Psychologismus?!

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Alethos
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 08:14
Das Ziel des Beitrags von mir, den du kritisierst
An wen richtet sich das Zitat? Ich habe ihn nämlich nicht kritisiert.

Mir geht es im Moment auch nicht um die differenziertere Betrachtung des ontologischen Status anderer Phänomene wie Moralität, Einstellungen etc., sondern vorerst nur um Tassen, Planeten und dergleichen.



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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 08:41
An wen richtet sich das Zitat?
An Novon!




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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 08:41
Mir geht es im Moment auch nicht um die differenziertere Betrachtung des ontologischen Status anderer Phänomene wie Moralität, Einstellungen etc., sondern vorerst nur um Tassen, Planeten und dergleichen.
Ja, okay. Das ist schon schwer genug :-)




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Jörn Budesheim
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Mi 29. Nov 2017, 14:15

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Okt 2017, 09:08
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 18:57
Noch mal: Damit ist nicht gesagt, dass die Psychologie eine verfehlte Wissenschaft ist. Gesagt ist nur, dass beispielsweise der Versuch, die Gesetze der Logik mit psychologischen Methoden zu erforschen, ein Versuch am falschen Objekt ist.
Ja, das ist das Standard Gegenargument. In dem Stanford Artikel dazu heißt es (hier auf Husserl basierend) bspw.:
Erste Konsequenz: Wenn logische Regeln auf psychologischen Gesetzen basieren würden, müssten alle logischen Regeln so vage sein wie die zugrunde liegenden psychologischen Gesetze.

Widerlegung: Nicht alle logischen Regeln sind vage. Und deshalb basieren nicht alle logischen Regeln auf psychologischen Gesetzen. (§21).

Zweite Konsequenz: Wenn Logikgesetze psychologische Gesetze wären, dann könnten sie a priori nicht bekannt sein. Sie wären eher mehr oder weniger wahrscheinlich als gültig und nur durch Erfahrungswerte gerechtfertigt.

Widerlegung: Logikgesetze sind a priori, sie werden durch apodiktische Selbstevidenz gerechtfertigt und gelten statt wahrscheinlich. Und deshalb sind die Gesetze der Logik nicht psychologisch (§21).

Dritte Konsequenz: Wenn logische Gesetze psychologische Gesetze wären, würden sie sich auf psychologische Gebilde beziehen.

Widerlegung: Logische Gesetze beziehen sich nicht auf psychologische Entitäten. Und folglich sind logische Gesetze keine psychologischen Gesetze (§23).
Ich finde aber 1. nicht, dass psychologische Gesetze vage sind. Man würde ja keine psychologischen Systematiken erstellen können, wenn sie es wären. 2., glaube ich auch nicht, dass logische Gesetze a priori sind. Ich denke, sie sind im Laufe der Zeit aus der Sprache extrahiert worden und mussten auch erst an Erfahrungen gelernt werden. Ihr grundlegender Status (der ja, ganz nebenbei in der Philosophie, nicht zuletzt und auch nicht nur von Gabriel, bezweifelt wird) ist ja erst nachträglich gefunden worden. 3. glaube ich, dass sich die Gesetze der Logik ja durchaus auf "psychologische Gebilde" beziehen, was immer das genau heißen soll..
Herr K. hat geschrieben :
Di 21. Nov 2017, 12:14
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 21. Nov 2017, 06:27
Damit sind wir allerdings noch nicht beim Kernproblem des Psychologismus. Der Psychologismus nimmt im Grunde an, denn er ist ein Naturalismus, dass Geltung rückstandslos durch Kausalität ersetzt werden kann und sogar muss.
Dafür hätte ich gerne einen Beleg.
Ich möchte noch mal auf den Ursprung des Threads zurück kommen. Dazu habe ich einen Text über Husserls Widerlegung des Psychologismus von Peter Prechtl aus einer Husserl Einführung in eigenen Worten zusammen gefasst. An anderer Stelle hatte @"Tosa Inu" erläutert, dass nach seiner Ansicht heute vermutlich kaum noch jemand auf Husserls Widerlegung etwas gibt. Ich hab die fragliche Stelle von Tosa zwar nicht gefunden, hoffe aber, dass ich sie richtig wiedergebe. Im folgenden Link findet man jedoch etwas völlig anderes, der Autor erläutert, dass der Psychologismus seit Husserls Intervention für die meisten Philosophen als endgültig widerlegt gilt. An dieser Stelle findet man eine Stellungnahme von Keller. Sowie ein Statement von Spaemann, das ich gleich zitiere: "Husserls Widerlegung des Psychologismus in der Logik ist ein der wenigen philosophischen Leistungen, die eine bestimmte Debatte definitiv beendet hat."

Ich hoffe zudem, dass die Zusammenfassung den Beleg liefert, den Herr K. sich gewünscht hat :-)


Husserls Widerlegung des Psychologismus

Psychologismus nennt man die Ansicht, die die Psychologie zu einer Art Grundwissenschaft machen will. Ziel ist alle Erkenntnisleistungen psy­chologisch zu erklären. In der Konsequenz werden objektive Sachverhalte auf psychische Vorgänge zurückgeführt/reduziert. Beides: die Sachverhalte also auch die Akte des Denkens und Erkennens sind demnach etwas Psychisches.

Damit entsteht folgendes Problem: Nimmt man die Vorgänge des Denkens in den Blick, dann erfährt man nur, wie es unter gegebenen Bedingungen abläuft. Man nimmt ein Sein in den Blick, kein Sollen, also nicht richtig oder falsch. Die Logik zielt jedoch auf Normen des Denkens. "Der normative Aspekt der Logik impliziert ein Krite­rium »wahr«/»falsch«, das über die bloße Beobachtung von Denkvorgängen nicht zu gewinnen ist." (Peter Prechtl)


"Psychologik"

Husserl macht ein weiteres Problem namhaft. Es beruht auf einem signifikanten Unterschied zwischen Logik und "Psychologik". Der Satz vom Widerspruch (zum Beispiel) besagt, dass von zwei sich widersprechenden Aussagen über den gleichen Gegenstand nur eins richtig sein kann. Die Psychologischen Gesetze haben jedoch einen anderen Charakter, sie basieren auf Verallgemeinerung einzelner Befunde. Würden die logischen Gesetze darauf beruhe, würden sie ihr unbedingte Geltung einbüßen. Sie hätten statt dessen den Charakter vager Regeln: "Wie die empirischen Gesetze [der Psychologie] wären sie hinsichtlich ihres Geltungsanspruches nur mit bestimmten Wahrscheinlichkeits­graden ausgewiesen und nicht durch notwendige Einsicht (apo­diktische Evidenz) begründet." (Peter Prechtl) Der Satz vom Widerspruch würde dann eine nachgerade kuriose Form annehmen: "Es sei zu vermuten, dass von zwei gegensätzlichen Aussagen über denselben Sachverhalt nur eine wahr sei."


Zwei Arten von Kausaliät?

Und noch ein Problem: Unterstellen wir um des Argumentes willen, die Denkgesetze seien tatsächlich Kausalgesetze in einem strengen Sinn. Ein logisch richtiger Gedanke wäre "durch Kausalität der Denkabfolge bestimmt. Dann entspräche der Nachweis der kau­salen Entstehung dem Nachweis des logisch korrekten Den­kens." (Peter Prechtl)

Doch wie steht es nun um das falsche Denken? Im Kopf des Richtigdenkers und im Kopf des Falschdenkers wirken schließlich die gleichen Naturgesetze. "Wenn auch das unlogische Denken nach Gesetzen abläuft, wäre man zu zwei Arten des Kausalverhältnisses oder zu der zusätzlichen Annahme genötigt, dass eine »korrekte« kausale Abfolge gestört werden kann. " (Peter Prechtl)

Hierbei ergibt sich ein deutliches Problem: Denn diese Betrachtungen setzen bereits das logisch richtige als bekannt voraus. Es wird nicht aus der Empirie gewonnen, sondern umgekehrt, werden die Beobachtungen an den Gesetzen der Logik bemessen. Man kann demnach nicht argumentieren, die logischen Ge­setze seien nur eine Art Abbild der Kausalgesetze, sodass wir gleichsam bloß der Natur unseres Denkens folgen müssen, um richtig zu denken.


Denkakt/Denkinhalt

Husserl weißt gemäß Prechtl hier auf einen weiteren wichtig Punkt hin, auf den in diesem Forum schon oft hingewiesen wurde. Er mahnt eine wichtige Differenzierung an und zwar zwischen dem Urteilen als Verlaufsform und dem Urteilsinhalt, dem Gedankeninhalt. Mit anderen Worten zwischen dem Akt des Denkens und seinem Gehalt. Husserl nutz hier eine Begrifflichkeit, die ich unglücklich finde. Er unterscheidet zwischen »Realem« und »Idea­lem«. "Das Urteilen als realer Denkablauf mit einer Ab­folge einzelner Episoden steht im Gegensatz zu dem Urteilsin­halt, der sich als Ideales bezeichnen lässt -wie jeder Gedanke ein Ideales darstellt." (Peter Prechtl)


Logische Gesetze sind formal, nicht material

Mit folgendem Problem will ich diese Zusammenfassung schließen: Wären die logischen Gesetze die bloß "Abbildung realer Denkverläufe", dann müssten sie jedoch einen "em­pirisch-psychologischen Gehalt" besitzen, wie Peter Prechtl sich ausdrückt. Doch die logische Gesetze sind rein formal und beinhalten nicht irgendeinen materialen Gehalt. "Das logische Gesetz gilt unabhängig von den materialen bzw. psy­chologischen Umständen des Urteilenden und unabhängig von den beurteilten materialen Sachverhalten, also für die Urteile des Alltags ebenso wie für wissenschaftliche Aussagen der Bio­logie, Chemie, Sprachwissenschaft etc." (Peter Prechtl)




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Herr K.
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Mi 29. Nov 2017, 16:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
An anderer Stelle hatte @"Tosa Inu" erläutert, dass nach seiner Ansicht heute vermutlich kaum noch jemand auf Husserls Widerlegung etwas gibt. Ich hab die fragliche Stelle von Tosa zwar nicht gefunden, hoffe aber, dass ich sie richtig wiedergebe.
Die fragliche Stelle findet sich in dem Link, den Tosa Inu oben gegeben hat (Kusch, Martin, "Psychologism", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2015 Edition), Edward N. Zalta (ed.) - übersetzt mithilfe von DeepL):

Hier ein kurzer Einblick in neuere Auswertungen [der Argumente von Frege und Husserls gegen den Psychologismus]. Interessanterweise kommen viele neuere Bewertungen des Antipsychologismus der Jahrhundertwende zu dem Schluss, dass Freges und Husserls Argumente Petitio Principii [englisch: begging the question] sind.

Ausführlicheres dazu im Artikel.

Allerding wird in dem Artikel "Psychologismus" nicht so verstanden:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
Psychologismus nennt man die Ansicht, die die Psychologie zu einer Art Grundwissenschaft machen will. Ziel ist alle Erkenntnisleistungen psy­chologisch zu erklären. In der Konsequenz werden objektive Sachverhalte auf psychische Vorgänge zurückgeführt/reduziert. Beides: die Sachverhalte also auch die Akte des Denkens und Erkennens sind demnach etwas Psychisches.
sondern so:

Viele Autoren verwenden den Begriff "Psychologismus" für das, was sie als den Fehler empfinden, nicht-psychologische mit psychologischen Entitäten zu identifizieren. Zum Beispiel Philosophen, die denken, dass logische Gesetze keine psychologischen Gesetze sind, würden es als Psychologismus betrachten, die beiden zu identifizieren. Andere Autoren verwenden den Begriff in einem neutralen beschreibenden oder gar positiven Sinne. Psychologismus' bezieht sich dann (zustimmend) auf Positionen, die psychologische Techniken auf traditionelle philosophische Probleme anwenden.

Dass Psychologismus objektive Sachverhalte auf psychische Vorgänge zurückführen wolle, ist mir neu. Daraus ergäbe sich nun eine idealistische Position (alle objektiven Sachverhalte sind psychischer Art), was mich nicht besonders interessieren würde, anders gesagt: auf eine Realismus vs. Idealismus-Diskussion habe ich zurzeit keine Lust.

Ich hatte den Psychologismus-Streit bislang allerdings so verstanden, dass es ein Streit über das Wesen (den ontologischen Status) der Logik sei. Wobei jede Gegenposition zum Psychologismus einen Platonismus vertreten würde, meine ich. Wobei ich mich aber auch irren kann, vielleicht gibt es ja noch etwas Drittes zwischen der Ansicht, dass logische Gesetze psychischer (oder psychologischer) Art seien und der Ansicht, dass logische Gesetze eigenständig existierende abstrakte Objekte seien. Wiewohl mir allerdings zurzeit nicht klar ist, wie eine solche Ansicht aussehen könnte und daher wäre eben das der Punkt, der mich an dieser Diskussion interessieren würde.




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Jörn Budesheim
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Mi 29. Nov 2017, 16:24

Wieso "sondern"? Da steht doch nichts anderes.




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Herr K.
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Mi 29. Nov 2017, 16:33

Kann man zwar so lesen, aber in diesem Falle wäre es sehr tendenziös formuliert. Das, was strittig ist, wird bereits vorausgesetzt.




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Jörn Budesheim
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Mi 29. Nov 2017, 16:40

"Viele Autoren verwenden den Begriff "Psychologismus" für das, was sie als den Fehler empfinden, nicht-psychologische mit psychologischen Entitäten zu identifizieren. Zum Beispiel Philosophen, die denken, dass logische Gesetze keine psychologischen Gesetze sind, würden es als Psychologismus betrachten, die beiden zu identifizieren."

Dass es diverse andere Lesearten gibt, haben wir in diesem Thread schon zu Beginn thematisiert, das fällt also nicht unter den Tisch. Aber dieses Verständnis ist geläufige und es ist der Gegenstand der Gedanken Husserls und der wesentliche Gegenstand des Threads.




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Herr K.
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Mi 29. Nov 2017, 16:44

Damit bin ich einverstanden.




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Herr K.
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Mi 29. Nov 2017, 20:57

Um mal auf die oben vorgebrachten Argumente gegen den Psychologismus einzugehen:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
Husserls Widerlegung des Psychologismus

[...]

Damit entsteht folgendes Problem: Nimmt man die Vorgänge des Denkens in den Blick, dann erfährt man nur, wie es unter gegebenen Bedingungen abläuft. Man nimmt ein Sein in den Blick, kein Sollen, also nicht richtig oder falsch. Die Logik zielt jedoch auf Normen des Denkens. "Der normative Aspekt der Logik impliziert ein Krite­rium »wahr«/»falsch«, das über die bloße Beobachtung von Denkvorgängen nicht zu gewinnen ist." (Peter Prechtl)
Unterstreichung von mir.

Wo auch immer Prechtl das von mir Unterstrichene auch herhaben mag - von Husserl kann er es nicht haben, Zitat aus dem oben verlinkten SEP-Artikel:

Eine andere Angriffslinie auf Freges und Husserls Antipsychologismus konzentriert sich auf die Prämissen, die beide Autoren mit ihren psychologistischen Gegnern teilen. Die wichtigste dieser gemeinsamen Prämissen ist die Vorstellung, dass die primäre kognitive Haltung der Logik eher beschreibend als präskriptiv ist, d.h., dass Logik Objekte oder Sachverhalte beschreibt. Natürlich streiten sich Frege und Husserl einerseits und ihre psychologistischen Kontrahenten andererseits über die Natur dieser Objekte und Objektivierungen [Sachverhalte] - für die Psychologen sind sie real oder psychologisch, für Frege und Husserl ideal. Tatsache bleibt jedoch, dass beide Seiten der Auseinandersetzung die Logik als wesentlich beschreibend ansehen (für Husserl siehe Gethmann 1989, 197; für Frege siehe Baker und Hacker: 1989, 88-90).
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
"Psychologik"

Husserl macht ein weiteres Problem namhaft. Es beruht auf einem signifikanten Unterschied zwischen Logik und "Psychologik". Der Satz vom Widerspruch (zum Beispiel) besagt, dass von zwei sich widersprechenden Aussagen über den gleichen Gegenstand nur eins richtig sein kann. Die Psychologischen Gesetze haben jedoch einen anderen Charakter, sie basieren auf Verallgemeinerung einzelner Befunde. Würden die logischen Gesetze darauf beruhe, würden sie ihr unbedingte Geltung einbüßen. Sie hätten statt dessen den Charakter vager Regeln: "Wie die empirischen Gesetze [der Psychologie] wären sie hinsichtlich ihres Geltungsanspruches nur mit bestimmten Wahrscheinlichkeits­graden ausgewiesen und nicht durch notwendige Einsicht (apo­diktische Evidenz) begründet." (Peter Prechtl) Der Satz vom Widerspruch würde dann eine nachgerade kuriose Form annehmen: "Es sei zu vermuten, dass von zwei gegensätzlichen Aussagen über denselben Sachverhalt nur eine wahr sei."
Ja. Mir ist allerdings nicht klar, wie hier das Argument eigentlich lauten soll, es sieht für mich erst mal so aus wie ein mir durchaus geläufiger und auch plausibel erscheinender Irrtumsvorbehalt. "Nachgerade kurios" kann ich leider nicht als Argument gelten lassen. Im Gegenzuge erscheint mir übrigens eine "apodiktische Evidenz" reichlich kurios. Damit das Argument irgendwie abheben könnte, müsste gezeigt werden, dass es eine apodiktische Evidenz bezüglich logischer Gesetze gäbe.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
Zwei Arten von Kausaliät?

[...] "Wenn auch das unlogische Denken nach Gesetzen abläuft, wäre man zu zwei Arten des Kausalverhältnisses oder zu der zusätzlichen Annahme genötigt, dass eine »korrekte« kausale Abfolge gestört werden kann. " (Peter Prechtl)
Hier fehlt mir eine Begründung.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
Hierbei ergibt sich ein deutliches Problem: Denn diese Betrachtungen setzen bereits das logisch richtige als bekannt voraus. Es wird nicht aus der Empirie gewonnen, sondern umgekehrt, werden die Beobachtungen an den Gesetzen der Logik bemessen.
Hier wird vorausgesetzt, was erst gezeigt werden müsste.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
Denkakt/Denkinhalt

[...] "Das Urteilen als realer Denkablauf mit einer Ab­folge einzelner Episoden steht im Gegensatz zu dem Urteilsin­halt, der sich als Ideales bezeichnen lässt -wie jeder Gedanke ein Ideales darstellt." (Peter Prechtl)
Ja. Und?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 14:15
Logische Gesetze sind formal, nicht material

[...] "Das logische Gesetz gilt unabhängig von den materialen bzw. psy­chologischen Umständen des Urteilenden und unabhängig von den beurteilten materialen Sachverhalten, also für die Urteile des Alltags ebenso wie für wissenschaftliche Aussagen der Bio­logie, Chemie, Sprachwissenschaft etc." (Peter Prechtl)
Falls hier eine für sich existierende Geltung eines logischen Gesetzes vorausgesetzt würde, dann wäre das eine Petitio Principii. Falls nicht, dann verstehe ich das Argument nicht.
Zuletzt geändert von Herr K. am Mi 29. Nov 2017, 21:34, insgesamt 1-mal geändert.




Tosa Inu
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Mi 29. Nov 2017, 21:33

Mal abgesehen davon, wer jetzt wen richtig interpretiert, oder nicht:
Mir ist zwar die Psychologie ein wenig bekannt, eine eigene Psychologik allerdings nicht.
Das Argument von Husserl, dass nun psychologische Gestze vage seien oder etwas zugleich sein oder auch nicht sein kann, ist nun kein Außerkraftsetzen der Logik, sondern eine Erfahrungstatsache, wenn man etwas wie Hassliebe betrachtet. Aber das ist ja wiederum kein Gesetz.
Alles, was hier die Psychologie träfe, träfe jede emprische Wissenschaft.

Was ich kurz gesagt immer noch nicht verstanden habe, ist, was dem Psychologismus denn nun überhaupt vorgeworfen wird. Die drei Husserlschen Einwände finde ich, wie bereits zitiert und kommentiert, allesamt falsch.

Herr K. hat aus Stanford edu zitiert:
Viele Autoren verwenden den Begriff "Psychologismus" für das, was sie als den Fehler empfinden, nicht-psychologische mit psychologischen Entitäten zu identifizieren. Zum Beispiel Philosophen, die denken, dass logische Gesetze keine psychologischen Gesetze sind, würden es als Psychologismus betrachten, die beiden zu identifizieren. Andere Autoren verwenden den Begriff in einem neutralen beschreibenden oder gar positiven Sinne. Psychologismus' bezieht sich dann (zustimmend) auf Positionen, die psychologische Techniken auf traditionelle philosophische Probleme anwenden.
Wer macht das denn?
Die Gesetze der Schwerkaft sind sicher keine psychologischen Gesetze, aber ich kenne auch niemanden, der das behauptet.
Und ja, auch in der Psychologie wird logisch argumentiert, aber dass die Logik der Psychologie zwingend voran geht, glaube ich weniger.
Die Reduzierung der Psychologie auf eine rein empirische Wissenschaft ist m.E. ebenfalls unzutreffend.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Mi 29. Nov 2017, 21:45, insgesamt 1-mal geändert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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Mi 29. Nov 2017, 21:39

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Was ich kurz gesagt immer noch nicht verstanden habe, ist, was dem Psychologismus denn nun überhaupt vorgeworfen wird. Die drei Husserlschen Einwände finde ich, wie bereits zitiert und kommentiert, allesamt falsch.
Nun, Jörn hat oben einige seiner Argumente gegen den Psychologismus genannt. Mir scheint zwar, dass das nicht die Argumente von Husserl seien, aber es ist ja letztlich egal, von wem ein Argument stammt, solange man nicht behauptet, ein Argument sei von Husserl, obgleich es gar nicht von Husserl ist.




Tosa Inu
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Herr K. hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:39
Nun, Jörn hat oben einige seiner Argumente gegen den Psychologismus genannt.
Was sind bspw. psychologische Entitäten?
Ist das z.B. ein Über-Ich oder eine Neurose?
Wer verwechselt die mit einer nichtpsychologischen Entität und in welcher Weise?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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novon
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Mi 29. Nov 2017, 22:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 08:14
Alethos hat geschrieben :
So 26. Nov 2017, 20:47
Tatsachen (die aus Dingen und deren Beziehungen bestehen)
novon hat geschrieben :
Mo 27. Nov 2017, 22:32
Vielleicht wäre es geboten, ein wenig differenzierter an den Themenkomplex heranzugehen.
Das Ziel des Beitrags von mir, den du kritisierst, war zu zeigen, dass es nicht nur Tatsachen gibt, die aus Dingen und deren Beziehungen bestehen. Du wendest dagegen ein, man solle differenzierter ans Werk gehen und zwischen reinen und mittelbaren Tatsachen unterscheiden. Allerdings ist mir nicht klar, inwiefern dass den Punkt, um den es mir ging, in Frage stellt.
Worum es dir geht, weiß ich nicht. Mir fiel lediglich auf, dass du offenbar den Terminus 'Tatsache' undifferenziert zu gebrauchen gedenkst, worin ich dir widersprechen würde. Tatsachen bedürfen keiner Begründung. Wäre ein Begründung von Nöten, spräche man nicht von Tatsachen in dem Sinne, sondern von Schlüssen. Und sollten diese als notwendig gelten, könnten man vielleicht von Urteilstatsachen (oder so) sprechen. Man wäre da angelangt, wo Kant sein Apriori einführt. "Kinder soll man nicht schlagen" stellt keine Tatsache dar, sondern eine Konklusion, die sich allerdings sehr gut begründen lässt. Zwei Paar Schuhe.




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Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Und ja, auch in der Psychologie wird logisch argumentiert, aber dass die Logik der Psychologie zwingend voran geht, glaube ich weniger.
Aber selbst, wenn dem so wäre, so sehe ich da noch kein Konfliktpotential, da ja erst behauptet werden müsste, dass die Logik nicht gelten würde, aufgrund eines psychologischen Gesetzes.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 29. Nov 2017, 22:34

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Die Gesetze der Schwerkaft sind sicher keine psychologischen Gesetze, aber ich kenne auch niemanden, der das behauptet.
Ja, der Psychologismus-Streit um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert drehte sich (nur oder zumindest hauptsächlich) wohl um Logik und um Mathematik. So wie ich das sehe, war es ein Streit über den ontologischen Status von Logik und Mathematik, wobei Frege und Husserl eine platonistische Position einnahmen und die Psychologisten eine anti-platonistische Position.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Und ja, auch in der Psychologie wird logisch argumentiert, aber dass die Logik der Psychologie zwingend voran geht, glaube ich weniger.
Das eben war damals einer der Streitpunkte.
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:56
Was sind bspw. psychologische Entitäten?
Ist das z.B. ein Über-Ich oder eine Neurose?
Wer verwechselt die mit einer nichtpsychologischen Entität und in welcher Weise?
Psychologische Entitäten sind mE solche, die von der Psychologie untersucht werden. Was das genau bedeutet, scheint mir strittig zu sein. Es sieht so aus, als ob einige Anti-Psychologisten meinten, das seien nur "bloße" Denkvorgänge. (Wiewohl ich immer dachte, dass Psychologie auch das Verhalten von Menschen untersuchte - ich mag mich da aber irren, kenne mich mit Psychologie nicht so gut aus.)

Der Vorwurf der Verwechslung von psychologischen und nicht-psychologischen Entitäten sieht mE normalerweise so aus: die eine Seite meint, dass z.B. Logik und Mathematik unabhängig von jeglichem Denken im platonischen Himmel existiere, die andere Seite meint, dass Logik und Mathematik auf unser Denken (und unser Verhalten/unsere Praktiken) zurückführbar sei, d.h. nicht unabhängig von unserem Denken und unseren Praktiken existiere.




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novon hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 22:05
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 08:14
Alethos hat geschrieben :
So 26. Nov 2017, 20:47
Tatsachen (die aus Dingen und deren Beziehungen bestehen)
novon hat geschrieben :
Mo 27. Nov 2017, 22:32
Vielleicht wäre es geboten, ein wenig differenzierter an den Themenkomplex heranzugehen.
Das Ziel des Beitrags von mir, den du kritisierst, war zu zeigen, dass es nicht nur Tatsachen gibt, die aus Dingen und deren Beziehungen bestehen. Du wendest dagegen ein, man solle differenzierter ans Werk gehen und zwischen reinen und mittelbaren Tatsachen unterscheiden. Allerdings ist mir nicht klar, inwiefern dass den Punkt, um den es mir ging, in Frage stellt.
Worum es dir geht, weiß ich nicht. Mir fiel lediglich auf, dass du offenbar den Terminus 'Tatsache' undifferenziert zu gebrauchen gedenkst, worin ich dir widersprechen würde. Tatsachen bedürfen keiner Begründung. Wäre ein Begründung von Nöten, spräche man nicht von Tatsachen in dem Sinne, sondern von Schlüssen. Und sollten diese als notwendig gelten, könnten man vielleicht von Urteilstatsachen (oder so) sprechen. Man wäre da angelangt, wo Kant sein Apriori einführt. "Kinder soll man nicht schlagen" stellt keine Tatsache dar, sondern eine Konklusion, die sich allerdings sehr gut begründen lässt. Zwei Paar Schuhe.
Du schlägst vor, zwischen verschiedenen Tatsachen-Typen zu unterscheiden: Urteilstatsachen, mittelbare Tatsachen, reine Tatsachen. Du unterscheidest sie, aber immerhin fallen alle unter den Oberbegriff Tatsache - auch nach deiner Ansicht. Ich hatte gegenüber Althos geltend gemacht, dass er eine einzige Konstellation zum Paradigma für Tatsachen erklärt und dabei viele andere Konstellation unter den Tisch fallen lässt. Auch ich habe eine weitere Differenzierung angemahnt und dafür einige Beispiele aufgeführt, die unter den Oberbegriff Tatsache fallen.




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Herr K. hat geschrieben :
Mi 22. Nov 2017, 11:50
Falls ich mich nicht irre, sieht aber nun Jörn "Platonismus" als abwertenden Kampfbegriff an, was ich zwar nicht meine, aber auf die verwendeten Worte kommt es mir nicht an.
Herr K. hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 22:34
im platonischen Himmel




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Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 21:33
Das Argument von Husserl, dass nun psychologische Gestze vage seien oder etwas zugleich sein oder auch nicht sein kann, ist nun kein Außerkraftsetzen der Logik, sondern eine Erfahrungstatsache, wenn man etwas wie Hassliebe betrachtet. Aber das ist ja wiederum kein Gesetz.
Alles, was hier die Psychologie träfe, träfe jede emprische Wissenschaft.
Die gesamte Argumentation ist - nach meiner Einschätzung - nicht im Mindesten ein Einwand speziell gegen die Psychologie. Noch ist sie ein Einwand gegen irgendeine Form der empirischen Wissenschaft. Der Einwand besteht meines Erachtens allein darin, dass manche Philosophen versuchen, die Gesetze der Logik auf empirische Gesetze (der Psychologie) zurückzuführen.

Es geht Husserl, soweit ich ihn verstanden habe, keineswegs um eine Kritik der Psychologie, weil sie vage sei. Die Vagheit ist ihr unbenommen. Und das wird auch nicht kritisiert! Es wird auch nicht gesagt, dass die Psychologen die Logik außer Kraft setzen.

Was stattdessen moniert wird ist, dass manche Philosophen versuchen, die Logik, die einen Raum eigener Art darstellt, auf Regeln zurückzuführen, die nicht mit dem Raum der Logik kompatibel sind. Schließlich soll eine Erklärung das Erklärte nicht ändern, sondern erklären.

Auf deine Einwände gegen die vorliegenden Argumente werde ich später noch eingehen...




Hermeneuticus
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Do 30. Nov 2017, 09:01

Herr K. hat geschrieben :
Mi 29. Nov 2017, 16:15
Ich hatte den Psychologismus-Streit bislang allerdings so verstanden, dass es ein Streit über das Wesen (den ontologischen Status) der Logik sei. Wobei jede Gegenposition zum Psychologismus einen Platonismus vertreten würde, meine ich.
Es geht dabei nicht so sehr um den ontologischen Status der Logik als vielmehr um ihren wesentlich präskriptiven Charakter und um die Frage, ob die (präskriptiven) Gesetze der Logik sich aus (deskriptiven, kausalen) psychologischen Gesetzen ableiten lassen. Hat man eingesehen, dass logische Regeln nicht beschreiben, wie intelligente Wesen (unter gegebenen Bedingungen) meistens oder immer denken, sondern vorschreiben, wie intelligente Wesen (unter gegebenen Bedingungen) denken sollten, wenn sie zu brauchbaren und richtigen Ergebnissen gelangen wollen, liegt die Antwort allerdings auf der Hand.




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