"Philosophie als Therapie: Der Ausweg aus dem Fliegenglas"

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Burkart
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Sa 11. Okt 2025, 10:55

Kürzlich hat Scobel dieses knapp 26-minütige Youtube-Video veröffentlicht, was ich recht interessant finde:



Es folgt eine ChatGPT-Zusammenfassung dazu.
"Hier ist eine prägnante Zusammenfassung des langen Textes über Wittgenstein, das Fliegenglas und die Lösung philosophischer Probleme 👇

🧩 Wie man philosophische (Lebens-)Probleme löst – nach Ludwig Wittgenstein
🧠 1. Das Grundproblem: Sprache als Falle
Philosophische Probleme entstehen laut Wittgenstein durch die Verwirrung unserer Sprache.
Sprache hilft uns zwar beim Denken, verzaubert unseren Verstand aber auch:
„Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung des Verstandes durch die Mittel der Sprache.“
Viele Probleme entstehen, weil wir Worte falsch oder zu eng gebrauchen und dadurch in Denkfallen geraten.

🧰 2. Denken mit Werkzeugen
Wittgenstein vergleicht Philosophie mit dem richtigen Gebrauch von Werkzeugen.
Falsche Begriffe = falsches Werkzeug → Problem wird schlimmer.
Aufgabe der Philosophie: die passenden Begriffe (Werkzeuge) finden, um ein Problem aufzulösen, nicht nur zu lösen.

🪞 3. Bedeutung durch Gebrauch
Die Bedeutung eines Wortes liegt nicht in einer Definition, sondern in seinem Gebrauch im Alltag.
Sprache ist Teil unserer Lebensform – wie wir leben, handeln, fühlen.
Wörter bilden Netzwerke („Familienähnlichkeiten“), die sich gegenseitig beeinflussen.
Beispiel: „Spiel“ kann vieles heißen – es gibt keine feste Definition, nur Ähnlichkeiten im Gebrauch.

🪰 4. Das Bild vom Fliegenglas
Wittgenstein:
„Das Ziel der Philosophie ist, der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zu zeigen.“
Die Fliege = wir Menschen.
Das Glas = unsere Sprache und Denkgewohnheiten.
Es ist transparent, wir sehen die Grenzen nicht – und stoßen immer wieder dagegen.
Die Öffnung nach unten ist da (die Lösung existiert), aber wir sehen sie nicht, weil wir immer in dieselbe Richtung (nach oben) denken.
So entstehen unsere Lebensprobleme – durch festgefahrene Denk- und Sprachmuster.

🔄 5. Der Weg hinaus: Perspektivwechsel
Die „Therapie“ der Philosophie besteht darin, unsere Perspektive zu ändern.
Das ist schmerzhaft, aber befreiend.
Philosophieren heißt:
„Dinge neu sehen lernen.“
Beispiel: Hase-Ente-Bild – ein und dasselbe Bild kann man auf zwei Weisen sehen.
Der Perspektivwechsel verändert nicht das Bild, sondern uns.

🧍‍♀️ 6. Veränderung und Freiheit
Auch unser „Ich“ ist kein fester Kern, sondern ein wandelndes Muster.
Wir verändern uns mit jeder neuen Sichtweise – so entsteht Freiheit.
Ziel der Philosophie ist nicht, die eine Wahrheit zu finden,
sondern die Fesseln des Denkens zu erkennen und zu lockern.

🌍 7. Warum das wichtig ist
Wir sind Gefangene unserer eigenen Sprachbilder und Vorstellungen.
Die Aufgabe der Philosophie (und auch der Kunst):
→ Uns helfen, die Welt anders zu sehen.
→ Uns und anderen den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.
Das gelingt durch Nachdenken, Gespräche, Kreativität und Perspektivwechsel – nicht durch feste Theorien.

💬 Fazit
Philosophie ist keine Ansammlung von Wahrheiten,
sondern eine Tätigkeit des Befreiens.
Wir müssen lernen, anders zu sehen, um aus dem Fliegenglas unserer Sprache und Gewohnheiten herauszufinden."



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn P Budesheim
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Sa 11. Okt 2025, 16:49

(Ich habe mir das Video angeschaut und die Zusammenfassung gelesen. Nebenbei: ich selbst habe ChatGPT beigebracht, solche Icons nicht zu verwenden. Ich finde sie fürchterlich.)

Ich bin kein wirklicher Wittgenstein Kenner, aber ich habe nicht das Gefühl, dass Scobel Wittgenstein hier wirklich sehr präzise darstellt.

Mein Punkt in aller Kürze: Die „Fliege im Fliegenglas“ ist meines Erachtens nicht, wie Scobel sagt, einfach der Mensch (also wir), sondern die „Fliegen im Fliegenglas“ sind im Wesentlichen die Philosophinnen und Philosophen – natürlich nur, sofern sie noch nicht von Wittgenstein therapiert wurden ;)

Ich glaube auch kaum, dass Wittgenstein Sprache generell als Falle ansieht. Doch in der Zusammenfassung wirkt das so. Irgendwo sagt Wittgenstein: Philosophische Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Nur dann! Nicht im Alltagsgebrauch. Dieser Gebrauch ist ja gerade das Maß. Wittgenstein behandelt die philosophischen Probleme wie eine Krankheit, sagt er, und die Therapie besteht mehr oder weniger darin, die Wörter wieder auf ihre alltägliche Verwendung, ihren normalen Gebrauch, zurückzuführen und die philosophischen Missverständnisse (der Sprache) hinter sich zu lassen.

Das Lösen der Probleme und das Auflösen der Probleme scheint mir bei Scobel gleichrangig nebeneinander zu stehen. Aber so, wie ich Wittgenstein verstehe, ist das verzerrt. Wittgenstein bietet eigentlich keine Lösung der Probleme, die durch das Missverstehen der Sprache entstehen, wenn sie feiert. Wenn die Fliege das Fliegenglas verlassen hat, dann kennt sie nicht die Lösung des Problems, sondern das Problem stellt sich gar nicht mehr, sodass es gar keine Frage mehr gibt, die zu beantworten ist. Das Problem war bloß ein Scheinproblem.

Wie gesagt: Ich bin kein Wittgenstein-Experte und lasse mich gerne eines Besseren lehren.




Burkart
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Di 14. Okt 2025, 00:20

Ich bin erst recht kein Wittgenstein-Experte, fand es halt nur interessant.
(Und ich selbst habe nichts gegen ein bisschen Farbe durch Icons ;) )



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn P Budesheim
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Di 14. Okt 2025, 07:46

Burkart hat geschrieben :
Di 14. Okt 2025, 00:20
Ich bin erst recht kein Wittgenstein-Experte, fand es halt nur interessant.
ChatGPT hat geschrieben : So entstehen unsere Lebensprobleme – durch festgefahrene Denk- und Sprachmuster.
Uninteressant ist es nicht, ich hab mich nur gefragt, ob es Wittgenstein entspricht. An welche festgefahrenen Denk- und Sprachmuster denkst du dabei?




Timberlake
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Sa 18. Okt 2025, 23:26

Burkart hat geschrieben :
Sa 11. Okt 2025, 10:55

"Hier ist eine prägnante Zusammenfassung des langen Textes über Wittgenstein, das Fliegenglas und die Lösung philosophischer Probleme 👇

...
  • 🧰 2. Denken mit Werkzeugen
    Wittgenstein vergleicht Philosophie mit dem richtigen Gebrauch von Werkzeugen.
    Falsche Begriffe = falsches Werkzeug → Problem wird schlimmer.
    Aufgabe der Philosophie: die passenden Begriffe (Werkzeuge) finden, um ein Problem aufzulösen, nicht nur zu lösen.
...
Wie durch einen falschen Begriff = falsches Werkzeug → ein Problem schlimmer wurde, darüber kann man sich hier im Forum meiner Meinung nach im Thread "Künstliche Intelligenz" überzeugen. Ein Thread, der es mittlerweile auf Rekordverdächtige 2759 Beiträge und 4960113 Klicks gebracht hat und ein Ende ist noch nicht abzusehen.


  • "Denke dir, jemand sagte: »Alle Werkzeuge dienen dazu, etwas zu modifizieren. So, der Hammer die Lage des Nagels, die Säge die Form des Bretts, etc.« – Und was modifiziert der Maßstab, der Leimtopf, die Nägel? – »Unser Wissen um die Länge eines Dings, die Temperatur des Leims, und die Festigkeit der Kiste.«"
    Ludwig Wittgenstein .. Philosophische Untersuchungen

Wenn alle Werkzeuge dazu dienen, etwas zu modifizieren und sich eines dieser Werkzeuge sich nach dem benennt, wozu eigentlich nur Lebewesen fähig sind, so hat man natürlich ein Problem für den Fall, dass dieses Werkzeug nicht lebendig ist.


  • "Man sagt manchmal: die Tiere sprechen nicht, weil ihnen die geistigen Fähigkeiten fehlen. Und das heißt: »sie denken nicht, darum sprechen sie nicht«. Aber: sie sprechen eben nicht. Oder besser: sie verwenden die Sprache nicht – wenn wir von den primitivsten Sprachformen absehen. – Befehlen, fragen, erzählen, plauschen gehören zu unserer Naturgeschichte so wie gehen, essen, trinken, spielen."
    Ludwig Wittgenstein .. Philosophische Untersuchungen
.. und das Problem wird "schlimmer" , weil das Werkzeug zu uns spricht. Uns , für die als solches befehlen, fragen, erzählen, plauschen zu unserer Naturgeschichte gehören , so wie gehen, essen, trinken, spielen.


  • 🪰 4. Das Bild vom Fliegenglas
    Wittgenstein:
    „Das Ziel der Philosophie ist, der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zu zeigen.“
    Die Fliege = wir Menschen.
    Das Glas = unsere Sprache und Denkgewohnheiten.
    Es ist transparent, wir sehen die Grenzen nicht – und stoßen immer wieder dagegen.
    Die Öffnung nach unten ist da (die Lösung existiert), aber wir sehen sie nicht, weil wir immer in dieselbe Richtung (nach oben) denken.
    So entstehen unsere Lebensprobleme – durch festgefahrene Denk- und Sprachmuster.
Mit der Folge, dass wir im Thread "Künstliche Intelligenz" , gleich den Fliegen in einem Glas, in 2759 Beiträge und 4960113 Klicks immer wieder dagegen stoßen. Die Öffnung nach unten ist da (die Lösung existiert), aber wir sehen sie nicht, weil wir immer in dieselbe Richtung (nach oben) denken. So entsteht unser KI-Problem – durch ein festgefahrenes Denk- und Sprachmuster, dass sich eines falschen Begriffs = falschem Werkzeugs bedient. Der Weg hinaus ...


  • 🔄 5. Der Weg hinaus: Perspektivwechsel
    Die „Therapie“ der Philosophie besteht darin, unsere Perspektive zu ändern.
    Das ist schmerzhaft, aber befreiend.
    Philosophieren heißt:
    „Dinge neu sehen lernen.“




Timberlake
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So 19. Okt 2025, 16:49

Übrigens!
Burkart hat geschrieben :
Mi 10. Aug 2022, 20:32
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 10. Aug 2022, 19:43
Burkart hat geschrieben :
Di 9. Aug 2022, 20:50

Wie kömmt's? :)
Je tiefer man in eine Materie einsteigt, desto mehr Fragen stellen sich auch, jedenfalls in einem Gebiet, in dem noch viel zu ergründen gibt.
Lustig ist das, weil du de facto noch nie - seit du hier bist - irgendeine deiner Ansichten hinsichtlich KI hinterfragt hast.
Dir ist doch auch klar, dass ich starke KI nicht als einfach zu lösendes Problem ansehe (auch wenn ich es als hinreichend lösbar ansehe). Insofern stellen sich schon einmal viele Fragen.
Mir ging es allerdings auch um philosophische Ansätze, naheliegenderweise Richtung "Intelligenz" und vieles, was damit mehr oder weniger zusammenhängt wie "Lernen" / "Wissen", "freien Willen", "(Selbst-)Bewusstsein" (weil andere gerne diesen Begriff nutzen) usw.
(Und natürlich hinterfrage bzw. grübele ich sehr (über) vieles auch hinsichtllich von KI.)
Dieser Weg von Burkart scheint mir allerdings nicht dazu geeignet zu sein, einen Ausweg, aus dem Fliegenglas aufzuzeigen. Ganz im Gegenteil. Sollte doch meiner Meinung nach dazu ein Perspektivwechsel naheliegenderweise in einer Richtung erfolgen, die vom Begriff "Intelligenz" weg und nicht wie bei einer vermeintlichen starken KI hinführt.
Burkart hat geschrieben :
Sa 11. Okt 2025, 10:55
Kürzlich hat Scobel dieses knapp 26-minütige Youtube-Video veröffentlicht, was ich recht interessant finde:


Es folgt eine ChatGPT-Zusammenfassung dazu.
"Hier ist eine prägnante Zusammenfassung des langen Textes über Wittgenstein, das Fliegenglas und die Lösung philosophischer Probleme 👇

🧩 Wie man philosophische (Lebens-)Probleme löst – nach Ludwig Wittgenstein
🧠 1. Das Grundproblem: Sprache als Falle
Philosophische Probleme entstehen laut Wittgenstein durch die Verwirrung unserer Sprache.
Sprache hilft uns zwar beim Denken, verzaubert unseren Verstand aber auch:
„Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung des Verstandes durch die Mittel der Sprache.“
Viele Probleme entstehen, weil wir Worte falsch oder zu eng gebrauchen und dadurch in Denkfallen geraten.
In diesem Fall "die Verhexung des Verstandes durch die Mittel der Sprache" , welche zwischen "schwach" und "stark" zu unterscheiden weiß.


"Wenn das Kind diese Sprache lernt, muß es die Reihe der ›Zahlwörter‹ a, b, c, ... auswendiglernen. Und es muß ihren Gebrauch lernen. – Wird in diesem Unterricht auch ein hinweisendes Lehren der Wörter vorkommen? – Nun, es wird z.B. auf Platten gewiesen und gezählt werden: »a, b, c Platten«. – Mehr Ähnlichkeit mit dem hinweisenden Lehren der Wörter »Würfel«, »Säule«, etc. hätte das hinweisende Lehren von Zahlwörtern, die nicht zum Zählen dienen, sondern zur Bezeichnung mit dem Auge erfassbarer Gruppen von Dingen. So lernen ja Kinder den Gebrauch der ersten fünf oder sechs Grundzahlwörter."
Ludwig Wittgenstein .. Philosophische Untersuchungen

Wie Was hat denn ein Kind zum Gebrauch "schwach" und "stark" gelernt? Das im Vergleich dazu die Anzahl ( weiniger / viel) darüber entscheidet , ob etwas eine Platte ist oder nicht, sicherlich nicht.




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