RoloTomasi hat geschrieben : ↑ Do 17. Okt 2024, 13:14
@Consul: Ich sehe auch die Schwierigkeit, auf die Jörn im Post oben hinweist.
Du hattest ja weiter vorher geschrieben: "Die Türe ist "da draußen" ("transzendent"), auch wenn ihre sinnliche Erscheinung in mir (in Gestalt bestimmter Farbflächeneindrücke) "hier drinnen" ("immanent") ist." Da stellt sich mir die Frage: Wieso brauchst Du, wenn Du doch die Tür siehst, irgendwelche Eindrücke oder Sinnesdaten als Vermittler? Diese Sinnesdaten sind ja nicht selbst etwas bewusst Wahrgenommenes, denn Du siehst ja die Tür selbst, nicht ihre Erscheinungen (oder Repräsentanten) in dir. Man braucht das Konzept der Eindrücke oder Sinnesdaten im Grunde nur dann, wenn man die Tür, die ja nach deinen Worten 'draußen' ist, irgendwie ins Innere des Körpers/Gehirns hineinziehen will - die Tür selbst kommt als physisches Ding dummerweise nicht in den Körper rein, wohl aber - wie Du sagst - ihre "Erscheinung" in Gestalt bestimmter Eindrücke. Die Frage ist aber, warum du neben der Tür 'draußen' überhaupt noch irgendwelche inneren Objekte (Sinneseindrücke) als Vermittler hinzusetzt - warum du also neben der gesehenen Tür 'draußen' noch Eindrücke als deren Erscheinung 'drinnen' annimmst. Du könnest doch auch einfach sagen: Was erscheint, ist die Tür. (Das ist ja auch der schlichte phänomenologische Tatbestand, wenn jemand eine Tür sieht.)
Ich will damit sagen: Von Sinnesdaten (Farbflächeneindrücken...) kann in der Wahrnehmung gar nicht die Rede sein; sie gehören, was auch immer sie sein sollen, jedenfalls gar nicht zum bewusst Wahrgenommenen. Sinnesdaten werden aus meiner Sicht zum Wahrnehmungsgeschehen bloß hinzugedacht, um ein bestimmtes theoretisches Modell des Bewusstseins aufrechterhalten zu können: Sie sind eigens zu diesem Zweck erdachte, theoretische Entitäten, die verständlich machen sollen, wie die äußere körperliche Dingwelt mit der inneren Körperwelt zusammenhängen soll. Man braucht Sinneseindrücke nur, wenn man sich fragt: Wie kommt die Welt da draußen in den Körper/das Gehirn da drinnen. (Ich selbst würde gerade sagen: gar nicht!) Aber das Bewusstsein ist doch nicht wie ein Computer, der von außen Daten erhält und diese dann im Innern zu irgendetwas Gegenständlichem verarbeitet. In der Wahrnehmung ist die Tür das dem Bewusstsein Gegebene; sie wahrzunehmen heißt nicht, Tür-Daten aufzunehmen und sie zum Tür-Gegenstand zu verarbeiten. Das wäre ja auch merkwürdig, denn die Tür ist ja schon - in deinen Worten 'außen' - da! Nichts an einer wahrgenommenen Tür legt im Geringsten die Vermutung nahe, dass sie sich irgendeinem Prozess der Datenaufnahme und -verarbeitung verdankt.
Die Sinnesdatentheorie der Wahrnehmung betrachtet Sinnesdaten als mentale
Objekte im engen ontologischen Sinn des Wortes—als
dingliche Eigenschaftsträger, die selbst keine Eigenschaften von etwas anderem sind. In diesem Sinn sind Sinnesdaten spezielle Objekte, die Träger von Sinnesqualitäten (phänomenalen Qualitäten) sind.
"[S]ense-data are not identical with sense-qualities but are the things which possess or seem to possess sense-qualities."
———
"Sinnesdaten sind nicht identisch mit Sinnesqualitäten, sondern sind diejenigen Dinge, die Sinnesqualitäten besitzen oder zu besitzen scheinen." [meine Übers.]
(Wisdom, John. Problems of Mind and Matter. Cambridge: Cambridge University Press, 1934. p. 142)
Ich teile diese Betrachtungsweise nicht; denn für mich sind als Erscheinungen fungierende Sinnesdaten als
Sinneseindrücke (Impressionen) oder
Sinnesempfindungen (Sensationen) keine mentalen
Objekte, sondern mentale
Affektionen oder
Passionen von Subjekten.
("Passion" als "Erleidung" im alten Sinn des Wortes, als Gegenteil von "Aktion"—"Leiden" vs. "Tun"—, und ohne die heute vorherrschende Bedeutung "unangenehme, schmerzhafte, qualvolle Erfahrung". In jenem alten Sinn wird auch Freude "erlitten".)
Sinneseindrücke oder -empfindnisse bilden den
Inhalt bewusster Sinneswahrnehmung, die allein dadurch
bewusst stattfindet, dass sie einen solchen subjektiv erfahrenen Inhalt hat, der als
phänomenales Medium der Sinneswahrnehmung fungiert,
und ohne den Subjekten gar nichts sinnlich erscheint. Ebendies macht den Unterschied zwischen
bewusster und
unbewusster Wahrnehmung!
Als Erscheinungen von etwas Äußerem fungierende innere Eindrücke oder Empfindungen werden von ihren Subjekten
erfahren/"erlitten" (und auch irgendwie innerlich wahrgenommen); aber sie selbst
erscheinen nicht, weil sie
als Erscheinungen nicht das Erscheinende sind, sondern
das Erscheinen des Erscheinenden. Das Erscheinen erscheint
selbst nicht, weil es dasjenige ist, wodurch
etwas anderes erscheint.
"Was erscheint, ist die Tür." – Ja, aber ohne das subjektive Erfahren einer Türerscheinung (in Gestalt eines bestimmten Farbflächeneindruckes) erscheint keine Türe! Ich sehe die Türe, indem ich einen bestimmten Gesichtseindruck erlebe oder habe, mittels dessen mir die Türe visuell erscheint.
"Ich mache mit einem Begleiter einen Spaziergang. Ich sehe eine grüne Wiese; ich habe dabei den Gesichtseindruck des Grünen. Ich habe ihn, aber ich sehe ihn nicht."
(Frege, Gottlob. "Der Gedanke: Eine Logische Untersuchung." Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus I (1918/1919): 58-77. Nachdruck in Gottlob Frege: Logische Untersuchungen, hsrg. v. Günther Patzig, 30-53. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1966. S. 40)
"Die Äquivokation, welche es gestattet, als Erscheinung nicht nur das Erlebnis, in dem das Erscheinen des Objektes besteht (z. B. das konkrete Wahrnehmungserlebnis, in dem uns das Objekt vermeintlich selbst gegenwärtig ist), sondern auch das erscheinende Objekt zu bezeichnen, kann nicht scharf genug betont werden. Der Trug dieser Äquivokation verschwindet sofort, sowie man sich phänomenologische Rechenschaft darüber gibt, was denn vom erscheinenden Objekt im Erlebnis der Erscheinung reell vorfindlich sei. Die Dingerscheinung (das Erlebnis) ist nicht das erscheinende Ding (das uns vermeintlich 'Gegenüberstehende'); in dem Bewußtseinszusammenhang erleben wir die Erscheinungen, als in der phänomenalen Welt seiend erscheinen uns die Dinge. Die Erscheinungen selbst erscheinen nicht, sie werden erlebt."
(Husserl, Edmund. Logische Untersuchungen. Zweiter Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Halle: Niemeyer, 1901. S. 328)
"Das Erscheinende nämlich ist nicht die Erscheinung – die Gleichsetzung dieser beiden ist ein proton pseudos – sondern gerade das Reale, das da erscheint. Die Erscheinung ihrerseits erscheint nicht, sondern ist die Erscheinungsweise eines realen Erscheinenden. Das letztere gehört dem Objekt an, während Erscheinung das Erkenntnisgebilde im Subjekt ist. Das Erscheinen ist Objektion. So wenig nun ein Objekt in seiner Objektion an ein Subjekt aufgeht, so wenig geht das Erscheinende in seinem Erscheinen auf. Es ist vielmehr selbst das Ansichseiende, sofern es objiziert ist. Es ist das Seiende, das zum Phänomen (d.h. eben zum Erscheinden, nicht zur Erscheinung) wird."
(Hartmann, Nicolai. Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis. 4. Aufl. Berlin: De Gruyter, 1949. S. 234)