NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Fr 7. Aug 2020, 12:07
Nun hatte Jörn, wie ich finde völlig zu recht, gefragt wieso dann keine Fuchsheit am Objekt (es ging um ein bestimmtes Objekt, nämlich einen Stein) existiert?
Denn da ist es ja genauso: Reales Objekt, reales Subjekt, reale Relation. Ergo: Fuchsheit kommt im Objekt vor.
Nun sagst Du aber das sei absurd, das gelte natürlich für die Fuchsheit nicht.
Und meine Frage war wieso?
Im Louvre hängt das Bild der Mona Lisa. Über die Mona Lisa (das Objekt) ist vieles wahr. Sie besteht aus Farben, Strichen, Anordnungen, Harmonien. Sie wurde dann und dann gemalt, durch den und den. Sie hängt dort seit so und so vielen Jahren.
Das alles (und natürlich viel mehr) ist über sie wahr.
Die Mona Lisa, das Bild der Mona Lisa, also unser Objekt, ist in Tatsachen eingebunden. Sie kommt ja nicht einfach vor als isoliertes Einzelding (über die Existenz von Einzeldingen in nicht-begrifflicher Form können wir lange diskutieren), sondern sie kommt vor in Tatsachen. Ihr Sein als dieses Ding ist grundsätzlich relational.
Nun müssen wir uns fragen, was denn dieses relationale Sein ausmacht. Wo hört die Mona Lisa auf, diese Mona Lisa zu sein? Was heisst es überhaupt, dass es wahr ist, dass sie die Mona Lisa ist? Was gehört alles zur Wahrheit ihres Seins?
Wir können sagen: "Nun ja, die Mona Lisa, das ist klar - ist ein materielles Ding bestehend aus Atomen und Molekülen. Das ist ihr Sein. Punkt!" Aber was bedeutet es denn, dass sie ein Kunstgegenstand ist? Das bedeutet, dass sie eben auch hier relational verknüpft ist mit den Tatsachen der Kunst. Sie ist auch ein geschichtlicher Gegenstand, sie hat ja (wie alles Seiende) eine Vergangenheit. Sie ist also auch verknüpft in die Tatsachen der Geschichtlichkeit.
Gut also, wir haben es mit der Mona Lisa, dem Bild der Mona Lisa - unserem Objekt - mit einem nicht-absolut seienden Ding zu tun, weil es ein relational seiendes Ding ist, und zwar ist es relational nicht nur zu anderen materiellen Gegenständen im Raum (sie steht 10 Meter entfernt von der Giacometti-Statuette, sie liegt höher als der Boden usw.), sie ist (existiert) relational ebenso in geschichtlicher Hinsicht, in kunsthistorischer Hinsicht etc.
Ein Aspekt ihres Seins ist demnach sicherlich der raumzeitliche, andererseits auch der historische, der kulturelle usw.
Wir können die Mona Lisa als das, was sie ist (als das, was als das existiert) nicht gerecht beschreiben, wenn wir sagen, es sei ein Atomhaufen in besonderer Anordnung. Wir würden diesem Gegenstand auch nicht gerecht, wenn wie sagten, es sei ein nur geschichtlicher Gegenstand. Sondern alle die Tatsachen, in denen er vorkommt, geben die relationalen Ordnungen vor, die beschreiben lassen, was dieser spezifische Gegenstand, Mona Lisa, ist und durch diese Ordnungen erhält es seine Existenz als dieses Objekt.
Ist die Geschichtlichkeit nun ein (materialer) Aspekt ihres Seins wie es die Farbpigmente sind, aus denen sie sich formt? Nein, und doch gehört zu ihren Eigenschaften, auch in einer Kunstgeschichte vorzukommen. Sie hat nämlich auch historische Eigenschaften, und diese bestimmen sich nicht (jedenfalls nicht nur) durch das Alter der Pigmente, sondern durch ihre Verflechtung und Einflechtung in eine Geistesgeschichte, eine Kunstgeschichte, eine Ortsgeschichte etc. Diese Eigenschaften wiederum, als solche, haben keine rein raumzeitliche Form, weshalb dem Seinsaspekt der Mona Lisa in (kunst-)geschichtlicher Hinsicht keine rein materiellen (raumzeitlichen) Eigenschaften zukommen, und dennoch sind sie ihre Eigenschaften.
Nun müssen wir festhalten: Das Sein eines Gegenstandes ergibt sich aus einer vielschichtigen Relationalität dieses Gegenstandes mit seinen Seinshintergründen. Und wenn wir die Wahrheit dieses Seins erfassen wollen, müssen wir uns im Klaren sein, dass sie sich nicht auf eine Hinsicht allein reduzieren lässt. Wir können wohl über die Mona Lisa
als Kunstobjekt reden und ausblenden, dass sie aus Atomen besteht. Wir würden viel Wahres über sie sagen können, aber ihr Sein lässt sich nicht reduzieren auf diese Form ihrer Gegebenheit, über die vieles wiederum wahr ist.
Nun stellen wir uns vor, dass in der Presse über dieses Bild gesprochen wird. Es erscheine ein Artikel in der New York Times über die Mona Lisa. Sie wird zum Gegenstand eines Artikels und damit wird sie verknüpft in den Sachverhalt, den dieser Artikel aufspannt. Nun kann man sagen, dass nicht diejenige Mona Lisa wirklich Gegenstand des Artikels sei, weil ja nur
über sie gesprochen wird. Sie wird ja nicht im Original an die Zeitungsseite geheftet. Aber wir müssen zugeben, weil alles andere falsch ist, dass es ein Artikel über
sie ist. Sie kommt im Artikel vor, nicht in materialer Form, aber in sprachlicher, gedanklicher oder redaktioneller Hinsicht.
Sieht man ihr an, wenn man im Louvre vor ihr steht, dass sie andernorts Gegenstand eines Artikels ist? Kann man das nachprüfen am Objekt, an diesen und diesen materiellen Eigenschaften? Nein. Denn dieser Aspekt ihres Vorkommens im Artikel ist ja gar kein materielles Vorkommen am Gegenstand. Dennoch ist es wahr über sie, dass die Gegenstand eines Artikels wahr und deshalb ist ein Aspekt ihres Seins derjenige, Gegenstand eines Artikels zu sein - sie ist ebenso ein medialer, nicht nur historischer Gegenstand und wenn wir sagen, dass sie ein solcher Gegenstand ist, dann meinen wir, dass es zu ihrem Sein gehört, diese Eigenschaft zu haben, in einem
Medienartikel vorzukommen. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn wir nicht meinten, dass es zu ihrem Sein gehört, in diesem Artikel vorzukommen, wenn sie doch Gegenstand dieses Artikels ist.
In diesem Aspekt, den wir beschreiben als medialen Aspekt, steht einiges über die Mona Lisa, was auf sie zutrifft oder nicht zutrifft. Dort steht, dass sie ein Fuchs ist. Ist es deshalb über die Mona Lisa wahr, dass sie ein Fuchs ist? In welchem Aspekt ihres Seins müsste sie Fuchs sein, damit sie Fuchs sei?
Es ist wahr, dass im Artikel steht, sie sei ein Fuchs, aber in welcher Hinsicht müsste es zutreffen, damit das, was dort steht, wahr über sie ist? Es müsste am Gegenstand Mona Lisa ein Fuchssein vorkommen, damit er ein Fuchs ist. Er müsste sich mit dem Fuchs und dem, was den Fuchs zum Fuchs macht, in vielerlei Hinsicht viele Eigenschaften teilen, damit dieser Gegenstand ein Fuchs sei. Das Fuchsphänomen (in verschiedenen Hinsichten seines Fuchsseins) müssten mit den Eigenschaften des Gegenstands, von dem behauptet wird, er sei ein Fuchs, in verschiedenen und entsprechenden Hinsichten deckungsgleich sein.
Wir sagten, dass das Sein der Mona Lisa ein Vielschichtiges ist (ein historisches, ein mediales, materielles etc). Nun müsste, damit über sie als dieser vielschichtige Gegenstand wahr ist, dass sie ein Fuchs ist, in mehreren Aspekten wahr sein, dass sie Fuchseigenschaften hat. Es ist wahr im Artikel über die Mona Lisa, dass sie als Fuchs definiert wird, aber in welchem anderen Sinn ist sie sonst noch Fuchs? Was hat sie mit ihm sonst noch gemeinsam?
Nichts. Das Fuchsein bezieht sich nur auf den Artikel und in keinerlei anderer Vorkommensweise der Mona Lisa.
Der Artikel also irrt, weil er etwas über die Mona Lisa behauptet, was ihr ausser in der Behauptung nicht zukommt.
Eine Existenzaussage in einem Sinnfeld ist beschränkt auf die Existenz in diesem Sinnfeld und kann auf ein anderes Sinnfeld nicht übertragen werden. Aus der Behauptung wird keine Wahrheit über diesen Gegenstand, obwohl natürlich ein Aspekt des Seins des Gegenstands jener ist, ein behaupteter zu sein und es ist wahr, dass eine seiner Eigenschaften ist, in der Relation einer behaupteten Tatsache vorzukommen, aber nur in dieser Relation der Behauptung kommt ihm die behauptete Eigenschaft zu, nicht in anderen Relationen, weshalb es eine schlicht falsche Aussage ist über den Gegenstand zu sagen, er sei das, was allein in der Behauptung vorkommt, auch wenn ihm in dieser Behauptung die Eigenschaft zukommen mag, so doch nicht in anderen Hinsichten seines Seins.
...
Nun haben wir es bei der Mona Lisa mit einem Gegenstand zu tun, der vielfältigst gegeben ist, weil er in indefiniten Sachverhalten relational vorkommt.
Was heisst nun aber, dass die Mona Lisa schön ist?
Du hast behauptet, dass es ein evolutionär entwickeltes Vermögen sei, Schönheit zu empfinden. Das sehe ich gleich. Schönheitsempfindung ist ein Sinn, wie der Sehsinn, wobei der Sehsinn auf das Sichtbare geht, der Schönheitssinn auf Proportionen, Disproportionen, Farben etc. und dem Zusammenspiel dieser "Dinge" zu einem Gesamteindruck.
Aber was ist da schön? Wo kommt
es vor? Wo liegt das Schöne am Schönen? Dass etwas als schön empfunden wird, weist diese Empfindung aus, also ist wenigstens das, die Empfindung, als reale Empfindung, ein Phänomen, nämlich ein Schönheitsphänomen. Klar, denn es ist ja wahr, dass ich x als schön empfinde, also existiert diese Empfindung real, weshalb sie Phänomen ist.
Gut, aber wir kommt es zustande in mir? Einfach so, als disparates Irgendwie aus dem Nirgendwo, oder wird nicht doch mein Empfinden affiziert, angeregt durch etwas? Was ist dieses Etwas? Wahrscheinlich und ganz sicher ein Objekt.
Nun aber, ist das Objekt schön und dessen Schönheit strahlt in mich hinein, affiziert da den Schönheitssinn? Das halte ich für eine falsche Vorstellung, aber dennoch ist es doch so, dass ich über diesen Gegenstand sage, dass er schön ist, und nicht einfach über einen eingebildeten oder erdachten, sondern über diesen. Wie kann das sein? Entweder attribuiere ich qua meiner inneren Dispositionen diesem Gegenstand ein Schönsein (blende dabei aber aus, dass es etwas ist an ihm, dass ich als schön empfinde) oder aber der Gegenstand trägt die Schönheit in sich (wobei ich erklären können muss, weshalb sie nicht offensichtlich für jedermann/jedefrau ist)
Mein Ansatz ist nun folgender zu denken, dass das Schönsein ein Aspekt des Gegenstands ist, so wie es sein Gedachtwerden ist, seine Historizität, sein medialer, sein materialer Aspekt ist.
Eigenheit des Phänomens "Schönsein" - das Schöne als Seindes - aber nun ist, dass es existieren können muss vor einem
Hintergrund. So wie die Mona Lisa als historischer Gegenstand vorkommen kann nur, wenn es Historie gibt, und als materieller Gegenstand nur vorkommen kann, wenn es Raumzeit gibt, so kann die Schönheit als Gegenstand nur vorkommen, wenn dasjenige, was Schönheit empfindet und dasjenige, was bestimme Merkmale hat, die als schön empfunden werden, einen ästhetischen Seinsbereich bilden. Das Schöne ist Gegenstand dieses Bereichs und dieser Bereich ist wiederum nicht einfach nur ein Bereich am Objekt oder ein Bereich meiner inneren Einstellungen, sondern ein anderer, für sich selbst stehender Existenzbereich: der "Ort" an dem das Schöne existiert.
Nun wird offensichtlich, dass dieses Schöne nur lokale Existenz hat, nämlich in der Lokalität der jeweiligen Relation, aber diese Relation ist ein Aspekt des Soseins des Gegenstands selbst, nämlich der ästhetische Aspekt seines Soseins. Es ist deshalb möglich zu sagen, dass er schön und nicht schön zugleich ist, weil sein Schönsein eben nicht in jeder Hinsicht seines Seins vorkommt, sondern nur in dieser lokalen, relationalen Hinsicht. Damit ist aber gleichzeitig gesagt, dass wir das Schönsein niemandem aufdrängen können, weil sich die Schönheit nur in dieser Intimität
existenzial ausbildet, also als wirklicher Aspekt des Gegenstands in gewisser Hinsicht - aber deshalb
ist dieser Gegenstand schön (oder nicht), weil er es in seinem ästhetischen Seinsinn ist und dieser Seinssinn ist nicht denkbar ohne die Prädisposionen jener Subjekte, die diese Seinsebene mit ihm freilegen.
Das ist nun aber nichts rein Subjektives, das ist auch kein ästhetischer Antirealimus und es öffnet auch nicht Tür und Tor für Beliebigkeit, weil das jeweilige Empfinden nichts Beliebiges feststellt, sondern die tatsächliche, die reale Schönheit des Gegenstands, wo sie denn ist und sie ist eben deshalb nichts Subjektives, weil sie nicht nur im Subjekt vorkommt, sondern durch ihn an ihm empfunden wird.
Wir können also das Fuchssein nicht imponieren, wo keines ist, weil das Fuchssein nirgends ist ausser im Fuchsein. Aber wir können auch keine Schönheit imponieren, wo keine ist, denn sie ist nur dort, wo sie ist.