subjektiv, objektiv

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Jörn Budesheim
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So 24. Mai 2020, 18:40

Wenn ich jemandem mit dem Hammer auf den kleinen Finger haue, dann hat diese Person Schmerzen und zwar ganz objektiv, darauf kann man wetten! Selbst so etwas "einfaches' wie Schmerzen, kann man mit den Begriffen subjektiv und objektiv nicht fassen, falls man daran festhält, dass sie Gegensätze sind.




Snaut
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Mo 25. Mai 2020, 00:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mai 2020, 18:40
Wenn ich jemandem mit dem Hammer auf den kleinen Finger haue, dann hat diese Person Schmerzen und zwar ganz objektiv, darauf kann man wetten!
Um 5 € wetten ?
Lokalanästhesie verhindert Schmerzen.

Have fun beim Ausprobieren. :P




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Jörn Budesheim
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Mo 25. Mai 2020, 05:40

Willkommen im Forum Snaut.

Warum aber sollte man eine Anästhesie machen, wenn Schmerzen nicht wirklich also objektiv existieren? Und auch die Frage, ob die Anästhesie gewirkt hat oder nicht fragt nach etwas objektivem.




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Stefanie
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Mo 25. Mai 2020, 19:49

Es geht um subjektiv und objektiv, oder? Was ist mit Subjekt und Objekt? Subjektiv und objektiv sind doch die Adjektive dazu.

Ich meine es so.
Es gibt die Objekttheorie, nach der die Menschenwürde verletzt wird, wenn der Mensch zum Objekt degradiert wird. Das Subjekt ist dagegen ein selbstbestimmt denkender, handelnder, fühlender Mensch. Als Objekt ist er dagegen fremdbestimmt, eben das Objekt von jemanden anderes.
Oder der Spruch " Objekt der Begierde". Auf einen Menschen bezogen, ist dieser Spruch falsch. Wenn dann müsste es heißen "Subjekt der Begierde".
Objekt ist etwas dingliches, das benutzt wird, das nicht selbstbestimmt handelt.
Ich bin in Subjekt, kein Objekt.
Oder Ich bin subjektiv in dem was ich tue, und nicht objektiv.

Diesen Gedanken wollte ich nur mal loswerden.



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Friederike
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Mi 27. Mai 2020, 17:10

Stefanie hat geschrieben :
Mo 25. Mai 2020, 19:49
Es geht um subjektiv und objektiv, oder? Was ist mit Subjekt und Objekt? Subjektiv und objektiv sind doch die Adjektive dazu.
Da die Radarfalle erwähnt worden ist ... das Objektiv einer Kamera ist die das einzige Objekt, das adjektivisch als Nomen auftritt. Das ist zwar richtig, führt die Diskussion aber nicht weiter. 8-)




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Alethos
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Mi 27. Mai 2020, 18:46

Er hat das Subjektiv seiner Kamera nach links gedreht, dann wieder leicht nach rechts: So erhielt er ein scharfes Bild der Wirklichkeit - ein objektives Bild, ein fokussives Bild der Wirklichkeit.

(Fokussiv = Substantiviertes Adjektiv von Fokus - und im Übrigen ein Fiktiv)



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Stefanie
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Mi 27. Mai 2020, 19:17

Als handelnde, fühlende Person bin ich ein Subjekt. Die Schmerzen, die entstehen, wenn jemand mit den Hammer auf den Finger schlägt, sind die Schmerzen eines Subjekts. Diese Schmerzen, wird dem Subjekt dann gesagt, sind objektiv wirklich, also existieren nur, weil sie objektiv wirklich sind.
Hmm.. mein subjektives Schmerzempfinden, was auch immer der Auslöser war, wird nur dann anerkannt, wenn die Schmerzen objektiv wirklich sind. Das Subjekt wird dann irgendwie zu einem Objekt
Für Phantomschmerzen gibt es keine objektiven Grund, trotzdem sind die Schmerzen für ein Subjekt wirklich.
Ich finde das nachwievor widersprüchlich. Gerade im Bereich von Gefühlen und Empfindungen.



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Jörn Budesheim
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Do 28. Mai 2020, 05:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Mai 2020, 18:40
Selbst so etwas "einfaches' wie Schmerzen, kann man mit den Begriffen subjektiv und objektiv nicht fassen, falls man daran festhält, dass sie Gegensätze sind.
Stefanie hat geschrieben :
Mi 27. Mai 2020, 19:17
Das Subjekt wird dann irgendwie zu einem Objekt
Stefanie hat geschrieben :
Mi 27. Mai 2020, 19:17
Ich finde das nachwievor widersprüchlich.
Stefanie, du hältst daran fest, dass subjektiv und objektiv grundsätzlich Gegensätze sind. Und daher kommen wir hier nicht zusammen.

Schmerzen sind subjektiv und objektiv.

Sie haben eine "subjektive Ontologie", eine "ontologische Subjektivität", bzw eine "Ontologie der ersten Person", wie das der Philosoph John Searle nennt. Das heißt, es gibt sie nur insofern sie von jemandem erlebt bzw empfunden werden. Sie sind in einer Hinsicht also subjektiv, weil sie von einem Subjekt erlebt werden, nichtsdestotrotz sind sie zugleich objektiv, weil es eine Tatsache ist, dass sie existieren, ganz unabhängig davon, was irgendjemand in der Welt meint: Wenn der Arzt sagt, sie können keine Schmerzen im Unterarm haben, weil sie keinen Unterarm haben, dann irrt er einfach, falls tatsächlich Schmerzen vorliegen. (Dass verschiedene Personen verschiedene Zugangsbedingungen zu den Schmerzen haben, ändert nichts daran, dass es sie tatsächlich gibt.)

Das ist eigentlich total einfach, wenn man aufhört, darauf zu beharren, dass nichts was subjektiv ist, zugleich objektiv sein kann.




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Jörn Budesheim
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Do 28. Mai 2020, 09:36

Es gibt natürlich noch weitere Hinsichten bezüglich der Wahrnehmung und den Begriffen "subjektiv" und "objektiv". Wahrnehmungen haben in aller Regel einen "Gehalt", z.B.: die Flasche steht auf dem Tisch. Auch das ist objektiv, da es sog "Erfüllungsbedingungen" gibt. Wenn die Flasche wirklich auf dem Tisch steht, dann lagen wir richtig, es ist dann objektiv wahr, was wir wahr-genommen haben.




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Alethos
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Do 28. Mai 2020, 13:33

Diese Vorstellung, dass es da eine Wahrheit gibt, die sozusagen die "reine" Wahrheit ist und nichts als die Wahrheit - die absolute Wahrheit schlechthin - die nackte Wahrheit - die unverstellte.. die glänzende für sich seiende (man kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus :) ) ist eine alte Vorstellung. Sie begleitet uns wie einen Schatten und legt sich wie ein solcher über all unser Bemühen, die Wahrheit, die wir aussprechen, erkennen, formulieren, sehen, wahrnehmen etc., als solche zu akzeptieren.

Das Subjektive, so wird suggeriert, verunreinige das schiere Sein dieser Wahrheit und Kant hat kapituliert, als er das Ding an sich für unerkennbar proklamierte. Nicht deshalb irrte er, weil er meinte, wir könnten ein solches Ding an sich nicht erkennen, sondern weil er behauptete, es gäbe überhaupt ein Ansichsein der Dinge jenseits ihres Seins für Anderes. Wir müssen doch einsehen, dass jedes Ding in irgendeinem Zusammenhang steht mit den es umgebenden Dingen: Blumen stehen auf Wiesen, Wiesen auf Böden, Böden im Grundbuchamt (unter anderem). Was soll es uns bringen, die Wahrheit absolut zu denken, wenn es nichts gibt, das absolut ist? Ansichsein bedeutet Absolutheit, aber wenn nicht einmal eine Blume an sich Blume ist (sondern allenfalls unter den Begriff gebracht dieses Eine ist), was wollen wir denn da von unseren Erscheinungen denn noch abziehen, um an etwas noch an sich Seienderes zu gelangen? Selbst, wenn wir uns wegdächten vom Sein der Blume, die wir dort sehen, es also kein Sehen der Blume durch uns gäbe, gäbe es dort keine Blume, die an sich wahrer wäre, als sie wahr ist für uns.

Subjektive Empfindungen, Wahrnehmungen etc stehen deshalb nicht im Gegensatz zur Ontologie, zur Objektivität, sie sind der ganz genuin objektive Zugang zur Objektivität - zur Wirklichkeit des Seienden im Verbund der Seienden. Würde die Blume nicht durch uns wahrgenommen, dann wäre sie die vom Boden Wahrgenommene. Dabei spielt es doch keine Rolle, ob der Boden ein empfindsames Wesen ist und einen epistemischen Zugang hat zur Blume, damit die Wahrheit des Bodens mit der Wahrheit der Blume in irgendeinem wahrheitsfähigen Verhältnis stünden? Es ist wahr, dass der Boden die Blume trägt, es ist wahr, dass sie sich in ihn eingräbt: Und es ist wirklich, dass sie miteinander eine Wahrheit ausbilden, die - per definition - nicht eine Wahrheit an sich sein kann (sondern eine Wahrheit füreinander).

Subjektivität ist deshalb kein Gegensatz zur Objektivität, sondern sie ist eine Perspektive auf die Objektivität - und mir scheint, dass auch Steine, Böden, Wolken und Atome Perspektiven haben können. Wahrscheinlich sind es keine "erlebten" Perspektiven, wahrscheinlich haben diese Dinge alle keine Phänomenologie des Habens solcher Perspektiven oder ein ausgeprägtes Bewusstsein davon, dasjenige zu sein, das wahrnimmt. Aber der Ort, von dem dasjenige aus in alles andere eingelassen ist, das ist doch sein subjektiver Standort - unabhängig vom Grad seiner Empfindungsfähigkeit, unabhängig davon, ob es lebt oder nicht?

Wir sollten Lebendigkeit, Bewusstheit, Empfindsamkeit nicht synonym mit Subjektivität verwenden: Es ist etwas anderes, ein Ich zu sein und ein Subjekt zu sein, wenn es in der Regel auch zur Deckung kommt. Ichsein ist doch (u.a.) das Empfinden der Subjektivität, die Wahrnehmung der besonderen Perspektive, die man einnimmt, aber Subjektivität ist deshalb nichts exklusiv Wahrgenommenes schlechthin.

Und darum ist doch der Glaube daran, dass es da eine unerkennbare Wahrheit gibt, falsch, wenn diese Ansicht zur Prämisse hat die Meinung, das Wahrnehmen verzerre das Wirklichsein des Seienden: Das Subjektive verzerrt nicht das Wirklichsein, es ist das Wirkliche. Irren können sich nicht subjektive Meinungen, sondern Meinungen, die die Verhältnisse nicht so darstellen, wie sie sind. Das können ganz objektiv gültige und anerkannte Meinungen sein.



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Friederike
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Do 28. Mai 2020, 14:32

Alethos hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 13:33
[...] Subjektivität ist deshalb kein Gegensatz zur Objektivität, sondern sie ist eine Perspektive auf die Objektivität - [...]
Oje, ich muß mich gleich als erstes entschuldigen, :oops: weil ich aus Deinen elaborierten Ausführungen ein Sätzchen rausklaube :mrgreen: und dies auch nur als Vorlage für mein schnödes Beispiel.

Es steht ein Glas mit Wasser auf dem Tisch und Person X sagt, das Glas sei zur Hälfte mit Wasser gefüllt, während Person meint, das Glas sei zur Hälfte (von Wasser) geleert. Dann sind beide Aussagen richtig, d.h. sie sind objektiv wahr und zugleich sind beide Aussagen subjektiv (wahr). Es sind subjektive Wahrnehmungen oder Beurteilungen eines objektiven Sachverhaltes, den es aber als "objektiven" gar nicht gibt, es sei denn, man macht daraus die allgemeine Aussage, "ein Glas mit Wasser", die aber genaugenommen eher der Aussage von Person X entspricht.




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Friederike
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Do 28. Mai 2020, 16:20

Stefanie hat geschrieben :
Mi 27. Mai 2020, 19:17
Ich finde das nach wie vor widersprüchlich. Gerade im Bereich von Gefühlen und Empfindungen.
Wir unterscheiden umgangssprachlich, glaube ich, häufig "subjektiv" und "objektiv", wenn wir eigentlich "rational" und "irrational" meinen. "Objektiv betrachtet, verhält es sich soundso, aber subjektiv gesehen geht es mir soundso".

(Objektiv gesehen, finde ich den Mundschutz nützlich, subjektiv betrachtet nervt das Ding. Vielleicht nehmt Ihr es anders wahr, aber ich meine, wir würden ziemlich häufig solche Sätze produzieren).




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Alethos
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Do 28. Mai 2020, 16:40

Friederike hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 14:32
Alethos hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 13:33
[...] Subjektivität ist deshalb kein Gegensatz zur Objektivität, sondern sie ist eine Perspektive auf die Objektivität - [...]
Es steht ein Glas mit Wasser auf dem Tisch und Person X sagt, das Glas sei zur Hälfte mit Wasser gefüllt, während Person meint, das Glas sei zur Hälfte (von Wasser) geleert. Dann sind beide Aussagen richtig, d.h. sie sind objektiv wahr und zugleich sind beide Aussagen subjektiv (wahr). Es sind subjektive Wahrnehmungen oder Beurteilungen eines objektiven Sachverhaltes, den es aber als "objektiven" gar nicht gibt
Das verstehe ich nun nicht, liebe Friederike. Was soll es objektiv gesehen nicht geben? Das halb geleerte Glas gibt es doch, wenn es zuvor voll war und zur Hälfte geleert wurde.
Vielleicht meinst du, dass es so etwas wie die Hälfte gar nicht geben kann bei gefüllten Gläsern und dergleichen. Das muss aber nicht heissen, dass es so etwas wie Hälften nicht gibt z.B. als sprachliche Konzepte. Wenn 0.500001 Deziliter in einem genau 1 Deziliter grossen Glass sind, dann wäre es nicht wahr, dass das Glas halbvoll oder halb leer ist. Und wenn es nicht geleert wurde, dann stimmt auch die Aussage, es stünde dort ein halb geleertes Glas, nicht.

Aber was soll denn daran objektiv falsch sein, wenn man feststellt, dass das Glas zur Hälfte voll oder leer ist? Es mag unpräzise sein, aber das sind doch alle Messinstrumente oder Messgrössen?



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Friederike
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Do 28. Mai 2020, 18:05

Alethos hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 16:40
Das verstehe ich nun nicht, liebe Friederike. Was soll es objektiv gesehen nicht geben? Das halb geleerte Glas gibt es doch, wenn es zuvor voll war und zur Hälfte geleert wurde. [...] Aber was soll denn daran objektiv falsch sein, wenn man feststellt, dass das Glas zur Hälfte voll oder leer ist? [...]
Hmhm, das Glas ist halb leer oder das Glas ist halb voll - dann sind es doch zwei subjektive Aussagen über zwei objektive Tatbestände/Sachverhalte, oder wie ... :lol: Du meinst, der objektive Tatbestand sei einer und es handele sich um zwei unterschiedliche sprachliche Konzepte, diesen einen Sachverhalt auszusagen, verstehe ich Dich richtig?




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Jörn Budesheim
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Do 28. Mai 2020, 20:29

Mir ist nicht ganz klar, wofür oder wogegen du argumentieren möchtest, Friederike?




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Stefanie
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Do 28. Mai 2020, 20:35

Ich muss kurz was nachfragen... gibt es subjektive Tatsachen?
(...)Das heißt, es gibt sie nur insofern sie von jemandem erlebt bzw empfunden werden. Sie sind in einer Hinsicht also subjektiv, weil sie von einem Subjekt erlebt werden, nichtsdestotrotz sind sie zugleich objektiv, weil es eine Tatsache ist, dass sie existieren, ganz unabhängig davon, was irgendjemand in der Welt meint: (...)
Die Schmerzen, die ein Mensch spürt, existieren in der Tat völlig unabhängig davon, was irgendjemand in der Welt meint. Es ist eine Tatsache, dass sie existieren. (Genau wie kalte Füße).
Warum, wieso, weshalb, müssen diese, dem leidenden Subjekt gehörenden Schmerzen, die nur wirklich zu 100% derjenige empfindet*, der sie hat, noch quasi verstärkend zusätzlich das Siegel objektiv bekommen, damit es akzeptiert wird? Wieso sind die Tatsachen, das Menschen Schmerzen haben, Glück empfinden, traurig sind, Angst haben, wütend sind, und die natürlich existieren, auch noch objektiv? Reicht es nicht, es als subjektive Tatsachen zu bezeichnen? Sie sind doch wahr.

Mich hat die Liste, die Du gepostet hast, mit den mehrheitlich negativen Zuschreibungen für subjektiv, erschreckt. Als ob subjektiv für dumm, gefährlich und egoistisch steht. Woher kommen diese negativen Beschreibungen? Deshalb habe ich mich wieder eingeklickt.


* andere leiden mit, können es nachempfinden, aber das ist nie zu 100% so wie der Schmerz des anderen. Eine oft starke, große Annäherung, aber nicht identisch.



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Alethos
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Do 28. Mai 2020, 21:15

Friederike hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 18:05
Alethos hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 16:40
Das verstehe ich nun nicht, liebe Friederike. Was soll es objektiv gesehen nicht geben? Das halb geleerte Glas gibt es doch, wenn es zuvor voll war und zur Hälfte geleert wurde. [...] Aber was soll denn daran objektiv falsch sein, wenn man feststellt, dass das Glas zur Hälfte voll oder leer ist? [...]
Hmhm, das Glas ist halb leer oder das Glas ist halb voll - dann sind es doch zwei subjektive Aussagen über zwei objektive Tatbestände/Sachverhalte, oder wie ... :lol: Du meinst, der objektive Tatbestand sei einer und es handele sich um zwei unterschiedliche sprachliche Konzepte, diesen einen Sachverhalt auszusagen, verstehe ich Dich richtig?
Achso, jetzt verstehe ich, was du sagen willst. Ich konnte deinen Hinweis auf das "volle Glas" nicht einordnen :)

Nein, ich denke nicht, dass der objektive Tatbestand einer ist, sondern dass es sich in Wirklichkeit um hoch komplexe, fein strukturierte und diversifizierte Ontologie handelt (das arme Glas :) ).

Dass das Glas halb voll und halb leer ist, halte ich nicht für einen Tatbestand, sondern für mehrere Tatbestände (schliesslich sind viele Aussagen über dieses Glas und seinen Inhalt möglich). Wirklichkeit ist doch, dass das Glas halb gefüllt oder halb geleert sein kann. Aus der Perspektive der Tatsache, dass es leer sein kann, ist halb geleert. Aus der Perspektive der Tatsache, dass es ganz voll sein kann, ist es nur halb voll. Beide Aussagen sind deshalb wahr, weil sie diesen beiden Umständen Rechnung tragen.

Ich weiss nun nicht, ob ich die Sprache als Konzept verstehen möchte - ich glaube es eher nicht. Was ich sagen wollte, war, dass wir von der Halbheit nur konzeptionell reden können, weil es so etwas wie Halbes nur gibt, wenn man ein Ganzes unterstellt, z.B in der Mathematik. Aber wie mit allem, worüber wir im Alltag, auch im
philosophischen Alltag reden, ist es doch auch hier so, dass wir nicht sagen können, wann genau der eine Tropfen dazu führt, dass das Wasser überquillt. Bei welchem Atom genau wird das Glas voll oder passt vielleicht noch ein Quäntchen rein? Vollheit ist wie Ganzheit ein Problem für mich (und ich habe heute noch kein Glas Wein auch nur halb geleert). Möge sich der "voll" nennen, der mehrere Gläser ganz leerte: Ich glaube nicht, dass er oder sie es jemals sein wird. :mrgreen:



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Do 28. Mai 2020, 21:27

Was ich sagen will: Tatsachen erfassen wir bspw. durch Sprache oder durch den Sehsinn etc. und dies ist das Wahrnehmen der Tatsache. Das gehört zu der vollen Wirklichkeit der Tatsache, dass sie wahrgenommen wird (oder nicht wahrgenommen wird). Aber durch ihre Aussageform ist die Tatsache in perspektivische Form gebracht. Die Aussage: "Dort steht ein Baum." zeigt doch deutlich, was für alles gilt: Dort ist ein anderes dort von hier aus gesehen wie von da. Und der Baum steht nicht nur, er grünt, er blüht, er klingt, er stirbt, er lebt, es weht der Wind durch ihn. Alle diese Aussagen fokussieren auf einen Bereich der ganzen Tatsache, dass ein Baum dort steht.

Und das ist der Grund, warum ich die Metaphorologie so schätze, weil sie gar nicht versucht, die Wirklichkeit präzis in Ausdrücke zu bringen, sondern das Atmosphärische versteht als Ausdruck des Überschusses an Wirklichkeit.. und mit
dem Umstand spielt, dass wir die Wirklichkeit nur zum Preis des Ungefähren haben können.



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Fr 29. Mai 2020, 12:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 09:36
Es gibt natürlich noch weitere Hinsichten bezüglich der Wahrnehmung und den Begriffen "subjektiv" und "objektiv". Wahrnehmungen haben in aller Regel einen "Gehalt", z.B.: die Flasche steht auf dem Tisch. Auch das ist objektiv, da es sog "Erfüllungsbedingungen" gibt. Wenn die Flasche wirklich auf dem Tisch steht, dann lagen wir richtig, es ist dann objektiv wahr, was wir wahr-genommen haben.
Dein Beispiel hatte mich zu dem Gläser-Beispiel geführt, das mir zu zeigen scheint, daß sich ein objektiver Sachverhalt wohl auch, nicht immer und nicht ausschließlich, nach der subjektiven Wahrnehmung richtet. Die subjektive Wahrnehmung, deren Gehalt in einer Aussage als objektiver Sachverhalt behauptet wird, bestimmt ihrerseits den Sachverhalt.

Das wäre ein Hinweis darauf, daß "objektiv" und "subjektiv" nicht nur keine Gegensätze sind, sondern auch in der sogenannten Verifikationstheorie ... ich muß es mangels eines präzisen Gedankens ewas schwammig formulieren, oftmals nicht klar zu unterscheiden sind.




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Fr 29. Mai 2020, 12:35

Stefanie hat geschrieben :
Do 28. Mai 2020, 20:35
Warum, wieso, weshalb, müssen diese, dem leidenden Subjekt gehörenden Schmerzen, die nur wirklich zu 100% derjenige empfindet*, der sie hat, noch quasi verstärkend zusätzlich das Siegel objektiv bekommen, damit es akzeptiert wird?
Es kommt mir auch überflüssig vor, wozu ... ? Aber das Wort "Siegel" beinhaltet eigentlich die Antwort.
Stefanie hat geschrieben : Mich hat die Liste, die Du gepostet hast, mit den mehrheitlich negativen Zuschreibungen für subjektiv, erschreckt. Als ob subjektiv für dumm, gefährlich und egoistisch steht. Woher kommen diese negativen Beschreibungen?
Den Hintergrund bildet vermutlich die Gegensatz-Theorie; alles Subjektive ist mit dem Makel behaftet, nicht "objektiv" und das heißt "nicht wahr" zu sein (@Alethos, Du hattest den Gedanken über den Hang zur "reinen Wahrheit" ausgeführt).




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