Grunde bzw. auf eine "platonische" Trias? Denn der Zusammenhang von Wahrheit, Schönheit und dem Guten ist doch im Grunde zutiefst platonisch geprägt oder ?

Jedenfalls ist ja das platonische Denken mit der "Wahrheitssuche" assoziert und dem Denken über das Schöne...Man kann da auch an den Neuplatonismus a la Plotin usw denken.

Ich bin nicht sicher , ob die heutige Zeit sich besonders durch einen Bezug zur Wahrheit auszeichnet...(außer wenn man an die sog. "Fake-News" Debatte/Thematik denkt). Und ich habe nicht den Eindruck, dass dies in Bezug auf die (philosophische) Dichtung hin thematisiert wird.



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Mo 9. Okt 2017, 12:40

Philosophist hat geschrieben :
Sa 7. Okt 2017, 21:19
Wäre das dann nicht auf Platon im Grunde bzw. auf eine "platonische" Trias? Denn der Zusammenhang von Wahrheit, Schönheit und dem Guten ist doch im Grunde zutiefst platonisch geprägt oder ?
Ja.
Philosophist hat geschrieben :
Sa 7. Okt 2017, 21:19
Ich bin nicht sicher , ob die heutige Zeit sich besonders durch einen Bezug zur Wahrheit auszeichnet...(außer wenn man an die sog. "Fake-News" Debatte/Thematik denkt). Und ich habe nicht den Eindruck, dass dies in Bezug auf die (philosophische) Dichtung hin thematisiert wird.
Ich meinte das so, dass das Schöne und Gute oft als etwas gesehen wird, was einen evolutionären Nutzen haben soll und dass es allein oder vorrangig darum geht, wird als wahr angesehen.

Ich hatte den Eindruck, dass das hier durchaus kritisch gesehen wird, ob vom unbekannten Autor, Heidegger und anderen. Z.B. Schönheit als Vermittler zwischen wahr und gut. Da könnte man weiter bohren. Die heutigen Deutungen sehen z.B. Schönheit als Symmetrie, die ist dann ein Hinweis auf biologische Fitness und die Auswahl biologisch fitter Partner ist wiederum sinnvoll für die intakte Evolution.



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Di 10. Okt 2017, 04:18

Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 12:40
Ja.
Okay,
Tosa Inu hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 12:40
Ich meinte das so, dass das Schöne und Gute oft als etwas gesehen wird, was einen evolutionären Nutzen haben soll und dass es allein oder vorrangig darum geht, wird als wahr angesehen.

Ich hatte den Eindruck, dass das hier durchaus kritisch gesehen wird, ob vom unbekannten Autor, Heidegger und anderen. Z.B. Schönheit als Vermittler zwischen wahr und gut. Da könnte man weiter bohren. Die heutigen Deutungen sehen z.B. Schönheit als Symmetrie, die ist dann ein Hinweis auf biologische Fitness und die Auswahl biologisch fitter Partner ist wiederum sinnvoll für die intakte Evolution.
Das wäre dann vermutlich einer "evolutionäre Denkweise" . Der Bezug zur Schönheit im biologistischen (Selektion und biologische Fitness)
oder/und darwinistischen Sinne, ist glaube ich , nicht etwas , womit Heidegger vielleicht viel anfangen konnte..ich vermute, dass er mit Darwin und der Evolutionstheorie /Denkweise eher kritisch umgeht, wenn er sich überhaupt damit befasst. Heidegger denkt nicht an den "evolutionäre Nutzen", wenn er über das Schöne und das Gute nachdenkt, sondern er geht da eher von philosophischer Seite an dieses Thema, z.B. in Auseinandersetzung mit Platon/dem Platonismus/der platonischen Ästhetik. Denn die Rede vom Guten, Schönen und Wahren ist eben mit Platon philosophiegeschichtlich assoziert. Wie kann das (moralisch) Gute aber als "evolutionärer Nutzen" verstanden werden?

Schönheit hat ja seine Beziehung zur Wahrheit, wenn man z.B. "wahre Schönheit" kommt von Innen (der Seele) her...und das Schöne wird ja als etwas Gutes betrachtet..und das Gute kann bzw. darf ja nicht hässlich...wohin gegen man auch von der "hässlichen" (der nicht-schönen) Wahrheit spricht> z.B. wenn man an Politik /politische Unwahrheit denkt.

Poesie/Dichtung bzw. "Poetische Philosophie" kann man ja auch als schön , wahr und gut ansehen/empfinden. Also die Schönheit eines Denkens wie vielleicht das Denken Platons , der ja auch auf seine "poetische Philosophie " betrieb...



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Di 10. Okt 2017, 13:25

Philosophist hat geschrieben : Poesie/Dichtung bzw. "Poetische Philosophie" kann man ja auch als schön , wahr und gut ansehen/empfinden. Also die Schönheit eines Denkens wie vielleicht das Denken Platons , der ja auch auf seine "poetische Philosophie " betrieb ...
@Philosophist, ich vermute, zwischen "seine" und "poetische Philosophie" hattest Du "Art" o.ä. vergessen einzufügen? Dies als zutreffend vorausgesetzt, möchte ich wieder einmal zitieren bzw. muß ich mangels Bewandertheit auf dem platonischen Feld wieder einmal zitieren:
Köhler hat geschrieben : In der „Apologie” sagt Sokrates, dass er nach den Politikern auch die Dichter geprüft und festgestellt habe, dass die Dichtung nicht auf einem Wissen oder gar einer Weisheit beruhe. Die Dichter dichteten einfach nur begeisternd bzw. redeten begeistert daher. Weil sie gut dichten könnten, hielten sie sich auch sonst für weise, aber das sei eben nur eine Selbsttäuschung. Selbst wenn ein Gott durch den Dichter spräche, wie sie glauben, so sei die Weisheit des Dichters kein Wissen, sondern nur Enthusiasmus. Darin ähnelten die Dichter übrigens den Politikern. Und so wird im „Gorgias” die Poesie als Schmei­chelkunst hingestellt, die nur der Volksbelustigung dient. Doch der Haupteinwand Platons im „Phaidon” lautet, dass Dichtung keine Begründungen liefert, durch sie also nicht argumentiert wird, sondern nur Geschichten erzählt werden. Dadurch war die Poesie für Platon minderwertiger als die Philosophie.

Wenn man die merkwürdige Ambivalenz einmal beiseite lässt, dass Platon auf poetische Weise antipoetische Thesen vertreten lässt, so kann er als der erste Denker betrachtet werden, der zwischen der Philosophie und der Poesie eine Grenze gezogen hat, die in einer Vorrangstellung der Philosophie gipfelte.
Mit "Ambivalenz" kennzeichnet der Autor das, was Du "seine Art" nennst? Verstehe ich Dich richtig? Soweit ich mich bei Platon auskenne, halte ich auf jeden Fall die zweite These in der letzten Passage für zutreffend. Zumindest kommen Menschen zur Erkenntnis der "Ideen" ("Gut" als der Höchsten, "Schön" wohl nachgeordnet?) nicht durch die Dichtung, aber auch nicht durch das argumentative Denken, sondern durch die "Schau". Allerdings ist das kein Erkenntnisakt, der schriftlich funktioniert, oder?




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Di 10. Okt 2017, 16:06

Philosophist hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 04:18
Wie kann das (moralisch) Gute aber als "evolutionärer Nutzen" verstanden werden?
In dem man z.B. denkt, dass Kooperation einerseits als gut empfunden wird, andererseits aber als nützlich, weil die Kooperation reziprok vergolten wird.
Philosophist hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 04:18
Schönheit hat ja seine Beziehung zur Wahrheit, wenn man z.B. "wahre Schönheit" kommt von Innen (der Seele) her...und das Schöne wird ja als etwas Gutes betrachtet..und das Gute kann bzw. darf ja nicht hässlich...wohin gegen man auch von der "hässlichen" (der nicht-schönen) Wahrheit spricht> z.B. wenn man an Politik /politische Unwahrheit denkt.
Wobei es im Tao te king heißt, dass schöne Worte nicht wahr und wahre Worte nicht schön sind. ;)
Aber stimmt, bei uns gibt es diesen Zusammenhang und die Idee, dass freundliche Menschen eine schöne Seele haben.
Philosophist hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 04:18
Poesie/Dichtung bzw. "Poetische Philosophie" kann man ja auch als schön , wahr und gut ansehen/empfinden. Also die Schönheit eines Denkens wie vielleicht das Denken Platons , der ja auch auf seine "poetische Philosophie " betrieb...
Harmonie könnte hier so ein Begriff sein, der beides verbindet.

Ich habe jetzt schon ein paar mal gedacht, dass Heidegger ein sehr weiblicher Denker war. Empfindet das jemand außer mir auch so?



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Di 10. Okt 2017, 16:30

Tosa Inu hat geschrieben : Ich habe jetzt schon ein paar mal gedacht, dass Heidegger ein sehr weiblicher Denker war. Empfindet das jemand außer mir auch so?
Was Heidegger angeht, fühle ich mich für ein nur einigermaßen sachgerechtes Urteil viel zu befangen (als Richterin müßte ich mich selber von diesem Fall dispensieren lassen). Der Ausdruck "weiblicher Denker" impliziert ja nicht gerade wenige und unwichtige Voraussetzungen, denen ich bereits zugestimmt hätte, wenn ich Deine Frage zustimmend oder ablehnend beantworten würde. Letzteres ist allerdings eh ab vom Thema dieses Threads.




Tosa Inu
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Di 10. Okt 2017, 17:17




„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Di 10. Okt 2017, 19:39

Friederike hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 13:25
@Philosophist, ich vermute, zwischen "seine" und "poetische Philosophie" hattest Du "Art" o.ä. vergessen einzufügen? Dies als zutreffend vorausgesetzt, möchte ich wieder einmal zitieren bzw. muß ich mangels Bewandertheit auf dem platonischen Feld wieder einmal zitieren:
Zunächst, möchte ich sagen, dass du da richtig liegst. Ich meine nämlich, dass Platon auf seine "Art" eben "poetische Philosophie" betrieb. Und habe in der Tat das Wort "Art" vergessen dabei hinzusetzen. :?


Köhler hat geschrieben : In der „Apologie” sagt Sokrates, dass er nach den Politikern auch die Dichter geprüft und festgestellt habe, dass die Dichtung nicht auf einem Wissen oder gar einer Weisheit beruhe. Die Dichter dichteten einfach nur begeisternd bzw. redeten begeistert daher. Weil sie gut dichten könnten, hielten sie sich auch sonst für weise, aber das sei eben nur eine Selbsttäuschung. Selbst wenn ein Gott durch den Dichter spräche, wie sie glauben, so sei die Weisheit des Dichters kein Wissen, sondern nur Enthusiasmus. Darin ähnelten die Dichter übrigens den Politikern. Und so wird im „Gorgias” die Poesie als Schmei­chelkunst hingestellt, die nur der Volksbelustigung dient. Doch der Haupteinwand Platons im „Phaidon” lautet, dass Dichtung keine Begründungen liefert, durch sie also nicht argumentiert wird, sondern nur Geschichten erzählt werden. Dadurch war die Poesie für Platon minderwertiger als die Philosophie.

Wenn man die merkwürdige Ambivalenz einmal beiseite lässt, dass Platon auf poetische Weise antipoetische Thesen vertreten lässt, so kann er als der erste Denker betrachtet werden, der zwischen der Philosophie und der Poesie eine Grenze gezogen hat, die in einer Vorrangstellung der Philosophie gipfelte.
Das Zitat finde ich für die Diskussion sehr gut ausgewählt und sehr erhellend. Es gibt dazu zu sagen, dass es bei Platon eine sog. Dichterkritik in seinem "Staat" (Politeia) gibt . Für ihn soll "schlechte" Dichtung aus seinem (Ideal) Staat entfernt werden, während eine bestimmte Art von Dichtung, die den Menschen glaube ich moralisch bessern soll, in seinem Staat erlaubt ist. Die Anspielung auf die "Apologie" des Sokrates, ist insofern gut, da auch hier ein kritischer Blick auf die übliche Dichtung bei Platon eröffnet wird. Im "Gorgias" selbst wird das thematisiert (502e): "Oder scheinen dir nicht die Dichter auf der Schaubühne Redekunst zu treiben"...diese Redekunst der Dichter wird dann als "Schmeichelei" (κολακικην) bezeichnet. Die Dichter, welche Redekunst treiben, schmeicheln damit den Bürgern, machen sie aber dadurch nicht (moralisch) besser. Insofern wird diese Art von Poesie/Dichtung von Platon/Sokrates auch kritisch gesehen, sie führt auch zu keinem wahren Wissen. Den "Haupteinwand" im Phaidon kenne ich jedenfalls nicht und müsste mir das erstmal anschauen. Kurz: es gibt eine Kritik an der üblichen Dichtung bei Platon, aber das führt nicht dazu, dass die Dichtung per se bei Platon verdammt wird, sondern nur eine bestimmte Form von Dichtung für Platon in Frage kommt. Welche dies genau ist, müsste man dann aber nochmal genauer schauen. Jedenfalls ist mir das aus meiner Lektüre von Platons Dialogen in Erinnerung geblieben....Aus dieser Sicht gesehen, ist natürlich die "übliche" Poesie "minderwertiger" als die Philosophie. Platon als der "Dichter unter den Philosophen" hat auf poetisch-philosophische Weise vermutlich eine bessere Form von philosophischer Dichtung (nämlich seine philosophisch- literarischen Dialoge) etablieren wollen gegen die übliche Art der griechischen Dichtung. Er hat vielleicht seine Form von poetischer Philosophie von der üblichen Form der Poesie damals abgrenzen wollen und es ist daher auch naheliegend, dass für ihn deshalb die Philosophie eine Vorrangstellung hat gegenüber der üblichen, schmeichlerischen Poesie, welche die Bürger nicht besser macht und sie nicht erzieht. Platon hat insofern auch "antipoetische" Thesen entwickelt, die sich aber nur gegen die übliche Form von Poesie gewendet hat, nämlich die Art von Poesie, welche in seinen Augen "schmeichlerisch" ist (siehe "Gorgias"). Platon selbst bleibt Dichter und Denker in einer Person. Als philosophischer Dichter bzw. als dichterischer Philosoph verdammt er nur die "schlechte" Form von Poesie. Welche diese ist, sollte allmählich glaube ich deutlich geworden sein...


Friederike hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 13:25
Mit "Ambivalenz" kennzeichnet der Autor das, was Du "seine Art" nennst? Verstehe ich Dich richtig? Soweit ich mich bei Platon auskenne, halte ich auf jeden Fall die zweite These in der letzten Passage für zutreffend. Zumindest kommen Menschen zur Erkenntnis der "Ideen" ("Gut" als der Höchsten, "Schön" wohl nachgeordnet?) nicht durch die Dichtung, aber auch nicht durch das argumentative Denken, sondern durch die "Schau". Allerdings ist das kein Erkenntnisakt, der schriftlich funktioniert, oder?

Wenn man so will, kann man bei Platon eine "ambivalente" Haltung zur Dichtung sehen. Platon verwirft ja nicht alle Formen von Poesie, sondern die , welche schmeichlerisch und dem Bürger nicht erzieht. Und Platons selbst verfährt ja dichterisch in seinen Werken, wenn er z.B. Mythen erzählt..Das ist dann eben seine Art "poetische Philosophie" zu betreiben...also dichterisch in seinen Dialogen zu verfahren (man denke da ans Symposion z.B.) und gleichzeitig sich gegen eine bestimmte Form von Dichtung auszusprechen, welche eben in seinen Augen (moralisch) "schlecht" ist. Ich glaube, was das Verstehen anbetrifft, geht man schon in die "richtige " Richtung. Soweit ich verstehe , kommt man zur Schau der Ideen eigentlich nur durch "Philosophie" wie Platon sie versteht (und auf "gute" Weise "poetisch/dichterisch" ist> die platonischen Dialoge als eine Form von philosophischer Dichtung, welche den Anspruch erhebt, den Bürger zu erziehen und ihn moralisch in die "richtige" Richtung zu bringen; also wenn man so will (platonische) Philosophie als die "bessere" Form von Dichtung, welche selbst auch zur geistigen Schau der Ideen führen soll (diese Dichtung ist allerdings auch "argumentative" , da es da auch zu argumentativen Gesprächen kommt).

Der Erkenntnisakt , soll glaube ich, ja durch das Lesen der "schriftlichen" Dialoge von statten gehen. Platon selbst hat ja geschrieben. Es ist allerdings umstritten, wie weit die Rolle der Mündlichkeit bei Platon wichtig ist, wenn man dabei an den sog. siebten Brief denkt, worauf du vielleicht anspielst. Es wird dann meistens gesagt, dass bestimmte Erkenntnisse sich nur mündlich für Platon darstellen lassen können, andererseits Platon aber auch Dialogen geschrieben hat und insofern auch die Schriftlichkeit für ihn wichtig war anscheinend , auch in Hinblick auf die "Erkenntnisakte" (die der Leser durch die Lektüre der Dialoge dadurch bekommen soll ).



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Di 10. Okt 2017, 19:47

Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 16:06
In dem man z.B. denkt, dass Kooperation einerseits als gut empfunden wird, andererseits aber als nützlich, weil die Kooperation reziprok vergolten wird.
Meinst du mit "gut empfinden" etwas als "moralisch gut empfinden"? Das ist mir noch nicht ganz klar, ob das nun auch im moralischen Sinne gemeint ist. Das Gute wird ja meistens mit Bezug zur Moral gedacht.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 16:06
Wobei es im Tao te king heißt, dass schöne Worte nicht wahr und wahre Worte nicht schön sind. ;)
Aber stimmt, bei uns gibt es diesen Zusammenhang und die Idee, dass freundliche Menschen eine schöne Seele haben.
Das ist "schöner" Hinweis , was das/den "Tao te king" anbetrifft ;) (und ich nicht kannte)

Aber in der Tat, im sog. "Westen" ist die Rede von der "schönen Seele" eben weit verbreitet. Also der gute Mensch mit der schönen Seele.
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 16:06
Harmonie könnte hier so ein Begriff sein, der beides verbindet.
Man kann ein poetisch-philosophisches Denken durchaus als "harmonisch" betrachten, also von der "Harmonie" eines Denkens sprechen...man spricht ja auch von der "schönen Harmonie"....und kann das auch auf das Denken eines Philosophen beziehen...
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 16:06
Ich habe jetzt schon ein paar mal gedacht, dass Heidegger ein sehr weiblicher Denker war. Empfindet das jemand außer mir auch so?
Das ist mir nicht ganz klar, warum du Heidegger als "weiblichen" Denker ansiehst. Eigentlich sollte bzw, kann man Nietzsche eher so sehen und zwar deshalb, weil das Thema Frau /Weiblichkeit in dessen Denken eine wesentlich größere Rolle spielt, als in Heidegger wie mir scheint. Was wäre an Heideggers Denken "weiblich" bzw. an diesem selbst?



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Di 10. Okt 2017, 19:50

Friederike hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 16:30
Tosa Inu hat geschrieben : Ich habe jetzt schon ein paar mal gedacht, dass Heidegger ein sehr weiblicher Denker war. Empfindet das jemand außer mir auch so?
Was Heidegger angeht, fühle ich mich für ein nur einigermaßen sachgerechtes Urteil viel zu befangen (als Richterin müßte ich mich selber von diesem Fall dispensieren lassen). Der Ausdruck "weiblicher Denker" impliziert ja nicht gerade wenige und unwichtige Voraussetzungen, denen ich bereits zugestimmt hätte, wenn ich Deine Frage zustimmend oder ablehnend beantworten würde. Letzteres ist allerdings eh ab vom Thema dieses Threads.
Zwar führt das vom eigentlichen Thema dieses Threads weg, ist aber nicht ganz uninteressant. Man könnte da gleich einen eigenen Thread diesbezüglich aufmachen ;) Ich würde allerdings sagen, dass Nietzsche mehr der "weibliche " Denker ist als Heidegger. Denn die Rolle der Frau/Weiblichkeit wird von Nietzsche glaube ich mehr behandelt philosophisch als von Heidegger oder? Wobei man natürlich klären müsste, was man genau unter einem "sehr weiblichen Denker" versteht....



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Mi 11. Okt 2017, 12:54

Philosophist hat geschrieben : Der Erkenntnisakt , soll glaube ich, ja durch das Lesen der "schriftlichen" Dialoge von statten gehen. Platon selbst hat ja geschrieben. Es ist allerdings umstritten, wie weit die Rolle der Mündlichkeit bei Platon wichtig ist, wenn man dabei an den sog. siebten Brief denkt, worauf du vielleicht anspielst. Es wird dann meistens gesagt, dass bestimmte Erkenntnisse sich nur mündlich für Platon darstellen lassen können, andererseits Platon aber auch Dialogen geschrieben hat und insofern auch die Schriftlichkeit für ihn wichtig war anscheinend , auch in Hinblick auf die "Erkenntnisakte" (die der Leser durch die Lektüre der Dialoge dadurch bekommen soll ).
Gut, daß Du u.a. auch diesen Teil meines Beitrages aufgreifst, weil mir gestern Abend spät noch einfiel, daß ich das unbedingt korrigieren muß. Was ich meinte, war nämlich nicht die Erkenntnis der Ideen (insbesondere des "Guten") über die Medien des Schriftlichen vs. des Mündlichen, sondern die besondere Art des Erkennens, die sich weder argumentativ denkend noch poetisch mythisch gestaltet. Mir ist zu der "Schau" der Ausdruck vom "dritten Auge" in den Sinn gekommen. Nicht so, als würde Platon davon ausgehen, es gäbe sowas wie ein eigenes Erkenntnis-Organ. Mehr in die Richtung, daß Denken und "richtiges" (=nicht-schmeichelndes) Dichten -insofern kämen hier beide Schreib- oder Erzählarten zusammen- in einen einzigen Erkenntnisakt münden. Und dieser letzte und höchste Erkenntnisakt ist allerdings weder zu sagen noch zu schreiben. So, meine ich zu erinnern, hätte ich Platon nach der "Politeia"-Lektüre interpretiert. Aber ich möchte es nicht beschwören (weder meine Einnerung noch daß ich Platon richtig interpretiert hätte :lol:).




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Philosophist hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 19:47
Meinst du mit "gut empfinden" etwas als "moralisch gut empfinden"? Das ist mir noch nicht ganz klar, ob das nun auch im moralischen Sinne gemeint ist. Das Gute wird ja meistens mit Bezug zur Moral gedacht.
Ja.
Michael Tomasello hat kürzlich Eine Naturgeschichte der menschlichen Moral vorgelegt, in der er exemplarisch zeigt, wie man Ethologie, Psychologie und Philosophie vereinen und aufeinander beziehen kann, so dass bestehende Brüche wirklich geschlossen werden. Konkret zeichnet er nach, wie aus der Notwendigkeit der gemeinsamen Nahrungssuche Schritt fur Schritt innere Ideale entstehen und über ein innere Wertesystem zu verfügen ist ja schon Ausdruck und weitere Voraussetzung für Moral. Ist aber ein anderes Thema, darum nur knapp.
Philosophist hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 19:47
Man kann ein poetisch-philosophisches Denken durchaus als "harmonisch" betrachten, also von der "Harmonie" eines Denkens sprechen...man spricht ja auch von der "schönen Harmonie"....und kann das auch auf das Denken eines Philosophen beziehen...
Vielleicht ist das zu Kalte, Technische, was nan der Rationalität (manchmal fälschlich) unterstellt, ja das Motiv sein Heil noch anderswo zu suchen?
Philosophist hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 19:47
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 10. Okt 2017, 16:06
Ich habe jetzt schon ein paar mal gedacht, dass Heidegger ein sehr weiblicher Denker war. Empfindet das jemand außer mir auch so?
Das ist mir nicht ganz klar, warum du Heidegger als "weiblichen" Denker ansiehst. Eigentlich sollte bzw, kann man Nietzsche eher so sehen und zwar deshalb, weil das Thema Frau /Weiblichkeit in dessen Denken eine wesentlich größere Rolle spielt, als in Heidegger wie mir scheint. Was wäre an Heideggers Denken "weiblich" bzw. an diesem selbst?
Sein eher ganzheitlicher, sehr "erdverbundener" Stil und der gewichtige Aspekt der Sorge, in seinem Werk, brachte mich auf die Idee, aber vielleicht bin ich da nur einem kulturellen Klischee über das weibliche Denken aufgesessen.



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Fr 13. Okt 2017, 02:25

Friederike hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 12:54

Gut, daß Du u.a. auch diesen Teil meines Beitrages aufgreifst, weil mir gestern Abend spät noch einfiel, daß ich das unbedingt korrigieren muß. Was ich meinte, war nämlich nicht die Erkenntnis der Ideen (insbesondere des "Guten") über die Medien des Schriftlichen vs. des Mündlichen, sondern die besondere Art des Erkennens, die sich weder argumentativ denkend noch poetisch mythisch gestaltet. Mir ist zu der "Schau" der Ausdruck vom "dritten Auge" in den Sinn gekommen. Nicht so, als würde Platon davon ausgehen, es gäbe sowas wie ein eigenes Erkenntnis-Organ. Mehr in die Richtung, daß Denken und "richtiges" (=nicht-schmeichelndes) Dichten -insofern kämen hier beide Schreib- oder Erzählarten zusammen- in einen einzigen Erkenntnisakt münden. Und dieser letzte und höchste Erkenntnisakt ist allerdings weder zu sagen noch zu schreiben. So, meine ich zu erinnern, hätte ich Platon nach der "Politeia"-Lektüre interpretiert. Aber ich möchte es nicht beschwören (weder meine Einnerung noch daß ich Platon richtig interpretiert hätte :lol:).

Wenn ich Platon richtig verstehe, spricht dieser auch von einem "geistigen" Auge, was zur "Schau der Ideen" führen soll (das ist vielleicht das , was du "drittes Auge" nennst). Bei Platon gibt es soweit ich mich erinnere eben auch die Rede von einem geistigen Sehen (ob damit ein eigenes Erkenntnisorgan gemeint ist, kann ich jetzt nicht sagen). Ich kann zwar deinen Gedankengang glaube ich folgen, aber mir scheint, dass er ein bisschen vom platonischen Denken insofern abweicht, da sich dieser letzte und höchste Erkenntnisakt zumindest durch mündliche Gespräche vermitteln ließe (man müsste da noch mal den sog. 7 Brief lesen in der Richtung). Das Schriftliche ist nur ein unzureichendes/unvollkommenes Mittel für Platon um zur höchsten Erkenntnis zu kommen, und dennoch hat ja Platon poetisch-philosophische Dialoge auch geschrieben. Aber es ist ja oft die Rede von einer "ungeschriebenen Lehre" bei Platon. D.h. dieser soll der Auffassung gewesen, dass sich nicht alles schriftlich mitteilen bzw. nicht alles mit Hilfe des Schriftlichen Erkennen könne vermutlich. Es gibt daher einen gewissen Primat des Mündlichen bei Platon und dennoch verwendet Platon in seinen Dialogen eben auch poetische Mythen, die auch eine gewisse Funktion des dichterisch-philosophischen Sagens haben und auch zu gewissen Erkenntnissen führen sollen. Bilder können für die Erkenntnis manchmal recht hilfreich sein.Die Frage ist nur, ob dieser "höchste Erkenntnisakt" tatsächlich nicht zu sagen, noch zu schreiben ist. Mir scheint eher naheliegend, dass wenigstens auf mündliche Weise dieser sich sagen lässt eventuell, denn das Schriftliche kommt bei Platon nicht gut weg. So schätze ich das jedenfalls momentan ein.. Eventuell müsste man da aber nochmal diesbezüglich die Politeia lesen (um da endgültig Klarheit zu bekommen> es gibt aber auch unterschiedliche Platon -Interpretationen. Endgültiges kann ich also erstmal nicht sagen).



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"(...) sondern weil die Philosophie wesentlich eine menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist, deshalb steckt in jedem Philosophen ein Sophist." (Heidegger ,Gesamtausgabe, Band 27, S.24)

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Fr 13. Okt 2017, 02:45

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 14:32
Ja.
Michael Tomasello hat kürzlich Eine Naturgeschichte der menschlichen Moral vorgelegt, in der er exemplarisch zeigt, wie man Ethologie, Psychologie und Philosophie vereinen und aufeinander beziehen kann, so dass bestehende Brüche wirklich geschlossen werden. Konkret zeichnet er nach, wie aus der Notwendigkeit der gemeinsamen Nahrungssuche Schritt fur Schritt innere Ideale entstehen und über ein innere Wertesystem zu verfügen ist ja schon Ausdruck und weitere Voraussetzung für Moral. Ist aber ein anderes Thema, darum nur knapp.


Tomasello ist mir nicht bekannt, daher danke ich für den Hinweis zu diesem. Über das Thema Moral kann man sicherlich locker einen eigenen Thread hier aufmachen (und auch über Tomasellos Buch). Daher auch meine Antwort dazu relativ knapp.

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 14:32
Vielleicht ist das zu Kalte, Technische, was nan der Rationalität (manchmal fälschlich) unterstellt, ja das Motiv sein Heil noch anderswo zu suchen?
Ja, oft wird Rationalität in der Art kritisch gesehen (also eine kalte , technische Rationalität). Aber wo könnte das Heil außerhalb der Rationalität liegen ? Mir scheint, dass wir Menschen normalerweise nur die Rationalität haben. Anderseits unterscheidet Nietzsche beispielsweise zwischen dem Apollinischen (Rationalität) und dem Dionysischen . Das dionysische Prinzip steht ja für das jenige, was sich der Rationalität unterordnet. Einer der ersten abendländischen Rationalisten so gesehen war ja Sokrates für Nietzsche. Und die Griechen werden von ihm gedeutet anhand dieser beiden genannten Kategorien. Aber das ist wie Ying und Yang. Es darf nicht allein nur eines der beiden Prinzipien existieren. Sondern es müssen beide gleich vorhanden sein. Der Mensch kann also nicht sein Heil im Dionysischen (arationalen) suchen, sondern er muss eben auch rational sein. Andererseits darf er wiederum nicht das dionysische Prinzip aus seinem Leben verbannen. Die Kunst führt ja in Nietzsches Augen das dionysische Prinzip vor (den "Schaffensrausch" und all das was man mit dem Dionysischen verbindet). Ich verstehe das also, das beide Prinzipien (Rational und Nicht-Rational) im Einklang beim Menschen sein sollen. Aber wie gesagt das Heil des Menschen kann dann nicht einfach im Dionysischen bestehen (was ja den Gegensatz dann zur kalten Rationalität/Vernünftigkeit darstellt). Das Dionysische wird dann mit der Musik und der Poesie glaube ich auch verbunden (und auch Sokrates treibt Musik). Jedenfalls verstehe ich so vom Prinzip her Nietzsches Ästhetik in diesem Punkt. Auch der (philosophische) Dichter verfährt beim Schaffen seiner Dichtung dionysisch , wenn man das mit Nietzsche betrachtet. Man könnte Nietzsches Dichtung "Also sprach Zarathustra" als Ausdruck eines dionysischen Geistes ansehen (und jeder der diesen Text gelesen hat, weiß wie wuchtig dieser Text insgesamt ist und sagen wir mal, wie wenig rational er ist).. Nietzsche war kurz gesagt. kein Freund der kalten Rationalität , die er dem Sokrates unterstellt im Grunde. Ich hoffe dieser kleine Nietzsche-Exkurs ist in diesem Zusammenhang erlaubt. Meines Erachtens passt er hier relativ gut zum Thema.

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 11. Okt 2017, 14:32
Sein eher ganzheitlicher, sehr "erdverbundener" Stil und der gewichtige Aspekt der Sorge, in seinem Werk, brachte mich auf die Idee, aber vielleicht bin ich da nur einem kulturellen Klischee über das weibliche Denken aufgesessen.

Ich glaube eher, das dies dem kulturellen Klischee der Weiblichkeit/über das weibliche Denken mehr entspricht , das ist jedenfalls mein Eindruck. Der Aspekt der Sorge bei Heidegger hat nichts mit "weiblicher Sorge" gemein, wenn ich mich richtig erinnere. Beim "erdverbundenen " Stil , hatte ich auch nicht so den Eindruck. Kannst du vielleicht etwas näher erläutern , was du mit diesem Stil genau meinst?



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Fr 13. Okt 2017, 11:41

Philosophist hat geschrieben : Wenn ich Platon richtig verstehe, spricht dieser auch von einem "geistigen" Auge, was zur "Schau der Ideen" führen soll (das ist vielleicht das , was du "drittes Auge" nennst). Bei Platon gibt es soweit ich mich erinnere eben auch die Rede von einem geistigen Sehen (ob damit ein eigenes Erkenntnisorgan gemeint ist, kann ich jetzt nicht sagen). Ich kann zwar deinen Gedankengang glaube ich folgen, aber mir scheint, dass er ein bisschen vom platonischen Denken insofern abweicht, da sich dieser letzte und höchste Erkenntnisakt zumindest durch mündliche Gespräche vermitteln ließe (man müsste da noch mal den sog. 7 Brief lesen in der Richtung). [...] Die Frage ist nur, ob dieser "höchste Erkenntnisakt" tatsächlich nicht zu sagen, noch zu schreiben ist. Mir scheint eher naheliegend, dass wenigstens auf mündliche Weise dieser sich sagen lässt eventuell, denn das Schriftliche kommt bei Platon nicht gut weg. So schätze ich das jedenfalls momentan ein.
Jaja, :lol: mir schwante schon, ich könnte "Mystik" (christlich-buddhistisch) mit Platons "Schau" zusammengerührt haben. Gut, man kann natürlich beides, mystische Erkenntnis und die Erkenntnis der Ideen, unter dem Aspekt der Ähnlichkeit oder dem der Unterschiedenheit betrachten, aber wenn, dann sollte man dies ordentlich -nicht schwafelig- tun (das geht an mich).




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Friederike hat geschrieben :
Fr 13. Okt 2017, 11:41

Jaja, :lol: mir schwante schon, ich könnte "Mystik" (christlich-buddhistisch) mit Platons "Schau" zusammengerührt haben. Gut, man kann natürlich beides, mystische Erkenntnis und die Erkenntnis der Ideen, unter dem Aspekt der Ähnlichkeit oder dem der Unterschiedenheit betrachten, aber wenn, dann sollte man dies ordentlich -nicht schwafelig- tun (das geht an mich).

Gut, dann scheint der Fall ja klar zu sein 8-) Mit buddhistischer/christlicher Schau kenne ich mich weniger aus als mit Platons "Schau". Ob man beides sinnvoll im Hinblick auf Ähnlichkeit miteinander vergleichen kann, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich mich eher mit der "Erkenntnis der Ideen" in Platons Philosophie befasst habe, als mit "mystischen Erkenntnissen" (buddhistisch/christlicher Art). Und dazu eher weniger was sagen kann. Klare, auf den Punkt gebrachte Aussagen sind natürlich gern gesehen ;)



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