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Gebrauchsweisen des Wortes "Sinn" – Die Sinn-Begriffe
Nach den Vorbemerkungen zum Sprachgebrauch wird klar sein, dass die Frage "Was ist der Sinn" nur bedingt zulässig ist. Sie ist unzulässig, wenn sie die Aufweisung eines Gegenstandes "Sinn" verlangt. Aber sie ist berechtigt, wenn sie eine Festlegung des beabsichtigten Gebrauchs des Wortes "Sinn" verlangt. Eine solche wird zweckmäßig von dem Gebrauch ausgehen, der sprachüblich ist, und wird klarstellen müssen, worin sie ihm folgt, worin sie etwa von ihm abweicht. Das Grimmsche Wörterbuch führt eine große Menge von Verwendungsweisen des Wortes an. Ein Versuch, sie in einen durchgehenden klaren Zusammenhang zu bringen, führt zur folgenden
Übersicht der Hauptbedeutungen
1. Eine ältere Bedeutung, fast schon veraltet, in der das Wort
Sinn für
Subjekt von Sinnakten steht; man könnte sagen
Sinn, der sinnt.
"Des Menschen Sinn"; ein fester, beständiger, ein wankelmutiger Sinn; hierher gehört, in engerer Bedeutung,
etwas im Sinne haben.
2. Verwandt mit 1, aber nicht veraltet:
Sinn als Fähigkeit des Empfindens, Wahrnehmens, Auffassens oder Würdigens. Die fünf Sinne; Spürsinn; Sinn für etwas haben.
3.
Sinn von geistigen Akten, Sinn-Akten, nämlich a)
Sinn eines Denkaktes, b) eines
Forderns, einer Forderung, c)
eines Wertens, einer Wertung, auch
Inhalt, Sinngehalt eines solchen Aktes genannt.
4. Sinn des Ausdruckes eines geistigen Aktes, also
Ausdrucks-Sinn, und zwar besonders Sinn von Sätzen: a) des Aussagesatzes, kurz der
Aussage, b) des
Forderungssatzes, c) des
Wertungssatzes. Im Zusammenhang des Satzes haben Teile, Wörter und Wortfügungen, die keine Satze sind, ihren
Sinn, d.h. sie bedeuten etwas, haben
Bedeutung.
Sinn als
Bedeutung haben auch Zeichen, die nicht einer Wortsprache angehören, sofern sie als
Ausdruck eines Sinngehalts auftreten; sie werden in Wortsprache übersetzbar sein, aber vielleicht nicht vollständig, so die hinweisende Gebärde. Hier ist von dem
ausgedrückten Sinngehalt zu scheiden der
Sinn des Ausdrückens, des Setzens von Ausdruck. So besonders Sinn des Redens vom Sinn der Rede (welchen Sinn hat es, dass du das jetzt und hier aussprichst? – Dabei kann der Sinn der Rede außer Frage stehen). Der Fall gehört zur nächsten Bedeutung:
5.
Sinn einer Handlung, eines Tuns, allgemeiner:
eines Verhaltens. Zunächst menschlichem, dann tierischem und am Ende auch pflanzlichem Verhalten zugeschrieben; verwandt mit Zweckhaftigkeit, gemäß der "Zielstrebigkeit des Lebens", wohl vom Verhaltens-, insbesonders Handlungssinn abgeleitet.
6.
Sinn einer Einrichtung, die Verhaltungsweisen und gewöhnlich auch dazugehörige Gegenstände umfasst; z.B. Sinn staatlicher Einrichtungen; von Organen, Organisationen. Hierher gehört auch der
Sinn eines Werkes, als des Ergebnisses einer Handlung, einer Tat.
7. In weitester Bedeutung spricht man vom
Sinn (irgend)
eines Geschehens, eines Vorganges und, im Zusammenhang damit, einer "Einrichtung" dinglicher Wirklichkeit – wobei, sofern man nicht an Handlungen eines Schöpfers denkt, die "übertragene" Anwendung des Ausdrucks gespürt wird.
In den Anwendungen 3 bis 7 steht
Sinn meist in der auszeichnenden (prägnanten) Bedeutung
guter Sinn. Es ist wichtig, zu bemerken, dass es eine nicht auszeichnende Bedeutung des Wortes gibt:
8.
Sinn als
Art und Weise,
Bestimmtheit, besonders
"innere" Bestimmtheit. Sinn einer Bewegung ist zunächst ihre
Richtung ("im Sinne des Pfeiles"), bei Drehungen der
Drehungssinn; der
Umlaufsinn (diese Anwendungen fehlen bei Grimm). Man spricht vom allgemeinen
Verlaufssinn eines Vorganges. Das ist nun Sinn eines Geschehens überhaupt, wertfrei und nicht gebunden an Zweckbestimmtheit oder "Zielstrebigkeit".
Man findet sich hingewiesen auf die Bedeutung, die das Wörterbuch als älteste erkennbare angibt und mit
Reise,
Weg in Verbindung bringt. Hier gibt's Richtungsbestimmtheit auch abgesehen von der Absicht.
Bestimmtheit, aber im eigentlichsten Sinn als "innere", als
Selbstbestimmtheit, verstanden, ist der
Sinn des Menschen, seine
Sinnesart (Bedeutung) als ein geistig sittliches "Wesen". Wie der allgemeine und gesamte Verlaufssinn eines Geschehens Richtungsänderungen, Phasenwechsel und das Umschlagen eines Teilsinns in den entgegengesetzten zulassen und umfassen kann, so "des Menschen Sinn", "Sinnesänderungen"; darin zeigt sich nur, dass das Wort
Sinn, im wertfreien wie im werthaften Gebrauch, umfassendere, mehr ganzhafte, zugleich "tiefere" oder mehr teilhafte, zugleich minder tiefgreifende Bedeutung haben kann."
(
Mally, Ernst.
Großes Logik-Fragment. 1941–44. In
Logische Schriften, hrsg. v. Karl Wolf & Paul Weingartner, 30-188. Dordrecht: Reidel, 1971. S. 37-9)