Prousts Betten
Verfasst: So 16. Aug 2020, 03:44
ROKOKO-SESSEL "Proust", überzogen mit einem Raster aus
bunten Farbklecksen, wie eine zweite Schicht über Polster,
Beine und Schnitzerei gelegt.
(aus: SCHÖNER WOHNEN)
Marthe Dubois-Amiot hatte es eilig, nach dem Tod ihres Mannes, Robert Proust, die geerbten Hinterlassenschaften zu Geld zu machen. Darunter befand sich auch das Messing-Bett ihres Schwagers Marcel Proust, nebst Schreibtisch, Bücherschrank, Briefen, Photos und einigem "Papierkram". Wir verdanken es dem Zufall, daß 1935 ein Parfumfabrikant und Liebhaber der Literatur, Jacques Guerin, in einer kleinen Buchhandlung in der Rue du Faubourg Saint Honore die Habseligkeiten Prousts erstand. - Das Drama um den Gute-Nacht-Kuß von Maman, das Zimmer im Grand-Hotel von Balbec, der neblige Herbsttag (Guermantes), den Marcel im Bett verbringt ... das Bett ist gleichsam eine Heterotopie en miniature, ein Gegenort, der Sehnsüchte und Ängste fixiert, Imaginationen und Träumereien anregt, ein Phantasiereservoir für die Grenzgebiete zwischen Fiktion und Wirklichkeit. -
Ein "schaukelndes Stück Raum" hat Rainer Warning die Foucault´schen Heterotopien genannt. Foucault selbst hat bekanntlich an ein Schiff gedacht als Paradigma für seine "anderen Räume". Darin ereignet sich das, was Roland Barthes Epiphanie genannt hat, "Augenblick der Wahrheit". - Für den chronisch Bettlägerigen sind Schlafen, Träumen, Dämmern, Erwachen Einstiegsszenarien in die untergegangenen Welten seiner Kindheit und jungen Jahre, die im Roman wiederauferstehen. Gilberte, Albertine, Odette, die Herzogin von Guermantes ... das Nachleben der Liebe. -
bunten Farbklecksen, wie eine zweite Schicht über Polster,
Beine und Schnitzerei gelegt.
(aus: SCHÖNER WOHNEN)
Marthe Dubois-Amiot hatte es eilig, nach dem Tod ihres Mannes, Robert Proust, die geerbten Hinterlassenschaften zu Geld zu machen. Darunter befand sich auch das Messing-Bett ihres Schwagers Marcel Proust, nebst Schreibtisch, Bücherschrank, Briefen, Photos und einigem "Papierkram". Wir verdanken es dem Zufall, daß 1935 ein Parfumfabrikant und Liebhaber der Literatur, Jacques Guerin, in einer kleinen Buchhandlung in der Rue du Faubourg Saint Honore die Habseligkeiten Prousts erstand. - Das Drama um den Gute-Nacht-Kuß von Maman, das Zimmer im Grand-Hotel von Balbec, der neblige Herbsttag (Guermantes), den Marcel im Bett verbringt ... das Bett ist gleichsam eine Heterotopie en miniature, ein Gegenort, der Sehnsüchte und Ängste fixiert, Imaginationen und Träumereien anregt, ein Phantasiereservoir für die Grenzgebiete zwischen Fiktion und Wirklichkeit. -
Ein "schaukelndes Stück Raum" hat Rainer Warning die Foucault´schen Heterotopien genannt. Foucault selbst hat bekanntlich an ein Schiff gedacht als Paradigma für seine "anderen Räume". Darin ereignet sich das, was Roland Barthes Epiphanie genannt hat, "Augenblick der Wahrheit". - Für den chronisch Bettlägerigen sind Schlafen, Träumen, Dämmern, Erwachen Einstiegsszenarien in die untergegangenen Welten seiner Kindheit und jungen Jahre, die im Roman wiederauferstehen. Gilberte, Albertine, Odette, die Herzogin von Guermantes ... das Nachleben der Liebe. -