Psychologismus?!

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
Hermeneuticus
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Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Und ja, auch in der Psychologie wird logisch argumentiert, aber dass die Logik der Psychologie zwingend voran geht, glaube ich weniger.
Wenn man unter "vorangehen" einen methodischen Vorrang versteht, sollte man vernünftiger Weise auch an ihn glauben. Denn unter Psychologen werden sinnlose Sätze, Fehlschlüsse, falsche Auswertungen von Statistiken usw. bestimmt nicht als Beiträge zur Wissenschaft gelten gelassen. Damit irgendetwas überhaupt zum Bestandteil der wissenschaftlichen Psychologie werden kann, muss es auch einigermaßen plausibel und gut begründet sein. In diesem methodischen Sinne geht die Logik der Psychologie voran - nämlich als eine Bedingung, die in jedem Fall erfüllt sein muss, bevor irgendwelche Behauptungen über psychische Sachverhalte als Beiträge zur Wissenschaft kandidieren können.




Tosa Inu
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Herr K. hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 22:34
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Die Gesetze der Schwerkaft sind sicher keine psychologischen Gesetze, aber ich kenne auch niemanden, der das behauptet.
Ja, der Psychologismus-Streit um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert drehte sich (nur oder zumindest hauptsächlich) wohl um Logik und um Mathematik. So wie ich das sehe, war es ein Streit über den ontologischen Status von Logik und Mathematik, wobei Frege und Husserl eine platonistische Position einnahmen und die Psychologisten eine anti-platonistische Position.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Und ja, auch in der Psychologie wird logisch argumentiert, aber dass die Logik der Psychologie zwingend voran geht, glaube ich weniger.
Das eben war damals einer der Streitpunkte.
Damiit wären wir ja bei einer Art Wiederauflage der Gabriel Debatte angekommen, über den Grad des Realismus bspw. logischer "Eintitäten".
Der Psychologist spielt dabei die Rolle des klassischen Realisten (= nur physikalische Dinge existieren), der Platonist die des Nicht-Realisten, bzw. dehnt den Realismus auf logische Objekte aus.
Herr K. hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 22:34
Psychologische Entitäten sind mE solche, die von der Psychologie untersucht werden. Was das genau bedeutet, scheint mir strittig zu sein. Es sieht so aus, als ob einige Anti-Psychologisten meinten, das seien nur "bloße" Denkvorgänge. (Wiewohl ich immer dachte, dass Psychologie auch das Verhalten von Menschen untersuchte - ich mag mich da aber irren, kenne mich mit Psychologie nicht so gut aus.)
Womit Du, Du wirst es ahnen, auch sehr richtig liegst. Denkvorgänge sind das Feld der kognitiven Psychologie, aber Lernprozesse, soziale Prozesse, emotionale Vorgänge, Beziehungen, Erleben und Verhalten sowie Wertvorstellungen und spiritueller Erfahrungen sind nicht auf Denkprozesse zu reduzieren.
Herr K. hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 22:34
Der Vorwurf der Verwechslung von psychologischen und nicht-psychologischen Entitäten sieht mE normalerweise so aus: die eine Seite meint, dass z.B. Logik und Mathematik unabhängig von jeglichem Denken im platonischen Himmel existiere, die andere Seite meint, dass Logik und Mathematik auf unser Denken (und unser Verhalten/unsere Praktiken) zurückführbar sei, d.h. nicht unabhängig von unserem Denken und unseren Praktiken existiere.
Nun bin ich da in einer Doppelrolle. Als Psychologist (wobei mein Psychologismus nur sagt, dass wir die Psyche nie verlassen können) kann ich da die Einstellungen des Platonismus in dieser genannten Form zwar von der Intuition her nachvollziehen, halte die Argumente aber für nicht sonderlich kräftig.
M.E. sind sowohl Psychologie, als auch Logik (wenn auch gewiss beide in einer Frühform) aus den Praktiken und Sprechakten des Alltags hervorgegangen, bevor sie dann immer klarer formuliert und zu eigenen Bereichen wurden.

Das heißt aber wiederum nicht, dass es nicht eigene Welten geben könnte, denn denkbar wäre, dass wir als Menschen am Anfang einfach noch keinen Zugang zu diesen Welten hatten und diese, gleich einem neuen Kontinent, erobern müssen. Inzwischen finde ich dabei die Frage nach der Realität eher als etwas hinderlich, denn als klärend. Denn, wird nur gelten gelassen, dass Realität = physische Existenz meint, ist die Sache definitorisch eh schon klar.

Wenn wir aber ein Kriterium haben wollen, was den Status der Realität zuspricht, ist der Blick auf die Psyche vielleicht gar nicht schlecht.
Selbst wenn wir bei der Idee bleiben die Psyche entstamme zu 100% dem Hirn, dann ist sie ja doch nicht auf die Hirnprozesse zu reduzieren.
Das Beispiel mag ausgelutscht sein, aber ich finde es nach wie vor gut: Ein Verlust des Ich entspricht weitgehend einer psychischen Desorganisation = Psychose. Im Hirn findet man das aber nicht. Korrelationen, selbst für knackige Psychosen, wurden immer wieder gesucht, ließen sich aber bislang alle nicht erhärten.

Wittgensteins Formel, dass Welt alles ist, was der Fall ist, finde ich gut. Es gibt Dinge, die Relationen zwischen ihnen können als Tatsachen erkannt und als Aussagen formuliert werden. Das ist nicht beschränkt, auf die Aussagen der Physik. Die Idee Psyche, Ästhetik, Werte, Spiritualität, Logik, Sprache und Phantasie in den Kopf verlegen zu wollen, kann ich durchaus nachvollziehen, m.E. wir der Druck auf diesen naturalistischen Ansatz aber immer größer, weil man im Grunde ohne ihn auskommt. Konkret heißt dass, das uns die Erkenntnisse der Hirnforschung weniger stark weiter bringen, als man zuweilen glauben möchte. Das wird unterschiedlich eingeschätzt, der von mir hoch geschätzte Otto Kernberg, sieht das deutlich positiver als ich (und da stelle ich mich dann gerne in die zweite Reihe), er präsentiert auf einer Seite auch das, was wir wissen, die alles bezieht siich aber auf den affektiven Bereich: Stressantwort, Angst, Panik, Sexualität. Letztlich ist das viel komplizierter, als man oft liest, wenn dann Serotoninmangel angeblich Depressionen macht und Oxytocin Bindungen herstellt, weil das schon auf dieser Ebene viel komplexer ist. Grund genug, die Logik nicht im Hirn zu suchen oder wenigstens parallel eine Ebene zu suchen, auf der man agieren kann und bei der man das Hirn ignoriert. Analog gilt das für die Sprache, Ästhetik usw.

Bei der Psychologie und Psychotherapie macht man es ja auch so. Wenn sich da eine Korrelation mit dem Hirn und seinen Funktionen ergibt (was oft bei der Neurologie, seltener bei der Psychiatrie und selten bis kaum bei der Psychologie der Fall ist), dann ist das schön, aber Psychologie und Psychotherapie kann man notfalls auch betreiben, ohne zu wissen, dass es Gehirne gibt. Dennoch gilt, wenn man an der Psyche herumschraubt, verändert man das Gehirn, was einfach heißt, dass der Weg vom Hirn zur Psyche (oder Ich) keine Einbahnstraße ist. Man kann natürlich sagen, man rede, wenn man mit dem Ich redet, immer auch direkt mit dem Hirn, aber dann kann man das von der Hirnforschung aufgemachte Fass, dass nämlich das Hirn ein Organ wie die Leber sei und daher die Sprache der 1. Person sehr bald (Wolf Singer annoncierte 2003 zehn Jahre dafür) komplett in jene der 3. Person überführt werden könne, auch zu lassen.

Dass man dem Hirn nun einfach Attribute der 1. Person zuschreibt, ist im Hinblick auf den vollmundigen Anspruch von Singer und Roth eine Bankrotterklärung. Das heißt nun nicht, dass man nicht nach wie vor von der Forschung profitieren könnte, ich bin da nach wie vor pragmatisch und gerade deshalb für die Installierung eigener Welten, wie in der Logik, Psychologie, Kunst, Spiritualität deren ontologischer Status mir gar nicht mehr so wichtig vorkommt, hier aber nicht im Sinne eines Rückzugs, sondern mein Eindruck ist, dass man einfach nichts gewinnt, wenn man die Logik nun in den Kopf verlagert, zumal der Status glaube ich eh nicht zu klären ist.

Du sprachst von zwei Richtungen der Korrespondenztheorie, einmal wenn es darum geht wie hoch ein Turm ist, ein anderes Mal bei der Frage was "ein wahrer Freund" ist und da von einer umgekehrten Richtung der Theorie. Das ist ja dann ein korrespondenztheoretisches Element, denn was "den wahren Freund" ausmacht, sieht man ja nicht am Freund, sondern am Idealbild desselben. Da hast Du doch Plato, den Du nun natürlich wieder in die Kopf zurück verlegen kannst, was m.E. auch geht, in dem Sinne, dass Ideale nicht vom Baum gefallen sind, sondern ihre Historie oder Genese haben (die Michael Tomasello glänzend nachzeichnet), aber auch da ist wieder ungleich mehr als nur das Gehirn dran beteiligt, vor allem ist in diesem die Geschichte nicht zu finden, nicht zu rekonstruieren, so wie man am Auge nicht sieht, dass es Licht gibt, aber auf dasselbe schließen kann.

Will sagen, die Trennung zwischen Platon und Psycho scheint mir theoretisch so wenig überzeugend und definitiv zu sein, wie praktisch, wenn wir uns den breiten Spielarten zuwenden, die unter Psychosomatik verhandelt werden. Denn auch das ist Psychologen klar. Dass innere Bild des Freundes ist ungleich wichtiger, als das reale Verhalten desselben und wenn für die Konstituierung der Moral die Fähigkeit zur Idealisierung Voraussetzung ist, was einfach meint, über den konkreten Nutzen eines Menschen im Hier und Jetzt hinauszugehen, dann meint dies die Fähigkeit eine andere Welt errichten zu können.

Auch das endet unbefriedigend, wenn man es auf diese Aspekte reduzieren will, denn es gibt moralische Akte höhere Güte, wie Reue, Verzeihen und andere, die man nicht mehr einfach auf die Ebene der Strategiespiele reduzieren kann. Würde sich irgendwann erweisen, dass die Fähigkeit zum Verzeihen bspw. mit einer neurologischen Verbindung zwischen einem (ansonsten unverbundenen) Bereich A mit Bereich B korreliert, was wäre damit gewonnen. Am ehesten noch könnte man versuchen Verzeihen so zu induzieren, indem man - wie auch immer - eine künstliche Verbindung zwischen diesen Bereich versucht herzustellen, in der Hoffnung, dass wenn A und B verbunden sind, sich auch die Fähigkeit zu verzeihen einstellt. Analoge Versuche hat es gegeben, nach meinem Kenntnisstand sind die nie sehr überzeugend ausgefallen. Es scheint eher so zu sein, dass man den Weg schon selbst gehen, die inneren Welten selbst erforschen muss.

Erfahrungen mit Welt garantieren ja nicht automatisch, dass man lernt. Anders herum, würde ein Update allen Wissens, was wir haben, in ein Hirn, das nie mit der Welt in Kontakt gekommen ist, aus prinzipiellen Gründen nicht dazu führen, dass dieser Mensch nun die Welt bessert als alle beherrscht, er würde nichts in ihr erkennen, weil er nie Kontakt zu ihr hatte. Daraus folgt m.E. nicht, dass ein Monismus zwingend ist.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Do 30. Nov 2017, 10:46

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 09:18
Wenn man unter "vorangehen" einen methodischen Vorrang versteht, sollte man vernünftiger Weise auch an ihn glauben. Denn unter Psychologen werden sinnlose Sätze, Fehlschlüsse, falsche Auswertungen von Statistiken usw. bestimmt nicht als Beiträge zur Wissenschaft gelten gelassen. Damit irgendetwas überhaupt zum Bestandteil der wissenschaftlichen Psychologie werden kann, muss es auch einigermaßen plausibel und gut begründet sein. In diesem methodischen Sinne geht die Logik der Psychologie voran - nämlich als eine Bedingung, die in jedem Fall erfüllt sein muss, bevor irgendwelche Behauptungen über psychische Sachverhalte als Beiträge zur Wissenschaft kandidieren können.
Die Frage ist ja längst, wodurch (= durch welche konkreter Äußerung oder Theorie welches Psychologen oder welcher Schule) dies in Abrede gestellt wird.
Ansonsten macht der Vorwurf ja keinen Sinn.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wo genau die Logik denn in fertiger Weise vorgefunden wird/werden kann.



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Do 30. Nov 2017, 11:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 06:37
Der Einwand besteht meines Erachtens allein darin, dass manche Philosophen versuchen, die Gesetze der Logik auf empirische Gesetze (der Psychologie) zurückzuführen.
Nicht ganz zu unrecht, würde ich sagen.
Wo soll die Logik denn herkommen?
M.E. ist sie zuächst einmal eine Absraktion alltäglicher Lebenserfahrungen, etwa, dass ich nicht zugleich hier und dort sein kann, essen und zugleich nicht essen kann, usw. Da dies für so ziemlich alles in der Mesowelt gilt, kann man das abstrahieren, was m.E. die Entstehung der Logik erklärt. Ansonsten: Wie sonst?

In der Mikrowelt passt dass alles schon nicht mehr, diese Ebene der realen Welt kümmert sich um den Satz vom Widerspruch offenbar nicht in ausreichender Weise. In der menschlichen Psyche verbacken bisweilen tatsächlich konträr erscheinende Erlebnisse zu einer neuen Einheit, eine Fähigkeit, die als Tolerierung von Ambivalenzen als Zeugnis psychischer Reife angesehen wird. In strengen Sinne unlogisch finde ich Letztgenanntes allerdings auch nicht, da sich bspw. die gesteigerte Bereitschaft zu Liebe und Hass gegenüber einer Person, durch den Grad der emotionalen Nähe erklären lässt.



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Do 30. Nov 2017, 11:16

Herr K. hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 22:34
Der Vorwurf der Verwechslung von psychologischen und nicht-psychologischen Entitäten sieht mE normalerweise so aus: die eine Seite meint, dass z.B. Logik und Mathematik unabhängig von jeglichem Denken im platonischen Himmel existiere, die andere Seite meint, dass Logik und Mathematik auf unser Denken (und unser Verhalten/unsere Praktiken) zurückführbar sei, d.h. nicht unabhängig von unserem Denken und unseren Praktiken existiere.
Wie die Logik unabhängig vom Denken existieren soll, ist schwer zu begreifen, wenn doch die (wissenschaftliche Disziplin der) Logik nichts anderes tut, als die Regeln explizit zu formulieren, durch die sich vernünftiges Reden und Denken vom unvernünftigen unterscheidet. Aber diese "Zurückführung" der Logik auf das Denken ist natürlich nicht so zu verstehen, als hingen die Regeln der Logik von den faktischen Denkvollzügen und -gewohnheiten der Menschen ab oder als seien die logischen Regeln nichts anderes als Beschreibungen des vernünftigen Denkens.

Will man also unbedingt auf eine ontologische Einordnung der psychischen und der logischen Entitäten hinaus, wäre es die vordringliche Aufgabe zu zeigen, wie und wodurch normativ signifikante Entitäten sich von normativ nicht signifikanten unterscheiden. Dabei käme man völlig ohne einen platonischen Ideenhimmel aus, da beide Arten von Seiendem ganz und gar irdisch und profan sind. Ein Stop-Schild oder eine Verfahrensvorschrift z.B. befinden sich doch wohl auf derselben Erde, auf der auch Lebewesen und ihr Seelenleben existieren. Da liegt also nicht der eigentliche Streitpunkt.




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Do 30. Nov 2017, 11:41

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:04
Wo soll die Logik denn herkommen?
M.E. ist sie zuächst einmal eine Absraktion alltäglicher Lebenserfahrungen, etwa, dass ich nicht zugleich hier und dort sein kann, essen und zugleich nicht essen kann, usw. Da dies für so ziemlich alles in der Mesowelt gilt, kann man das abstrahieren, was m.E. die Entstehung der Logik erklärt. Ansonsten: Wie sonst?
Aus der bloßen Erfahrung lassen sich keine präskriptiven Regeln abstrahieren. Daraus, wie sich X (erfahrungsgemäß) meistens oder immer verhält, lässt sich nicht ableiten, wie man vernünftiger Weise mit X praktisch umgehen sollte. Nun besteht aber die Logik aus nichts anderem, als aus präskriptiven Regeln für das vernünftige Tun (Denken, Reden, Handeln). Will man also die Entstehung der Logik erklären, kommt man nicht darum herum, zunächst einmal ihren wesentlich präskriptiven Charakter zu würdigen.




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Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 10:46
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 09:18
Wenn man unter "vorangehen" einen methodischen Vorrang versteht, sollte man vernünftiger Weise auch an ihn glauben. Denn unter Psychologen werden sinnlose Sätze, Fehlschlüsse, falsche Auswertungen von Statistiken usw. bestimmt nicht als Beiträge zur Wissenschaft gelten gelassen. Damit irgendetwas überhaupt zum Bestandteil der wissenschaftlichen Psychologie werden kann, muss es auch einigermaßen plausibel und gut begründet sein. In diesem methodischen Sinne geht die Logik der Psychologie voran - nämlich als eine Bedingung, die in jedem Fall erfüllt sein muss, bevor irgendwelche Behauptungen über psychische Sachverhalte als Beiträge zur Wissenschaft kandidieren können.
Die Frage ist ja längst, wodurch (= durch welche konkreter Äußerung oder Theorie welches Psychologen oder welcher Schule) dies in Abrede gestellt wird.
Ansonsten macht der Vorwurf ja keinen Sinn.
Ich habe den historischen Psychologismus-Streit nicht so parat, dass ich Beispiele für psychologistische (oder was, erkenntnistheoretisch betrachtet, dasselbe ist: empiristische) Positionen nennen könnte. Aber in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart sind im Bereich der Hirnforschung und ihrer theoretischen Verarbeitung doch mancherlei Versuche bekannt geworden, das vernünftige Denken und Handeln aus empirischen Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Die anti-psychologistische Kritik ist also keineswegs obsolet.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wo genau die Logik denn in fertiger Weise vorgefunden wird/werden kann.
Du fragst das, als hättest Du noch nie etwas von Brandoms "Making it explicit" gehört. Wo findet sich denn nach Brandom die Logik vor?




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Do 30. Nov 2017, 13:40

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:41
Aus der bloßen Erfahrung lassen sich keine präskriptiven Regeln abstrahieren.
Das ist richtig.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:41
Daraus, wie sich X (erfahrungsgemäß) meistens oder immer verhält, lässt sich nicht ableiten, wie man vernünftiger Weise mit X praktisch umgehen sollte.
Doch selbstverständlich. Woraus denn sonst?
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:41
Nun besteht aber die Logik aus nichts anderem, als aus präskriptiven Regeln für das vernünftige Tun (Denken, Reden, Handeln).
Was man tun sollte, ist eine Frage der Moral. Logik ist folgerichtiiges Schließen.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:41
Will man also die Entstehung der Logik erklären, kommt man nicht darum herum, zunächst einmal ihren wesentlich präskriptiven Charakter zu würdigen.
Gut, und wie geht es dann weiter?



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Do 30. Nov 2017, 13:46

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:57
Ich habe den historischen Psychologismus-Streit nicht so parat, dass ich Beispiele für psychologistische (oder was, erkenntnistheoretisch betrachtet, dasselbe ist: empiristische) Positionen nennen könnte.
Dafür, dass Du Dich anfangs mit solcher Wucht auf diesen geworfen hast, ist das aber ganz schön dünn.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:57
Aber in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart sind im Bereich der Hirnforschung und ihrer theoretischen Verarbeitung doch mancherlei Versuche bekannt geworden, das vernünftige Denken und Handeln aus empirischen Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Die anti-psychologistische Kritik ist also keineswegs obsolet.
Einfach mal was hinschreiben, merkt ja keiner, dass es nichts mit dem zu tun hat, worum es geht?
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:57
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wo genau die Logik denn in fertiger Weise vorgefunden wird/werden kann.
Du fragst das, als hättest Du noch nie etwas von Brandoms "Making it explicit" gehört. Wo findet sich denn nach Brandom die Logik vor?
Ach Gott, ja, Posing.
Wer's braucht.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Do 30. Nov 2017, 14:07

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 13:40
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:41
Daraus, wie sich X (erfahrungsgemäß) meistens oder immer verhält, lässt sich nicht ableiten, wie man vernünftiger Weise mit X praktisch umgehen sollte.
Doch selbstverständlich. Woraus denn sonst?
Es ist also selbstverständlich, dass das Sollen aus dem Sein folgt?
Was man tun sollte, ist eine Frage der Moral. Logik ist folgerichtiiges Schließen.
Und folgerichtig ist das, was die meisten Menschen folgerichtig finden? Oder bestimmt sich nach den logischen Regeln, ob jemand im konkreten Fall richtig oder falsch gefolgert hat?

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:41
Will man also die Entstehung der Logik erklären, kommt man nicht darum herum, zunächst einmal ihren wesentlich präskriptiven Charakter zu würdigen.
Gut, und wie geht es dann weiter?
Mir scheint, Dein "gut" ist verfrüht. Aus Deinen obigen Bemerkungen ergibt sich eher, dass Du den präskriptiven (= normativen) Gehalt der Logik noch gar nicht gewürdigt hast. Sonst könntest Du es nicht für selbstverständlich halten, dass das Sollen aus dem Sein folgt.




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Do 30. Nov 2017, 14:14

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 10:40
Damit wären wir ja bei einer Art Wiederauflage der Gabriel Debatte angekommen, über den Grad des Realismus bspw. logischer "Eintitäten".
Der Psychologist spielt dabei die Rolle des klassischen Realisten (= nur physikalische Dinge existieren), der Platonist [...] dehnt den Realismus auf logische Objekte aus.
Ja, so sehe ich das zumindest.
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 10:40
M.E. sind sowohl Psychologie, als auch Logik (wenn auch gewiss beide in einer Frühform) aus den Praktiken und Sprechakten des Alltags hervorgegangen, bevor sie dann immer klarer formuliert und zu eigenen Bereichen wurden.

Das heißt aber wiederum nicht, dass es nicht eigene Welten geben könnte, denn denkbar wäre, dass wir als Menschen am Anfang einfach noch keinen Zugang zu diesen Welten hatten und diese, gleich einem neuen Kontinent, erobern müssen.
Sehe ich auch so.

Noch eine Anmerkung zu dem von Dir weiterhin Gesagten: "Realität = physische Existenz" ist als Position akzeptabel, darüber kann man reden und Argumente pro und contra austauschen. Als Definition von Realität würde ich es jedoch nicht gelten lassen. Oder so gesagt: der Streit darüber, was es wie gibt, kann nicht durch eine Definition beigelegt werden.




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Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:07
Es ist also selbstverständlich, dass das Sollen aus dem Sein folgt?
Und ich hätte einen naturalistischen Fehlschluss begangen, Juchheißa.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:07
Und folgerichtig ist das, was die meisten Menschen folgerichtig finden? Oder bestimmt sich nach den logischen Regeln, ob jemand im konkreten Fall richtig oder falsch gefolgert hat?
An der Stelle, die ich im Auge habe, richtet sich das eher nach dem praktischen Nutzen und das vermutlich auch noch alles recht vorsprachlich, wie bei Tieren, die sich so verhalten, wie ein rationaler Akteur es billigen könnte. Irgendwann kann man dann bewusst in diese Prozesse eingreifen, vermutlich eher spielerisch, probierend. Die Logik, die man da findet, ist eine die aus der Nützlichkeit geboren ist, dass man daraus Prinzipien abstrahieren kann die allgemeinerer Natur sind, leuge ich nicht, sondern ich behaupte es.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:07
Mir scheint, Dein "gut" ist verfrüht. Aus Deinen obigen Bemerkungen ergibt sich eher, dass Du den präskriptiven (= normativen) Gehalt der Logik noch gar nicht gewürdigt hast.
Ich habe ihm soeben eine Kerze angezündet.



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Do 30. Nov 2017, 14:26

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 13:46
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:57
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wo genau die Logik denn in fertiger Weise vorgefunden wird/werden kann.
Du fragst das, als hättest Du noch nie etwas von Brandoms "Making it explicit" gehört. Wo findet sich denn nach Brandom die Logik vor?
Ach Gott, ja, Posing.
Wer's braucht.
Du hattest eine Frage gestellt, und ich habe Dich daran erinnert, dass Du als Brandom-Leser eigentlich eine Antwort auf Deine Frage kennst, die abgekürzt etwa so lautet: Logik findet sich vor in unseren begrifflich strukturierten, intentionalen Praxen.

Sei doch so gut und bleibe sachlich!




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Do 30. Nov 2017, 14:34

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:16
Wie die Logik unabhängig vom Denken existieren soll, ist schwer zu begreifen, wenn doch die (wissenschaftliche Disziplin der) Logik nichts anderes tut, als die Regeln explizit zu formulieren, durch die sich vernünftiges Reden und Denken vom unvernünftigen unterscheidet.
Ich finde hingegen die Ansicht, Objekte der Logik und/oder Mathematik existierten unabhängig von uns, unserer Sprache, unseren Gedanken und Praktiken, nicht schwer zu begreifen. Wieso es ein Argument gegen diese Ansicht sein soll, dass sich die wissenschaftlichen Disziplinen der Logik und Mathematik mit diesen Objekten beschäftigen, ist mir jedoch nicht klar. Analog dazu: Planeten und ihre Bewegungen existieren nach realistischer Ansicht (die in diesem Falle auch meine ist) im o.g. Sinne unabhängig. Was aber die Astronomie nicht daran hindert, sich mit Planeten und ihren Bahnen zu beschäftigen.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:16
Aber diese "Zurückführung" der Logik auf das Denken ist natürlich nicht so zu verstehen, als hingen die Regeln der Logik von den faktischen Denkvollzügen und -gewohnheiten der Menschen ab oder als seien die logischen Regeln nichts anderes als Beschreibungen des vernünftigen Denkens.
Weil?




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Do 30. Nov 2017, 14:44

Herr K. hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:34
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 11:16
Aber diese "Zurückführung" der Logik auf das Denken ist natürlich nicht so zu verstehen, als hingen die Regeln der Logik von den faktischen Denkvollzügen und -gewohnheiten der Menschen ab oder als seien die logischen Regeln nichts anderes als Beschreibungen des vernünftigen Denkens.
Weil?
Weil Beschreibungen nicht vorschreiben, wie (richtig, nutzbringend, rational...) gehandelt werden soll. Dagegen beschreibt z.B. der Satz vom Widerspruch nicht, wie die meisten Menschen meistens denken oder handeln, sondern er fordert uns dazu auf, so zu sprechen und zu handeln, dass wir uns nicht selbst widersprechen.




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Herr K. hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:14
Sehe ich auch so.
Interessant fände ich nun, diese Welten näher zu untersuchen, ihren Einfluss aufeinander und auf die Psyche.
Man kann schwerlich behaupten, dass die Logik die Psyche in der selben Weise beeinflusst, wie das Wetter.
Die Qualität von Beziehungen beeinflusst wiederum, inwieweit die Welten der Rationalität und der Emotionalität zusammen oder getrennt verarbeitet werden können und so weiter.
Herr K. hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:14
Noch eine Anmerkung zu dem von Dir weiterhin Gesagten: "Realität = physische Existenz" ist als Position akzeptabel, darüber kann man reden und Argumente pro und contra austauschen. Als Definition von Realität würde ich es jedoch nicht gelten lassen. Oder so gesagt: der Streit darüber, was es wie gibt, kann nicht durch eine Definition beigelegt werden.
Ich meine mich zu erinnern, dass Du bspw. Vorstellungen Realität zusprichst, in dem Sinne, dass es diese tatsächlich gibt. Wie siehst Du das Verhältnis von Vorstellungen zu Hirnprozessen. Vertrittst Du da einen Parallelismus?



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Do 30. Nov 2017, 15:10

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:44
Weil Beschreibungen nicht vorschreiben, wie (richtig, nutzbringend, rational...) gehandelt werden soll. Dagegen beschreibt z.B. der Satz vom Widerspruch nicht, wie die meisten Menschen meistens denken oder handeln, sondern er fordert uns dazu auf, so zu sprechen und zu handeln, dass wir uns nicht selbst widersprechen.
Ich sehe das anders. Nun ist der Satz vom Widerspruch keine Beschreibung dessen, wie die meisten Menschen meistens denken oder handeln, jedoch folgt daraus nicht, dass er nicht primär deskriptiv sei. Bei diesem Punkt schließe ich mich Frege an (Zitat aus dem weiter oben bereits verlinkten Artikel aus der SEP - übersetzt mit DeepL):

Frege behauptet, dass wir im Bereich der Logik sowohl beschreibende als auch präskriptive Gesetze finden, wobei erstere die Grundlage für letztere bilden. Der Punkt verdient es, hervorgehoben zu werden, da manchmal behauptet wird, dass für Frege die Opposition zwischen psychologischen Gesetzen und logischen Gesetzen der Sein-Sollen-Gegensatz ist (z.B. Føllesdal 1958, 49). Aber beachten Sie, dass Frege schreibt:

....jedes Gesetz, das besagt, was ist, kann man als Vorschrift begreifen, dass man in Übereinstimmung mit ihm denken sollte... Das gilt für geometrische und physikalische Gesetze ebenso wie für logische Gesetze (1893, XV).

Logische Gesetze sind also primär deskriptive Gesetze, obwohl sie wie andere deskriptive Gesetze auch neu formuliert oder als präskriptive Gesetze aufgefasst werden können.

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Du sagest oben (abgekürzt/grob zu verstehen): "Logik findet sich vor in unseren begrifflich strukturierten, intentionalen Praxen". Worin siehst Du dann dabei einen Gegensatz zum Psychologismus?




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Herr K.
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Do 30. Nov 2017, 16:06

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:54
Interessant fände ich nun, diese Welten näher zu untersuchen, ihren Einfluss aufeinander und auf die Psyche.
Zugestimmt hatte ich Deiner Aussage, dass es eigene Welten geben könnte und es denkbar sei, dass wir als Menschen zurzeit oder auch immer keinen Zugang zu ihnen haben. Was jedoch sehr schwammig, wenig konkret ist. Ich wüsste daher nicht, wie man es nun anstellen könnte, solche Welten zu finden und Zugang zu ihnen zu erlangen.
Tosa Inu hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 14:54
1. Ich meine mich zu erinnern, dass Du bspw. Vorstellungen Realität zusprichst, in dem Sinne, dass es diese tatsächlich gibt. Wie siehst Du das Verhältnis von Vorstellungen zu Hirnprozessen. 2. Vertrittst Du da einen Parallelismus?
1. ja
2. nein, ich bin Monist und tendiere zu einer Kombination von Identitätstheorie und Funktionalismus.




Hermeneuticus
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Do 30. Nov 2017, 16:25

Herr K. hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 15:10
Frege:
....jedes Gesetz, das besagt, was ist, kann man als Vorschrift begreifen, dass man in Übereinstimmung mit ihm denken sollte... Das gilt für geometrische und physikalische Gesetze ebenso wie für logische Gesetze (1893, XV).

Logische Gesetze sind also primär deskriptive Gesetze, obwohl sie wie andere deskriptive Gesetze auch neu formuliert oder als präskriptive Gesetze aufgefasst werden können.
Tja, hier irrt Frege. Denn bei deskriptiven Gesetzen gibt es nicht so etwas wie Verstöße, die die Geltung des Gesetzes nicht tangieren. Vielmehr kommen Abweichungen von deskriptiven Gesetzen deren Falsifizierung gleich. Von einem allgemeinen deskriptiven Gesetz gibt es keine Ausnahme; denn jede Ausnahme nimmt ihm den Gesetzes-Status. Das ist bei präskriptiven Gesetzen anders. Und so kommt es ja durchaus nicht selten vor, dass Menschen de facto unlogisch denken; aber das hebt nicht die Logik auf, sondern wird den Menschen als ihr persönlicher Fehler angerechnet, den sie trotz ihrer Fähigkeit zur besseren Einsicht begangen haben.

Du sagest oben (abgekürzt/grob zu verstehen): "Logik findet sich vor in unseren begrifflich strukturierten, intentionalen Praxen". Worin siehst Du dann dabei einen Gegensatz zum Psychologismus?
Logische Praxen sind normativ signifikant. Psychologische Regelmäßigkeiten sind es gerade nicht. Es verhält sich ja so, dass ein nachweisbarer psychischer Zwang - infolge einer psychologischen Gesetzmäßigkeit - als Aufhebung unserer Handlungsverantwortung betrachtet wird. Wer nachweislich aufgrund einer natürlichen Kausalität handelt, ist damit gar nicht mehr Adressat von Handlungsnormen. Er kann dann nicht falsch oder richtig handeln - nämlich im Sinne einer ihm zuzumutenden rationalen Einsicht und Verantwortungsfähigkeit. Was er tut, stößt ihm vielmehr zu wie ein Naturereignis. Und ich kann nicht sehen, dass Handlungen im Einklang mit/in Abweichung von logischen Regeln ebenso aufgefasst würden.




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Herr K.
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Registriert: So 13. Aug 2017, 21:45

Do 30. Nov 2017, 17:37

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 16:25
Tja, hier irrt Frege. Denn bei deskriptiven Gesetzen gibt es nicht so etwas wie Verstöße, die die Geltung des Gesetzes nicht tangieren. Vielmehr kommen Abweichungen von deskriptiven Gesetzen deren Falsifizierung gleich. Von einem allgemeinen deskriptiven Gesetz gibt es keine Ausnahme; denn jede Ausnahme nimmt ihm den Gesetzes-Status. Das ist bei präskriptiven Gesetzen anders. Und so kommt es ja durchaus nicht selten vor, dass Menschen de facto unlogisch denken; aber das hebt nicht die Logik auf, sondern wird den Menschen als ihr persönlicher Fehler angerechnet, den sie trotz ihrer Fähigkeit zur besseren Einsicht begangen haben.
Ich denke nicht, dass Frege hier irrt. Betrachten wir mal den Satz vom Widerspruch:

"Der Satz vom Widerspruch besagt, dass zwei einander widersprechende Aussagen nicht zugleich zutreffen können."

Sieht aus wie ein allgemeiner deskriptiver Satz. Gäbe es nun eine Ausnahme, d.h. könnten auch nur in einem Falle zwei eineinander widersprechende Aussage zugleich zutreffen, dann wäre der Satz vom Widerspruch damit falsifiziert, (nicht aber dadurch, dass jemand unlogisch denkt und/oder mehrere sich widersprechende Aussagen äußert). Nun kann man zwar den Satz vom Widerspruch präskriptiv machen, nämlich indem man ein Wollen hinzufügt, etwa in der Art:
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 09:01
[...] logische Regeln [...] beschreiben [nicht], wie intelligente Wesen (unter gegebenen Bedingungen) meistens oder immer denken, sondern [schreiben vor], wie intelligente Wesen (unter gegebenen Bedingungen) denken sollten, wenn sie zu brauchbaren und richtigen Ergebnissen gelangen wollen [...]
- dann erhalten wir einen hypothetischen Imperativ, ja. Aber ohne das "wenn" bzw. das Wollen nicht.

Mir scheint hier nun auch ein falsches Dilemma vorzuliegen: entweder beschreiben logische Gesetze, wie Menschen meistens oder immer denken oder sie sind präskriptiv. Hier gilt aber: weder-noch.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 30. Nov 2017, 09:01
Logische Praxen sind normativ signifikant. Psychologische Regelmäßigkeiten sind es gerade nicht. Es verhält sich ja so, dass ein nachweisbarer psychischer Zwang - infolge einer psychologischen Gesetzmäßigkeit - als Aufhebung unserer Handlungsverantwortung betrachtet wird. Wer nachweislich aufgrund einer natürlichen Kausalität handelt, ist damit gar nicht mehr Adressat von Handlungsnormen. Er kann dann nicht falsch oder richtig handeln - nämlich im Sinne einer ihm zuzumutenden rationalen Einsicht und Verantwortungsfähigkeit. Was er tut, stößt ihm vielmehr zu wie ein Naturereignis. Und ich kann nicht sehen, dass Handlungen im Einklang mit/in Abweichung von logischen Regeln ebenso aufgefasst würden.
Ein (egal, ob physischer oder psychischer) Zwang wird in vielen Fällen als Aufhebung unserer Handlungsverantwortung betrachtet, ja. (Oder auch der Umstand, dass jemand nicht zu rationaler Einsicht fähig war.) Was das aber mit was zu tun hat, ist mir unklar, ebenso, was mit "natürlicher Kausalität" gemeint ist.

(Du willst hier nicht behaupten, dass Kausalität die Fähigkeiten zur rationalen Einsicht und zur Verantwortung zuverlässig verhindern würde, oder etwa doch?)




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