Aber das Aussehen ist nicht entscheidend. Die Sätze im Strafgesetzbuch sehen auch aus wie deskriptive Sätze; sie benennen den jeweiligen strafbaren Sachverhalt sowie Art und Maß der Strafe. Trotzdem sind es selbstverständlich Handlungsnormen. Denn strafbare Sachverhalte kommen nur dadurch in die Welt, dass Personen handeln. - Analog kommen Aussagen nur dadurch in die Welt, dass Personen sie aussprechen und mit Wahrheitsanspruch behaupten. Und wenn eine Person zwei einander widersprechende Aussagen als wahr behauptet, hat sie falsch gehandelt.
Man könnte nun so tun, als seien Aussagen vorfindlich wie Kieselsteine oder Kastanien - und damit von den sprechenden/handelnden Personen abstrahieren. Und das tut Frege ja in der Tat. Nur postuliert er zugleich auch eine Art platonischen Ideenhimmel für die Gehalte von Sätzen und für das Wahre. Aber genau das kreidest Du ihm doch an, wenn ich Dich richtig verstanden habe. - Also, wenn wir uns darüber einig sind, dass Aussagen nicht unabhängig von sprachlich handelnden Personen existieren, sollten wir uns eigentlich auch darüber einig sein, dass die Gesetze der Logik keine Sachverhalte im Ideenhimmel beschreiben, sondern an Sprecher adressierte Vorschriften für das richtige, vernünftige sprachliche Handeln sind.
Doch, genau das behaupte ich - nämlich im Einklang mit unserer lebensweltlichen Praxis. Denn vor Gericht ist der Nachweis, dass der Beklagte unter dem Einfluss von externen oder internen kausalen Notwendigkeiten stand, gleichbedeutend mit dem Nachweis seiner fehlenden Verantwortungsfähigkeit. Die Tat ist dann nicht dem Beklagten als sein Verschulden anzurechnen, sondern kausal auf gegebene Umstände zurückzuführen, die nicht in seiner Macht standen.(Du willst hier nicht behaupten, dass Kausalität die Fähigkeiten zur rationalen Einsicht und zur Verantwortung zuverlässig verhindern würde, oder etwa doch?)