Was ist Geist?

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Friederike
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So 5. Sep 2021, 10:01

Mir ist gestern die Idee gekommen, ob man "Geist" nicht in Entsprechung zu "Leib" setzen könnte. So wie der Leib den Körper zur Voraussetzung hat, so setzt der Geist das Denken voraus. Beide, sowohl Leib als auch Geist sind nicht sichtbar. Der Körper ist ein Stoff, den man beobachten kann und das Denken manifestiert sich in Sprache. Der Leib erstreckt sich weiter als der Körper und wenn ein Text für die Freiheit argumentiert, dann sagen wir nicht automatisch, er sei im Geist der Freiheit verfaßt. Es muß ein undefinierbares "etwas" darin sein oder dazukommen, damit wir vom Geist der Freiheit sprechen. Man könnte Geist und Leib vielleicht als Energien ansehen, die entstehen, wenn ein Teil, ein Individuum/Mensch auf das Ganze trifft. Ohne den Menschen gibt es weder den Leib noch den Geist.

Nun ist natürlich die Frage, was es erbringt, wenn man "Geist" so versteht. Die Erkenntnisse der Leibphänomenologie haben inzwischen z.B. in die Betreuung alter Menschen Eingang gefunden, deren Leibempfinden anders und nicht mehr so selbstverständlich wie bei jüngeren Menschen funktioniert. Das ist der Gewinn für eine praktische Anwendung. Man braucht aber auch nur den eigenen Leib spüren und dann liegt der Ertrag darin, daß wir uns selber, die Menschen mit "Leib" besser erfassen. Wenn ich nun aber versuche, den Geist zu spüren, dann spüre ich nichts. Ich vermute allerdings, daß es nur daran liegt, daß hier noch Bindeglieder fehlen, über die "Geist" erst zu spüren ist.




Henk
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Di 26. Okt 2021, 17:37

"Der Zeit kommt bei Augustinus (wie nach der vulgären Zeiterfahrung auch) ein ausgezeichneter Bezug zu »Seele« und »Geist« zu: „inde mihi visum est, nihil esse aliud tempus quam distentionem; sed cuius rei nescio; et mirum si non
ipsius animi.“ (Confessiones lib. XI, cap. 26) Übersetzung von Joseph Bernhart (insel taschenbuch 1002), Insel Vlg., 1987, S. 655:
„Darum wollte es mich dünken, Zeit sei Ausdehnung und nichts anderes: aber wessen Ausdehnung, weiß ich nicht.
Es sollte mich wundernehmen, wäre es nicht der Geist selbst.“ (Martin Heidegger, Sein und Zeit, § 81, S. 427)"
Lexikon zu Martin Heideggers Sein und Zeit (gabs mal als PDF-Datei)




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infinitum
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Mo 8. Nov 2021, 20:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 25. Aug 2021, 11:09
Vielleicht noch mal eine ganz kurze Skizze. Weder ist die folgende Aufzählung originell noch vollständig.

Was ist Geist:
  • Da ist zunächst mein Bewusstsein, mit anderen Worten mein Erleben. Das ist sicher etwas, was ich mit vielen anderen Tieren teile.
  • Den nächsten Aspekt könnte man vielleicht unter den Begriff "Selbstbewusstsein" packen. Ich bin mir nicht nur vieler Dinge bewusst, zum Beispiel der Tastatur, die ich gerade nutze oder der Geräusche, die von draußen ins Zimmer "dringen", ich bin mir auch bewusst, dass ICH mir dessen bewusst bin. Ich habe ein Bewusstsein meines eigenen Bewusstseins.
  • Aber es gibt noch mehr. Man spricht manchmal von der Selbstbildfähigkeit des Menschen. Das heißt: Ich kann mir ein Bild von mir selbst machen und mein Leben im Lichte dieses Bildes gestalten. Ich bin mein eigenes Projekt, wenn natürlich auch nicht total, meine natürlichen und sozialen Bedingungen kann ich nicht einfach überspringen, aber innerhalb dieses Rahmens habe ich diese Freiheit.
  • Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Selbstbildfähigkeit - man kann den Kreis noch erweitern. Ich lebe schließlich mit meinesgleichen zusammen. Dazu gehört eine Welt voller Bilder, Texte, Symbole, Zeichen und vieles andere mehr. Auch das rechne ich unter den Begriff des Geistes, von mir aus kann man es den objektiven Geist nennen: „Geist ist außen, bricht aber innen durch“ (W. Hogrebe)
ein weiterer Punkt wäre:
nach Bretanos Verständnis von Intensionalität ist das Markenzeichen des Geistes, dass es stets auf etwas gerichtet ist, während das Physische nur existiert.
Gedanken/Wahrnehmungen/ handeln von etwas oder bilden Urteile über etwas.
Ein Stein zum Beispiel existiert einfach so, ohne einen Inhalt von etwas zu haben.
Das Objekt "Kunstgemälde" hingegen beinhaltet zwar eine Gerichtetheit, diese ist aber geistabhängig.



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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 06:03

Wichtiger Punkt. Für mich ist Bewusstsein jedoch in der Regel Bewusstsein von etwas. Mit anderen Worten, Intentionalität ist bei mir im Bewusstsein sowieso inklusive :)




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Di 9. Nov 2021, 06:08

Vielleicht müsste man jedoch den "sozialen Charakter" des Geistes noch stärker herausarbeiten?! Zur Selbstsorge, zum Selbstbezug gehört doch wahrscheinlich auch die Fähigkeit, zu erkennen, dass es für die anderen genauso um etwas geht, wie für einen selbst. Dass die Anderen ebenso wie man selbst, das Zentrum des je eigenen Erlebens sind?




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 06:11

Und was auch noch etwas stärker betont werden müsste, ist wohl die Einbildungskraft, sprich die Fantasie. Ohne Fantasie gäbe es auch wahrscheinlich die Fähigkeit zur Selbstabstraktion nicht, oder?




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 06:13

Geist ist immer verkörperter Geist. Wie formuliert man das, wie malt man das aus, so dass der soziale Charakter des Geistes enthalten bleibt? Den verkörperter Geist, das hört sich ja so an, als sei Geist per se etwas individuelles.




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 06:15

Der Nachteil der bisherigen "Sammlung" ist, dass sie wohl zu sehr auf den Menschen zurechtgeschnitten ist. Der Geist der anderen Tiere ist sicherlich in vielen Aspekten ganz anders?!




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 06:27

Wir sprechen von einer Geistesgeschichte. Das ist ein Aspekt, der auch noch unterbelichtet ist, finde ich.




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 06:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 06:15
Der Nachteil der bisherigen "Sammlung" ist, dass sie wohl zu sehr auf den Menschen zurechtgeschnitten ist. Der Geist der anderen Tiere ist sicherlich in vielen Aspekten ganz anders?!
Auf der anderen Seite: kann man eigentlich eine Begriffsbestimmung des Geistes machen, ohne Anthropologie zu betreiben?

!?




Groot
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Di 9. Nov 2021, 15:27

weshalb muss es denn Geist geben?

Ich hab vor kurzem mal Geist für mich so bestimmt:

Bestimmung Geist.
Der Geist ist schlicht nicht Denkarbeit. Sondern er ist, wenn er überhaupt ist, Produkt dieser Arbeit und solange blind wiederholt worden, bis er kulturelles Gemeingut wurde. Es ist im Kern eine ursoziale Größe; da er die Pietät aufzeigt, also die Erinnerung an die Ahnen aufrecht erhält; damit also eine Gruppe in der Zeit in ihren Grenzen über die psychische Dimension hinaus hebt. Als solcher ist er aber ein Produkt von uns und eine kollektive Entität, die aus der Psyche emergierte. (Deshalb sagt Foucault stets, dass Europa nicht eine Ganzheit sein könne, sondern nur als eine Kultur unter vielen [oder als Siegerkultur] existieren könne.) Das Denken ist Mind oder Kognition. Es geht hierbei nicht darum, dass ich subjektiven Geist habe – sofern es Geist geben soll – und dieser dann sich äußert, indem man tut und dem Publikum präsentiert. Sondern es geht darum, dass Geist als solcher, sofern er sein soll, eine Entität des gesellschaftlichen Wesens ist und gerade nicht die Gegebenheit, dass ich und mein Denken geistig sei oder sein könne.

Die soziale Dimension stellst du ja auch heraus. Allerdings in der Form des "für-ein-Anderes-sein" von Hegel; zielst also genau auf diese Anthropologie, die Geist in ihrer Bestimmung, was Mensch heißt, bereits voraussetzt. Ich würde meinen, sicher nicht verkehrt. Nur haben wir ja mittlerweile eine so weitläufige Geschichte und Entzauberung eben jener und ihrer Prozesse erfahren, dass damit im Grunde auch der Geist und die darin zu findenden Verweisungszusammenhänge in ihrem Ursprung auch anders als geistig begründbar sind...und dann wird Geist nicht mehr als der Moment einer Besonderheit von Quale um im Gegenzug die Vielfältigkeit der sozialen Prozesse als eigenstämmige Disziplinengruppe (ähnlich wie die Naturwissenschaften, aber dieser entgegen), etablieren zu können.

Die intentionale Gerichtetheit des Geistes ist m.e. eher eine Frage darüber, was denn eigtl. das ist, was die Situation determiniert, in der die Richtung bestimmt wird, die dem Geist immanent scheint. Wenn man hier die Situation mit einem Warum? befragt, betont man den Geist, wenn mit einem Weshalb? dann befragt man die sozialen Aspekte und wenn man mit einem Wieso? fragt, dann zielt man auf die Kausalität der Natur.

Aber Geist selbst ist, wie oben gesagt, eben eine Größe, die sich sozusagen hypnotisch im Lauf der Geschichte in den Menschen tradiert hat - quasi als Übergangsstufe auf phylogenetischer Basis. Aber, nachdem wir uns einmal mittels diesem enthoben, haben wir nun die Option, diese Perspektiven, die der Geist schuf auf weitere Weisen an die materielle Natur und die Vielfalt ihrer Gegenwartsphänomene anzupassen, um so bspw. die sozialen Aspekte des Geistes in neuem Licht sehen zu können. Eben als eigenständige Disziplinengruppe neben Geist und Natur.




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 18:25

Vielen Dank für deine Antwort, aber ich kann darauf leider nichts entgegnen, weil ich schlicht nicht begreife, was du sagen möchtest. Irgendwie scheinst du dem Begriff "Geist" skeptisch gegenüber zu stehen, dass das einzige was ich irgendwie "ahne".




Groot
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Di 9. Nov 2021, 19:22

Man fragt m.e., wenn man nach Geist fragt, nicht: Welche Teile sind am Geist, um Geist und Natur zu binden? Sondern: Welche Elemente können die archaische Größe "Geist" substituieren?

Denn Geist ist eine Entität, die als solche den Blick verstellt darauf, wie die Gemeinschaft eben nicht nur im Ahnenkult (die gestorbenen Menschen, deren Geist in die Gegenwart gereicht) sich zeigt als Geist. Sondern die Gemeinschaft braucht nicht dieser Geistentität. Eine kollektive Einheit, eine Vereinigung der vielen Einzelnen, zeigt sich im Grund bereits in der Zivilisation; und als solche ist diese - neben Sprache und Psyche - ein Substitut des Geistes. Denn der Geist gereicht hin, um sozusagen den Menschen bis zur Industrialisierung Gestalt zu geben, aber die Zeit danach und insbesondere die Zeit seit der Digitaltechnik und dem Internet, ermöglichen ein "mit-sich-selbst-gleich-sein", das dieser Geistentität eigentlich nicht mehr notwendig bedarf. (Es sei denn eben als Philosophie- oder Geistesgeschichte, die dann als solche aber historisches Phänomen bleibt.)

Aber was genau ist denn so unverständlich? Es geht doch um die Genese des Geistes, oder setzt du diesen so, als sei er ewig und in dieser Ewigkeit endlos?




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 19:26

Groot hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 19:22
Aber was genau ist denn so unverständlich?
Alles.




1+1=3
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Di 9. Nov 2021, 19:30

Was ist subjektiver Geist, was objektiver? Was absoluter? Was ist Zeitgeist, Weltgeist, der "Geist einer Sache" oder so usw.?




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 19:41

Groot hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 19:22
Genese des Geistes, oder setzt du diesen so, als sei er ewig und in dieser Ewigkeit endlos?
Das ist meines Erachtens eine falsche Opposition. Nehmen wir einen wichtigen Aspekt des Geistes, nämlich unsere Fähigkeit nach uns selbst zu fragen, uns selbst zu bestimmen. Die Antworten darauf fallen verschieden aus. Aber die Fähigkeit der Selbstbestimmung halte ich für eine anthropologische Konstante.

Ich habe leider keine Vorstellung, was du damit meinen könntest, dass ich den Geist "setzen" will.




Groot
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Di 9. Nov 2021, 20:11

1+1=3 hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 19:30
Was ist subjektiver Geist, was objektiver? Was absoluter? Was ist Zeitgeist, Weltgeist, der "Geist einer Sache" oder so usw.?
Grob gesagt

subjektiver die Psyche und Mentalität, sowie die Tatsache, dass ich in grammatischer Syntax bestimmte Regionen der Welt erfasse.

objektiver Geist sind die geltenden Normen. Die Einheit der Verfahrensweisen der spezifischen institutionellen Vereinigung, in die ich geworfen bin. Darin zeigt sich der materielle Horizont der Geschichte (Rechtspositivismus, Kommodifizierung); damit das Korsett, welches die Lebenswelt umklammert bzw. das die Lebenswelt stabilisiert und robust macht gegen Verfall.

absoluter Geist: Hier wird es ambivalent. Einmal kann man die Virtualität passé setzen - als Vorstellungskraft. Einmal die Virtualität als technisches Phänomen, in dem sich dieser absolute Geist phänomenalisieren kann. Ein weiteres mal die Sprachlichkeit oder eine andere intersubjektive Substanz, die jeder in sich (in der Vorstellungskraft selbst) erkennen kann. Aber der kann außen vor bleiben, da hier im Grunde die Idee sich selbst denkt; etwas, das in der Gegenwart nicht so recht vermittelbar scheint :P

Zeitgeist ist ja eigtl. klar. Die Moden und der popkulturelle Schein an der Öffentlichkeit.

Weltgeist ist bisschen kompliziert. Weil dort quasi das Erziehungswesen, welches bei uns in der Gegenwart ja faktisch als komplexes Bildungssystem von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter sich zeigt und soziologisch ist. Dieses Erziehungswesen wird genommen und gesagt, dass der Mensch in einer Entwicklung eingespannt sei, in der es Stufen gebe, die durchlaufen sein können und großteils im Laufe des Lebens auch durchlaufen werden. Hierbei ist es sozusagen eine Hierarchie. Gleichzeitig ist es aber auch etwas, an dem sich die Weltseele vom Mythos lossagen kann, um sich in vollem Skeptizismus darauf zu besinnen, dass man an einem bestimmten Ort, in einer Situation, einen ganz bestimmten Moment in der Welt ist und es nur dieser Moment ist, den wir erfassen mittels Abstraktion. In dieser zweiten Sicht stellt der Weltgeist das lokale Phänomen dar, ggü. dem Mythos und der Ewigkeit und anderen antiken oder christlichen Postulaten; um in dieser Kontraposition auf die lokalen und organischen Phänomene zu verweisen, die in eben jenem Weltgeiste (also historisch und sinnlich gewiss) sich abspielen.

Der Geist einer Sache ist sein Wesen. Hat es kein Wesen, hat es keinen Geist.




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Jörn Budesheim
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Di 9. Nov 2021, 20:16

1+1=3 hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 19:30
Was ist subjektiver Geist, was objektiver? Was absoluter? Was ist Zeitgeist, Weltgeist, der "Geist einer Sache" oder so usw.?
Wie beantwortest du diese Fragen selbst?




Groot
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Di 9. Nov 2021, 20:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 19:41
Groot hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 19:22
Genese des Geistes, oder setzt du diesen so, als sei er ewig und in dieser Ewigkeit endlos?
Das ist meines Erachtens eine falsche Opposition. Nehmen wir einen wichtigen Aspekt des Geistes, nämlich unsere Fähigkeit nach uns selbst zu fragen, uns selbst zu bestimmen. Die Antworten darauf fallen verschieden aus. Aber die Fähigkeit der Selbstbestimmung halte ich für eine anthropologische Konstante.

Ich habe leider keine Vorstellung, was du damit meinen könntest, dass ich den Geist "setzen" will.
Für mich ist der Geist ein lokales oder ephemeres Phänomen. Daher kann er entweder gesetzt sein indem er eine bestimmte Region der Gegenwart abdeckt (lokal) oder aber so, dass er in bestimmten Zeitepochen als Emergenzphänomen Bestand hatte und hat (ephemer).

Aber wenn es eine anthropologische Konstante ist, wieso braucht es dann Geist? Es ist dann ja besser so erklärt, dass man es an den Organismen erkennen kann, denen die Fähigkeit zur Selbstbestimmung zukommt. Beispielsweise indem sie sich äußern "Ich bin frei" "Siehe da, das bin ja in diesem Spiegel".
Du versuchst hier so zu agieren, dass der Geist absolut und notwendige Prämisse des Mensch-seins ist. Das will ich nicht verleugnen und dem tue ich damit genüge, dass ich sage, dass dem Geist zukommt, überzuleiten von einer Barbarei vieler gegen vieler zu einer Zivilisiertheit.

Geist ist, anders gesagt, nicht Prämisse für diese Selbsterkenntnis, sondern eine soziale Folge solcher Selbsterkenntnis. Wir schaffen Geist oder erkennen an der Zivilisation auch Geist, weil wir lernen, dass es eine Generationenfolge gibt, der wir entspringen. Aber genau diesen Lernerfolg hatten die Menschen, als Geist entstand, vor 2-6 tausend Jahren. Seitdem ist viel Zeit vergangen...und der Geist so aufgebläht, dass er als ontologische Größe erscheint. Wenn man nun frisch in die Welt geworfen ist, dann erkennt man 2-6 tausend Jahre später aber nicht mehr, dass Geist ursprünglich einmal aus dieser Einsicht in die Ahnenreihe, entsprang; sondern meint diesen ubiquitär spüren zu können - und schließt dann - meines Erachtens falsch - darauf, dass "ich selbst" aus Geist bestehen müsse.
Macht man diesen Fehlschluss macht man doppeltes. Einmal akzeptiert man die Allmacht einer transzendenten Entität. Aber zusätzlich ist ab diesem Moment, in jeder einzelnen Situation Geist still supponiert. Das ist problematisch - aber auf ganz anderer Ebene, nämlich dann, wenn man die strikte Geist-Natur-Wissenschaft Differenz erweitern will um die Sozialwissenschaft. Denn nur dann könnte der Geist wirklich das sein, was dir vorschwebt, nämlich man selbst als geistiges Wesen, das den Geist als das Medium der Selbstreflexion erkennt.




Groot
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Di 9. Nov 2021, 20:28

Der Geist einer Sache ist sein Wesen. Hat es kein Wesen, hat es keinen Geist.
Oder anders: Die Sache ist der Geist, das Ding kann Wesen zukommen oder nicht. Dann aber, dann wären wir ja Fan von Hegel :P




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