Multiple Realisierung

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
1+1=3
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Fr 5. Jan 2024, 05:03

Primär zu 2) - aber auch ganz allgemein:
Der Epiphänomenalismus kommt nicht infrage, da dies ein "steriler" Ansatz ist, der nichts erklärt (außer eben dass die "Materie" so einem Filmprojektor entspricht und "Geist" einem Film - letzterer nimmt auch keinen Einfluss auf seine "Ursache", sondern ist umgekehrt von diesem einseitig und vollständig determiniert). Dies käme einer "injektiven (linkseindeutigen) Zuordnung" gleich (und "beide Seiten" wären in diesem Sinne "identisch"...).
"Eine zweite Möglichkeit ist die Emergenztheorie, welche besagt, dass der Geist aus Materie hervorgeht und möglicherweise ein unabhängiges Eigenleben besitzt" ist bis auf die Tatsache korrekt, dass besagtes "Eigenleben" kein unabhängiges, sondern eben bedingtes darstellt. D.h. dass dafür Materie zureichend komplex und eben derart organisiert sein muss, dass ein (als solches naturgemäß "nichtmaterielles"...) "Systemverhalten" daraus resultiert, dass mit Fug und Recht als bspw. "intelligent", "sinnvoll", (buchstäblich!) "eigen-willig", "frei und selbstbestimmt" usw. usf. angesehen werden kann und als solches quasi in diesem Sinne nicht zuletzt auf die eigenen Bedingungen - etwa "lenkend"...! - zurückwirkt (und so eben nicht "steril" bleibt ...). ("Selbstorganisiert", "selbstbestimmt"...)
Wobei übrigens die daran beteiligten, diversesten Faktoren, Einflüsse etc. nicht notwendig "zentral aufgestellt" sein müssen (d.h. ein Gehirn allein ist zwar eine notwendige Bedingung für ein Bewusstsein, aber keine zureichende). Das betreffende System kann also äußerst "heterogen verfasst" sein ...

Die "Innerlichkeit" ist bei alldem eine (ihrerseits "evolvierte und potenziell weiter evolvierende") Sekundärerscheinung, wie sich ("subjektiv") dies alles halt "von innen anfühlt" usw. Inklusive sogenannter "Qualia" wie etwa Schmerzempfinden oder Farbwahrnehmung (-> "Geist-Perspektive" - auch die vermeintlich andere, die "Außenwahrnehmung", ist eben dies: eine Wahrnehmung und somit etwas genuin "Geistiges" - "an sich seiende Realität" ist "direkt" oder unmittelbar prinzipiell unerfahrbar). Diese "Begleitmusik" des "wahrnehmenden Bewusstseins" unterstützt die aufgeführten Vorgänge aber ggf. permanent und sozusagen "gleichursprünglich", ist mit diesen also "verschränkt" usw. und stellt so auch einen Beitrag zur betreffenden "Gesamtleistung" dar.

Zur "multiplen Realisierung": Wieso sollte es sie nicht geben? Eben ggf. kann einmal ein bestimmter Zustand auf die eine Weise "emergieren", ein anderes Mal auf anderem Wege. Aus welchem Grund sollte immer nur ein bestimmtes "Entstehungsgeschehen" für ein bestimmtes Ergebnis "reserviert" sein? "Alle Wege führen nach Rom." Na ja, nicht alle, aber vielleicht einige ... So könnte ein ("qualitativer") Zustand also mit verschiedenen Dispositionen korellieren (und "identisch" sein).




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 07:39

1+1=3 hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 05:03
Der Epiphänomenalismus kommt nicht infrage, da dies ein "steriler" Ansatz ist, der nichts erklärt (außer eben dass die "Materie" so einem Filmprojektor entspricht und "Geist" einem Film - letzterer nimmt auch keinen Einfluss auf seine "Ursache", sondern ist umgekehrt von diesem einseitig und vollständig determiniert). Dies käme einer "injektiven (linkseindeutigen) Zuordnung" gleich (und "beide Seiten" wären in diesem Sinne "identisch"...).
Meinen Sie nicht, dass Sie Ihre eigene Position überschätzen? Es gibt immerhin sehr kluge Köpfe, die einem Epiphänomenalismus das Wort reden, z.B. der Hirnforscher Gerhard Roth (https://www.youtube.com/watch?v=HA8D2aZkNfE). Jedenfalls ist dieser Ansatz eine valide Position innerhalb der Philosophie des Geistes, ob er Ihnen gefällt oder nicht. Ich persönlich finde den Epiphänomenalismus ebenfalls nicht überzeugend und meine, dass es gute Gründe gibt ihn zurückzuweisen. Steril in dem Sinne, dass er nichts erklärte, ist er jedoch ganz und gar nicht. Vielleicht hören Sie sich in dem Video einmal an, was Gerhard Roth dazu meint - ich finde das nicht uninteressant.

Ob die Erzeugung des subjektiven Erlebens (des Filmes) injektiv stattfindet oder nicht, hat übrigens mit dem Konzept des Epiphänomenalismus an sich nichts zu tun. Injektiv bedeutet lediglich, dass eine bestimmte mentale Verfassung nur durch genau einen körperlichen Zustand hervorgebracht werden kann, nicht aber durch zwei oder mehrere unterschiedliche körperliche Zustände.
1+1=3 hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 05:03
"Eine zweite Möglichkeit ist die Emergenztheorie, welche besagt, dass der Geist aus Materie hervorgeht und möglicherweise ein unabhängiges Eigenleben besitzt" ist bis auf die Tatsache korrekt, dass besagtes "Eigenleben" kein unabhängiges, sondern eben bedingtes darstellt. D.h. dass dafür Materie zureichend komplex und eben derart organisiert sein muss, dass ein (als solches naturgemäß "nichtmaterielles"...) "Systemverhalten" daraus resultiert, dass mit Fug und Recht als bspw. "intelligent", "sinnvoll", (buchstäblich!) "eigen-willig", "frei und selbstbestimmt" usw. usf. angesehen werden kann und als solches quasi in diesem Sinne nicht zuletzt auf die eigenen Bedingungen - etwa "lenkend"...! - zurückwirkt (und so eben nicht "steril" bleibt ...). ("Selbstorganisiert", "selbstbestimmt"...)
Wobei übrigens die daran beteiligten, diversesten Faktoren, Einflüsse etc. nicht notwendig "zentral aufgestellt" sein müssen (d.h. ein Gehirn allein ist zwar eine notwendige Bedingung für ein Bewusstsein, aber keine zureichende). Das betreffende System kann also äußerst "heterogen verfasst" sein ...
Freiheit in einem vollen Sinne setzt schon voraus, dass der Geist, welcher aus Materie emergiert, in gewisser Weise unabhängig von Vorgängen in der Materie ist. Sonst hätte der Geist das Eigenleben eines Bratenwenders.
Wie stellen Sie sich die Komplexität eines materiellen Systems vor, sodass es "frei und selbstbestimmt" agieren kann? Egal wie komplex ein materielles System ist, reduziert sich seine Dynamik letztlich immer auf seine Komponenten, sofern man das Prinzip der kausalen Geschlossenheit nicht aufgeben möchte.
1+1=3 hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 05:03
Die "Innerlichkeit" ist bei alldem eine (ihrerseits "evolvierte und potenziell weiter evolvierende") Sekundärerscheinung, wie sich ("subjektiv") dies alles halt "von innen anfühlt" usw. Inklusive sogenannter "Qualia" wie etwa Schmerzempfinden oder Farbwahrnehmung (-> "Geist-Perspektive" - auch die vermeintlich andere, die "Außenwahrnehmung", ist eben dies: eine Wahrnehmung und somit etwas genuin "Geistiges" - "an sich seiende Realität" ist "direkt" oder unmittelbar prinzipiell unerfahrbar). Diese "Begleitmusik" des "wahrnehmenden Bewusstseins" unterstützt die aufgeführten Vorgänge aber ggf. permanent und sozusagen "gleichursprünglich", ist mit diesen also "verschränkt" usw. und stellt so auch einen Beitrag zur betreffenden "Gesamtleistung" dar.
Die "Innerlichkeit" als Sekundärerscheinung zu betrachten ist eben der Standpunkt des Materialismus.
1+1=3 hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 05:03
Zur "multiplen Realisierung": Wieso sollte es sie nicht geben? Eben ggf. kann einmal ein bestimmter Zustand auf die eine Weise "emergieren", ein anderes Mal auf anderem Wege. Aus welchem Grund sollte immer nur ein bestimmtes "Entstehungsgeschehen" für ein bestimmtes Ergebnis "reserviert" sein? "Alle Wege führen nach Rom." Na ja, nicht alle, aber vielleicht einige ... So könnte ein ("qualitativer") Zustand also mit verschiedenen Dispositionen korellieren (und "identisch" sein).
Wenn Sie meinen Beitrag aufmerksam lesen, werden Sie feststellen, dass dies genau meine Kritik an Putnams Argument war.




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Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 07:39
... sofern man das Prinzip der kausalen Geschlossenheit nicht aufgeben möchte.
Entsprechende Vorschläge gibt es. Brigitte Falkenberg argumentiert ausführlich dafür. Das kann ich hier nicht alles kopieren, das wäre zu umfangreich und es fehlen mir auch die Kenntnisse, um das gut zusammenzufassen.
Brigitte Falkenberg, in Mythos Determinismus, Wieviel erklärt uns die Hirnforschung? hat geschrieben : ... Dagegen ist die dritte These (K) der kausalen Geschlossenheit der Welt gar nicht empirisch oder phänomenologisch gestützt, sondern eine spekulative metaphysische Behauptung. Für sie sprechen nur die alten mechanistischen Überzeugungen, die im korpuskularmechanischen und deterministischen Denken von Hobbes oder Laplace wurzeln. Es ist heroisch, daran festzuhalten. Doch muss das sein? Und wozu soll es gut sein? Neben den angeführten Gründen, an (V) und an (W) festzuhalten, gibt es auch gute Gründe, sich von (K) zu verabschieden: (K1) Es gibt weder in der Philosophie noch in der Physik einen eindeutigen Begriff der Verursachung. Wir wissen also gar nicht, was die These bedeuten soll. (K2) Viele Mechanismen, mit denen die Naturwissenschaften kausale Prozesse erklären, verlaufen indeterministisch und haben stochastische Grundlagen; insbesondere thermodynamische Vorgänge und das neuronale Geschehen. (K3) Eine Ignoranzdeutung der Wahrscheinlichkeit, die den Determinismus rettet, zwingt zu starken metaphysischen Annahmen mit ad hoc-Charakter – etwa eine absolute Zeit; verborgene Quanten-Parameter; Parallelwelten; oder die Sicht des Universums als gigantischer zellulärer Automat. Der Abschied von der metaphysischen These der kausalen Geschlossenheit der Welt bedeutet natürlich keinen Abschied vom Kausalprinzip, sondern die Rückkehr zu Kants Einsicht, dass es sich dabei „nur“ um ein heuristisches Prinzip handelt – um eine methodologische Regel, die unverzichtbar für die Naturwissenschaften ist. Diese Einsicht setzt nicht der kognitiven Neurowissenschaft und ihren beeindruckenden Erfolgen Grenzen; wohl aber dem neuzeitlichen metaphysischen Wahn, wir könnten grundsätzlich alles in der Welt vollständig und restlos erklären.




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Michael7Nigl hat geschrieben :
Mi 3. Jan 2024, 07:27
Putnams Einwand gegen diese These war, dass dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden würden, wenn die Identitätstheorie wahr wäre.
Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 07:39
Wenn Sie meinen Beitrag aufmerksam lesen, werden Sie feststellen, dass dies genau meine Kritik an Putnams Argument war.
Nachdem ich diesen letzten Beitrag gelesen habe, bin ich noch mal zum Ausgangspunkt des Fadens zurückgegangen. Das ganze irritiert mich ziemlich. Ich hatte wohl fälschlich gedacht, dass wir Putnams Argument ähnlich verstehen. Ich verstehe Putnams Argument der multiplen Realisation nämlich anscheinend anders, ungefähr so, das hat zumindest meine kleine Google Recherche ergeben, das kann also falsch sein:
  • Die Identitätstheorie behauptet, dass mentale Zustände mit Gehirnzuständen identisch sind.
  • Man kann argumentieren, dass ein und derselbe mentale Zustand in verschiedenen Wesen durch ganz verschiedene Zustände realisiert werden kann.
  • Beispiel: Hass kann bei ein und demselben Menschen auf verschiedene Weise realisiert werden, kann bei anderen Tieren auf verschiedene Weise realisiert werden und kann möglicherweise auch bei Außerirdischen realisiert werden.
  • Folgerung: Mentale Zustände können nicht mit Gehirnzuständen identisch sein.
Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 23:44
Putnams Argument impliziert nun die Behauptung, dass diese Funktion linkseindeutig (injektiv) sein müsse, dass also eine seelische Verfassung B nur durch einen einzigen körperlichen Zustand A realisiert werden können müsste. Gibt es einen von A verschiedenen körperlichen Zustand A', der ebenfalls mit der seelische Verfassung B einhergeht, dann müsse die Identitätstheorie falsch sein.
Putnams Argument impliziert - so wie ich das sehe - gerade nicht, dass die seelische Verfassung B nur durch einen einzigen körperlichen Zustand A realisiert werden können müsste. Das ist die Sicht der Identitätstheorie, die er kritisiert.

Hier eine Quelle dazu, ich habe nicht alles gelesen und kann auch nicht sagen, wie seriös sie ist, da muss sich jeder selbst ein Bild machen.
philoclopedia hat geschrieben : Hilary Putnam (1967) entwickelte erstmals das Argument der multiplen Realisierbarkeit, das zeigen sollte, dass ein mentaler Zustand nicht mit einem Gehirnzustand type-identisch sein kann: Die Neurobiologie lehrt uns, dass Typen von mentalen Zuständen bei unterschiedlichen Lebewesen durch ganz verschiedene Gehirnzustände realisiert sein können. Die Neurophysiologie eines Lurches ist beispielsweise relativ verschieden zu der eines Menschen, sie haben also nicht dieselben G-Types. Trotzdem schreiben wir beiden gemeinsame M-Types zu, Menschen und Lurche können beispielsweise beide Schmerzen- oder Rotempfinden. Sie haben also gleiche mentale Zustände, aber verschiedene Gehirnzustände. Also muss die "Type-Identitätstheorie", nach der jeder M-Type nur mit einem, bestimmten G-Type identisch ist, falsch sein.

Die klassische "Type"-Identitätstheorie steht aber nicht nur einfach auf einer äußerst schwachen neurowissenschaftlich Grundlage. Die "Type"-Identitätstheorie ist sogar empirisch falsifiziert: Bei Experimenten mit Positronen-Emissions-Tomographie inhaliert der Proband einen radioaktiven Sauerstoff (oder auch Glukose). Danach wird die Konzentration des Stoffes in den unterschiedlichen Arealen des Gehirns mittels des PET gemessen. Ein größerer Verbrauch der Substanz lässt gleichzeitig auf eine höhere neuronale Aktivität schließen. In den aktiveren Teilen des Gehirns findet eine höhere Durchblutung statt. Aufgrund dieser Untersuchung konnte festgestellt werden, dass bei unterschiedlichen Personen derselbe M-Type zwar durch ähnliche, aber nicht durch die gleichen G-Types realisiert ist...

https://www.philoclopedia.de/2018/06/14 ... sargument/




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Fr 5. Jan 2024, 11:21

Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 23:44
In diesem Rahmen ist nach meinem Verständnis die Identitätstheorie einzuordnen. Ihr größtes Problem ist wohl, zu erklären, wie seelische Verfassungen aus Materie hervorgehen könnten. Eine Möglichkeit wäre eine Art Panpsychismus, wonach jedes Materieteilchen auch einen geistigen Aspekt (z.B. Bewusstseinskomponente) beinhaltet (diese Idee verfolgt z.B. der zeitgenössische Philosoph David Chalmers).
Der unten verlinkte Artikel hat sehr, sehr sehr vage etwas damit zu tun. David Chalmers spielt auch eine kleine Rolle.

Bis ich vor einigen Wochen oder Monaten zum ersten Mal diesen Artikel gelesen habe, hatte ich noch nie von dem harten Problem der Materie gehört. Eine Formulierung, die sich bewusst auf eine ähnliche Formulierung von David Chalmers bezieht.

Der Vorschlag von Hedda Hassel Mørch klingt ziemlich phantastisch, aber er nimmt zumindest ernst, dass es uns gibt und dass wir selbst Teil der Wirklichkeit sind. Frei nach Schopenhauer: Wir können das Ding an sich erkennen, weil wir es selbst sind. Der Artikel ist etwas länger, aber sehr verständlich geschrieben und lesenswert.

Die norwegische Philosophin Hedda Hassel Mørch arbeitet(e) an der Universität Oslo und am Center for Mind, Brain and Consciousness der New York University und ist regelmäßig Gastwissenschaftlerin am Center for Sleep and Consciousness der University of Wisconsin-Madison. Dieser Text wurde im April 2017 in der Zeitschrift „Nautilus“ veröffentlicht.
FAZ hat geschrieben : ... Doch vielleicht ist Bewusstsein nicht das einzige Thema, das solche Probleme bereitet. Die alten Naturphilosophen Gottfried Leibniz und Immanuel Kant rangen mit einem weniger bekannten, aber gleichermaßen harten Problem der Materie. Was ist physikalische Materie in und aus sich selbst, hinter der mathematischen Struktur, wie sie die Physik beschreibt? Auch dieses Problem scheint jenseits der traditionellen Methoden der Wissenschaft zu liegen. Denn alles, was wir beobachten können, ist, was Materie tut, nicht, was sie in sich ist. Wir kennen die „Software“ des Universums, aber nicht seine letzte „Hardware“.

https://www.faz.net/aktuell/wissen/geis ... ageIndex_5




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Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 23:44
Das Leib-Seele-Problem besteht für mich im Grunde darin, dass wir zwei Perspektiven der Wahrnehmung haben: innen und außen. Während wir äußerlich eine körperliche Welt sinnlich wahrnehmen, leben wir innerlich in einer Welt der Vorstellungen und Empfindungen.
Diese Darstellung des Leib-Seele-Problems, seine Aufspaltung in Innen und Außen, ist meines Erachtens bereits das Ergebnis des Versuchs, sich des Problems gewissermaßen zu entledigen oder es zu bannen. Dabei wird alles, was nicht in das physikalische Weltbild passt, in den Kopf oder nach Innen geschoben. (Ich will gar nicht unterstellen, dass du dem explizit zustimmst.)

Später - so gängige die Erzählung - wird man schon erklären können, was es damit auf sich hat. In den Worten von Markus Gabriel, der Karl Popper zitiert: "Man setzt also auf das, was Karl Popper einen »versprechenden Materialismus/promissory materialism« nannte. Man sagt, sehr bald oder auch erst in 200 Jahren werden wir es sehen, nur jetzt ist es noch nicht plausibel".

Aber so erscheinen uns die Dinge ja nicht, die Schönheit eines Bildes von Caspar David Friedrich, der in diesem Jahr ein Jubiläum feiert, erleben wir nicht in irgendeinem Inneren oder in unserem Kopf. Und wenn wir nach einem langen Winter nach draußen gehen, erleben wir dort "draußen" keine "körperliche Welt", sondern z.B. einen wunderschönen Frühlingstag. Ein Punkt, bei dem mir CDF vermutlich gar nicht zustimmen würde :)




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Fr 5. Jan 2024, 12:42

1+1=3 hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 05:03
Primär zu 2) - aber auch ganz allgemein:
Der Epiphänomenalismus kommt nicht infrage, da dies ein "steriler" Ansatz ist, der nichts erklärt (außer eben dass die "Materie" so einem Filmprojektor entspricht und "Geist" einem Film - letzterer nimmt auch keinen Einfluss auf seine "Ursache", sondern ist umgekehrt von diesem einseitig und vollständig determiniert). Dies käme einer "injektiven (linkseindeutigen) Zuordnung" gleich (und "beide Seiten" wären in diesem Sinne "identisch"...).
"Eine zweite Möglichkeit ist die Emergenztheorie, welche besagt, dass der Geist aus Materie hervorgeht und möglicherweise ein unabhängiges Eigenleben besitzt" ist bis auf die Tatsache korrekt, dass besagtes "Eigenleben" kein unabhängiges, sondern eben bedingtes darstellt. D.h. dass dafür Materie zureichend komplex und eben derart organisiert sein muss, dass ein (als solches naturgemäß "nichtmaterielles"...) "Systemverhalten" daraus resultiert, dass mit Fug und Recht als bspw. "intelligent", "sinnvoll", (buchstäblich!) "eigen-willig", "frei und selbstbestimmt" usw. usf. angesehen werden kann und als solches quasi in diesem Sinne nicht zuletzt auf die eigenen Bedingungen - etwa "lenkend"...! - zurückwirkt (und so eben nicht "steril" bleibt ...). ("Selbstorganisiert", "selbstbestimmt"...)
Wobei übrigens die daran beteiligten, diversesten Faktoren, Einflüsse etc. nicht notwendig "zentral aufgestellt" sein müssen (d.h. ein Gehirn allein ist zwar eine notwendige Bedingung für ein Bewusstsein, aber keine zureichende). Das betreffende System kann also äußerst "heterogen verfasst" sein ...

Die "Innerlichkeit" ist bei alldem eine (ihrerseits "evolvierte und potenziell weiter evolvierende") Sekundärerscheinung, wie sich ("subjektiv") dies alles halt "von innen anfühlt" usw. Inklusive sogenannter "Qualia" wie etwa Schmerzempfinden oder Farbwahrnehmung (-> "Geist-Perspektive" - auch die vermeintlich andere, die "Außenwahrnehmung", ist eben dies: eine Wahrnehmung und somit etwas genuin "Geistiges" - "an sich seiende Realität" ist "direkt" oder unmittelbar prinzipiell unerfahrbar). Diese "Begleitmusik" des "wahrnehmenden Bewusstseins" unterstützt die aufgeführten Vorgänge aber ggf. permanent und sozusagen "gleichursprünglich", ist mit diesen also "verschränkt" usw. und stellt so auch einen Beitrag zur betreffenden "Gesamtleistung" dar.

Zur "multiplen Realisierung": Wieso sollte es sie nicht geben? Eben ggf. kann einmal ein bestimmter Zustand auf die eine Weise "emergieren", ein anderes Mal auf anderem Wege. Aus welchem Grund sollte immer nur ein bestimmtes "Entstehungsgeschehen" für ein bestimmtes Ergebnis "reserviert" sein? "Alle Wege führen nach Rom." Na ja, nicht alle, aber vielleicht einige ... So könnte ein ("qualitativer") Zustand also mit verschiedenen Dispositionen korellieren (und "identisch" sein).
Mal am Rande: Das ist für mich wegen der vielen Anführungszeichen und Klammern sehr, sehr schwierig zu lesen und zu verstehen, weil ich nie wirklich weiß, wer gerade spricht, 1 + 1 = 3 oder Michael7Nigl... Oder welchen anderen Zweck die vielen Anführungszeichen und Klammern verfolgen.




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Fr 5. Jan 2024, 12:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 12:15
Aber so erscheinen uns die Dinge ja nicht, die Schönheit eines Bildes von Caspar David Friedrich, der in diesem Jahr ein Jubiläum feiert, erleben wir nicht in irgendeinem Inneren oder in unserem Kopf. Und wenn wir nach einem langen Winter nach draußen gehen, erleben wir dort "draußen" keine "körperliche Welt", sondern z.B. einen wunderschönen Frühlingstag. Ein Punkt, bei dem mir CDF vermutlich gar nicht zustimmen würde :)
Wir erleben eine schönen Frühlingstag oder auch einen schönen Wintertag mit allen unseren Sinnen. Zum "Kopf" gehören immer auch die Sinnesorgane oder einfach Sinne. Das Gespann Gehirn und Sinnesorgane macht uns das Erleben möglich. Die Informationen von "aussen" gelangen durch die Nervenzellen in das Gehirn, wo sie verarbeitet werden. Das weiss man heute einfach. Diese Nervenzellen sind genug erforscht. Man weiss, dass sie die Reize aus der Umwelt in unser Gehirn weiterleiten.
Daraus folgt doch, dass das eigentliche Erleben irgendwie im Gehirn erzeugt wird. Ich denke, die Sinnesorgane, also Augen und Ohren usw., sind nur Durchgangsstationen.



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Fr 5. Jan 2024, 13:13

Ich finde es unangemessen, wenn du mich zitierst, aber auf den Inhalt gar nicht eingehst.




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Fr 5. Jan 2024, 13:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 12:15
Aber so erscheinen uns die Dinge ja nicht, die Schönheit eines Bildes von Caspar David Friedrich, der in diesem Jahr ein Jubiläum feiert, erleben wir nicht in irgendeinem Inneren oder IN UNSEREM KOPF.
Und selbstverständlich erleben wir eine körperliche Welt.



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Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 07:19
Ich persönlich vertrete ein solches [physikalistisches] Weltbild nicht.
Ich auch nicht, meine Ontologie ist bunt. Sie hat Platz für Elektronen, Hirschkühe, Gedichte, schlechtes Wetter, echte Menschen, schwarze Löcher, Zahlen, Geld, Liebe und vieles mehr.

Wenn du kein physikalisches Weltbild vertrittst, kannst du kurz andeuten, welches Bild dir stattdessen vorschwebt?




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Fr 5. Jan 2024, 14:08

Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 23:44
Das Leib-Seele-Problem besteht für mich im Grunde darin, dass wir zwei Perspektiven der Wahrnehmung haben: innen und außen. Während wir äußerlich eine körperliche Welt sinnlich wahrnehmen, leben wir innerlich in einer Welt der Vorstellungen und Empfindungen.
Noch mal zu verdeutlichen, warum ich damit nicht übereinstimme: Wenn ich im Frühling nach draußen gehe, habe ich überhaupt nicht das Gefühl, dass der blaue Himmel, das herrliche Gezwitscher der Vögel und die strahlende Sonne in meinem Kopf sind. In solchen Momenten ist alles erhöht und geweitet und ich erlebe es nicht als etwas, das nur in meinem Inneren stattfindet. Alles ist buchstäblich in ein anderes Licht getaucht und ich bin ein Teil davon. Ich bin dann nicht mit einer "körperlichen Welt" "da draußen" konfrontiert, während die Gefühle gewissermaßen "im Inneren" sind, sondern die Schönheit der Dinge, die wunderbare Atmosphäre, das Erhebende, umgibt und durchdringt mich und hebt die Stimmung.




Timberlake
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Fr 5. Jan 2024, 16:20

Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 21:52

Das Argument der multiplen Realisierung geht in die andere Richtung: Der gleiche Schmerz (geistige Verfassung, subjektive Empfindung) wird durch unterschiedliche neuronale Muster (körperlicher Zustand) realisiert. Gestehen wir zugunsten des Arguments einmal zu, dass es sowas wie "den gleichen Schmerz" wirklich gibt, dann wäre bspw. durch eine Positronen-Emissions-Tomografie festzustellen, mit welchen neuronalen Aktivitätsmustern dieser Schmerz einherging. Dabei können durchaus Unterschiede in den Aktivitätsmustern festgestellt werden, ohne dabei jedes einzelne feuernde Neuron im Detail abbilden zu müssen.
Wie kann aus Unterschiedlichem Gleiches entstehen ? Das geht für mich logisch nicht auf.

  • "So fest der Meinung der Gegensatz des Wahren und des Falschen wird, so pflegt sie auch entweder Beistimmung oder Widerspruch gegen ein vorhandenes philosophisches System zu erwarten und in einer Erklärung über ein solches nur entweder das eine oder das andere zu sehen. Sie begreift die Verschiedenheit philosophischer Systeme nicht so sehr als die fortschreitende Entwicklung der Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur den Widerspruch sieht. Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man könnte sagen, daß Jene von dieser widerlegt wird; ebenso wird durch die Frucht die Blüte für ein falsches Dasein der Pflanze erklärt, und als ihre Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese Formen unterscheiden sich nicht nur, sondern verdrängen sich auch als unverträglich miteinander. Aber ihre flüssige Natur macht sie zugleich zu Momenten der organischen Einheit, worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere ist, und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus"
    Hegel .. Phänomenologie des Geistes
.. wie wäre es denn damit, dass so , wie mit dem Hervorbrechen der Blüte, die Knospe verschwindet auch mit dem Schmerz die , mit dem Positronen-Emissions-Tomografie festgestellten Aktivitätsmustern im Gehirn verschwinden. Das , obgleich ähnlich, so wie keine Blüte der anderen gleicht., dass dergleichen auch auf den Schmerz zutrifft. Selbstredent würde das auch auf das zutreffen , aus dem beides hervorbricht , also der Knospe bzw. dem Aktivitätsmuster.
Michael7Nigl hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 21:52

Timberlake hat geschrieben :
Do 4. Jan 2024, 03:55
Wenn die Identitätstheorie nach deinem Verständnis besagt , dass mentale Verfassungen mit körperlichen Zuständen (z.B. neuronale Aktivitätsmuster) identisch sind und man von beidem das „wer weiß woher“ fehlt. (Kant) , dann scheint mir diese Theorie nur wenig geeignet Descartes zu widerlegen.
Ich glaube es geht nicht darum, mit der Identitätstheorie Descartes zu widerlegen, sondern einen anderen Lösungsansatz für das Leib-Seele-Problem bereitzustellen.
Wie wäre es denn mit diesem Lösungsansatz für das Leib-Seele-Problem? Das diese flüssige Natur von Aktivitätsmuster und Schmerz bzw. Leib und Seele sie zugleich zu Momenten der organischen Einheit macht , worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere ist . Um es mal mit den Worten Hegels zu formulieren.
Zuletzt geändert von Timberlake am Fr 5. Jan 2024, 16:31, insgesamt 1-mal geändert.




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Fr 5. Jan 2024, 16:28

Das wäre ein spannender Diskussionsstrang. Wie wäre unser Leben, wenn wir nicht einmal unsere eigenen Gefühle erkennen könnten?




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 17:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 09:26
Entsprechende Vorschläge gibt es. Brigitte Falkenberg argumentiert ausführlich dafür. Das kann ich hier nicht alles kopieren, das wäre zu umfangreich und es fehlen mir auch die Kenntnisse, um das gut zusammenzufassen.
Selbstverständlich kann man das Prinzip der kausalen Geschlossenheit in der physischen Welt ablehnen, aber damit zielt man ja genau gegen den Materialismus ab. Die Idee dabei ist, die Träger seelischer Verfassungen als ontologisch verschieden von Trägern körperlicher Zustände zu betrachten und ihnen (den Trägern seelischer Verfassungen) dennoch die Möglichkeit einzuräumen, innerhalb physischer Realität kausal wirksam zu sein.
Deshalb frage ich @1+1=3, wie er sich die Komplexität eines materiellen Systems vorstellt, sodass es als materielle Konfiguration frei agieren kann und sich nicht auf die naturgesetzliche Dynamik seiner Bestandteile reduzieren lässt.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 09:50
  • Die Identitätstheorie behauptet, dass mentale Zustände mit Gehirnzuständen identisch sind.
  • Man kann argumentieren, dass ein und derselbe mentale Zustand in verschiedenen Wesen durch ganz verschiedene Zustände realisiert werden kann.
  • Beispiel: Hass kann bei ein und demselben Menschen auf verschiedene Weise realisiert werden, kann bei anderen Tieren auf verschiedene Weise realisiert werden und kann möglicherweise auch bei Außerirdischen realisiert werden.
  • Folgerung: Mentale Zustände können nicht mit Gehirnzuständen identisch sein.
Ja, so verstehe auch ich Putnams Argument.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 09:50
Putnams Argument impliziert - so wie ich das sehe - gerade nicht, dass die seelische Verfassung B nur durch einen einzigen körperlichen Zustand A realisiert werden können müsste. Das ist die Sicht der Identitätstheorie, die er kritisiert.
Das ist nicht korrekt. Putnams Argument lässt sich wie folgt ausdrücken (s.o.): Es gibt unterschiedliche körperliche Zustände, die die gleiche seelische Verfassung realisieren ("multiple Realisierung"), also können seelische Verfassung und körperlicher Zustand nicht identisch sein, somit muss die Identitätstheorie falsch sein.
Im Umkehrschluss kann man sagen: Wenn die Identitätstheorie nicht falsch sein soll, dann muss eine seelische Verfassung nur durch genau einen körperlichen Zustand realisiert werden können (Injektivität). Wohlgemerkt ist dies lediglich eine logische Umformulierung von Putnams Argument, nicht eine Forderung, welche von der Identitätstheorie her käme.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 12:15
Diese Darstellung des Leib-Seele-Problems, seine Aufspaltung in Innen und Außen, ist meines Erachtens bereits das Ergebnis des Versuchs, sich des Problems gewissermaßen zu entledigen oder es zu bannen. Dabei wird alles, was nicht in das physikalische Weltbild passt, in den Kopf oder nach Innen geschoben.
Für mein Empfinden ist diese Aufspaltung in Innen und Außen nicht künstlich. Beispielsweise kann man sich in seiner Phantasie die irresten Dinge ausdenken, die es aber in der physischen Wirklichkeit gar nicht gibt. Auch Schmerzen können wir von außen nicht sinnlich wahrnehmen, sondern nur innerhalb des eigenen subjektiven Erlebens. Woran liegt es, dass wir nicht Gedanken lesen können? Gedanken gehören eben zur inneren, nicht zur äußeren Welt. Hinzu kommt, dass wir im Außen eine Gesetzmäßigkeit der Geschehnisse feststellen, die überhaupt nicht zu unserer inneren Vorstellung des freien Handelns passt.




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Jörn Budesheim
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Fr 5. Jan 2024, 17:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 09:50
Putnams Argument impliziert - so wie ich das sehe - gerade nicht, dass die seelische Verfassung B nur durch einen einzigen körperlichen Zustand A realisiert werden können müsste. Das ist die Sicht der Identitätstheorie, die er kritisiert.
Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 17:04
Das ist nicht korrekt. Putnams Argument lässt sich wie folgt ausdrücken (s.o.): Es gibt unterschiedliche körperliche Zustände, die die gleiche seelische Verfassung realisieren ("multiple Realisierung"), also können seelische Verfassung und körperlicher Zustand nicht identisch sein, somit muss die Identitätstheorie falsch sein.
Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 17:04
Im Umkehrschluss kann man sagen: Wenn die Identitätstheorie nicht falsch sein soll, dann muss eine seelische Verfassung nur durch genau einen körperlichen Zustand realisiert werden können (Injektivität). Wohlgemerkt ist dies lediglich eine logische Umformulierung von Putnams Argument, nicht eine Forderung, welche von der Identitätstheorie her käme.
Du schreibst, wenn die Identitätstheorie (nicht falsch, also) richtig sein soll, dann muss die seelisch Verfassung durch genau einen körperlichen Zustand realisiert werden. Ich schreibe, es ist die Sicht der Identitätstheorie, die Putnam kritisiert, dass die seelische Verfassung nur durch einen einzigen Zustand realisiert werden kann.

Wo ist da der Unterschied?
Michael7Nigl hat geschrieben :
Mi 3. Jan 2024, 07:27
Putnams Einwand gegen diese These war, dass dieselben mentalen Verfassungen (z.B. Schmerz) durch unterschiedliche körperliche Zustände realisiert werden würden, wenn die Identitätstheorie wahr wäre.
Hier schreibst du aber gerade das Gegenteil und das hat mich irritiert.




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Jörn Budesheim
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Fr 5. Jan 2024, 17:30

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 17:04
Für mein Empfinden ist diese Aufspaltung in Innen und Außen nicht künstlich. Beispielsweise kann man sich in seiner Phantasie die irresten Dinge ausdenken, die es aber in der physischen Wirklichkeit gar nicht gibt. Auch Schmerzen können wir von außen nicht sinnlich wahrnehmen, sondern nur innerhalb des eigenen subjektiven Erlebens. Woran liegt es, dass wir nicht Gedanken lesen können? Gedanken gehören eben zur inneren, nicht zur äußeren Welt. Hinzu kommt, dass wir im Außen eine Gesetzmäßigkeit der Geschehnisse feststellen, die überhaupt nicht zu unserer inneren Vorstellung des freien Handelns passt.
Ich unterschreibe keins der Beispiele, aber unabhängig davon ist dies meines Erachtens kein stichhaltiges Argument. Selbst wenn in diesen Fällen die Unterscheidung zwischen innen und außen sinnvoll wäre, folgt daraus nicht, dass die Unterscheidung zwischen innen und außen generell das Leib-Seele-Problem charakterisieren kann, wie du es weiter oben getan hast.




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Jörn Budesheim
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Fr 5. Jan 2024, 17:34

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 17:04
Die Idee dabei ist...
Was die Idee dabei ist, müsste man am Text von Brigitte Falkenberg im Einzelnen diskutieren, hier sollte nur darauf hingewiesen werden, dass die Idee der kausalen Geschlossenheit keineswegs unumstritten ist.




Michael7Nigl
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Fr 5. Jan 2024, 18:05

Timberlake hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 16:20
Wie kann aus Unterschiedlichem Gleiches entstehen ? Das geht für mich logisch nicht auf.
Meine Analogie dazu war das Abspielen eines Liedes. Dies ist von Platte möglich, von Kassette, CD, Smartphone - ganz unterschiedliche technische Konzepte und Prozesse, die am Ende dasselbe Ergebnis haben, nämlich das akustische Ereignis ein und desselben Liedes.
Ein anderes Beispiel von @Jörn Budesheim war eine mathematische Gleichung, etwa 3+4=7 und 2+5=7. So entsteht aus Unterschiedlichem Gleiches.


Zu Ihrem logischen Problem mit dem verlinkten Satz vom Hirn - dieser Satz hat zwei Ebenen:
1) Wir sind mit einem intelligenten Geist ausgestattet, der ein sehr komplexes Hirn voraussetzt, so komplex, dass wir es nicht verstehen können.
2) Wenn das Hirn weniger komplex wäre, sodass wir es (mit unserem intelligenten Geist) verstehen könnten, dann wäre aber unser Geist nicht intelligent (weil dieser ein komplexes Hirn voraussetzt), sodass wir gar nichts verstehen könnten, auch nicht das weniger komplexe Hirn.

Die Auflösung Ihres logischen Problems besteht also darin, dass das Subjekt des Satzes "wir" nicht in beiden Fällen das Gleiche bezeichnet.


(Was Sie mit Bezug auf Hegel geschrieben haben, verstehe ich schlichtweg nicht.)




Michael7Nigl
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Registriert: Mi 3. Jan 2024, 00:49

Fr 5. Jan 2024, 18:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 13:57
Ich auch nicht, meine Ontologie ist bunt. Sie hat Platz für Elektronen, Hirschkühe, Gedichte, schlechtes Wetter, echte Menschen, schwarze Löcher, Zahlen, Geld, Liebe und vieles mehr.

Wenn du kein physikali[sti]sches Weltbild vertrittst, kannst du kurz andeuten, welches Bild dir stattdessen vorschwebt?
Für mich steht die Philosophie in der Tradition des Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß.
["Unter euch, ihr Menschen, ist der der Weiseste, der wie Sokrates einsieht, daß er in der Tat nichts wert ist, was die Weisheit anbelangt." (Platon, Apologie. 23 St. 1 B)]
Dementsprechend habe ich kein festes Weltbild, sondern suche nur nach Erkenntnis, indem ich Fragen stelle.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 5. Jan 2024, 14:08
Noch mal zu verdeutlichen, warum ich damit nicht übereinstimme: Wenn ich im Frühling nach draußen gehe, habe ich überhaupt nicht das Gefühl, dass der blaue Himmel, das herrliche Gezwitscher der Vögel und die strahlende Sonne in meinem Kopf sind. In solchen Momenten ist alles erhöht und geweitet und ich erlebe es nicht als etwas, das nur in meinem Inneren stattfindet. Alles ist buchstäblich in ein anderes Licht getaucht und ich bin ein Teil davon. Ich bin dann nicht mit einer "körperlichen Welt" "da draußen" konfrontiert, während die Gefühle gewissermaßen "im Inneren" sind, sondern die Schönheit der Dinge, die wunderbare Atmosphäre, das Erhebende, umgibt und durchdringt mich und hebt die Stimmung.
Wenn Sie mit meiner Deutung des Leib-Seele-Problems nicht übereinstimmen, worin besteht es dann für Sie?




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