Friederike hat geschrieben : ↑ Di 10. Okt 2017, 13:25
@Philosophist, ich vermute, zwischen "seine" und "poetische Philosophie" hattest Du "Art" o.ä. vergessen einzufügen? Dies als zutreffend vorausgesetzt, möchte ich wieder einmal
zitieren bzw. muß ich mangels Bewandertheit auf dem platonischen Feld wieder einmal zitieren:
Zunächst, möchte ich sagen, dass du da richtig liegst. Ich meine nämlich, dass Platon auf seine "Art" eben "poetische Philosophie" betrieb. Und habe in der Tat das Wort "Art" vergessen dabei hinzusetzen.
Köhler hat geschrieben : In der „Apologie” sagt Sokrates, dass er nach den Politikern auch die Dichter geprüft und festgestellt habe, dass die Dichtung nicht auf einem Wissen oder gar einer Weisheit beruhe. Die Dichter dichteten einfach nur begeisternd bzw. redeten begeistert daher. Weil sie gut dichten könnten, hielten sie sich auch sonst für weise, aber das sei eben nur eine Selbsttäuschung. Selbst wenn ein Gott durch den Dichter spräche, wie sie glauben, so sei die Weisheit des Dichters kein Wissen, sondern nur Enthusiasmus. Darin ähnelten die Dichter übrigens den Politikern. Und so wird im „Gorgias” die Poesie als Schmeichelkunst hingestellt, die nur der Volksbelustigung dient. Doch der Haupteinwand Platons im „Phaidon” lautet, dass Dichtung keine Begründungen liefert, durch sie also nicht argumentiert wird, sondern nur Geschichten erzählt werden. Dadurch war die Poesie für Platon minderwertiger als die Philosophie.
Wenn man die merkwürdige Ambivalenz einmal beiseite lässt, dass Platon auf poetische Weise antipoetische Thesen vertreten lässt, so kann er als der erste Denker betrachtet werden, der zwischen der Philosophie und der Poesie eine Grenze gezogen hat, die in einer Vorrangstellung der Philosophie gipfelte.
Das Zitat finde ich für die Diskussion sehr gut ausgewählt und sehr erhellend. Es gibt dazu zu sagen, dass es bei Platon eine sog. Dichterkritik in seinem "Staat" (Politeia) gibt . Für ihn soll "schlechte" Dichtung aus seinem (Ideal) Staat entfernt werden, während eine bestimmte Art von Dichtung, die den Menschen glaube ich moralisch bessern soll, in seinem Staat erlaubt ist. Die Anspielung auf die "Apologie" des Sokrates, ist insofern gut, da auch hier ein kritischer Blick auf die übliche Dichtung bei Platon eröffnet wird. Im "Gorgias" selbst wird das thematisiert (502e): "Oder scheinen dir nicht die Dichter auf der Schaubühne Redekunst zu treiben"...diese Redekunst der Dichter wird dann als "Schmeichelei" (κολακικην) bezeichnet. Die Dichter, welche Redekunst treiben, schmeicheln damit den Bürgern, machen sie aber dadurch nicht (moralisch) besser. Insofern wird diese Art von Poesie/Dichtung von Platon/Sokrates auch kritisch gesehen, sie führt auch zu keinem wahren Wissen. Den "Haupteinwand" im Phaidon kenne ich jedenfalls nicht und müsste mir das erstmal anschauen. Kurz: es gibt eine Kritik an der üblichen Dichtung bei Platon, aber das führt nicht dazu, dass die Dichtung per se bei Platon verdammt wird, sondern nur eine bestimmte Form von Dichtung für Platon in Frage kommt. Welche dies genau ist, müsste man dann aber nochmal genauer schauen. Jedenfalls ist mir das aus meiner Lektüre von Platons Dialogen in Erinnerung geblieben....Aus dieser Sicht gesehen, ist natürlich die "übliche" Poesie "minderwertiger" als die Philosophie. Platon als der "Dichter unter den Philosophen" hat auf poetisch-philosophische Weise vermutlich eine bessere Form von philosophischer Dichtung (nämlich seine philosophisch- literarischen Dialoge) etablieren wollen gegen die übliche Art der griechischen Dichtung. Er hat vielleicht seine Form von poetischer Philosophie von der üblichen Form der Poesie damals abgrenzen wollen und es ist daher auch naheliegend, dass für ihn deshalb die Philosophie eine Vorrangstellung hat gegenüber der üblichen, schmeichlerischen Poesie, welche die Bürger nicht besser macht und sie nicht erzieht. Platon hat insofern auch "antipoetische" Thesen entwickelt, die sich aber nur gegen die übliche Form von Poesie gewendet hat, nämlich die Art von Poesie, welche in seinen Augen "schmeichlerisch" ist (siehe "Gorgias"). Platon selbst bleibt Dichter und Denker in einer Person. Als philosophischer Dichter bzw. als dichterischer Philosoph verdammt er nur die "schlechte" Form von Poesie. Welche diese ist, sollte allmählich glaube ich deutlich geworden sein...
Friederike hat geschrieben : ↑ Di 10. Okt 2017, 13:25
Mit "Ambivalenz" kennzeichnet der Autor das, was Du "seine Art" nennst? Verstehe ich Dich richtig? Soweit ich mich bei Platon auskenne, halte ich auf jeden Fall die zweite These in der letzten Passage für zutreffend. Zumindest kommen Menschen zur Erkenntnis der "Ideen" ("Gut" als der Höchsten, "Schön" wohl nachgeordnet?) nicht durch die Dichtung, aber auch nicht durch das argumentative Denken, sondern durch die "Schau". Allerdings ist das kein Erkenntnisakt, der schriftlich funktioniert, oder?
Wenn man so will, kann man bei Platon eine "ambivalente" Haltung zur Dichtung sehen. Platon verwirft ja nicht alle Formen von Poesie, sondern die , welche schmeichlerisch und dem Bürger nicht erzieht. Und Platons selbst verfährt ja dichterisch in seinen Werken, wenn er z.B. Mythen erzählt..Das ist dann eben seine Art "poetische Philosophie" zu betreiben...also dichterisch in seinen Dialogen zu verfahren (man denke da ans Symposion z.B.) und gleichzeitig sich gegen eine bestimmte Form von Dichtung auszusprechen, welche eben in seinen Augen (moralisch) "schlecht" ist. Ich glaube, was das Verstehen anbetrifft, geht man schon in die "richtige " Richtung. Soweit ich verstehe , kommt man zur Schau der Ideen eigentlich nur durch "Philosophie" wie Platon sie versteht (und auf "gute" Weise "poetisch/dichterisch" ist> die platonischen Dialoge als eine Form von philosophischer Dichtung, welche den Anspruch erhebt, den Bürger zu erziehen und ihn moralisch in die "richtige" Richtung zu bringen; also wenn man so will (platonische) Philosophie als die "bessere" Form von Dichtung, welche selbst auch zur geistigen Schau der Ideen führen soll (diese Dichtung ist allerdings auch "argumentative" , da es da auch zu argumentativen Gesprächen kommt).
Der Erkenntnisakt , soll glaube ich, ja durch das Lesen der "schriftlichen" Dialoge von statten gehen. Platon selbst hat ja geschrieben. Es ist allerdings umstritten, wie weit die Rolle der Mündlichkeit bei Platon wichtig ist, wenn man dabei an den sog. siebten Brief denkt, worauf du vielleicht anspielst. Es wird dann meistens gesagt, dass bestimmte Erkenntnisse sich nur mündlich für Platon darstellen lassen können, andererseits Platon aber auch Dialogen geschrieben hat und insofern auch die Schriftlichkeit für ihn wichtig war anscheinend , auch in Hinblick auf die "Erkenntnisakte" (die der Leser durch die Lektüre der Dialoge dadurch bekommen soll ).