subjektiv, objektiv

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Jörn Budesheim
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Betrachter vor einem Bild von Yves Klein:
wie geil, genau mein blau.
(Ob hier was schief gelaufen ist?)




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NaWennDuMeinst
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Fr 7. Aug 2020, 19:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 7. Aug 2020, 19:14
Wie kann man ein Argument kritisieren? Unter einem Argument will ich in diesem Zusammenhang einfach verstehen, dass jemand aus ein paar Prämissen etwas folgt. Eine Möglichkeit ist, die Wahrheit der Prämissen anzuzweifeln. Die andere Möglichkeit ist, anzuzweifeln, dass der Schluss korrekt ist. Das macht man, indem man etwas vorweist, das die dieselbe Schluss-Form hat, aber offensichtlich falsch sind. Ein solchen Fall geht es um die Form. Man zeigt, dass die Form nicht zu dem richtigen Ergebnis führt.

Ich habe mit einem Beispiel bezweifelt, dass die Schlüsse von Alethos gültig sind. Dabei sage ich an keiner Stelle, nicht mal annäherungsweise, dass wir Schönheit so ähnlich ermitteln, wie wir links und rechts ermitteln.

Alethos scheint nämlich zu meinen, dass wenn er irgendwie zeigen kann, dass zwingend Subjekte im Spiel sind, auch schon deren individuelle Urteile wahr sein müssen. Aber das folgt nicht und dafür habe ich ein Gegenbeispiel gebracht.
Das habe ich ihm ja auch versucht zu erklären. Aber was soll ich sagen.....
:-)
Ein anderes Beispiel: es wird behauptet, dass Dissens in den Urteilen irgendetwas darüber aussagt, ob es Tatsachen in dem fraglichen Fall gibt.
Aber es gibt auch in Naturwissenschaften Dissens und daraus folgt auch nicht, das ist hier keine Tatsachen gibt.
Du meinst weil immer wieder (auch von mir) angeführt wird, dass Klaus was anderes schön findet als Gerda?
Jein. Zumindest mir geht es dabei um etwas anderes, nämlich darum, dass sich die vermaledeite Schönheit einfach nicht fassen lässt.
Es geht einfach darum, dass wenn ein solcher Dissens besteht, wir uns ja irgendwie darauf einigen müssen warum der eine irrt und der andere nicht.
Wie aber willst Du das machen? Dein Vorschlag dazu war: Ach, das merkt man dann schon, wenn man nur lange genug mit Schönheit (oder schöner Kunst) zu tun hat.
Also ich finde das als Antwort nicht befriedigend. Einfach weil das Jeder behaupten kann.
Das ist ja eben der Unterschied zu den Wissenschaften. Hast Du schon mal einen Wissenschaftler erlebt der seinen Kollegen gegenüber auf die Frage wie er seine These zu überprüfen gedenkt, sagte: "Ach, das merkt ihr schon irgendwann, wenn ihr mal so weit seid wie ich"? Das ist doch keine zulässige Begründung. Und es ist gerade wenn man von der Objektivität von etwas überzeugt ist keine Begründung. Denn Objektivität heißt für mich, dass das was da behauptet wird eben objektiv nachvollzogen und überprüft werden kann... Es stimmt zwar, dass manche Theorien so komplex sind, dass ein Laie das nicht versteht. Aber ein Experte mit gleicher Erfahrung und gleichem Wissen müsste das können.
Es gibt in der Wissenschaft dafür auch Regeln, die eingehalten werden müssen wenn es dazu kommt eine potentielle neue Erkenntnis zu überprüfen (wiederholbare Ergebnisse beim Experiment zum Beispiel).
Das bedeutet, dass wenn einer sich exakt an die Regeln hält, dann wird er zu dem selben Ergebnis kommen wie sein Kollege (Überprüfung erfolgreich) oder eben nicht (Überprüfung gescheitert), völlig unabhängig davon ob er nun eine ganz andere Überzeugung (oder andere Gefühle dazu) hat oder nicht.
Welche vergleichbaren Regeln gibt es denn da in der Kunst? Gibt es da irgendwas mit dem ich die Behauptungen eines Anderen widerlegen oder bestätigen kann? Also wenn es um Schönheit geht?

Und sag mir jetzt bitte nicht wieder "wer in der Kunst was bestätigen oder widerlegen will ist schon falsch". Denn wenn Du sagst Jemand kann Recht haben oder sich irren dann ist das nichts Anderes als den Anderen zu BESTÄTIGEN oder zu WIDERLEGEN!
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Fr 7. Aug 2020, 20:00, insgesamt 1-mal geändert.



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NaWennDuMeinst
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Fr 7. Aug 2020, 19:53

Ich weiß schon was Du antworten wirst. Man kann der Kunst nicht mit wissenschaftlicher Methodik zu Leibe rücken. Man verfehlt da das Wesen der Kunst.
Stimmt. Aber genau deswegen kann es in der Kunst auch keine Objektivität geben - zumindest wenn es um Schönheit geht.
Die Objektivität gibt es in der Wissenschaft nämlich auch nur wegen der ganzen Regeln und Kriterien und Methodik (die sie sich über viele Jahrhunderte hinweg mühsam erarbeitet hat).
Und sowas müsste man für die Kunst auch haben (von mir aus nicht genauso aber irgendwas Vergleichbares) wenn man dahin gelangen will Schönheit (oder den ästhetischen Wert) objektiv bestimmen zu wollen.
Und wenn das nicht möglich ist... tja, dann sehe ich echt schwarz für die "objektive Schönheit", weil es dann einfach keine Möglichkeit gibt Jemand anderen von irgendwas zu überzeugen, ausser durch gutes Zureden und der Hoffnung, dass er es schon irgendwie einsehen wird.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Fr 7. Aug 2020, 20:04, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Fr 7. Aug 2020, 20:03

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 7. Aug 2020, 19:34
Dein Vorschlag dazu war: Ach, das merkt man dann schon, wenn man nur lange genug mit Schönheit (oder schöner Kunst) zu tun hat.
Sorry, nichts in der Art habe ich gesagt.




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NaWennDuMeinst
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Fr 7. Aug 2020, 20:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 7. Aug 2020, 20:03
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 7. Aug 2020, 19:34
Dein Vorschlag dazu war: Ach, das merkt man dann schon, wenn man nur lange genug mit Schönheit (oder schöner Kunst) zu tun hat.
Sorry, nichts in der Art habe ich gesagt.
Was war dann Dein Vorschlag, wie man einen Dissens darüber ob etwas schön ist oder nicht auflöst?

Erna sagt das Bild ist nicht schön
Ulli sagt das Bild ist schön.

Jörn sagt: Nur einer von Euch hat Recht, denn es gibt einen objektiven Wahrheitswert in Bezug auf die Schönheit des Bildes.
Jörn sagt weiter: Ulli hat Recht. Das Bild ist objektiv schön. Erna irrt.

Und jetzt sagt halt Erna: "Ja, aber wieso soll denn Ulli Recht haben? Ist Ullis Empfindung mehr wert als meine?"
"Nö", sagt Jörn, "Das hat mit der Empfindung nichts zu tun, sondern damit was wahr ist".

So, und was ist nun wahr und warum? Nehmen wir an Jörn schiebt dem jetzt eine ganze Latte von Argumenten nach warum das Bild schön ist.
Jetzt schiebt Erna ihrerseits eine Reihe von Argumente hinterher warum das Bild nicht schön ist.
Wie sollen wir da zu einem Ergebnis kommen?
Wir müssten ja dann Regeln dafür haben aus denen wir ableiten können warum Jörns Argumente mehr zählen als Ernas.
Welche sind das?

Verstehst Du was ich meine? An irgendeinem Punkt muss es doch irgendwie verbindlich werden damit Erna nachvollziehen kann, warum Ulli recht hat und Sie selbst sich irrt.
Und wie kann es denn verbindlich werden ohne Kriterien und Regeln dafür die von allen Gesprächsteilnehmern anerkannt werden?
Irgendetwas Evidentes. Aber was ist denn evident schön?

Es läuft am Ende einfach auf Glauben hinaus. Und das ist mir zu wenig. Ich finde das ist dann auch nicht objektiv.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Fr 7. Aug 2020, 20:24, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Ich weise nur zurück, dass du Dinge behauptest von mir, die ich nicht gesagt habe. Das muss schließlich nicht sein.




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NaWennDuMeinst
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Fr 7. Aug 2020, 20:28

Ok. Du hast das nicht behauptet.
Dann nehme ich das zurück und stelle die Frage einfach nochmal:
Wie kommen wir bei einem Dissens über die objektive Eigenschaft "Schönheit" eines Objektes zu einem verbindlichen Ergebnis?
Es einfach nur zu behaupten reicht mir nicht (erst recht nicht, weil ich die Objektivität von Schönheit auch bestreite. So etwas gibt es mMn nicht).
Wenn ich an was glauben will kann ich auch in die Kirche gehen oder meine eigene Phantasie bemühen.



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Nauplios
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Sa 8. Aug 2020, 19:18

Alethos hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 18:21
Heute ist ein wunderschöner Sommertag. Wirklich: objektiv schön!
Eine Erfassung des Schönen vor dem Hintergrund einer "Geistesgeschichte der Kunst" könnte ihren Ausgang von Platons Symposion nehmen, nebst Philebos und Phaidros, um über Kants Kritik der Urteilskraft und Schillers Briefen über die Ästhetische Erziehung des Menschen bis hin zum dritten Tagungsband von Poetik und Hermeneutik Begriff und Vorstellung des Schönen zu entfalten. -




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NaWennDuMeinst
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Sa 8. Aug 2020, 21:34

Nauplios hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 19:18
Alethos hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 18:21
Heute ist ein wunderschöner Sommertag. Wirklich: objektiv schön!
Eine Erfassung des Schönen vor dem Hintergrund einer "Geistesgeschichte der Kunst" könnte ihren Ausgang von Platons Symposion nehmen, nebst Philebos und Phaidros, um über Kants Kritik der Urteilskraft und Schillers Briefen über die Ästhetische Erziehung des Menschen bis hin zum dritten Tagungsband von Poetik und Hermeneutik Begriff und Vorstellung des Schönen zu entfalten. -
Kurz die Positionen überflogen und ich stelle fest: Selbst die "Großen" waren sich bei dem Thema keineswegs einig.
Ich bezweifele ernsthaft, dass sich das jemals ändert wird.



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Jörn Budesheim
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Eltern lesen ihren Kindern seltener vor, lese ich gerade. Im Ergebnis führt das dazu, dass bestimmte ästhetische und emotionale Kompetenzen verkümmern. An der nächsten Ecke steht der Schönheitswahn und wartet schon auf sie. Trivial, aber wahr: Wenn man keine Ahnung von sich selbst hat und sich dafür auch nicht interessiert, dann lässt man sich übrigens besonders gut manipulieren.




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Nauplios
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So 9. Aug 2020, 11:14

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 21:34
Nauplios hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 19:18
Alethos hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 18:21
Heute ist ein wunderschöner Sommertag. Wirklich: objektiv schön!
Eine Erfassung des Schönen vor dem Hintergrund einer "Geistesgeschichte der Kunst" könnte ihren Ausgang von Platons Symposion nehmen, nebst Philebos und Phaidros, um über Kants Kritik der Urteilskraft und Schillers Briefen über die Ästhetische Erziehung des Menschen bis hin zum dritten Tagungsband von Poetik und Hermeneutik Begriff und Vorstellung des Schönen zu entfalten. -
Kurz die Positionen überflogen und ich stelle fest: Selbst die "Großen" waren sich bei dem Thema keineswegs einig.
Ich bezweifele ernsthaft, dass sich das jemals ändert wird.
Da stimme ich Dir uneingeschränkt zu. Um einer "Einigkeit" willen - etwa in der Frage, ob das Schöne "subjektiv/objektiv" ist - , eines überzeitlichen Konsenses, der abschließend klärt, was es mit dem Schönen auf sich hat und letztgültige "Kriterien" seiner Feststellung offeriert, würde auch eine Geistesgeschichte der Kunst nur jene "karge Ausbeute" erzielen, welche in den großen Fragen das bevorzugte Ergebnis der Philosophie ist. Eine Letztbegründung des Schönen ist also ein aussichtsloses Unterfangen. Alles Nachdenken darüber von vornherein einzustellen und einzig dem Geltung beizumessen, was in strenger Wissenschaftlichkeit Anspruch auf Beweis stellen könnte, würde das Schöne gänzlich aus dem Blickfeld geraten lassen. - Dazwischen lokalisiert sich der auch andere Totalitäts- und Orientierungsfragen umschließende Bereich, für den das "Prinzip des unzureichenden Grundes" gilt, denn:

"Philosophie ist der Inbegriff von unbeweisbaren und unwiderlegbaren Behauptungen, die unter dem Gesichtspunkt ihrer Leistungsfähigkeit ausgewählt worden sind." (Hans Blumenberg)

Das ist nur auf den ersten Blick ein niederschmetternder Befund, weil auch ein unzureichender Grund dennoch ein Grund ist. - "Das Prinzip des unzureichenden Grundes ist nicht zu verwechseln mit einem Postulat des Verzichts auf Gründe wie auch 'Meinung' nicht das unbegründete, sondern das diffus und methodisch ungeregelt begründete Verhalten bezeichnet." (Hans Blumenberg, Wirklichkeiten in denen wir leben; S. 125) -

"Selbst die 'Großen' waren sich bei dem Thema keineswegs einig." - Sie waren es so wenig wie es die "Kleinen" sein könnten. Insofern war der Thread "subjektiv, objektiv" ein eindrucksvoller Beleg für das Prinzip des unzureichenden Grundes. Von einer "Geistesgeschichte der Kunst" wäre diesbezüglich anderes nicht zu erwarten in der Frage, ob das Schöne "subjektiv" oder "objektiv" ist. Sie würde allerdings auch nicht zur Beantwortung dieser Frage antreten. Es würde sich dabei eher um einen historisch gerichteten Versuch handeln, die antike Umklammerung des Schönen mit dem Wahren und Guten vor dem Hintergrund eines sich verändernden Wirklichkeitsbegriffs bis zu den "nicht mehr schönen Künsten" der Moderne zu beschreiben und dabei den "Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit" betonen, also die Funktion, die dem Schönen theoretisch zukommt und nicht die Substanz, was das Schöne ist.

Der theoretische Rahmen für eine solche "Geistesgeschichte der Kunst" ist durch Untersuchungen aus dem Umfeld von Poetik und Hermeneutik (insbesondere Blumenberg, Jauß, Stierle, Max Imdahl) längst gesetzt; von Aby Warburg, Jacob Burckhardt und Nietzsche ist ja gerade an anderer Stelle die Rede. -
Zuletzt geändert von Nauplios am So 9. Aug 2020, 11:24, insgesamt 1-mal geändert.




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So 9. Aug 2020, 11:22

Alethos hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 21:49


Dann forschen wir doch lieber mit
Nauplios an der Geistesgeschichte der Kunst ...
Eine "Geistesgeschichte der Kunst" mit den oben genannten Generalzeugen kann hier zwar angedacht, aber nicht ausgeführt werden. Das hat Gründe, die nicht allein in Grenzen subjektiver Kapazitäten liegen.




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Alethos
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So 9. Aug 2020, 11:49

Nauplios hat geschrieben :
So 9. Aug 2020, 11:22
Alethos hat geschrieben :
Sa 8. Aug 2020, 21:49


Dann forschen wir doch lieber mit
Nauplios an der Geistesgeschichte der Kunst ...
Ein "Geistesgeschichte der Kunst" mit den oben genannten Generalzeugen kann hier zwar angedacht, aber nicht ausgeführt werden. Das hat Gründe, die nicht allein in Grenzen subjektiver Kapazitäten liegen.
Vielleicht konnte ich mit meinem kleinen Hinweis (was du mit deinem soeben hier verfassten grossen Hinweis auch getan hast) geneigt machen zu denken, dass die Diskussion über Begriffe wie "subjektiv/objektiv" oder "wahr/falsch" auch vor einem weiteren historischen Panorama geführt werden kann. Das würde - in einer solchen Dimension gedacht - bedeuten zu erkennen, dass es im Grunde gar nicht so sehr um die Frage geht, was denn schön tatsächlich sei, sondern dass der Begriff selbst Voraussetzungen hat, unter denen er zustande kommt. Diese Implikationen zu erforschen, das ist doch das eigentlich philosophisch (wenigstens philosophie-historisch) Fruchtbare.



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Die Aufgabe der Philosophie ... die einen feiern das als Ende, für die Anderen ist es der unentwegte Anfang.




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So 9. Aug 2020, 14:25

Nauplios hat geschrieben :
So 9. Aug 2020, 11:22
Eine "Geistesgeschichte der Kunst" mit den oben genannten Generalzeugen kann hier zwar angedacht, aber nicht ausgeführt werden. Das hat Gründe, die nicht allein in Grenzen subjektiver Kapazitäten liegen.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 5. Aug 2020, 21:05
(wobei mir noch nicht ganz klar ist wo der Unterschied [zwischen Schönheit und ästhetischen Wert] liegt).




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So 9. Aug 2020, 14:36

Alethos hat geschrieben :
So 9. Aug 2020, 11:49


Vielleicht konnte ich mit meinem kleinen Hinweis (was du mit deinem soeben hier verfassten grossen Hinweis auch getan hast) geneigt machen zu denken, dass die Diskussion über Begriffe wie "subjektiv/objektiv" oder "wahr/falsch" auch vor einem weiteren historischen Panorama geführt werden kann. Das würde - in einer solchen Dimension gedacht - bedeuten zu erkennen, dass es im Grunde gar nicht so sehr um die Frage geht, was denn schön tatsächlich sei, sondern dass der Begriff selbst Voraussetzungen hat, unter denen er zustande kommt. Diese Implikationen zu erforschen, das ist doch das eigentlich philosophisch (wenigstens philosophie-historisch) Fruchtbare.
Ja, nur zeigt die Erfahrung, daß solcherart Bescheidung auf "Fruchtbares", dessen Früchte erst zutage treten nach einem Prozeß der Aussaat, gegen das hier dominierende Regulativ einer Ergebnis-Philosophie verstößt. -




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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
So 9. Aug 2020, 11:49
dass der Begriff [Schönheit] selbst Voraussetzungen hat, unter denen er zustande kommt.
Der Begriff Schönheit wird in allen Kulturen sowohl synchron als auch diachron geschätzt. Ich kenne keine Indizien, dass es irgendwo Menschen gibt, die keinen Begriff von Schönheit haben und nicht das Schöne schätzen. Es gibt nach meiner Einschätzung also keine Voraussetzungen unter denen der Begriff beim Mensch zustande kommt, sondern er gehört zu uns einfach dazu.

Die Frage, ob Schönheit rein subjektiv ist, ob sie kulturell geprägt ist oder ob sie im Gegenteil “universell” ist, wurde natürlich auch empirisch erforscht.

Der Philosoph Wolfgang Welsch hat sich dieser Frage gewidmet und kommt zu folgendem Ergebnis:

“Es gibt tatsächlich universale Muster des Schönheitsempfindens – ästhetische Präferenzen, die für Menschen in jeder Kultur gleichermaßen gelten. Alle Menschen schätzen Gegenstände, die diesen Mustern entsprechen, als schön ein.”

Drei Muster (nach Welsch)

Manche Landschaftstypen und manche Körpertypen

Man hat herausgefunden, dass alle Menschen savannenartige Landschaften schätzen – unabhängig davon, ob sie solche Landschaften aus ihrem Lebensraum kennen oder jemals durch Reisen kennengelernt haben. Die Einhelligkeit der Savannenpräferenz ist Kulturen- und Sozialschichtenübergreifend.

Was menschliche Körper angeht, so gelten ein betont symmetrischer Körperbau und Gesichtsschnitt als schön. Zudem werden makellose Haut und kräftiges, glänzendes Kopfhaar universell als schön eingestuft. Ferner gibt es Präferenzen, die Proportionen des Körperbaus betreffen. So hat eine Studie von Devendra Singh 1993 gezeigt, dass Männer weltweit bei Frauen eine Taille-Hüfte-Proportion von 7 : 10 als ideal ansehen.

Viele atemberaubend schöne Kunstwerke werden kulturübergreifend geschätzt. (Taj Mahal, Mona Lisa, Beethovens Neunte)
Formen “holistischer Selbstähnlichkeit”

Andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen, auch wenn so etwas natürlich nie unumstritten ist. Diese Befunde passen nicht gut zu Subjektivismus und Relativismus:

"Schön ist also für uns vermutlich was von mittlerer Komplexität und hoher Selbstähnlichkeit ist [...] Wir Menschen lieben Symmetrie (Christoph Redies, Biologe)

[Es zeigt sich, dass die] Vorstellung, mit der ich noch aufgewachsen bin, also "Schönheit liegt im Auge des Betrachters", mittlerweile revidiert werden muss” (Karl Schawelka, Kunsthistoriker)

Schönheit liegt entgegen der allgemeinen Annahme nicht im Auge des Betrachters. Vielmehr sind die Kriterien für Schönheit [...] kulturunabhängig. Der wichtigste Bewertungsfaktor ist dabei die Symmetrie. (Ilka Lehnen-Beyel, Bild der Wissenschaft)

Auf der Ebene der ästhetischen Wahrnehmungen ist die Übereinstimmung nicht nur innerhalb eines Kulturkreises, sondern sogar weltweit sehr groß. Das wird durch Untersuchungen von Ethnologen, Psychologen und Biologen immer wieder bestätigt. (Dr. Christian Thies, Philosoph)

Die Dinge ändern sich natürlich (oft sogar radikal) wenn wir über die "Schönheit" in der Kunst nachdenken. Dort ist die Schönheit schon lange nicht mehr das einzige oder gar das zentrale Thema. Das lässt sich natürlich auch nicht in ein paar Stichworten abtun. Über lange Zeit, sogar noch in der Nachkriegsmoderne war das Thema der Erhabenheit wichtig. Natürlich hat die Künstler auch das Hässliche, das Verstörende, das Abgründige, das Absurde und das Unverständliche interessiert, um nur ein paar wenige Stichworte zu nehmen. Der Bereich der bildenden Kunst ist zumindest in den letzten 100 Jahren derart vielfältig und unübersichtlich geworden, dass er sich keinen Fall in wenigen Zeilen skizzieren lässt.




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So 9. Aug 2020, 17:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 9. Aug 2020, 15:49
Die Frage, ob Schönheit rein subjektiv ist, ob sie kulturell geprägt ist oder ob sie im Gegenteil “universell” ist, wurde natürlich auch empirisch erforscht.
Alethos hat geschrieben : [...] dass es im Grunde gar nicht so sehr um die Frage geht, was denn schön tatsächlich sei, sondern dass der Begriff selbst Voraussetzungen hat, unter denen er zustande kommt. Diese Implikationen zu erforschen, das ist doch das eigentlich philosophisch (wenigstens philosophie-historisch) Fruchtbare.
Ich weiß nicht recht, aber ich glaube, Alethos hat etwas Anderes gemeint. Historisch bezieht sich, so wie ich den Satz verstehe, auf die Philosophie. Aus Deinem Beitrag @Jörn habe ich das obige Zitat entnommen, weil es ein Beispiel dafür wäre, was in der Philosophie des Hohen Mittelalters (Scholastik) wohl niemanden (keinen Philosophen) auch nur ahnungsweise interessiert hätte. Das heißt, die Voraussetzung, das Interesse am Menschen (der anthropologische Aspekt), die dann zu der Frage führt, die Du oben nennst, muß erst einmal geschaffen sein. Aus meiner Sicht würde auch die empirische Forschung, auf die Du hinweist, ein Gesichtspunkt bei der Erkundung der Geschichte der Philosophie sein, denn ich nehme nicht an, daß sich die Philosophie der Antike beispielsweise auf empirische Methoden der Erkenntnis gestützt hätte.

@Alethos, Du wirst es ja selber sagen, wie Du gemeint hast ...




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Jörn Budesheim
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So 9. Aug 2020, 17:52

Meine Antwort darauf ist eben, dass der Begriff keine Voraussetzungen hat, unter denen er zustande gekommen ist, es sei denn, man fragt nach evolutionären Bedingungen. Ansonsten ist da, wo der Mensch ist, auch immer schon der Begriff der Schönheit.




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