Evolution als allgemeine Theorie
- Jörn Budesheim
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Gibt es einen zweiten, bisher nicht bekannten Zeit-Pfeil?
Im Video wird, so wie ich es verstanden habe, die Hypothese eines bislang unbekannten Naturgesetzes diskutiert, das die Entstehung und Entwicklung von "Systemen" beschreibt – von Mineralien über Leben bis hin zu Technologien. Robert Hazen (und sein Team) argumentieren, zumindest nach meinem Verständnis, dass die bestehenden Naturgesetze allein nicht ausreichen, um die zunehmende Ordnung und Komplexität in der Natur zu erklären, die sich in diesem Systemen zeigt. Er schlägt daher ein neues Gesetz vor: das Gesetz der zunehmenden funktionalen Information. Dieses beschreibt eine zweite Zeitrichtung neben der Entropiezunahme und betont die Bedeutung der Selektion für Funktion in unterschiedlichen Systemen. Ordnung und Komplexität werden – wenn ich ihn richtig verstanden habe – hier nicht absolut verstanden, sondern kontextabhängig, immer im Hinblick auf den jeweiligen Zweck oder die Funktion eines Systems.
https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_M._Hazen
Meiner Ansicht nach zeigt das Video einen weiteren Fall von "Biologe hat neue Idee für die Physik". Fachübergreifende, inspirierende Ansätze finde ich grundsätzlich klasse. So auch hier. Man muss halt nur damit rechnen, dass dabei viel Ausschuss herauskommt. Der Biologe bringt im Video einige physikalische Prämissen, die nicht korrekt oder unvollständig wiedergegeben sind. Es gibt dazu unter dem Video viele Kommentare, die das erläutern. Ich vermute, es geht in dem Video eher um etwas idealistisches oder religiöses. Der Kanal wird auch von einer religiösen Stiftung betrieben, was natürlich ebenfalls in Ordnung ist, aber die Hypothesen sind dann halt entsprechend ausgerichtet und sind nicht mehr physikalisch oder mathematisch.
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Hazen ist nicht einfach ein Biologe, sondern ein Astro-biologe sowie ein hoch angesehener Mineraloge und Kristallchemiker, soweit ich es recherchiert habe. Mit seinen Arbeiten hat er, so liest man, bedeutende Beiträge zur Astrobiologie geleistet – einer interdisziplinären Wissenschaft, die Physik, Chemie, Biologie und Geologie verbindet (findet man zum Beispiel auf Wikipedia). Damit ist sein Zugang keineswegs das von dir beschriebene ironische Beispiel eines „Biologen, der eine Idee für die Physik“ entwickelt, sondern fällt klar in den Bereich seiner Expertise. Interdisziplinarität ist anscheinend gerade eine Stärke von Hazens ForschungsansatzQuk hat geschrieben : ↑Do 16. Jan 2025, 22:24Meiner Ansicht nach zeigt das Video einen weiteren Fall von "Biologe hat neue Idee für die Physik". Fachübergreifende, inspirierende Ansätze finde ich grundsätzlich klasse. So auch hier. Man muss halt nur damit rechnen, dass dabei viel Ausschuss herauskommt. Der Biologe bringt im Video einige physikalische Prämissen, die nicht korrekt oder unvollständig wiedergegeben sind. Es gibt dazu unter dem Video viele Kommentare, die das erläutern. Ich vermute, es geht in dem Video eher um etwas idealistisches oder religiöses. Der Kanal wird auch von einer religiösen Stiftung betrieben, was natürlich ebenfalls in Ordnung ist, aber die Hypothesen sind dann halt entsprechend ausgerichtet und sind nicht mehr physikalisch oder mathematisch.
Zum Vorwurf einer religiösen Ausrichtung: Nach meiner Recherche gibt es keinerlei Anzeichen, dass Hazen religiöse Überzeugungen in seinen wissenschaftlichen Arbeiten einfließen lässt. Laut Perplexity.ai:
„Es gibt keine Hinweise in den verfügbaren Quellen, die darauf hinweisen, ob Robert M. Hazen religiös oder gottgläubig ist. Seine Biografien und wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf Mineralogie, Astrobiologie und die Ursprünge des Lebens, ohne persönliche religiöse Überzeugungen zu thematisieren. … Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verfügbaren Informationen keinen Hinweis darauf geben, dass Robert M. Hazen in seinen wissenschaftlichen Arbeiten religiös argumentiert. Seine Beiträge zur Wissenschaft scheinen sich auf empirische Forschung und die Verbreitung wissenschaftlichen Wissens zu konzentrieren.“
Vielleicht hast du bessere Quellen. Auch das Video selbst enthält, soweit ich sehe und verstehe, keine religiöse Argumentation, sondern stellt vielmehr (s)eine wissenschaftliche Hypothese vor. Dass der Kanal, auf dem die Hypothese präsentiert wird, eine religiöse Ausrichtung haben mag, ändert nichts an Hazens Expertise und seinen Argumenten. Der deutsche Philosoph und Physiker Harald Lesch glaubt an Gott, ist er deswegen als Physiker diskreditiert?
Hazen erwähnt, dass seine Forschung über Mineralien und ihre Entwicklung ihn zu der Frage geführt hat, ob es einen zweiten Zeitpfeil gibt, der zur Zunahme der Ordnung beiträgt – im Gegensatz zum Zeitpfeil des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, der durch zunehmende Entropie gekennzeichnet ist. Er argumentiert, dass es sowohl die Tendenz zur zunehmenden Unordnung als auch die Tendenz zur zunehmenden Ordnung gibt. Eine Beobachtung, die man wohl auch als Laie nachvollziehen kann :-) Das ist der Ausgangspunkt seiner Argumentation. Dass er mit seinem Vorschlag fundamental falsch liegen könnte, räumt er wiederholt ein. Etwas Religiöses finde ich darin nicht.
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Hazens Überlegungen können sich durchaus sehen lassen, sie sind klar und nachvollziehbar, und ich stimme ihm zu. Nur - sie sind keineswegs neu, sondern entsprechen einer geläufigen Sichtweise, nur in einer anderen Terminologie. Hazen redet von der Emergenz funktionaler Information, ich finde es besser, hier von Sinn zu sprechen, denn der informationstheoretische Begriff "Information" ist ein formaler, quantifizierbarer in bits und bytes, während "Sinn" ein inhaltlicher Begriff ist, der nicht die Summe von formaler Information benennt, sondern das Integral in einer zu verstehenden Einheit. Es ist richtig, daß sich das zusammenhanglose Gewusel riesiger Mengen von Konstellationen zu weniger oder mehr stabilen Zusammenhängen verdichtet, wenn die Elemente die Möglichkeit ("Fähigkeit") besitzen, sich zu verbinden, es entsteht ohne Ziel eine strukturelle Ordnung. Von Funktionen würde ich erst auf einer höheren Ebene sprechen, nämlich wenn strukturelle Ordnungen funktional äquivalent sind und daher eine funktionelle Ordnung bilden. Hier stoßen wir an die Schwelle der Subjektivität. Denn wenn aus den funktionalen Äquivalenten ausgewählt werden kann, werden wir Subjekte. Wir drehen den Spieß um, nicht die Strukturen erzeugen Funktionszusammenhänge, sondern letztere sind die Basis für Strukturbildung. Organisation/Ordnung wird zur Selbstorganisation. Das ist die sinnerfüllte menschliche Welt.
Etwas schief ist die Argumentation mit einem zweiten Zeitpfeil, das klingt, als wolle/müsse man dem Entropiegesetz ein gleichwertiges korrespondierendes Negentropiegesetz zur Seite stellen. Es gibt kein perpetuum mobile. Die meisten Prozesse sind reversibel. Das bedeutet aber selbstverständlich nicht, daß sie ohne Kraftaufwand ablaufen. Wenn also ein Objekt A sich zeitlich verändert, A(t), aus der Ruhelage Aₒ herausgebracht wird und bei t=t* zurückgeführt wird auf A*=Aₒ, wurde Energie verbraucht. Anschaulich: ich lasse das Objekt fallen, es trifft auf eine Feder, die zusammengedrückt wird, beim darauffolgenden Entspannen der Feder wird das Objekt in die Höhe katapultiert, es erreicht aber nicht mehr den Ruhepunkt, sondern nur einen geringfügig tieferen. Wir könnten das Experiment im luftleeren Raum mit zwei Federn wiederholen, zwischen denen das Objekt hin- und herschwingt, auch hier würde die Pendelbewegung sich verlangsamen und irgendwann zur Ruhe kommen, denn der reversible Prozeß Objektbewegung-Federspannung-Objektbeweging-Federspannung-.... verliert Energie (erzeugt Wärme, die dem System verloren geht). Es ist also keineswegs verwunderlich, daß nicht nur Unordnung aus Ordnung entsteht, sondern auch Ordnung aus Unordnung, aber nur mithilfe von Energiezufuhr. Daher kann, muß sogar in der Regel der universelle Prozeß der Entropie lokal von Prozessen der Negentropie begleitet sein.
Etwas schief ist die Argumentation mit einem zweiten Zeitpfeil, das klingt, als wolle/müsse man dem Entropiegesetz ein gleichwertiges korrespondierendes Negentropiegesetz zur Seite stellen. Es gibt kein perpetuum mobile. Die meisten Prozesse sind reversibel. Das bedeutet aber selbstverständlich nicht, daß sie ohne Kraftaufwand ablaufen. Wenn also ein Objekt A sich zeitlich verändert, A(t), aus der Ruhelage Aₒ herausgebracht wird und bei t=t* zurückgeführt wird auf A*=Aₒ, wurde Energie verbraucht. Anschaulich: ich lasse das Objekt fallen, es trifft auf eine Feder, die zusammengedrückt wird, beim darauffolgenden Entspannen der Feder wird das Objekt in die Höhe katapultiert, es erreicht aber nicht mehr den Ruhepunkt, sondern nur einen geringfügig tieferen. Wir könnten das Experiment im luftleeren Raum mit zwei Federn wiederholen, zwischen denen das Objekt hin- und herschwingt, auch hier würde die Pendelbewegung sich verlangsamen und irgendwann zur Ruhe kommen, denn der reversible Prozeß Objektbewegung-Federspannung-Objektbeweging-Federspannung-.... verliert Energie (erzeugt Wärme, die dem System verloren geht). Es ist also keineswegs verwunderlich, daß nicht nur Unordnung aus Ordnung entsteht, sondern auch Ordnung aus Unordnung, aber nur mithilfe von Energiezufuhr. Daher kann, muß sogar in der Regel der universelle Prozeß der Entropie lokal von Prozessen der Negentropie begleitet sein.
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Hier gibt es über den Gedanken Hazens einen Artikel in Deutsch, ich kann natürlich nicht sagen wie gut der ist: https://www.daswetter.com/nachrichten/w ... chaft.html
Ich habe die im Video vorgestellte Hypothese kritisiert, nicht den Mann allgemein und sein hohes Ansehen in seinen Fachgebieten.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 17. Jan 2025, 07:50Hazen ist nicht einfach ein Biologe, sondern ein Astro-biologe sowie ein hoch angesehener Mineraloge und Kristallchemiker, soweit ich es recherchiert habe. Mit seinen Arbeiten hat er, so liest man, bedeutende Beiträge zur Astrobiologie geleistet – einer interdisziplinären Wissenschaft, die Physik, Chemie, Biologie und Geologie verbindet (findet man zum Beispiel auf Wikipedia). Damit ist sein Zugang keineswegs das von dir beschriebene ironische Beispiel eines „Biologen, der eine Idee für die Physik“ entwickelt, sondern fällt klar in den Bereich seiner Expertise. Interdisziplinarität ist anscheinend gerade eine Stärke von Hazens Forschungsansatz
Zum Vorwurf einer religiösen Ausrichtung: Nach meiner Recherche gibt es keinerlei Anzeichen, dass Hazen religiöse Überzeugungen in seinen wissenschaftlichen Arbeiten einfließen lässt. Laut Perplexity.ai:
„Es gibt keine Hinweise in den verfügbaren Quellen, die darauf hinweisen, ob Robert M. Hazen religiös oder gottgläubig ist. Seine Biografien und wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf Mineralogie, Astrobiologie und die Ursprünge des Lebens, ohne persönliche religiöse Überzeugungen zu thematisieren. … Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verfügbaren Informationen keinen Hinweis darauf geben, dass Robert M. Hazen in seinen wissenschaftlichen Arbeiten religiös argumentiert. Seine Beiträge zur Wissenschaft scheinen sich auf empirische Forschung und die Verbreitung wissenschaftlichen Wissens zu konzentrieren.“
Vielleicht hast du bessere Quellen. Auch das Video selbst enthält, soweit ich sehe und verstehe, keine religiöse Argumentation, sondern stellt vielmehr (s)eine wissenschaftliche Hypothese vor. Dass der Kanal, auf dem die Hypothese präsentiert wird, eine religiöse Ausrichtung haben mag, ändert nichts an Hazens Expertise und seinen Argumenten. Der deutsche Philosoph und Physiker Harald Lesch glaubt an Gott, ist er deswegen als Physiker diskreditiert?
Hazen erwähnt, dass seine Forschung über Mineralien und ihre Entwicklung ihn zu der Frage geführt hat, ob es einen zweiten Zeitpfeil gibt, der zur Zunahme der Ordnung beiträgt – im Gegensatz zum Zeitpfeil des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, der durch zunehmende Entropie gekennzeichnet ist. Er argumentiert, dass es sowohl die Tendenz zur zunehmenden Unordnung als auch die Tendenz zur zunehmenden Ordnung gibt. Eine Beobachtung, die man wohl auch als Laie nachvollziehen kann :-) Das ist der Ausgangspunkt seiner Argumentation. Dass er mit seinem Vorschlag fundamental falsch liegen könnte, räumt er wiederholt ein. Etwas Religiöses finde ich darin nicht.
Auch ist mein Verdacht auf religiöse oder idealistische Färbung kein "Vorwurf", wie Du schreibst, sondern einfach nur ein Hinweis auf die nichtphysikalische Färbung der Hypothese. Er bringt physikalische Argumente, zugleich stecken in seinen physikalischen Prämissen Fehler. Nur darauf will ich hindeuten, wenn ich sage, er ist ein Biologe (und Mineraloge etc.), der seine Argumente als "physikalische" Argumente verkauft.
Astrobiologie ist eine spezialisierte Biologie. Biologie, Mineralogie, Geologie, Chemie sind in meinen Augen Fächer, in denen es hauptsächlich um Kategorisierungen von Beobachtungen geht und um Spekulation in Bezug auf Kausalitäten und Statistiken; selten geht es dabei um strenge mathematische Formalien wie in der Physik. Damit will ich sagen, dass Thesen aus der Biologie etc. auch als solche beurteilt werden sollten, und nicht als physikalische Thesen.
Ja, im Video selbst wird auf den spekulativen Charakter des Inhalts hingewiesen. Dieser Umstand darf mich aber nicht daran hindern, selbigen Inhalt zu kritisieren. Meine Kritik zielt auf den Inhalt. Ich unterstelle nicht, das Video beinhalte einen vermeintlichen Beweis.
Lesch kritisiere ich nicht als Person. Seine Religion und sein Idealismus beschränken selten seine Physik und seine Philosophie. Wenn ich etwas bei Lesch kritisiere, dann bestimmte Hypothesen, wie etwa das von ihm verteidigte Anthropische Prinzip, das meines Erachtens indirekt auf Gott hinweist, und das, so vermute ich, ist der Kern seiner Begeisterung für die Astrophysik.
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Nicht alle Sinngebung ist verkappt religiös, aber unvermeidlich subjektiv, nicht restlos objektivierbar.
Jetzt habe ich mir die Kommentare zu Hazen angeschaut. Es gibt die Jasager und die Neinsager. Erstere sind begeistert von der neuen einheitlichen Sicht auf das Weltganze durch den Begriff der "funktionalen Information", die anderen kritisieren die Erklärungslücken, die zu einer falschen Perspektive führen, wie auch ich in meiner Bemerkung zur Entropie ausgeführt habe. Das Universum ist ein geschlossenes System, lokale Systeme sind offen, energieaufnehmend und daher ordnungserzeugend. Das ist kein Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik und verlangt daher kein neues Prinzip (Naturgesetz).
Warum ist der Prozeß vom Urknall bis zum Kältetod des Universums nicht von Anbeginn ein linearer Prozeß des Ordnungszerfalls? Das kann man heute weitgehend mit klassischen Mitteln erklären, zeigt aber auch den heuristischen Wert der Überlegungen von Hazen. Denn es bilden sich, wie er zurecht bemerkt, Elemente, also komplexere Dinge, Ordnung. Im Urnebel können nur Wasserstoff und Helium entstehen, höher aggregierte Teilchen zerfallen sofort, bevor sie sich zu noch höheren zusammensetzen könnten. Darum besteht das Universum zum Wesentlichen aus diesen beiden Elementen. Erst in Sternen kann die zur Kernfusion benötigte Energie zu schwereren Elementen führen. Und die Stabilität dieser schwereren Elemente beruht auf der Erreichung eines niedrigeren atomaren Energielevels (das ist die Energieerzeugung aus Kernfusion, freiwerdende Bindungsenergie).
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Den folgenden Beitrag habe ich mit Hilfe von Notebook LM erstellt. Dazu habe ich eine Reihe von Quellen gesammelt, einige YouTube-Videos, einen wissenschaftlichen Artikel, der frei verfügbar war, und ein paar Internet-Seiten. Aus diesen Materialien hat Notebook LM die folgende Liste erstellt. Die Korrektheit kann ich natürlich nicht garantieren, aber nach meiner Erfahrung mit dem Programm sind die Zusammenfassung in der Regel relativ brauchbar.
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- Die Unzulänglichkeit der klassischen Naturgesetze
- Robert Hazen und sein Team argumentieren, dass die klassischen Naturgesetze (Bewegung, Gravitation, Elektromagnetismus, Thermodynamik) grundlegend für unser Verständnis der physikalischen Welt sind, aber nicht ausreichen, um die Entwicklung komplexer Systeme wie das Leben zu erklären.
- Diese Gesetze beschreiben alltägliche Phänomene, erklären jedoch nicht die Zunahme an Komplexität, Diversität und Ordnung in evolvierenden Systemen.
- Insbesondere die Thermodynamik betont die Zunahme von Unordnung (Entropie), während sie die Entwicklung von Ordnung und Komplexität unzureichend adressiert.
- "Keines dieser Gesetze – weder einzeln noch kollektiv – beschreibt explizit oder implizit evolvierende Systeme. Sie erklären weder den Ursprung noch die Evolution des Lebens."
- Das Konzept der "evolvierenden Systeme"
- Ein evolvierendes System wird mit der Zeit komplexer und diversifizierter, wobei jeder Schritt auf den vorherigen aufbaut.
- Beispiele für evolvierende Systeme: Atome, Mineralien, Planeten, Leben, Technologie.
- Gemeinsame Eigenschaften evolvierender Systeme:
- Sie bestehen aus vielen Komponenten, die sich unterschiedlich anordnen können.
- Ein Prozess erzeugt verschiedene Konfigurationen (Zufallsprozesse oder zielgerichtete Prozesse).
- Bestimmte Konfigurationen, die eine verbesserte Funktion aufweisen, werden selektiert.
- "Ein evolvierendes System wird im Laufe der Zeit auf kohärente Weise komplexer, wobei jeder Schritt auf dem vorherigen basiert."
- Die Rolle von "Funktion" und "Selektion"
- "Evolution ist einfach Selektion für Funktion."
- Komplexe Systeme aus vielen interagierenden Komponenten können messbare Funktionen erfüllen.
- Die Selektion nach Funktion ist der zentrale Mechanismus, der die Entwicklung komplexer Systeme vorantreibt.
- Funktion umfasst mehr als bloßes Überleben (wie in Darwins Evolutionstheorie), etwa Stabilität, Energieversorgung und die Fähigkeit, neue Konfigurationen mit überraschenden Eigenschaften zu bilden.
- Beispiel: Mineralien, die langlebige und stabile Strukturen bilden, werden bevorzugt, da sie selbst in neuen Umgebungen überdauern können.
- Das "Gesetz der zunehmenden funktionalen Information"
- Dieses neue Gesetz besagt, dass die funktionale Information eines Systems zunimmt, wenn das System sich entwickelt und Selektion auf viele Konfigurationen angewendet wird.
- Funktionale Information misst, wie viel Information benötigt wird, um eine spezifische Funktion eines Systems zu beschreiben.
- Definition: Funktionale Information ist proportional zum negativen Logarithmus der Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Konfiguration eine gewünschte Funktion erfüllt.
- Beispiele: Eine stabile Mineralstruktur oder ein funktionierendes Gen stellen seltene Konfigurationen dar, die hohe funktionale Information besitzen.
- "Die funktionale Information eines Systems steigt, wenn es durch Selektion auf bestimmte Funktionen evolviert."
- Mineral-Evolution als Beispiel
- Mineralien entwickeln sich durch physikalische, chemische und biologische Prozesse über geologische Zeiträume hinweg.
- Die Vielfalt der Mineralien auf der Erde hat sich von etwa 25 Mineralien in frühen Stadien auf über 6000 heute erhöht.
- Diese Entwicklung ist mit großen geochemischen, tektonischen und biologischen Ereignissen verbunden (z. B. der Zunahme von Sauerstoff in der Atmosphäre).
- "Mineral-Evolution betrachtet Mineralien als Systeme mit einer Geschichte, deren Vielfalt durch neue Prozesse in planetaren Umgebungen beeinflusst wird."
- Zwei Pfeile der Zeit
- Hazen schlägt einen zweiten Zeitpfeil vor, der neben dem der Entropiezunahme (zweiter Hauptsatz der Thermodynamik) existiert.
- Während der thermodynamische Pfeil die Zunahme von Unordnung beschreibt, beschreibt der neue Pfeil die Zunahme von Ordnung und Komplexität.
- Beide Pfeile wirken gleichzeitig und sind wesentliche Aspekte der natürlichen Welt.
- "Es gibt zwei Zeitpfeile: den der Entropiezunahme und den der Zunahme funktionaler Information."
- Implikationen des neuen Gesetzes
- Das Gesetz der zunehmenden funktionalen Information erweitert die darwinistische Evolution und betrachtet sie als Spezialfall eines allgemeineren Prinzips.
- Es bietet neue quantitative Ansätze zur Modellierung der Entwicklung von Komplexität in lebenden und nicht-lebenden Systemen.
- Das Gesetz deutet an, dass es in der Natur eine Tendenz zu Ordnung und Komplexität gibt.
- "Das Gesetz der zunehmenden funktionalen Information eröffnet neue Perspektiven auf die Evolution von Mustern und Strukturen im Universum."
- Kritische Reflexion
- Hazen betont, dass die Theorie noch in der Entwicklung ist und fehlerhaft sein könnte.
- Die Idee der funktionalen Information und ihre Messung sind herausfordernd, aber für die weitere Forschung von zentraler Bedeutung.
- Das vorgeschlagene Gesetz stellt etablierte Paradigmen der Physik in Frage und eröffnet neue Forschungswege.
- Fazit
- Die Forschung von Hazen und seinem Team könnte unser Verständnis von Zeit, Evolution und der Entwicklung von Ordnung und Komplexität revolutionieren.
- Das Gesetz der zunehmenden funktionalen Information ergänzt die klassischen Naturgesetze und erklärt die Entwicklung komplexer Systeme auf eine neue Weise.
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Die Theorie der zunehmenden funktionalen Information wurde nicht von einer einzelnen Person entwickelt, sondern ist das Ergebnis der Zusammenarbeit eines multidisziplinären Teams von Wissenschaftlern und Philosophen. Zu den Beteiligten gehören, mit Hilfe von Notebook LM zusammengestellt:
- Jim Cleaves, Präsident der International Society for the Study of the Origin of Life und organischer Chemiker.
- Stanley Miller, der letzte Doktorand, der ebenfalls organischer Chemiker ist.
- Anud Pru, ein Informationswissenschaftler an der Carnegie Institution.
- Mike Wong, ein Astrobiologe.
- Carol Cleland, Daniel Erns und Heather Demerest, Wissenschaftsphilosophen an der Universität von Boulder, spezialisiert auf Naturgesetze.
- Stuart Bartlett, ein theoretischer Physiker am Caltech.
- Jonathan Lenine, eine Autorität auf dem Gebiet der planetaren Wissenschaft.
- Robert M. Hazen von der Carnegie Institution, der als Leiter der Forschungsarbeit fungiert. Hazen ist auch Senior Staff Scientist am Geophysical Laboratory der Carnegie Institution und Clarence Robinson Professor für Geowissenschaften an der George Mason University.
- Wissenschaftler des California Institute of Technology (Caltech) und der Cornell University.
- Philosophen der University of Colorado.
- Jack Szostak, ein Biologe, der den Begriff der funktionalen Information einführte.
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Hier die Liste der Quellen, falls jemand nachlesen möchte.
- Die Webseite von Robert M. Hazen, erreichbar unter: https://roberthazen.com. Die genauen Unterseiten sind nicht direkt als separate Links verfügbar, können jedoch über die Hauptseite gefunden werden.
- Transkripte von YouTube-Videos mit den folgenden Titeln:
- "Dr. Robert Hazen Lecture" vom Kanal "Calvert Marine Museum"
- "Dr. Robert Hazen Lecture" vom Kanal "Calvert County Government"
- "This law of nature has been hidden from science – until now | Robert Hazen" vom Kanal "Big Think"
- Ein Artikel von Meteored mit dem Titel "Identifizierung des fehlenden Evolutionsgesetzes in der Natur, das Darwin übersehen hat!". Die URL ist nicht angegeben, aber der Titel kann verwendet werden, um den Artikel zu finden.
- Ein Artikel von der Universität Bergen mit dem Titel "The Co-Evolution of the Geosphere and Biosphere - Horizons lecture by Robert M. Hazen". Die URL ist nicht angegeben, aber der Titel kann verwendet werden, um den Artikel zu finden.
- Ein Transkript eines YouTube-Videos mit dem Titel "This law of nature has been hidden from science – until now | Robert Hazen" vom Kanal "Big Think".
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Die Frage verstehe ich nicht.
Wie argumentieren die Autoren der besagten Theorie auf die Kritik, beispielsweise auf diesen Kritikpunkt von Wolfgang und anderen Kommentatoren?
"Das Universum ist ein geschlossenes System, lokale Systeme sind offen, energieaufnehmend und daher ordnungserzeugend. Das ist kein Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik und verlangt daher kein neues Prinzip (Naturgesetz)."
"Das Universum ist ein geschlossenes System, lokale Systeme sind offen, energieaufnehmend und daher ordnungserzeugend. Das ist kein Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik und verlangt daher kein neues Prinzip (Naturgesetz)."
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Ob die Autoren die Kritik von Wolfgang kennen, kann ich dir nicht sagen, dürfte ich aber eher unwahrscheinlich sein. Sicherlich wird die Theorie kontrovers diskutiert, welche Argumente pro und contra es gibt, müsste man recherchieren. Ich bin vergleichsweise froh, dass ich überhaupt einiges Material gefunden habe und bin im Moment noch an einer ganz anderen Stelle, nämlich dem Versuch, die Theorie wenigstens näherungsweise zu verstehen.
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Wieso Widerspruch? Die Autoren sind nach meinen Verständnis der Ansicht, dass ein zusätzliches Naturgesetz notwendig ist, um die Entwicklung von komplexen Systemen besser zu erklären. Also kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung.
Witzbold. Es geht um diesen Kritikpunkt; den kennen sie garantiert. Ich wollte Dich nur höflich fragen, ob Deine Recherchen auch diesbezüglich etwas ans Licht gebracht haben. -- Also: Nein.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 18. Jan 2025, 16:35Ob die Autoren die Kritik von Wolfgang kennen, kann ich dir nicht sagen, dürfte ich aber eher unwahrscheinlich sein. Sicherlich wird die Theorie kontrovers diskutiert, welche Argumente pro und contra es gibt, müsste man recherchieren.
Danke für Deine Mühe. (Nicht ironisch gemeint.)
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Wie ich schon sagte, Hazen und andere haben keine Revolution angestoßen, aber sie haben die Emergenz komplexer Wirklichkeit für Naturwissenschaftler verständlicher gemacht und damit einen wichtigen Beitrag geliefert, das unter Naturwissenschaftlern stark dominierende reduktionistische Paradigma infrage zu stellen.
Widerspruch in dem Sinne, dass es einer Ergänzung bedarf. Da kein Widerspruch zu klären ist, ist auch keine klärende Ergänzung nötig. So ist das gemeint. Das meinte ich mit falscher Prämisse (in meinem ersten Kommentar).Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 18. Jan 2025, 16:50Wieso Widerspruch? Die Autoren sind nach meinen Verständnis der Ansicht, dass ein zusätzliches Naturgesetz notwendig ist, um die Entwicklung von komplexen Systemen besser zu erklären. Also kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung.
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Ich kann dem nur schwer folgen. Wenn ich ein Puzzle zusammensetze und feststelle, dass ein Teil fehlt, damit das Ganze einen Sinn ergibt, dann steht das fehlende Teil doch nicht im Widerspruch zu den anderen. Ganz im Gegenteil: Wenn es wirklich das fehlende Teil ist, steht es sich selbstverständlich in Einklang mit allen anderen, weil sie erst zusammen das Bild ergeben. Nach meinem Verständnis sagt Hazen, dass wir einen Teil des fehlenden Puzzleteils bereits kannten, nämlich die Evolution, so wie Darwin sie beschrieben hat. Sein neuer Vorschlag lautet: Evolution existiert nicht nur in biologischen Systemen, sondern ist eine grundlegende Tendenz des Universums, die sich in den verschiedensten Ausprägungen zeigt – zum Beispiel auch bei Mineralien (und viele andere Dingen). Der allgemeine evolutionäre Mechanismus ist die (lokale) Selektion nach Funktion, die z.b zu einer höheren Stabilität führen kann. So verstehe ich es bis jetzt, auch wenn ich natürlich noch nicht alle Aspekte vollständig durchdrungen habe und auch nicht werde. Ich gehe auch nicht davon aus, dass mir das möglich ist, aber ich kann mir vorstellen, dass ich zumindest ein ungefähres Bild entwickeln kann; Entropie kann ich mir ja auch recht gut vorstellen. Dazu fehlt mir, neben anderem, auch das mathematische Wissen, da Hazen, soweit ich sehe, einen mathematischen Formalismus entwickelt hat, um die fraglichen Informationen zu quantifizieren, oder so ähnlich.