Teamwork / kollektive Intentionalität
- Jörn Budesheim
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Aber wieso? Welchen Grund gibt es, das zu glauben? Da bräuchte ich sachdienliche Hinweise :-)
- Jörn Budesheim
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Hab jetzt einen kurzen Spaziergang hinter mir. Und da hatte ich eine Idee, was du meinen könntest: du meinst vielleicht "zeitlich primär"? Das ist aber nicht gemeint, es geht darum, was (wenn überhaupt) logisch primär ist.
Wenn man den Artikel liest, und ich es richtig verstanden habe, haben Babys schon die Fähigkeit, Absichten zu erkennen.
https://www.sueddeutsche.de/wissen/frue ... -1.2675036
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Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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- Friederike
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"Glauben" Aber es ist doch offenkundig, daß zeitlich zuerst zwei Individuen da sind, von denen eines zum anderen sagt "ich möchte mit dir spazierengehen" oder "laß uns zusammen spazierengehen" und das andere Individuum sagt "ich möchte auch mit dir spazierengehen" oder "ja, laß uns zusammen spazierengehen". Anschließend erst sagen beide "wir gehen spazierengehen".Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 11. Jun 2019, 14:33Aber wieso? Welchen Grund gibt es, das zu glauben? Da bräuchte ich sachdienliche Hinweise
Achsoachso, die Handlung "zusammen spazierengehen", das ist eine Handlung mit einer "wir"-Absicht. Die Frage ist ja nicht, was vorher -an Situationen und Gesprächen- möglicherweise war. Na, ich weiß nicht, ob ich es jetzt wirklich gerafft habe.
- Jörn Budesheim
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- Jörn Budesheim
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Danke für den Link. Ähnlich sehen die Ergebnisse von Tomasello aus, darauf hab ich ja wiederholt hingewiesen, den Artikel schaue ich mir morgen in aller Ruhe an.
- Jörn Budesheim
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Bei allen Differenzen der verschiedenen Forscher macht der Artikel klar, dass man diese Fragen offensichtlich nicht einfach aus dem Lehnstuhl heraus beantworten kann. (Was natürlich nicht heißt, dass die begriffliche Arbeit unbedeutend ist, im Gegenteil.) Wenn ich richtig gelesen habe, gibt es aber Einigkeit darüber, dass es ein Set von angeborenen Kernkompetenzen gibt; grundlegend ist nach meinem Verständnis dabei die Fähigkeit, andere als Seinesgleichen zu erkennen, mit geistigen Fähigkeiten und Absichten - das fängt schon dabei an, dass man die Blickrichtung der anderen erkennt und versteht. (Das ist also auch der Raum, in dem es Gesichter, Masken und Antlitze gibt.)
Wir leben offenbar von Anfang an in einem gemeinsamen Raum intentionaler Vektoren. Die grundlegende Fähigkeit, sich in diesem Raum zu orientieren und ihn zu erkennen, ist angeboren und wird dann sicher über die Jahre (auch "sozial vermittelt") vertieft und verfeinert.
Wir leben offenbar von Anfang an in einem gemeinsamen Raum intentionaler Vektoren. Die grundlegende Fähigkeit, sich in diesem Raum zu orientieren und ihn zu erkennen, ist angeboren und wird dann sicher über die Jahre (auch "sozial vermittelt") vertieft und verfeinert.
- Friederike
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Na, Deine Frage war, welchen Grund es gibt, das zu glauben. Und Gründe haben bedeutet doch eher, einen Sachverhalt anzunehmen, für wahr zu halten o.ä. Aus meiner Sicht pieken sich Gründe und glauben. Ich hatte Deine Formulierung daher als eine freundliche Spitze gegen mich gelesen.
- Jörn Budesheim
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"Glauben" hat verschiedene Bedeutungen.
- Man kann an jemanden glauben (auf ihn vertrauen/ihm etwas zutrauen o.ä.),
- man kann an Gott glauben (glauben im religiösen Sinn)
- und man kann etwas für wahr halten.
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Apropos "begriffliche Arbeit": Wir meinen offenbar nicht dasselbe., wenn wir von "Absicht" bzw. "Intentionalität" sprechen.
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Unter den intentionalen Vektoren verstehe ich die wechselseitige Bezogenheit der Menschen untereinander sowie ihre gemeinsame Ausrichtung auf die Welt der Dinge. Das würde ich erst einmal unterstreichen. Was mir nur -noch- nicht in den Kopf will, das ist die Einbeziehung des menschlichen "Bauplanes" in die Handlungstheorie.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mi 12. Jun 2019, 06:38Wir leben offenbar von Anfang an in einem gemeinsamen Raum intentionaler Vektoren. Die grundlegende Fähigkeit, sich in diesem Raum zu orientieren und ihn zu erkennen, ist angeboren und wird dann sicher über die Jahre (auch "sozial vermittelt") vertieft und verfeinert.
So wie ich es verstanden habe, geht es bei der kollektiven Intentionalität um einen handlungstheoretischen Ansatz. Falls das so ist, dann geht mir der Teil einer Handlungstheorie verloren, der das Spezifische dessen, was man "Handlung" nennt, ausmacht. @Hermeneuticus hatte das vorgestern Abend ausführlicher erläutert, also den Unterschied von "Handlung" und "Verhalten". Verantwortlichkeit, Wissen um Ziele, Absichten. Bezieht man kindliches Verhalten, d.h. angeborenes Verhalten bzw. angeborene grundlegende Fähigkeiten in eine Handlungstheorie mit ein, dann müßte man den Begriff "Handlung" mE erweitern. Das ist kein Einwand meinerseits, sondern lediglich eine Feststellung.
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Es geht um folgendes: Kinder erkennen sehr früh, dass andere Absichten haben. Das gehört zu den angeborenen Kernkompetenzen. Daraus folgt meines Erachtens, dass es nicht sein kann, dass Handlungen generell "sozial vermittelt" sind. Das scheint mir ein klares und einfaches Argument zu sein. Was sollte daran jetzt nicht stimmen?
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Das Argument macht die Voraussetzung, dass Kinder quasi von Natur aus (also ohne soziale Lernprozesse) Absichten erkennen.Alles hängt hier davon ab, was genau unter "Absicht" zu verstehen sein soll. Was Du bis jetzt dazu gesagt hast, war nicht so einfach und klar.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mi 12. Jun 2019, 15:35Kinder erkennen sehr früh, dass andere Absichten haben. Das gehört zu den angeborenen Kernkompetenzen. Daraus folgt meines Erachtens, dass es nicht sein kann, dass Handlungen generell "sozial vermittelt" sind. Das scheint mir ein klares und einfaches Argument zu sein. Was sollte daran jetzt nicht stimmen?
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Das setzte ich ja nicht einfach mir nichts dir nichts voraus: Das ist das Ergebnis verschiedener empirischer Untersuchungen, zu denen es umfangreiche Artikel gab, das solltest du nicht unterschlagen.Hermeneuticus hat geschrieben : ↑Do 13. Jun 2019, 13:30Das Argument macht die Voraussetzung, dass Kinder quasi von Natur aus (also ohne soziale Lernprozesse) Absichten erkennen. Alles hängt hier davon ab, was genau unter "Absicht" zu verstehen sein soll. Was Du bis jetzt dazu gesagt hast, war nicht so einfach und klar.
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Den folgenden Satz verstehe ich wie Du @Stefanie. Das heißt, bevor -verbale- Sprache überhaupt erlernt worden ist, existieren bereits geteilte Absichten.Stefanie hat geschrieben : ↑Di 11. Jun 2019, 15:32Wenn man den Artikel liest, und ich es richtig verstanden habe, haben Babys schon die Fähigkeit, Absichten zu erkennen.
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"Erst durch geteilte Absichten wird Sprache möglich, denn wenn ich nur meinen eigenen Vorteil suche, warum soll ich dann ein kompliziertes Kommunikationssystem mit dem anderen erschaffen?"
Habe ich übersehen, wo in dem Artikel eigentlich steht, was unter geteilten Absichten verstanden wird und wie man herausgefunden hat, daß Säuglinge oder Kleinstkinder am "Spiel" der geteilten Absichten teilnehmen können?
- Jörn Budesheim
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Ich habe ein zwei Bücher von Tomasello, ich müsste mal etwas heraussuchen.
Ich erinnere mich vage ein eine Experiment, wo kleine Kinder mit einer (für sie fremden) Versuchsperson konfrontiert wurden, die entweder etwas versehentlich fallen lässt/verliert oder absichtlich etwas hinwirft. In den beiden Fällen reagieren die Kinder signifikant verschieden. Verliert die Person etwas, versuchen die kleinen Kinder in irgendeiner Form Hilfe anzubieten, was sie nicht tun, wenn die Person absichtlich etwas auf dem Boden wirft.
Zentral für viele Versuchsanordnungen sind Zeigegesten, das kommt im sonstigen Tierreich sehr selten vor. Jemandem etwas zeigen oder auch eine Zeigegeste verstehen, ist klarerweise bereits eine Form der geteilten intentionalität, ds man sich gemeinschaftlich auch etwas in der Welt bezieht.
Ich erinnere mich vage ein eine Experiment, wo kleine Kinder mit einer (für sie fremden) Versuchsperson konfrontiert wurden, die entweder etwas versehentlich fallen lässt/verliert oder absichtlich etwas hinwirft. In den beiden Fällen reagieren die Kinder signifikant verschieden. Verliert die Person etwas, versuchen die kleinen Kinder in irgendeiner Form Hilfe anzubieten, was sie nicht tun, wenn die Person absichtlich etwas auf dem Boden wirft.
Zentral für viele Versuchsanordnungen sind Zeigegesten, das kommt im sonstigen Tierreich sehr selten vor. Jemandem etwas zeigen oder auch eine Zeigegeste verstehen, ist klarerweise bereits eine Form der geteilten intentionalität, ds man sich gemeinschaftlich auch etwas in der Welt bezieht.
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Nein, das hast Du nicht übersehen. Dazu steht nichts drin.Friederike hat geschrieben : ↑Do 13. Jun 2019, 17:24Habe ich übersehen, wo in dem Artikel eigentlich steht, was unter geteilten Absichten verstanden wird und wie man herausgefunden hat, daß Säuglinge oder Kleinstkinder am "Spiel" der geteilten Absichten teilnehmen können?
Im Artikel ist auch mal von "zielgerichtetem Verhalten" die Rede, das von Kindern erkannt werde. Wenn das als Erläuterung oder Synonym von "Absicht" verstanden wird, dann kommen natürlich sehr viele Dinge in der Welt als Träger von "Absichten" in Frage...
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Mich würde interessieren, wie in diesen Untersuchungen "Absicht" definiert wird. Davon hängt ihre Aussagekraft wesentlich ab.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 13. Jun 2019, 13:45Das setzte ich ja nicht einfach mir nichts dir nichts voraus: Das ist das Ergebnis verschiedener empirischer Untersuchungen, zu denen es umfangreiche Artikel gab, das solltest du nicht unterschlagen.Hermeneuticus hat geschrieben : ↑Do 13. Jun 2019, 13:30Das Argument macht die Voraussetzung, dass Kinder quasi von Natur aus (also ohne soziale Lernprozesse) Absichten erkennen. Alles hängt hier davon ab, was genau unter "Absicht" zu verstehen sein soll. Was Du bis jetzt dazu gesagt hast, war nicht so einfach und klar.
Siehe dazu auch den Aufsatz von Kannetzky, Abschnitt "Der Begriff der Absicht", ab S. 9:
Wenn man "Absicht" so anspruchslos versteht wie "zielgerichtetes Verhalten", dann ist die Aussagekraft von empirischen Untersuchungen zum kindlichen Absichtserkennen nicht sonderlich groß.Kannetzky hat geschrieben : Der Begriff der Absicht
Aus dem Gesagten ergibt sich nun auch eine Bestimmung des Begriffs der Absicht, die quer zur naturalistischen Fassung in der "Wunschtheorie des Wollens" steht: Gewöhnlich werden Intentionen als eine Art Gerichtetheit von Individuen, genauer: Organismen, betrachtet, die deren Aktivitäten erklären. Aber dass Organismen teleologisch verfasst sind, heißt nichts anderes, als dass sie lebendig sind, eine Tautologie, die nichts zur Klärung der Besonderheit menschlichen Handelns und Beabsichtigens beiträgt. Zu erklären ist vielmehr die Spezifik menschlicher Intentionalität. Wird diese auf bloße Gerichtetheit zurückgeführt (was theoretisch attraktiv erscheint, weil so Naturalisierungsstrategien greifen können), dann wird damit gerade der kategoriale Unterschied von menschlichem Handeln, seiner Normativität und seinem Formbezug einerseits, und eher auslöserinduziertem, objektgerichtetem tierischen Verhalten andererseits, eingeebnet.
- Jörn Budesheim
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Selbst wenn sie bei der Beobachtung der Kinder mit so einem anspruchslosen Begriff der Absicht hantieren würden, würde es nichts ändern. Anlagen können sich entwickeln und vertiefen und komplexer werden, das ändert nichts daran, dass es Anlagen sind. Und wenn man die nicht rausrechnen kann, folgt daraus einfach, das Handlungen nicht komplett sozial vermittelt sein können.
Und übrigens ist ein Intentionalitäts Begriff, der beinhaltet, dass man nicht nur eigene Absichten hat, sondern auch erkennt, das andere ebenso Absichten haben, schon recht komplex - das ist bereits Intentionalität zweiter Ordnung.
Und übrigens ist ein Intentionalitäts Begriff, der beinhaltet, dass man nicht nur eigene Absichten hat, sondern auch erkennt, das andere ebenso Absichten haben, schon recht komplex - das ist bereits Intentionalität zweiter Ordnung.
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Nur mal nebenbei: wenn wir teleologische Handlungserklärungen einführen, die Erklärungstypen sui generis sein sollen und nicht auf Kausalerklärungen zurückzuführen sind, dann argumentieren wir gerade antinaturalistisch.