NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Sa 25. Jul 2020, 12:25
Alethos hat geschrieben : ↑ Sa 25. Jul 2020, 11:04
NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Sa 25. Jul 2020, 03:58
Aber verstehst Du nicht, dass
"Das Bild ist schön"
ein anderes Urteil ist als
"Das Bild ist
für ihn schön"?
Das ist eine völlig andere Aussage.
Nein, ich halte das für ein und dieselbe Aussage.
Ok, hier gehen unsere Vorstellungen offenbar stark auseinander.
Wenn ein psychisch kranker Mensch annimmt wir alle seien getarnte Ausserirdische die ihn fangen und verspeisen wollen, dann gibt es für mich einen Unterschied zwischen dem wie er die Welt wahrnimmt und wie sie wirklich ist.
Aus "Für ihn bist Du ein menschfressendes, ausserirdisches Monster" kann ich nicht "Du bist ein menschfressendes, ausserirdisches Monster" machen.
Aus ontologischer Perspektive ist das in der Wahnvorstellung Imaginierte nicht weniger wirklich als die Tatsache, dass Menschen keine getarnten Aliens sind. Diese Wahnvorstellung kommt nämlich in der Welt vor, wenn auch bloss im Bereich des (wahnhaften) Gedankens. Das möchte ich zur Sicherung der Existenzgleichberechtigung von Phänomenen betreffend ihren ontologischen Status einfach nochmal gesagt haben. Die Wahnvorstellung betrifft keine Scheinwirklichkeit, sondern die volle Wirklichkeit. Deshalb kann man sie als Wahn-Vorstellung klassifizieren, weil sie eine Existenz behauptet für einen Bereich, für den es nicht legitim ist, diese Existenzbehauptung aufzustellen. Das heisst aber nicht, dass es menschenfressende Aliens gar nirgends und überhaupt nicht geben würde, z.B. in Romanen oder eben in der Wahnvorstellung.
Aber nochmal, ich würde nicht behaupten wollen, dass wir durch unsere Urteile den Dingen Eigenschaften zusprechen können, die sie nicht haben, ausser die, die sie wegen des Umstands des Beurteiltwerdens haben (Der von mir beurteilte Stein hat die Eigenschaft des Beurteiltwerdens durch die Beurteilung: Er ist ein beurteilter [=Eigenschaft] Stein).
Es ist also nicht so, dass ich behaupten würde, ein Gegenstand würde objektiv schön, wenn jemand ihn für schön hält, wenn objektiv hier verstanden wird in dem Sinne, dass ihn jedermann für schön halten müsste. Niemand muss einen Gegenstand für schön halten, bloss, weil ein anderer ihn für schön hält. Er muss
lediglich anerkennen, dass der Gegenstand auch schön ist, weil er schliesslich in einer bestimmten Situation zum
Urteil gereichte: "Das ist schön!"
Aber letzteres Urteil rührt gerade nicht von einer subjektiven Einschätzung her, weil etwa die Schönheit nicht am Gegenstand oder nur an der Bewertung vorkommen würde, sondern es rührt vom Umstand her, dass ein so und so objektiv verfasstes Wesen (ein Betrachter) mit einem so und so verfasstem Gegenstand (dem Betrachteten) zusammenspielte.
Der Gegenstand wir demnach "objektiv schön" genannt werden müssen, insofern er unter den Prämissen einer so und so gearteten Konstellation als schön betrachtet wird.
Darum glaube ich auch, dass man sich bezüglich der Schönheit nicht irren kann. Man kann jemandem nicht sagen, dass er falsch liegt, wenn er den schönen Gegenstand für hässlich hält, denn obwohl er ein objektiv schöner Gegenstand ist, kann er zugleich ein objektiv hässlicher Gegenstand sein und es gibt hier keine privilegierte, natürliche Perspektive, unter der allein sich das Schönsein oder Nichtschlnsein beurteilen liesse.
Er ist deshalb zugleich hässlich und schön und zwar objektiv gesehen gleichberechtigt hässlich und schön.
Mein Objektivitätsverständnis besagt also, dass als objektiv gelten kann, wo wir die Dinge zu uns sprechen lassen, es heisst nicht, dass wir alles behaupten können, damit es wahr sei. Denn dann würden wir ja übereinkommen können, dass x wahr ist, damit es wahr wäre, aber wir können uns noch so sehr darüber einig sein, dass das Bild schön ist oder der Elefant fliegen kann: Es wird nicht wahrer werden, wenn es nicht schon wahr ist ohne unsere Einigung. Und die Schönheit eines Gegenstands war und ist wahr, sobald sie jemand empfindet, und empfinden tut er sie, weil sie von ihm abstrahlt in sein Empfinden.
Ich meine, dass die Objektivität unserer Urteile daher rührt, dass wir zu den Dingen, wie sie sind, in ein Verhältnis phänomenaler Durchdringung geraten. Dabei sind wir an die Wirklichkeit der Dinge gebunden, und zu ihrer Wirklichkeit zählt auch, durch uns so und so rezipierte Gegenstände zu sein.
Dass wir einen Stein vor uns haben und uns über ihn als Stein, über seine Form und Farbe, über seine Struktur und Geschichte unterhalten können, das hat zur Voraussetzung die Wirklichkeit dieses Steins. Aber es wäre falsch zu glauben, objektive Aussagen über den Stein lägen nur vor, wenn wir alles weglassen, was wir als Betrachter in ihn hineinlegen.
So wie der Stein auf der Wiese liegt, den daneben liegenden Stein berührt, und wie das alles zu seiner Wirklichkeit hinzuzählt, berühren auch unsere Gedanken diesen Stein und so bilden all diese Umstände die infiniten Sachverhalte diesen Stein betreffend.
Objektivität so zu fassen, als müsste sie hergestellt werden frei von subjektiven, relationalen Momenten ist eine irrige Vorstellung und eine nicht realisierbare Tatsache noch dazu. Alle unsere Begriffe zur Erfassung von Wirklichkeit, alle unsere über die Sinne gehabten Eindrücke: Das ist mitgeprägt von unserem Sosein als Menschen.
NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Sa 25. Jul 2020, 12:25
Wenn Jemand ein Bild schön findet, dann findet er ja genau das Bild schön und nicht irgend ein anderes das irgendwie anders gestaltet ist. Insofern ist die Gestalt des Bildes "mitverantwortlich" dafür, dass der Betrachter es schön findet.
Allerdings bedeutet das mMn nicht, dass das Schöne irgendwie aus dem Bild kommen würde, dass das Schöne eine Eigenschaft des Bildes wäre. Denn wenn das der Fall wäre, müsste ja alle Betrachter zu dem selben Schluß kommen: Das Bild würde dann bei jedem Betrachter immer die Empfindung "Das ist schön" auslösen.
Warum sollte das so sein? Wenn dort ein Kreis mit gleichbleibendem Radius an der Tafel steht, und du ihn von der Seite betrachtest, steht dort einfach kein Kreis mit gleichbleibendem Radius. Die Perspektive ist völlig real, die ergibt, dass einmal r=r und einmal r ≠r.
Und warum sollte es so sein, dass ein Farbenblinder Rot sehen muss, wo er gegeben seine Verfassung Grün sieht? Er muss nicht dasselbe sehen, bloss, weil dort am Gegenstand eine scheinbar eindeutige Eigenschaft vorfindlich ist. Eigenschaften sind eben nicht eindeutig in dem
Sinne, dass sie einzig deutlich sind, sie sind eindeutig nur, insofern sie dasjenige Eine am Gegenstand sind, das deutlich gemacht wird.
Auch die Naturwissenschaften operieren nicht mit Eindeutigkeit, sondern mit Rezeptionen und mit Messungen. Dass eine Messung reproduzierbar ist, dass eine Eigenschaft immer und immer wieder auftritt, unabhängig davon, ob wir das so empfinden wollen oder nicht, macht doch das Urteil über diese Eigenschaft nicht zu einem objektiveren Urteil. Auch in den Wissenschaften sind Ergebnisse und Voraussagen nur möglich unter der Annahme gleichbleibender Versuchsanordnungen - ceteris paribus. Und nur unter der Annahme, dass die Bedingungen gleich bleiben, unter denen ein Mensch etwas als gelb sieht, sieht er auch gelb.
Der Mensch ist also nicht weniger objektiv als eine naturwissenschaftliche Versuchsanordnung, er ist bloss keine starre, immer gleichbleibende Angelegenheit.