Da kommen wir sogar zusammen.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Fr 6. Okt 2017, 18:57
Gleiche und ähnliche Bilder, wie das von dir oben monierte, finden sich an ganz verschiedenen Stellen. Von Hegel bis Nagel. Hier ein paar unterschiedliche Beispiele: Nach McDowell gibt es zum Beispiel keine Möglichkeit, die ethische Wirklichkeit - wer er sich ausdrückt - von der Seitenlinie her zu erklären. Hegel nennt die "Grundhaltung naturwissenschaftlicher Weltdeutung" in der Phänomenologie "beobachtende Vernunft" (nach Quante). Qualia erfährt man aus der "Ich-Perspektive", der Perspektive der ersten Person singular. Manche Dinge versteht man nur aus der Teilnehmer-Perspektive heraus. Die Bilder gleichen sich. Der Grundgedanke dabei ist, dass man manches nur aus dem Phänomen und zwar als darin Beteiligter, als darin Verwickelter oder aus dem Zentrum des Phänomens heraus verstehen kann. Das worum es da jeweils geht - so unterschiedlich es jeweils sein mag - entgeht dem Blick von Nirgendwo (das berühmte Bild von Nagel gehört meines Erachtens auch in diese Reihe).
Ich habe erst nicht begriffen, dass das wohl eine Auflistung von Argumenten gegen den Psychologismus sein soll? Und ich dachte beim Lesen, wann schreibt er denn, was er eigentlich dagegen hat. Alles was da steht, teile ich, aber genau das meine ich ja, wenn ich vom Psychologismus (ich finde fast Psychismus passender) rede.
Wenn ich sage, dass wir die Psyche nicht verlassen können, dann meine ich genau das, dass wir immer eine fundamentale Ich-Perspektive an Bord haben oder anders formuliert, die Welt immer als Psyche (oder Ich oder Subjekt) erleben. Die Psychologie untersucht ja in breiten Teilen genau das, nämlich, wie jemand etwas erlebt, in der Regel, seine Beziehungen zur Welt. Wie erlebt ich Welt, die anderen? Das sind die ganzen hermeneutischen oder tiefenpsychologischen Ansätze.
Die Psychologie untersucht auch, wie diese Eindrücke zu haben ermöglicht wird, z.B. in der Wahrnehmungs- oder Kogntionspsychologie, das ist ein anderer Ansatz innerhalb der gleichen Disziplin und hier wird versucht Erleben bspw. statistisch zu systematisieren. Aber die andere Sicht, aus der Ich-Perspektive ist definitiv auch drin und beide Komponenten wachsen zusammen, indem man z.B. sagt, dass, wer diese und jene Erfahrungen in der Kindheit machte, seine Frau, seinen Chef und "Welt" insgesamt z.B. als warmen und freundlichen oder im anderen Fall, aggressiv-bedrohlichen Ort erleben wird.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Fr 6. Okt 2017, 18:57
Warum ist das so? Weil der Versuch, die fragliche Phänomene nach dem Muster zu begreifen, mit dem die Naturwissenschaften die Welt der Materie und der Energie etc. erklären, gerade das weglässt, was für diese unterschiedlichen Beispiele selbst bestimmend ist: Ihre normativen Strukturen, ihre "Subjketivität", ihre inneren Ordnungen, Ihre Gerichtetheit, ihre Perspektivität, die nicht durch Naturgesetzliches ersetzbar sind, ohne das Phänomen zu verlieren.
Exakt. Das macht die Psychologie aber auch gerade nicht. Denn sie ist ja keine Naturwissenschaft.
So heißt es bei
Wiki:
Die Psychologie ist eine erfahrungsbasierte Wissenschaft. Sie beschreibt und erklärt menschliches Erleben und Verhalten, deren Entwicklung im Laufe des Lebens sowie alle dafür maßgeblichen inneren und äußeren Ursachen oder Bedingungen. Da mittels Empirie jedoch nicht alle psychologischen Phänomene erfasst werden können, ist auch auf die Bedeutung der geisteswissenschaftlichen Psychologie zu verweisen.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Fr 6. Okt 2017, 18:57
Noch mal: Damit ist nicht gesagt, dass die Psychologie eine verfehlte Wissenschaft ist. Gesagt ist nur, dass beispielsweise der Versuch, die Gesetze der Logik mit psychologischen Methoden zu erforschen, ein Versuch am falschen Objekt ist.
Ja, das ist das Standard Gegenargument. In dem
Stanford Artikel dazu heißt es (hier auf Husserl basierend) bspw.:
Erste Konsequenz: Wenn logische Regeln auf psychologischen Gesetzen basieren würden, müssten alle logischen Regeln so vage sein wie die zugrunde liegenden psychologischen Gesetze.
Widerlegung: Nicht alle logischen Regeln sind vage. Und deshalb basieren nicht alle logischen Regeln auf psychologischen Gesetzen. (§21).
Zweite Konsequenz: Wenn Logikgesetze psychologische Gesetze wären, dann könnten sie a priori nicht bekannt sein. Sie wären eher mehr oder weniger wahrscheinlich als gültig und nur durch Erfahrungswerte gerechtfertigt.
Widerlegung: Logikgesetze sind a priori, sie werden durch apodiktische Selbstevidenz gerechtfertigt und gelten statt wahrscheinlich. Und deshalb sind die Gesetze der Logik nicht psychologisch (§21).
Dritte Konsequenz: Wenn logische Gesetze psychologische Gesetze wären, würden sie sich auf psychologische Gebilde beziehen.
Widerlegung: Logische Gesetze beziehen sich nicht auf psychologische Entitäten. Und folglich sind logische Gesetze keine psychologischen Gesetze (§23).
Ich finde aber 1. nicht, dass psychologische Gesetze vage sind. Man würde ja keine psychologischen Systematiken erstellen können, wenn sie es wären. 2., glaube ich auch nicht, dass logische Gesetze a priori sind. Ich denke, sie sind im Laufe der Zeit aus der Sprache extrahiert worden und mussten auch erst an Erfahrungen gelernt werden. Ihr grundlegender Status (der ja, ganz nebenbei in der Philosophie, nicht zuletzt und auch nicht nur von Gabriel, bezweifelt wird) ist ja erst nachträglich gefunden worden. 3. glaube ich, dass sich die Gesetze der Logik ja durchaus auf "psychologische Gebilde" beziehen, was immer das genau heißen soll. Ist der Mensch ein psychologisches Gebilde, oder eine Neurose, oder die durchschnittliche Offenheit in der Gesellschaft?
Ansonsten ist die Logik ja etwas, was aus der Psyche stammt, sie stellt ja eine abstrakte, formale Bündelung wahrer Aussagen da, wenn wir jetzt von reinen formalen Logiken absehen, deren Gesetze mit unserer Welt nichts mehr zu tun haben, ähnliches gilt für die Sprache und ihre Experimentierformen.
Meine eigene Kritik an meinem Psychismus ist die Frage, was überhaupt mit der Feststellung, dass wir Welt als Psyche erleben und die niemals (bewusst) verlassen können (schwieirig wird das bei luziden Träumen und einigen Mediations- oder Einheits- oder Gipfelerfahrungen) überhaupt gewonnen ist.
Ich glaube allerdings, dass das bei Fragen, wie der, warum die Mathematik zu empirischen Phänomenen passt, bei Fragen nach der Wahrheit und ihrer Möglichkeit und auch gesellschaftlichen Fragen durchaus von Bedeutung ist. Auch sehe ich nicht, dass die Psyche von der Logik irgendwie abgekoppelt ist, was die meisten Leute aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen schlicht nicht verstehen, ist, dass die Psyche beides ist und in unterschiedlichen Anteilen von beidem motiviert oder "gesteuert" wird, ein logischer Apparat und ein emotionales Ding (evtl. noch etwas Spirituelles) und innerhalb dieser Emotionalität ein polares, d.h. konstituiert aus einem Organismus mit einer prinzipiellen Antwortmöglichkeit/Reakitonsdispositionen, die die Welt in gut und böse/spalten.
Warum noch heute in aller Hartnäckigkeit behauptet wird, man könne und müsse die Psyche allein auf Emotionen oder Rationalität reduzieren, ist einigermaßen unverständlich.