NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Fr 24. Jul 2020, 11:58
Alethos hat geschrieben : ↑ Do 23. Jul 2020, 13:56
Die Eigenschaft des Gelbseins oder des Schönseins (falls wir es als Eigenschaft fassen wollen), ist in einem objektiven Sinn gegeben oder nicht gegeben - beides aber zugleich gegeben oder nicht gegeben.
Wir bekommen hier aber ein Logikproblem wenn wir annehmen, dass einem Gegenstand gleichzeitig
objektiv gegensätzliche Eigenschaften zukommen.
Nun ja, also über Logik haben wir schon oft diskutiert. Der Grundsatz "tertium non datur", auf den du anspielst, ist ganz gewiss ein nicht wegzudenkendes Element der zweiwertigen Logik. Formal gesehen gibt es ja daran auch nichts zu deuteln: Ein Widerspruch in der Eigenschaft (contradictio in adicto) ist unzulässig und undenkbar.
Gleichzeitig können wir die Welt aber nicht allein aus der Optik der formalen Logik erfassen. Sie liefert keine substanziellen Schlüsse. In-der-Welt-Sein ist kein formal beschreibbares Vorkommnis, sondern eine leibliche, eine lebendige und in vielfältigen Relationen stattfindende fundamentalepistemologische Perspektive. Die formale Logik kann ein Schlüssel zur Erkenntnis sein, aber sie erlaubt kaum (synthetische) Urteile der Art: "Das ist schön." oder "Das ist gelb." oder "Du sollst nicht töten!".
Was ich sagen will, ist, dass wir das Gelbsein als ein Phänomen beschreiben können (als eine Qualität der Empfindung unseres sinnlich-begrifflichen Wahrnehmens) oder aber als pragmatisches Phänomen in einer diskursiven, alltäglichen Praxis. Wir werden uns bei letzterem darüber einig sein, dass die Blume gelb ist (und nicht rot
oder violett), weil es dem allgemeinen Gebrauch des Gelbbegriffs entspricht. Der Gelbbegriff ist aber nicht das Phänomen im qualitativen Sinn, sondern nur ein verallgemeinender Term. Das ist, wie wir unsere Wirklichkeitsempfinden aufeinander koordinieren: durch eine gemeinsame
gegebene Wirklichkeit über Begriffe, die etwas Seiendes meinen. Wir sprechen also über das Gelbsein so, als wäre es ein so und so gegebenes Gelbsein, was aber nicht der Fall ist aus der Optik der individuierten Relation des Erlebens.
Zwar mag die Wellenlänge die und die sein, aber was es je ist, das ergibt sich nicht durch die Welle selbst, sondern durch die Bezüglichkeit des Wahrgenommenen zum
Wahrnehmenden. Könnten Bienen sprechen und hätten Begriffe für Ihr Farbsehen, so würden sie sagen, die Blume sei violett und nicht gelb, und Violett stünde nicht für Gelb, sondern meinte Violett.
Dasselbe gilt für einen Farbenblinden: Wir wollen ihm doch nicht sagen, dass er Grün sieht, wenn er tatsächlich Rot sieht? Und sein Sehen ist nicht ein objektiv gesehen falsches Sehen, sondern ein pragmatisch gesehen - aus der Sicht eines common sense - falsches Sehen von Grün.
NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Fr 24. Jul 2020, 11:58
"Nicht schön" ist logisch betrachtet das Gegenteil von "schön". Wie kann - vom logischen Standpunkt aus - etwas schön und zugleich nicht schön sein?
Wie willst Du das erklären, ohne dabei mit subjektiven und objektiven Urteilen zu operieren?
Ich würde auf eine traditionelle Verwendung von 'subjektiv' und 'objektiv' verzichten. Subjektiv können wir mit >Perspektive< oder >Positionalität< übersetzen, keinesfalls mit "nicht-objektiv" oder mit "nur subjektiv wahr".
Wenn jemand meint, ein bestimmtes Bild sei schön, dann gilt zwar wohl, dass es wahr ist für ihn. Aber es gilt dennoch allgemein als wahr, dass es schön ist, weil es objektiv wahr ist für ihn. Es kann unmöglich die Wahrheit des Schönseins für jemanden aus dem Bestand aller Wahrheiten über einen Gegenstand ausgeschlossen werden. Zwar handelt es sich um ein individuelles Urteil über einen Gegenstand, aber es zählt zur vollen Wirklichkeit des Gegenstands dazu, dass er schön ist und nicht schön ist.
Würde jemand jedoch sagen, dass eine Tasse ein Haus ist, so würde er sich eben irren, insofern er gegen die Regeln verstösst, bestimmte Kriterien zur begrifflichen Einordnung anzuwenden. Regelverstösse sind Verstösse gegen objektiv geltende, also an den (morphologischen, funktionalen, semantischen etc.) Strukturen der am Gegenstand selbst ermittelten Definitionen und Klassifikationen eines Gegenstands als diesen Gegenstand. Das Schönsein ist aber bezüglich diesem Umstand nicht an Klassifikationen oder Definitionen gebunden, sondern ergeben sich aus der Perspektive der Einzelnen auf ihn.
Ein Ball ist ein Ball und er ist (annähernd) kugelförmig. Zu sagen, dass er quadratisch ist, und zu meinen, dass er quadratisch ist, macht ihn nicht zu einem quadratischen Gegenstand noch erhebt es das Quadratsein in den Status einer allgemeingültigen, sogenannt objektiven Wahrheit. Denn es gehört zur Definition des Kugelförmigseins, dass es keine Ecken hat und das Kugelförmigsein kommt diesem Gegenstand als diesem Gegenstand konstitutiv zu. Das Hauptmerkmal eines Balls ist sein kugelförmiges Sein, es kann nicht zugleich eckig sein, ohne das Kugelförmigsein zu verlieren und damit die Haupteigenschaft zu verlieren, die es zu diesem Gegenstand macht. Hier zu einem Widerspruch zu kommen in den Eigenschaften wäre ein Verstoss gegen das wesentliche Sein des Gegenstandes und es ist deshalb ein Irrtum zu sagen, dass ein Ball sowohl kugelförmig als auch eckig zugleich sein kann. Das lässt sich formal über die Prämissen abbilden: (P1) Eine Kugel hat eine Oberfläche mit äquivalenter Distanz zum Mittelpunkt. (P2) Ein Ball hat eine Oberfläche mit äquivalenter Distanz zu seinem Mittelpunkt -> (K) Der Ball ist eine Kugel.
Das Gelbsein einer Blume ist aber nicht konstitutive Eigenschaft des Blumeseins so wie es das Schönsein mit Bezug auf das Blumesein ebenso nicht ist. Das sind synthetische Urteile, die wir nur gewinnen über ein lebendiges, qualitativ gestaltetes In-der-Weltsein. Es ist kein logischer Widerspruch auszumachen zwischen dem Urteil, die Blume sei blau und sie sei gelb. Es kann beides für sich genommen widerspruchsfrei als objektiv wahr gelten.
Wenn zwei weit von einander weg stehende Personen sagen: "Die Sonne ist untergegangen" und "Die Sonne ist nicht untergegangen", dann kann beides widerspruchsfrei objektiv wahr sein (p und nicht-p) und zwar zugleich wahr sein. Ich meine, dass dies auch gilt für das Gelbsein und das Schönsein von Blumen.
Nochmal: Wir verwenden in unserem Alltag einen pragmatischen Wahrheitsbegriff. Wir würden kaum sagen, dass die grüne Blume rot ist, bloss, weil ein Farbenblinder sie für
rot hält. Aber es tut der bunten und vielfältigen Wirklichkeit der Blume keinen Abbruch, dass wir diese Konventionen haben.