Tosa Inu hat geschrieben : ↑ Sa 7. Okt 2017, 09:08
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Fr 6. Okt 2017, 18:57
Noch mal: Damit ist nicht gesagt, dass die Psychologie eine verfehlte Wissenschaft ist. Gesagt ist nur, dass beispielsweise der Versuch, die Gesetze der Logik mit psychologischen Methoden zu erforschen, ein Versuch am falschen Objekt ist.
Ja, das ist das Standard Gegenargument. In dem
Stanford Artikel dazu heißt es (hier auf Husserl basierend) bspw.:
Erste Konsequenz: Wenn logische Regeln auf psychologischen Gesetzen basieren würden, müssten alle logischen Regeln so vage sein wie die zugrunde liegenden psychologischen Gesetze.
Widerlegung: Nicht alle logischen Regeln sind vage. Und deshalb basieren nicht alle logischen Regeln auf psychologischen Gesetzen. (§21).
Zweite Konsequenz: Wenn Logikgesetze psychologische Gesetze wären, dann könnten sie a priori nicht bekannt sein. Sie wären eher mehr oder weniger wahrscheinlich als gültig und nur durch Erfahrungswerte gerechtfertigt.
Widerlegung: Logikgesetze sind a priori, sie werden durch apodiktische Selbstevidenz gerechtfertigt und gelten statt wahrscheinlich. Und deshalb sind die Gesetze der Logik nicht psychologisch (§21).
Dritte Konsequenz: Wenn logische Gesetze psychologische Gesetze wären, würden sie sich auf psychologische Gebilde beziehen.
Widerlegung: Logische Gesetze beziehen sich nicht auf psychologische Entitäten. Und folglich sind logische Gesetze keine psychologischen Gesetze (§23).
Ich finde aber 1. nicht, dass psychologische Gesetze vage sind. Man würde ja keine psychologischen Systematiken erstellen können, wenn sie es wären. 2., glaube ich auch nicht, dass logische Gesetze a priori sind. Ich denke, sie sind im Laufe der Zeit aus der Sprache extrahiert worden und mussten auch erst an Erfahrungen gelernt werden. Ihr grundlegender Status (der ja, ganz nebenbei in der Philosophie, nicht zuletzt und auch nicht nur von Gabriel, bezweifelt wird) ist ja erst nachträglich gefunden worden. 3. glaube ich, dass sich die Gesetze der Logik ja durchaus auf "psychologische Gebilde" beziehen, was immer das genau heißen soll..
Herr K. hat geschrieben : ↑ Di 21. Nov 2017, 12:14
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Di 21. Nov 2017, 06:27
Damit sind wir allerdings noch nicht beim Kernproblem des Psychologismus. Der Psychologismus nimmt im Grunde an, denn er ist ein Naturalismus, dass Geltung rückstandslos durch Kausalität ersetzt werden kann und sogar muss.
Dafür hätte ich gerne einen Beleg.
Ich möchte noch mal auf den Ursprung des Threads zurück kommen. Dazu habe ich einen Text über Husserls Widerlegung des Psychologismus von Peter Prechtl aus einer Husserl Einführung in eigenen Worten zusammen gefasst. An anderer Stelle hatte @"Tosa Inu" erläutert, dass nach seiner Ansicht heute vermutlich kaum noch jemand auf Husserls Widerlegung etwas gibt. Ich hab die fragliche Stelle von Tosa zwar nicht gefunden, hoffe aber, dass ich sie richtig wiedergebe. Im folgenden Link findet man jedoch etwas völlig anderes, der Autor erläutert, dass der Psychologismus seit Husserls Intervention für die meisten Philosophen als endgültig widerlegt gilt.
An dieser Stelle findet man eine Stellungnahme von Keller. Sowie ein Statement von Spaemann, das ich gleich zitiere:
"Husserls Widerlegung des Psychologismus in der Logik ist ein der wenigen philosophischen Leistungen, die eine bestimmte Debatte definitiv beendet hat."
Ich hoffe zudem, dass die Zusammenfassung den Beleg liefert, den Herr K. sich gewünscht hat :-)
Husserls Widerlegung des Psychologismus
Psychologismus nennt man die Ansicht, die die Psychologie zu einer Art Grundwissenschaft machen will. Ziel ist alle Erkenntnisleistungen psychologisch zu erklären. In der Konsequenz werden objektive Sachverhalte auf psychische Vorgänge zurückgeführt/reduziert. Beides: die Sachverhalte also auch die Akte des Denkens und Erkennens sind demnach etwas Psychisches.
Damit entsteht folgendes Problem: Nimmt man die Vorgänge des Denkens in den Blick, dann erfährt man nur, wie es unter gegebenen Bedingungen abläuft. Man nimmt ein Sein in den Blick, kein Sollen, also nicht richtig oder falsch. Die Logik zielt jedoch auf Normen des Denkens. "Der normative Aspekt der Logik impliziert ein Kriterium »wahr«/»falsch«, das über die bloße Beobachtung von Denkvorgängen nicht zu gewinnen ist." (Peter Prechtl)
"Psychologik"
Husserl macht ein weiteres Problem namhaft. Es beruht auf einem signifikanten Unterschied zwischen Logik und "Psychologik". Der Satz vom Widerspruch (zum Beispiel) besagt, dass von zwei sich widersprechenden Aussagen über den gleichen Gegenstand nur eins richtig sein kann. Die Psychologischen Gesetze haben jedoch einen anderen Charakter, sie basieren auf Verallgemeinerung einzelner Befunde. Würden die logischen Gesetze darauf beruhe, würden sie ihr unbedingte Geltung einbüßen. Sie hätten statt dessen den Charakter vager Regeln: "Wie die empirischen Gesetze [der Psychologie] wären sie hinsichtlich ihres Geltungsanspruches nur mit bestimmten Wahrscheinlichkeitsgraden ausgewiesen und nicht durch notwendige Einsicht (apodiktische Evidenz) begründet." (Peter Prechtl) Der Satz vom Widerspruch würde dann eine nachgerade kuriose Form annehmen: "Es sei zu vermuten, dass von zwei gegensätzlichen Aussagen über denselben Sachverhalt nur eine wahr sei."
Zwei Arten von Kausaliät?
Und noch ein Problem: Unterstellen wir um des Argumentes willen, die Denkgesetze seien tatsächlich Kausalgesetze in einem strengen Sinn. Ein logisch richtiger Gedanke wäre "durch Kausalität der Denkabfolge bestimmt. Dann entspräche der Nachweis der kausalen Entstehung dem Nachweis des logisch korrekten Denkens." (Peter Prechtl)
Doch wie steht es nun um das falsche Denken? Im Kopf des Richtigdenkers und im Kopf des Falschdenkers wirken schließlich die gleichen Naturgesetze. "Wenn auch das unlogische Denken nach Gesetzen abläuft, wäre man zu zwei Arten des Kausalverhältnisses oder zu der zusätzlichen Annahme genötigt, dass eine »korrekte« kausale Abfolge gestört werden kann. " (Peter Prechtl)
Hierbei ergibt sich ein deutliches Problem: Denn diese Betrachtungen setzen bereits das logisch richtige als bekannt voraus. Es wird nicht aus der Empirie gewonnen, sondern umgekehrt, werden die Beobachtungen an den Gesetzen der Logik bemessen. Man kann demnach nicht argumentieren, die logischen Gesetze seien nur eine Art Abbild der Kausalgesetze, sodass wir gleichsam bloß der Natur unseres Denkens folgen müssen, um richtig zu denken.
Denkakt/Denkinhalt
Husserl weißt gemäß Prechtl hier auf einen weiteren wichtig Punkt hin, auf den in diesem Forum schon oft hingewiesen wurde. Er mahnt eine wichtige Differenzierung an und zwar zwischen dem Urteilen als Verlaufsform und dem Urteilsinhalt, dem Gedankeninhalt. Mit anderen Worten zwischen dem Akt des Denkens und seinem Gehalt. Husserl nutz hier eine Begrifflichkeit, die ich unglücklich finde. Er unterscheidet zwischen »Realem« und »Idealem«. "Das Urteilen als realer Denkablauf mit einer Abfolge einzelner Episoden steht im Gegensatz zu dem Urteilsinhalt, der sich als Ideales bezeichnen lässt -wie jeder Gedanke ein Ideales darstellt." (Peter Prechtl)
Logische Gesetze sind formal, nicht material
Mit folgendem Problem will ich diese Zusammenfassung schließen: Wären die logischen Gesetze die bloß "Abbildung realer Denkverläufe", dann müssten sie jedoch einen "empirisch-psychologischen Gehalt" besitzen, wie Peter Prechtl sich ausdrückt. Doch die logische Gesetze sind rein formal und beinhalten nicht irgendeinen materialen Gehalt. "Das logische Gesetz gilt unabhängig von den materialen bzw. psychologischen Umständen des Urteilenden und unabhängig von den beurteilten materialen Sachverhalten, also für die Urteile des Alltags ebenso wie für wissenschaftliche Aussagen der Biologie, Chemie, Sprachwissenschaft etc." (Peter Prechtl)