Was ist Geist?

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Jörn Budesheim
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Sa 19. Feb 2022, 11:54

Körper hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 09:31
Beim Begriff "Geist" kommt man über "Phänomen" und "Rätselfragen" nicht wirklich hinaus.
Körper hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 09:31
(letztlich ist das "Lernen")
Auch was Geist ist, lernt man. Nur wenn man fälschlicherweise glaubt, dass Geist etwas ist, was ich irgendwo in den Tiefen von was auch immer versteckt, kann man das übersehen.

Irgendwann im Laufe ihrer frühen Entwicklung lernen Kinder, dass andere Menschen ebenso geistbegabt sind wie sie selbst. Sie verfügen dann, wie es heißt, über eine "Theorie des Geistes". Das mag ich noch keinen Voll-Begriff von Geist sein, aber er ist auf dem Weg dahin. (Viele der anderen Tiere verfügen über eine solche "theory of mind" ebenso.)

Das ist allerdings für die Tiefe anscheinend keine notwendige Entwicklung, die AFD Abgeordnete von Storch z.b. scheint noch keinen vollen Begriff von Geist zu haben. Sie weiß anscheinend nicht, was es heißt, dass auch andere ihr Leben im Lichte einer Vorstellung davon führen, wer sie sind und wer sie sein wollen. Was vermutlich einer zentralen Aspekte des Geistes ist.




Körper
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Sa 19. Feb 2022, 12:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 10:39
Aber nicht alles, worüber man sprechen kann, ist nach Art des Tisches, so dass man mit den Fingern drauf zeigen kann.
Nun, wir machen aus allem eine Situation, in der wir "mit dem Finger auf ein Objekt zeigen". Das nennen wir "Subjektivität", was letztlich "eine Perspektive auf Objekte" ist.
Wenn wir aber überall ein Prinzip anwenden, von dem du sagst, dass das Prinzip nicht überall den Ausgangspunkt bilden kann, dann stellt sich Frage "wie entsteht diese Ausschliesslichkeit in unserem Reaktionsvermögen?".

Was ist "Geist", wenn wir bei "mentalen Phänomenen" eine Reaktionsweise einsetzen, die sich "dort" eigentlich nicht anbietet, bei einem Tisch aber bietet sie sich an?
Wieso reagieren wir einheitlich mit "Perspektive auf Objekte"? - kommt das von "Geist, ohne die Möglichkeit irgendwo hinzuzeigen" oder kommt das von "Körper in einer Welt, die in Objekte eingeteilt werden kann"?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 10:39
Wenn man nach Begriffen fragt, wie in der Philosophie nicht unüblich, muss man ein gewisses Vorverständnis (sei es noch so vage) stets voraussetzen, sonst kann die Untersuchung gar nicht starten.
Woher kommt das Erfüllen der "allerersten Voraussetzung"?

Wenn wir immer auf Bedeutung zurückgreifen müssen, um eine Bedeutung zu erschliessen, wie startet dann dieser Vorgang?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 11:54
Auch was Geist ist, lernt man. Irgendwann im Laufe ihrer frühen Entwicklung lernen Kinder, dass andere Menschen ebenso geistbegabt sind wie sie selbst. Sie verfügen dann, wie es heißt, über eine "Theorie des Geistes". Das mag ich noch keinen Voll-Begriff von Geist sein, aber er ist auf dem Weg dahin.
Naja, "Theorie des Geistes" dreht sich eher nur darum, dass man anderen Menschen unterstellt, genauso zu reagieren, wie man selbst.
Das sagt aus meiner Sicht eher nichts über ein Verständnis der eigenen Funktionsweise aus. Du deutest das an mit "kein Voll-Begriff von Geist".




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Jörn Budesheim
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Sa 19. Feb 2022, 12:28

Körper hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 12:15
wie startet dann dieser Vorgang?
Gar nicht. Wenn wir "was ist x" Fragen stellen, dann sind wir bereits mitten drin, dann ist die Sonne bereits über das Ganze aufgegangen. Das ist der Ort, wo wir solche Fragen stellen. In der Philosophie geht es dabei um sehr grundlegende, sehr allgemeine Begriffe wie Freiheit, Kausalität, Sein, Welt, Mensch, Geschichte, Politik, Schönheit, Kunst, Moral, Geist und so weiter und so fort.




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Jörn Budesheim
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Sa 19. Feb 2022, 12:39

Körper hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 12:15
Nun, wir machen aus allem eine Situation, in der wir "mit dem Finger auf ein Objekt zeigen"
Gelegentlich zeigen wir tatsächlich mit dem Finger auf ein Objekt ("da liegt der Schlüssel"), aber ich schätze, das kommt im Alltag eher selten vor. Häufiger erleben wir Situationen wie diese: "ich finde es nicht okay von Peter, dass er sich schon wieder nicht an die Verabredung gehalten hat, er ist ein ziemlich unverlässlicher Typ mittlerweile". Auf Institutionen wie Verabredungen oder auch Peters Unzuverlässigkeit kann man nicht mit dem Finger zeigen. Es gibt sicherlich unendlich vieles, auf das man nicht mit dem Finger zeigen kann, der Geist gehört dazu. Unsere Fähigkeit uns selbst zu bestimmen, zum Beispiel ist kein Objekt, auf das man zeigen kann.




Körper
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Sa 19. Feb 2022, 17:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 12:28
Gar nicht. Wenn wir "was ist x" Fragen stellen, dann sind wir bereits mitten drin, dann ist die Sonne bereits über das Ganze aufgegangen. Das ist der Ort, wo wir solche Fragen stellen. In der Philosophie geht es dabei um sehr grundlegende, sehr allgemeine Begriffe wie Freiheit, Kausalität, Sein, Welt, Mensch, Geschichte, Politik, Schönheit, Kunst, Moral, Geist und so weiter und so fort.
Moment, wenn du vom "Aufgehen der Sonne" sprichst, dann sprichst du von einem "Start".
Was verbirgt sich hinter diesem "Aufgehen der Sonne", also der grundlegenden Voraussetzung für den Vorgang, der immer eine Vorsetzung benötigt?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 12:39
Unsere Fähigkeit uns selbst zu bestimmen, zum Beispiel ist kein Objekt, auf das man zeigen kann.
Interessant, du zeigst mir ein Objekt ("unsere Fähigkeit uns selbst zu bestimmen") und behauptest, darauf kann man nicht zeigen.
Du möchtest also, dass ich mich genauso, wie du "unserer Fähigkeit uns selbst zu bestimmen" wie einem Objekt gegenüber positioniere, obwohl es kein Objekt ist.

Das ist exakt meine Aussage: wir kommen aus diesem Objekt-Mach-Verhalten nicht heraus.
Uns sind hier klare Schranken gesetzt.
Nun sprichst du von "der Fähigkeit uns selbst zu bestimmen" (-> "freier Akteur"), dabei können wir aber nicht aufhören, uns zu Objekten zu positionieren, noch nicht einmal in dem Moment, da wir den Objekt-Umgang für falsch halten.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 12:39
Es gibt sicherlich unendlich vieles, auf das man nicht mit dem Finger zeigen kann, der Geist gehört dazu.
Hier auch wieder, du möchtest nicht darauf zeigen können, aber du zeigst darauf.
Wenn sich nun "Geist" diesem Objekt-Prinzip entziehen soll, wieso können wir dann nicht aus diesem Verhalten aussteigen (ein Mensch soll doch etwas mit "Geist" zu tun haben)?
Wie begründest du den Anspruch einer uns fremden und unverständlichen Existenzform, die wir zudem selbst sein sollen?




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Jörn Budesheim
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Sa 19. Feb 2022, 18:24

Körper hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 17:24
Du möchtest also, dass ich mich genauso, wie du "unserer Fähigkeit uns selbst zu bestimmen" wie einem Objekt gegenüber positioniere, obwohl es kein Objekt ist.
Nein, ich möchte exakt das Gegenteil :) ich sagte es ja bereits oben: nicht alles ist nach Art des Tisches. Und von etwas reden ist nicht dasselbe wie auf etwas zeigen.




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Sa 19. Feb 2022, 19:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 18:24
ich sagte es ja bereits oben: nicht alles ist nach Art des Tisches. Und von etwas reden ist nicht dasselbe wie auf etwas zeigen.
Warum verwendest du "nicht alles ist nach Art des Tisches", du vertrittst ja eigentlich die (aus meiner Sicht: richtige) Meinung "Das wäre eine "negative" Bestimmung des Geistes, die für sich allein genommen nicht viel besagt"?

Gehen wir einfach direkter vor:
Ist "unsere Fähigkeit uns selbst zu bestimmen" ein Objekt?
Ist "Geist" ein Objekt?




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Jörn Budesheim
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Sa 19. Feb 2022, 20:02

Einer der Fälle, wo es die Antwort bereits vor der Frage gibt :)
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 12:39
Unsere Fähigkeit uns selbst zu bestimmen, zum Beispiel ist kein Objekt, auf das man zeigen kann.
Körper hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 19:53
Ist "unsere Fähigkeit uns selbst zu bestimmen" ein Objekt?
Ist "Geist" ein Objekt?




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Sa 19. Feb 2022, 20:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 20:02
Einer der Fälle, wo es die Antwort bereits vor der Frage gibt :)
Nein, aus "es ist kein Objekt, auf das man zeigen kann" wird weder "es ist kein Objekt" noch "es ist ein Objekt" -> es ist schlicht offen, wie du es siehst, deshalb meine Rückfragen.




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Jörn Budesheim
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Na dann.




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Sa 19. Mär 2022, 09:50

Körper hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 19:53
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 19. Feb 2022, 18:24
ich sagte es ja bereits oben: nicht alles ist nach Art des Tisches. Und von etwas reden ist nicht dasselbe wie auf etwas zeigen.
Warum verwendest du "nicht alles ist nach Art des Tisches", du vertrittst ja eigentlich die (aus meiner Sicht: richtige) Meinung "Das wäre eine "negative" Bestimmung des Geistes, die für sich allein genommen nicht viel besagt"?

Gehen wir einfach direkter vor:
Ist "unsere Fähigkeit uns selbst zu bestimmen" ein Objekt?
Ist "Geist" ein Objekt?
Abstrakt (oder auch nach sprachlichen Regeln) sind es Objekte/Gegenstände, im engerem Sinne nicht. Was ist ein Objekt... Ein Großteil "reine" ("konstruktivistische"?) Definitionssache ist dabei im Spiel.

Geist etc. ist etwas Virtuelles, "Flüchtig-Vorübergehendes", "Prozesshaftes" usf., kein "('an sich' materielles) Ding" oder so. Aber deswegen nicht weniger real! Und somit "wirksam" in der eben "realen Welt"...

Geist ist in diesem Sinne der Materie gegenüber akzidenziell, also nichtnotwendig, "supervenient" usw. - aber "dafür" auch entsprechend "frei/potenziell selbstbestimmt"...!




Körper
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Sa 19. Mär 2022, 17:21

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 09:50
Geist etc. ist etwas Virtuelles, "Flüchtig-Vorübergehendes", "Prozesshaftes" usf., kein "('an sich' materielles) Ding" oder so. Aber deswegen nicht weniger real! Und somit "wirksam" in der eben "realen Welt"...

Geist ist in diesem Sinne der Materie gegenüber akzidenziell, also nichtnotwendig, "supervenient" usw. - aber "dafür" auch entsprechend "frei/potenziell selbstbestimmt"...!
Das hört sich für mich dualistisch an - sehe ich das richtig?
Abstrakt (oder auch nach sprachlichen Regeln) sind es Objekte/Gegenstände, im engerem Sinne nicht. Was ist ein Objekt... Ein Großteil "reine" ("konstruktivistische"?) Definitionssache ist dabei im Spiel.
Interessant, du bemerkst es vermutlich nicht, aber du hast im Grunde festgestellt, dass wir "in Objekten denken", auch dann, wenn es keine Objekte sind.
Jetzt hast du gerade zu "Geist" etwas von "frei/potenziell selbstbestimmt" ausgesagt.

=> Wieso denken wir in Objekten, was zwar in der materiellen Welt angebracht ist, aber damit in keiner Weise "frei/potenziell selbstbestimmt" ist?

=> sind wir (im Hinblick auf "Geist") am Ende gar nicht "frei/potenziell selbstbestimmt"?




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Sa 19. Mär 2022, 20:11

Körper hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 17:21
1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 09:50
Geist etc. ist etwas Virtuelles, "Flüchtig-Vorübergehendes", "Prozesshaftes" usf., kein "('an sich' materielles) Ding" oder so. Aber deswegen nicht weniger real! Und somit "wirksam" in der eben "realen Welt"...

Geist ist in diesem Sinne der Materie gegenüber akzidenziell, also nichtnotwendig, "supervenient" usw. - aber "dafür" auch entsprechend "frei/potenziell selbstbestimmt"...!
1) Das hört sich für mich dualistisch an - sehe ich das richtig?
Abstrakt (oder auch nach sprachlichen Regeln) sind es Objekte/Gegenstände, im engerem Sinne nicht. Was ist ein Objekt... Ein Großteil "reine" ("konstruktivistische"?) Definitionssache ist dabei im Spiel.
2) Interessant, du bemerkst es vermutlich nicht, aber du hast im Grunde festgestellt, dass wir "in Objekten denken", auch dann, wenn es keine Objekte sind.
3) Jetzt hast du gerade zu "Geist" etwas von "frei/potenziell selbstbestimmt" ausgesagt.

=> Wieso denken wir in Objekten, was zwar in der materiellen Welt angebracht ist, aber damit in keiner Weise "frei/potenziell selbstbestimmt" ist?

4) => sind wir (im Hinblick auf "Geist") am Ende gar nicht "frei/potenziell selbstbestimmt"?
(Ich komme mit dieser Zitierfunktion nicht klar.)

Zu 1) Jein. Jedenfalls nicht "substanzdulaistisch", wohl aber "eigenschaftsdualistisch"...

Zu 2) So ist unser Denken gestrickt. (Deswegen ja auch die Rede von "abstrakten Gegenständen" usw.)

Zu 3) Weil wir uns ggf. immer ein "Etwas" denken, welches etwas Anderes verursacht. Das lässt sich aber dann noch unterteilen in heterogene (auf anderes) wirkende eben Wirkursachen und autonom (gerade auch selbst-!)bestimmende "Subjekte".

Zu 4) Doch, in "finalursächlicher" Weise. (Genau genommen "fällt letztlich eh alles in eins", sodass also der "drohende" Dualismus [u./o. gar Pluralismus!] "in sich zusammenfällt" oder vielmehr strenggenommen/in letzter Konsequenz gar nicht erst auftritt oder entsteht...)




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Jörn Budesheim
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Sa 19. Mär 2022, 20:59

Körper hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 17:21
Interessant, du bemerkst es vermutlich nicht, aber du hast im Grunde festgestellt, dass wir "in Objekten denken", auch dann, wenn es keine Objekte sind.
1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 20:11
Zu 2) So ist unser Denken gestrickt. (Deswegen ja auch die Rede von "abstrakten Gegenständen" usw.)
An dieser Stelle sollte man vielleicht unterscheiden zwischen Gegenständen und Objekten bzw. Dingen. Ein Gegenstand kann (um einen Fingerzeig zu geben, was ich mit dem Begriff meine) alles sein, worüber man denken oder sprechen kann: Zahlen, Steine, das Nichts, Tarzan, Wut, Gedichte, Rassismus, Moleküle, Zellen, das Ende der Welt. Dinge und Objekte hingegen sind etwas, was zum Beispiel in unserer Alltagswelt vorkommt: Steine über die man stolpern kann, wären vielleicht paradigmatisch. (Middlesized dry goods, wie man sie in der Philosophie manchmal augenzwinkernd nennt.)

Alle Objekte und Dinge sind auch Gegenstände, aber nicht alle Gegenstände sind Objekte und Dinge. Abstrakte Gegenstände sind ja ganz offensichtlich keine Objekte.

Dann würde ich sagen, dass wir weder "in Gegenständen" noch "in Dingen denken". Wir denken stattdessen über Gegenstände und manchmal auch über Dinge nach, das heißt, wir versuchen, im Denken in der Regel Tatsachen zu erfassen. Wir denken ja nicht: Stein, Hund, Sonne, Atom, Liebe, Zirkel.... (Höchstens als Abkürzung, wie z.b.: Feuer!) Wie denken stattdessen z.b., dass der Stein im Weg liegt, oder in meinen Vorgarten passen könnte. Solche Gedanken haben in den einfachen und grundlegenden Fällen dieselbe Form wie Tatsachen, nämlich xF. Wobei x für den Gegenstand steht, über den wir nachdenken und F für fragliche Eigenschaft, also z.b. das, was wir über diesen Gegenstand denken: liegt im Weg, passt in den Garten, ist ganz schön schwer.

Wir denken also nicht "in Dingen" (das ist schließlich nicht mal ein korrekter Satz des Deutschen) sondern wir denken in der Regel über Gegenstände nach, von denen (nur) manche Dinge sind. Ein paar Beispiele, um die Vielfalt der Gegenstände des Nachdenkens zur verdeutlichen:

Der Chef ist heute schlecht gelaunt.
Das Theaterstück hat mich inspiriert.
Der Straßenverkehr geht mir auf die Nerven.
Das Zwitschern der Vögel macht mich glücklich.
Der Kaffee ist lecker.
Gerade Primzahlen sind selten.
Der Existentialismus hatte viele wichtige Einsichten.
Das Universum ist vor ca 14 Milliarden Jahren in einem sogenannten Urknall entstanden.
Schwarze Löcher saugen alles in sich hinein.
Der Nebel macht nicht melancholisch.
TV ist eine Art kaputtes YouTube.
Zellen sind die Grundelemente des Lebens.
Das Doppelspaltexperiment wirft viele unserer traditionellen Vorstellungen über Bord.
Der Himmel ist blau.
Menschen können ihrem Leben eine Richtung geben.
...

Ich denke, das sind Gedanken, die man tatsächlich haben und auch äußern könnte. Alle handeln von etwas, haben also einen Gegenstand, über den sie etwas sagen, aber nicht alle von ihnen handeln von Dingen/Objekten. Manche dieser Gedanken sind womöglich wahr, andere vielleicht nicht.

Ob man jetzt die entsprechenden Worte (Gegenstand, Objekt/Ding) so nutzt wie in diesem Text oder nicht, kann von Kontext zu Kontext variieren, aber der Sache nach, sollte man auf diese Unterscheidung achtgeben.




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Jörn Budesheim
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1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 09:50
Geist ist in diesem Sinne der Materie gegenüber akzidenziell, also nichtnotwendig, "supervenient" usw. - aber "dafür" auch entsprechend "frei/potenziell selbstbestimmt"...!
Vielleicht muss man zwischen Bewusstsein und Geist unterscheiden. Bewusstsein hat vielleicht auch die Maus, aber hat sie auch Geist in einem anspruchsvollen Sinne des Wortes, sodass sie z.b. ihr Leben nach eigenen Vorstellungen bestimmen kann, in dem Sinne, in dem wir das zum Teil können?

Wenn man diese Unterscheidung macht, dann verpflichtet man sich nicht darauf, über Geist in derselben Art und Weise nachzudenken wie über Bewusstsein, indem man z.b. das gesamte Vokabular der "Philosophy of mind" aufruft. Funktionalismus, Eigenschaftsdualismus, Substanzdualismus, Eliminativismus, anomaler Monismus... Das sind ja Begriffe, die versuchen herauszufinden, wie das Bewusstsein in unsere naturwissenschaftliches Weltbild passt oder eben nicht. Aber der Begriff Geist hat meines Erachtens noch mal andere, weitere Nuancen.

Manche dieser Probleme entstehen, weil der Begriff "mind" aus der englischsprachigen Diskussion oftmals umstandslos mit "Geist" übersetzt wird.




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So 20. Mär 2022, 10:58

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 20:11
(Ich komme mit dieser Zitierfunktion nicht klar.)
Kein Problem, die Nummern sind gut.
1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 20:11
Zu 1) Jein. Jedenfalls nicht "substanzdulaistisch", wohl aber "eigenschaftsdualistisch"...
Kannst du eine Situation nennen, in der du, sagen wir über Interaktion, nur zu dem Schluss kommen kannst, dass zwei Eigenschaften ("materiell" und "geistig") nebeneinander vorliegen?
1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 20:11
Zu 3) Weil wir uns ggf. immer ein "Etwas" denken, welches etwas Anderes verursacht. Das lässt sich aber dann noch unterteilen in heterogene (auf anderes) wirkende eben Wirkursachen und autonom (gerade auch selbst-!)bestimmende "Subjekte".
Na, an dieser Stelle würde ich eine Aussage bzgl. der Quelle für das "Denken in Objekten" erwarten.
Dass wir aus allem ein Objekt machen können, ist klar, aber warum?
=> Warum machen wir aus allem, das wir "in den Fokus ziehen" ein Objekt?
1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 20:11
Zu 4) Doch, in "finalursächlicher" Weise. (Genau genommen "fällt letztlich eh alles in eins", sodass also der "drohende" Dualismus [u./o. gar Pluralismus!] "in sich zusammenfällt" oder vielmehr strenggenommen/in letzter Konsequenz gar nicht erst auftritt oder entsteht...)
Verstehe ich es richtig, es soll nur "Geist" geben?
Hat das einen religiösen Hintergrund, denn es stellt sich ja dann die Frage, weshalb es diese "Körperverstrickung", weshalb es diese körperliche Gebundenheit und Abgrenzung der "einzelnen Geist-Instanzen" (zumindest in der Wahrnehmung) geben soll?




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Jörn Budesheim
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1+1=3 hat geschrieben :
Sa 19. Mär 2022, 20:11
der "drohende" Dualismus [u./o. gar Pluralismus!]
Wieso ist die Vielfältigkeit der Wirklichkeit eine Bedrohung?




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infinitum
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Sa 16. Apr 2022, 10:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 20. Mär 2022, 09:15


Vielleicht muss man zwischen Bewusstsein und Geist unterscheiden.
diese Unterscheidung finde ich sinnvoll und notwendig. Aber wenn man diese unternimmt, dann bleibt für den Geist nicht viel übrig als Eigenschaften, die aus der Religion kommen. Alles Bewusstsein lässt sich dann neurobiologisch und aus naturwissenschaftlicher Sicht klären. Aber Geist bleibt nun mal dann das Unbestimmbare und das, was den Platz einnimmt, wenn der Erklärungsraum fehlt.
Nehmen wir eine Person A: Ihr Bewusstsein kann rational denken, unterscheiden und Zusammenhänge aufgrund erlernter Prinzipien wahrnehmen und erfassen. Was wäre ihr Geist? Etwa, einen Pool an Möglichkeiten für Manifestationen im Bewusstsein?
Dann gibt es noch den Begriff "Zeitgeist": hier macht sich Veränderung im Laufe der Zeit bemerkbar, womit Eigenschaften einer gewissen Epoche sichtbar werden. Der Geist macht sich somit nur unter Einbezug von Zeit bemerkbar. Aber eigentlich sollte der reine absolute Geist doch zeitlos sein.



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AufDerSonne
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Do 1. Sep 2022, 21:18

Möglicherweise ist Geist das, was ein menschliches Gehirn insgesamt zu leisten imstande wäre.
Ich denke auch, die Unterscheidung in Hardware, das sind die Neuronen, und Software, das sind die artikulierbaren Gedanken, ist hier hilfreich.
Ein Computer ohne Software ist relativ geistlos. Aber wenn dann Windows 11 darauf läuft oder Linux, wird die Sache dynamischer.
So ist es wohl auch beim Gehirn. Das Betriebssystem bekommen wir als Kind mitgeliefert, die Software müssen wir dann im Verlauf des Lebens auch selbst programmieren oder gestalten.

Auch hier spielt die Überzeugung eine Rolle, dass es die Welt ohne mich genauso geben würde. Allerdings kann ich die Welt im Verlauf meines Lebens durch mein Handeln verändern.



Ohne Gehirn kein Geist!

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Jörn Budesheim
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So 5. Feb 2023, 21:29

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Geist ist außen bricht aber innen durch. (Wolfram Hogrebe)
#Geist #Kuss #Innenwelt




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