Was ist/sind eure philosophischen Grundfrage(n) und gibt es etwas "davor" außerhalb der Philosophie?

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
Körper
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So 17. Apr 2022, 10:57

Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 02:03
Also ich habe noch kein Eichhörnchen sagen sehen: "Ich bin ein Eichhörnchen"
OK, du machst es also an der Sprachfähigkeit fest.

Das ist natürlich gefährlich, denn dabei kann "Sprache" leicht mystifiziert werden und am Ende kümmert man sich nicht darum, was "vor" der Sprache vorhanden sein muss, damit "Ich bin ein Eichhörnchen" formuliert werden kann.

Könnte es nicht so sein, dass das Verständnis für die Grundlagen von Lebewesen (insbesondere in Verbindung mit dem Nervensystem) zu einer anderen Achtsamkeit führt, mit der man bei den Videos erkennt "das Eichhörnchen drückt ganz deutlich aus, dass es sich für ein Eichhörnchen hält"?
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 02:03
Sicher funktionieren solche Wesen nach Instinkten und vielleicht können sie auch ein bisschen planen.
Um dieses "ein bisschen planen" bei den Eichhörnchen musst du dich aber schon im Detail kümmern, um den Umfang einschätzen zu können.

Bewegungsplanung ist letztlich die Grundlage für Bewusstsein.
Das ist sozusagen die Antwort auf die Frage "warum ist es in der Evolution zu Bewusstsein gekommen?"

Die Bewegungsplanung der Eichhörnchen ist gigantisch.
Da ist alles mit drin, Gedächtnis, "Schliessen auf das 'Dahinter'", Vorstellung, Objekt-/Handlungsverständnis, usw. usf. und nicht vergessen: die "Ich-Perspektive".

Versuch mal ein Konzept der Realisierung aufzustellen.
Was benötigt ein "wahrnehmender Akteur", der nur sich selbst und den Kontakt zur Umwelt zur Verfügung hat, um sich so zu verhalten, wie diese Eichhörnchen?
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 02:03
Aber wo soll da reflexives denken und die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis sein?
Schau dir die Videos nochmal an, die Eichhörnchen führen Ganzkörperbewegungen durch, auf die wir nicht kommen würden (das ist der Witz bei dem Kleinkrieg "Eichhörnchen gegen Physiker").
Eine Bewegungsplanung, bei der man sich als Gesamtheit entlang einer Situationsentwicklung einschätzt, ist "Selbsterkenntnis".

hier ein Wiki-Auszug:
Link

Selbsterkenntnis (selten auch Autognosie von griechisch αὐτός autos, deutsch ‚selbst‘, und γνῶσις gnosis, deutsch ‚Erkenntnis‘) ist die Erkenntnis einer Person über das eigene Selbst. Selbsterkenntnis ist eng verwandt mit Selbstreflexion, dem Nachdenken über sich selbst (Selbstbeobachtung), und der Selbstkritik, dem kritischen Hinterfragen und Beurteilen des eigenen Denkens, der eigenen Standpunkte und Handlungen.[1] Die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis setzt die Existenz von Selbstbewusstsein voraus, welches man als „reflexives, besonnenes Bewusstsein des eigenen Ich“ definieren kann. Selbsterkenntnis setzt damit eine gewisse Objektivität der Selbstbeobachtung und des Selbstbildes voraus, das heißt die „richtige Beurteilung der Eigenschaften, Dispositionen, Kräfte, Werte des Selbst, geschöpft aus der Vergleichung der Betätigungen und Reaktionen des Ich im Leben, in der sozialen Gemeinschaft.“
In den Videos bringen die Eichhörnchen einen Werkzeugkasten aus Selbsteinschätzungen mit und entwickeln daraus Versuche, ein Problem zu lösen.
Alles was nicht funktioniert, bauen sie unmittelbar in die Selbsteinschätzung ein und suchen nach einem anderen Vorgehen.
Sie überwinden dabei Objekte und Materialien, denen sie noch nie begegnet sind.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 02:03
Das Prinzip wäre dasselbe, hätte ein solches Wesen Sprache und einen Wortschatz der zigtausend Worte umfasst.
Da sind wir wieder bei der Mystifizierung von Sprache.

Denkst du wirklich, dass das Zusammenstellen von Wörtern, die eigentliche Funktion ist, so dass du einen "unendlich grossen Unterschied zwischen Mensch und Tier" vertreten kannst?

Schau dir mal so einen Satz genauer an. Ist das mehr als Bewegungsplanung?

Was würde sich verändern, wenn das Eichhörnchen sagen würde "ich versuche es nun seitlich, weil ich dort diese und jene Günstigkeit erkannt habe", bevor es aktiv wird?
=> gar nichts, ganz egal ob dieser Satz laut gesprochen oder nur in der Vorstellung formuliert werden würde.

Du kannst dich von dieser Mystifizierung auch dadurch lösen, dass du dir "Umfänge" klar machst.
Sagen wir, der menschliche Wortschatz umfasst 1 Mio Wörter (das ist bestimmt viel zu viel - aber egal).
Das Gehirn eines Eichhörnchens enthält ca. eine halbe Milliarde Neuronen.

Du hängst damit die Möglichkeiten aus "zigtausend Wörter" höher, als die Möglichkeiten aus "einer halben Milliarde Neuronen" - das klingt nicht gut.




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Jörn Budesheim
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So 17. Apr 2022, 11:11

Wenn dich die Begründung dafür interessiert, dann kannst du sie im Netz sicher leicht finden, immerhin ist es ein ziemlich bekannter Wissenschaftler. Aber an dieser Stelle war eben etwas ganz anderes gefragt. Und die Struktur dieser Antwort ist äußerst interessant, weil es ein gutes Licht auf die Frage geworfen hat. Das kann einen weiterbringen, selbst wenn man die Grundüberzeugungen des Wissenschaftlers nicht teilt. Sie zeigt nämlich, dass die Idee eines metaphysischen tabula rasa nicht voraussetzungslos zu haben ist und womöglich die richtige Antwort verdeckt.




Burkart
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So 17. Apr 2022, 11:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 11:11
Wenn dich die Begründung dafür interessiert, dann kannst du sie im Netz sicher leicht finden, immerhin ist es ein ziemlich bekannter Wissenschaftler. Aber an dieser Stelle war eben etwas ganz anderes gefragt. Und die Struktur dieser Antwort ist äußerst interessant, weil es ein gutes Licht auf die Frage geworfen hat. Das kann einen weiterbringen, selbst wenn man die Grundüberzeugungen des Wissenschaftlers nicht teilt.
Ok, dass es einen so weiterbringen kann, stimmt.
Sie zeigt nämlich, dass die Idee eines metaphysischen tabula rasa nicht voraussetzungslos zu haben ist und womöglich die richtige Antwort verdeckt.
Hm, metaphysische tabula rasa? Ist es nicht genau das, worüber der Thread hinsichtlich "philosophische Grundfrage(n)" und ggf. "davor" geht!?
Deshalb möge man ja seine Ausgangspunkte darlegen wie meiner des philosophierenden Menschen. Dieser fragt sich dann halt z.B., woher Mathematik einfach so aus dem abstrakten Nichts (also ungefähr woher, wenn niemand (nach-)denkt) gefunden werden soll ;)



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Groot
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So 17. Apr 2022, 14:13

Burkart hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 09:56
Groot hat geschrieben :
Sa 16. Apr 2022, 18:56
Meine größte Frage ist, wie eine Zivilisation "das ist, was in Natur gestellt ist", also wo sie herkommen soll, wenn nicht vom Menschen bzw. seiner Gesellschaft selbst (Gott hatten wir ja ausgeschlossen).
Sie entspringt natürlich aus der Biologie. Ist dann aber sui generis zu verstehen, hat also eine eigene Realität, die auf den Einzelmenschen m.e. deutlich stärker einwirkt als die Biologie.
Um dies hier mal als Kern unseres bisherigen Dialogs anzusehen...
Wir sind wohl einer Meinung, dass sich Zivilisation im Laufe der Zeit mit dem Menschen zusammen entwickelt hat.
Während für mich letztlich vor allem alles ein großes Ganzes ist (mit vielen Facetten, die oft ineinander übergehen), sind für dich Unterschiede relevanter.

Hier bei der Zivilisation siehst du in ihr "eine eigene Realität"; auch sind für dich Menschen etwas klar von den Tieren abgegrenztes sind (durch Reflexion u.ä.).
Die "eigene Realität" wirkt für mich wie deine persönliche Festlegung (jedenfalls hatte ich vorher so noch nicht gehört), während die Abgrenzung der Menschen von Tieren nicht so klar ist, wie schon Körper hinterfragt hat.
Woher weißt du denn, dass ein Affe oder Delfin nicht weiß, dass er ein Affe bzw. Delfin ist? Vielleicht fehlt es nur an einer gemeinsamen Sprache, um uns dies hier gegenseitig verständlich zu machen?
Was heißt es überhaupt zu wissen, ein Mensch/Affe/Delfin zu sein? Dass diese Tiere klar zwischen ihren Artgenossen und anderen Tiergattungen unterscheiden können, dürfte klar sein.
Sicher ist alles ein großes Ganzes mit einem Gott vorne, hinten, unten und oben der auch in die Mitte hineinreicht. Aber wissenschaftlich gilt es halt zu erkennen, dass die Zivilisation eine ebenso große Auswirkung auf ein menschliches Dasein hat (denn jedes Dasein der Gegenwart ist durch und durch, durch diese geformt und bestimmt), wie die Materie und der Geist (der ja ein jeder, laut Philosophie sein solle).

Dann lies mal Soziologische Theorie. Dort ist Konsens, dass die Sozialwelt eine Welt sui generis ist, neben Psyche und Materie. Nur wird diese heute zumeist unter Tonnen aus Sprachschichten verschütt gelassen, um dann sagen zu können, dass es Moral gibt oder nicht gibt und man keine Grundlage finden kann, außer der eigenen Innerlichkeit. Dabei ist diese eigene Innerlichkeit - u.a. auch bei Kant - aufs tiefste durchseucht von zivilisatorischen und gesellschaftlichen Prozessen. Bei Hegel noch ist die Negation eine Negierung der Sozialdimension zu Gunsten einer Erkenntnis von Gott und Materie, die dann als solche in der Negation der Negation affiziert wird.

Ich würde meinen, dass einem Affen und einem Delfin die Sprache fehlt. Sprachen lassen sich übersetzen; Delfine können unsere Sprachen nicht in ihre übersetzen und wir ihre nicht in unsere. Dasselbe gilt für Affen, wenn man denen teilweise auch Zeichensprache beibringen kann, so bleibt dabei die Intentionalität auf der Strecke, sowie der Reichtum der Bezugnahme, die eine verbale Sprache ermöglicht.




Groot
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So 17. Apr 2022, 14:28

OK, du machst es also an der Sprachfähigkeit fest.

Das ist natürlich gefährlich, denn dabei kann "Sprache" leicht mystifiziert werden und am Ende kümmert man sich nicht darum, was "vor" der Sprache vorhanden sein muss, damit "Ich bin ein Eichhörnchen" formuliert werden kann.

Könnte es nicht so sein, dass das Verständnis für die Grundlagen von Lebewesen (insbesondere in Verbindung mit dem Nervensystem) zu einer anderen Achtsamkeit führt, mit der man bei den Videos erkennt "das Eichhörnchen drückt ganz deutlich aus, dass es sich für ein Eichhörnchen hält"?
Was soll daran Mystik sein, wenn man offensichtlich sieht, dass Sprache ein essenzieller Bestandteil für Bewusstsein und komplexe Kognition ist. Ohne Sprache und die Möglichkeit, damit bestimmte Phänomene dingfest zu machen, um sie so den nachfolgenden Generationen als Wissensschatz zur Verfügung zu stellen, wäre der Mensch sicher nicht auf dem Mond, hätte keine Atomkraft und keine Smartphones.

Ich kümmer mich gerne darum, was vor der Sprache war. Nur interessiert mich das nicht so sonderlich. Denn es gibt ja schon unerklärliche Entwicklungssprünge zwischen Urmensch und modernen Menschen; und das sind "innersprachliche" qualitative Sprünge; bspw. das Sesshaft werden oder die Entwicklung des Brennens von Metallen.

Ich erkenne dort ein Wesen, das instinktiv Nahrung kriegen möchte. Wie sollen diese Videos darauf deuten, dass das Eichhörnchen sich selbst erkennt und Bewusstsein hat? Es kann vielleicht mittels trial and error einfache Änderungen in seinem Weg festlegen, um besser an die Nüsse zu kommen. Aber das hat doch mit Bewusstheit und der Fähigkeit sich als Wesen in einer Welt zu erkennen, nicht viel zu tun. Sicher mag die Fähigkeit Planung zu betreiben und einfaches Werkzeug zu nutzen, eine rudimentäre erste Entwicklung weg von völliger Unbewusstheit sein, aber dort großartig mehr als instinktives Handeln zu erkennen, möchte ich nicht bejahen.
Bewegungsplanung ist letztlich die Grundlage für Bewusstsein.
Das ist sozusagen die Antwort auf die Frage "warum ist es in der Evolution zu Bewusstsein gekommen?"
Naja, das weiß ich nicht. Ich würde hier eher die Geste und die Bezugnahme mittels Triangulation anführen. Sicher ist Bewegungsplanung etwas, das dem Eichhörnchen mehr Fähigkeit zuschreiben lässt als einem Bakterium, einer Pflanze oder einem Wurm, aber mit Bewusstsein hat das noch nicht viel zu tun.
Versuch mal ein Konzept der Realisierung aufzustellen.
Was benötigt ein "wahrnehmender Akteur", der nur sich selbst und den Kontakt zur Umwelt zur Verfügung hat, um sich so zu verhalten, wie diese Eichhörnchen?
Instinkte.
Da sind wir wieder bei der Mystifizierung von Sprache.

Denkst du wirklich, dass das Zusammenstellen von Wörtern, die eigentliche Funktion ist, so dass du einen "unendlich grossen Unterschied zwischen Mensch und Tier" vertreten kannst?

Schau dir mal so einen Satz genauer an. Ist das mehr als Bewegungsplanung?
Ja, ich denke, dass die Sprache zusammen mit der Fähigkeit des nein-Sagens bzw. des nicht-Handelns trotz Instinkt, der Quell für Bewusstsein ist.

E=mc² ist sicher mehr als Bewegungsplanung...wobei, streng genommen ist diese Formel ja eine Bewegungsformel. :D
Ebenso ist "In fünf Jahren ist Stuttgart 21 fertig gebaut" sicher mehr als Bewegungsplanung. Oder auch "Ich werde tod sein irgendwann."
Du kannst dich von dieser Mystifizierung auch dadurch lösen, dass du dir "Umfänge" klar machst.
Sagen wir, der menschliche Wortschatz umfasst 1 Mio Wörter (das ist bestimmt viel zu viel - aber egal).
Das Gehirn eines Eichhörnchens enthält ca. eine halbe Milliarde Neuronen.

Du hängst damit die Möglichkeiten aus "zigtausend Wörter" höher, als die Möglichkeiten aus "einer halben Milliarde Neuronen" - das klingt nicht gut.
Das menschliche Gehirn hat, neben einem Wortschatz sogar 100milliarden Neuronen. Was macht die halbe Milliarde so besonders?




Körper
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So 17. Apr 2022, 19:08

Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:28
Was soll daran Mystik sein, wenn man offensichtlich sieht, dass Sprache ein essenzieller Bestandteil für Bewusstsein und komplexe Kognition ist.
Da gibt es kein "offensichtlich", denn ich sehe darin keine Korrektheit.

Du verfügst bestimmt auch über die Erfahrung, dass man Sprache erlernen muss.
Man benötigt Bewusstsein und Interaktion, um (die erste) Sprache zu erlernen, denn man muss auf das Schliessen, was von anderen Menschen mit Sprachanteilen ausgedrückt wird.
Das "Darauf Schliessen" ist essenzieller Bestandteil für Bewusstsein, nicht Sprache.

Sprache ist eher nur ein Werkzeug und es muss eine explizite Umwandlung der Zusammenhänge in Sprachkonstrukte und separat davon auch eine explizite Umwandlung von Sprachkonstrukten in Zusammenhänge erfolgen.
Das ist tatsächlich derart voneinander getrennt, dass man beispielsweise Sprache gut hören/verstehen kann, sich beim Sprechen aber schwer tut.

Indem du das Werkzeug zur Ursache der Sprach-Voraussetzung machst, mystifizierst du es.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:28
Ohne Sprache und die Möglichkeit, damit bestimmte Phänomene dingfest zu machen, um sie so den nachfolgenden Generationen als Wissensschatz zur Verfügung zu stellen, wäre der Mensch sicher nicht auf dem Mond, hätte keine Atomkraft und keine Smartphones.
Siehst du, hier beschreibst du "Sprache" als Werkzeug.
Der Transfer von Mensch zu Mensch geschieht nicht über "Bewusstseinsanteile", sondern rein über vereinbarte Anlässe, Zusammenhänge aufzubauen.
Dieses Aufbauen wiederum gelingt nur, wenn man die "Sprache" zuvor trainiert hat - das kann man ganz leicht nachvollziehen, indem man sich eine Sprache anhört, die man noch nicht gelernt hat.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:28
Ich kümmer mich gerne darum, was vor der Sprache war. Nur interessiert mich das nicht so sonderlich.
Nein, nicht "historisch, vor jeglicher Sprache", sondern im Menschen, bevor er das nächste Wort sagt.
Ich vermute aber, du hast dir eine Sprach-Überhöhung angewöhnt, sodass du gar nicht damit rechnest, dass ein Mensch zum Zustandekommen seiner nächsten sprachlichen Formulierung "bewusste Vorgänge" braucht, die dann nichts mit Sprache zu tun haben können.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:28
Ja, ich denke, dass die Sprache zusammen mit der Fähigkeit des nein-Sagens bzw. des nicht-Handelns trotz Instinkt, der Quell für Bewusstsein ist.
Wie kommst du auf so etwas, hast du das irgendwo gelesen?
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:28
Ich erkenne dort ein Wesen, das instinktiv Nahrung kriegen möchte.
Wie kommst du auf "instinktiv"?
Die Eichhörnchen stellen sich eindeutig erkennbar einer Sondersituation, denn weder das Gefäss noch die Aufhängung können sich evolutionär in ihren "typischen Reaktionsweisen" verankert haben.

Ist es nicht vielmehr eine raffinierte Entscheidung der Eichhörnchen, diese neuartige Abkürzung zur Nahrungssuche zu nutzen?
Ist nicht allein das Erkennen der Abkürzung und der Möglichkeit zur Nutzung eine bewusste Leistung?
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:28
E=mc² ist sicher mehr als Bewegungsplanung...wobei, streng genommen ist diese Formel ja eine Bewegungsformel. :D
Ebenso ist "In fünf Jahren ist Stuttgart 21 fertig gebaut" sicher mehr als Bewegungsplanung. Oder auch "Ich werde tod sein irgendwann."
Jeder Satz ist Bewegungsplanung, man nennt das nicht umsonst "Gedankengang".
Man durchläuft einen Satz und baut dabei die Zusammenhänge einer "Situation aus Objekten" auf -> "Vorstellung".
-> "Um einen Satz zu verstehen, muss man beweglich sein" :-)
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:28
Das menschliche Gehirn hat, neben einem Wortschatz sogar 100milliarden Neuronen. Was macht die halbe Milliarde so besonders?
Die halbe Milliarde ist genauso angeordnet, wie die 100 Milliarden.
Ein Eichhörnchen macht weniger als ein Mensch, aber dass es "etwas Anderes" macht, ist ein reines Gerücht.




Groot
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So 17. Apr 2022, 20:28

Da gibt es kein "offensichtlich", denn ich sehe darin keine Korrektheit.

Du verfügst bestimmt auch über die Erfahrung, dass man Sprache erlernen muss.
Man benötigt Bewusstsein und Interaktion, um (die erste) Sprache zu erlernen, denn man muss auf das Schliessen, was von anderen Menschen mit Sprachanteilen ausgedrückt wird.
Das "Darauf Schliessen" ist essenzieller Bestandteil für Bewusstsein, nicht Sprache.

Sprache ist eher nur ein Werkzeug und es muss eine explizite Umwandlung der Zusammenhänge in Sprachkonstrukte und separat davon auch eine explizite Umwandlung von Sprachkonstrukten in Zusammenhänge erfolgen.
Das ist tatsächlich derart voneinander getrennt, dass man beispielsweise Sprache gut hören/verstehen kann, sich beim Sprechen aber schwer tut.

Indem du das Werkzeug zur Ursache der Sprach-Voraussetzung machst, mystifizierst du es.
Ja sicher erlernen wir Sprache. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Baby Bewusstsein hat. Viel eher plappert es instinktiv nach, um dann in späteren Perioden das einstmal nachgeplapperte bewusst verwenden zu können, um bspw. einen Stuhl oder eine Farbe oder einen Staat bezeichnen zu können. Dies geschieht in Interaktion, aber die Sprache ist hier ein essenzieller Bestandteil dafür, dass das Kind komplexe Kognition und Selbstbewusstsein erlangen kann.

Ich habe nicht Sprache zur Voraussetzung für Sprache gemacht, sondern sage, dass die Sprache bedingt, dass der Mensch sich seiner selbst bewusst werden kann. Bspw. haben wir Pronomen, um ein "Ich" von einem "Du" zu unterscheiden oder uns gemeinsam in einem "Wir" zu erkennen. So etwas können Tiere schlicht nicht.
Nein, nicht "historisch, vor jeglicher Sprache", sondern im Menschen, bevor er das nächste Wort sagt.
Ich vermute aber, du hast dir eine Sprach-Überhöhung angewöhnt, sodass du gar nicht damit rechnest, dass ein Mensch zum Zustandekommen seiner nächsten sprachlichen Formulierung "bewusste Vorgänge" braucht, die dann nichts mit Sprache zu tun haben können.
Im Gegenteil bin ich kein sonderlicher Fan von Sprachphilosophie und ich finde es eine Katastrophe, dass die Philosophie sich theoretisch seit 150 Jahre mit dem Zugriff mittels Worten auf "das Ding" beschäftigt. Aber ich wüsste nicht, wie der Mensch zu Bewusstsein und Selbstbewusstsein gekommen wäre, ohne Sprache und die Fähigkeit darin Wissen über Generationen zu übertragen. Wie er also seiner Affekte und seiner Triebstruktur Herr werden konnte - zu was im Prinzip kein Tier in der Lage scheint.

Es ging darum, dass Selbstbewusstsein Sprache benötigt, nicht um die Tatsache, dass es auch nicht-sprachliche Zusammenhänge (zuhauf) gibt.
Wie kommst du auf so etwas, hast du das irgendwo gelesen?
Wieso sollte es denn falsch sein? Aber du scheinst mir alles auf die (triviale) Tatsache brechen zu wollen, dass wir Gehirne haben und darum identisch sind wie Tiere. Das mag biologisch stimmen, aber ich bin Kulturwesen und habe Reflexion die darüber hinausgeht, dass meine Hormone und Zellen meine Homöostase und meine Autopoiesis beeinflußen.
Jeder Satz ist Bewegungsplanung, man nennt das nicht umsonst "Gedankengang".
Man durchläuft einen Satz und baut dabei die Zusammenhänge einer "Situation aus Objekten" auf -> "Vorstellung".
-> "Um einen Satz zu verstehen, muss man beweglich sein" :-)
Und ich mystifiziere die Sprache? ;)
Die halbe Milliarde ist genauso angeordnet, wie die 100 Milliarden.
Ein Eichhörnchen macht weniger als ein Mensch, aber dass es "etwas Anderes" macht, ist ein reines Gerücht.
Ich habe ja nicht gesagt, dass der Mensch irgendwas tolles und völlig anderes ist als Tiere. Seine biologische Hülle ist quasi dasselbe, nur hat der Mensch halt komplexe Kognition und Sprache, damit Selbstbewusstsein und die Fähigkeit der Bezugnahme auf sich selbst und andere, entwickelt. Etwas, das in der Tierwelt sonst eher selten oder garnicht auftaucht...vielleicht finden wir ja eines Tages Aliens, die dann sowas auch können. Aber bisher bleibt das dem Menschen vorbehalten.

Grundsätzlich ging es mir aber auch darum, dass neben der Materie, der Organischen Sphäre (was im Grunde ja auch Materie ist) und dem Geist noch etwas weiteres existiert, eben Zivilisation als ontologische Größe.




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Mo 18. Apr 2022, 07:35

Hier einen Artikel aus dem Jahr 2020 - also relativ neu. Dabei geht es darum, was die Hirnforschung bisher über die Sprachfähigkeit der Menschen im Unterschied zu den Menschenaffen herausgefunden hat.

https://www.cbs.mpg.de/forschung/language-interview

Dabei kann man für die vorliegende Diskussion hervorheben: die Forscherin geht davon aus, dass Sprache ein echtes Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist. Und zweitens: nicht das Gehirn formt die Sprache, sondern die Sprache formt sich das Gehirn, wobei unterschiedliche Sprachen das Gehirn in unterschiedlicher Weise formen. Die Sprachen können das Gehirn jedoch nur formen, weil das Gehirn gewissermaßen "darauf vorbereitet" ist, weil bestimmte Strukturen vorhanden sind. Die entsprechenden Grundlagen sind also von Anfang an vorhanden, aber noch nicht voll funktionsfähig - sie müssen erst ausgebildet werden.

Die englische Sprache formt das Gehirn etwas anders als die deutsche oder die chinesische Sprache. Mit anderen Worten, man kann diese Fähigkeit nicht (allein) bottom-up verstehen, sondern man muss auch z.b. die grammatikalischen Strukturen der Sprache in den Blick nehmen die top-down Verursachung in den Blick nehmen.




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Mo 18. Apr 2022, 07:44

In seinem Buch über Tier Philosophie erzählt der Philosoph Markus Wild von einem Menschenaffen, dem man Zeichensprache beigebracht hat. Mit diesem konnte man sich sogar über den Tod unterhalten: "Problem: alt". In einem anderen Buch/Artikel habe ich von einer Forscherin gelesen, die sich mit Affen via Zeichensprache unterhalten hat, dabei hat der fragliche Affe von der Ermordung ihrer Mutter durch Wilderer "erzählt".




Burkart
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Mo 18. Apr 2022, 09:59

Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 14:13
Burkart hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 09:56
Groot hat geschrieben :
Sa 16. Apr 2022, 18:56

Sie entspringt natürlich aus der Biologie. Ist dann aber sui generis zu verstehen, hat also eine eigene Realität, die auf den Einzelmenschen m.e. deutlich stärker einwirkt als die Biologie.
Um dies hier mal als Kern unseres bisherigen Dialogs anzusehen...
Wir sind wohl einer Meinung, dass sich Zivilisation im Laufe der Zeit mit dem Menschen zusammen entwickelt hat.
Während für mich letztlich vor allem alles ein großes Ganzes ist (mit vielen Facetten, die oft ineinander übergehen), sind für dich Unterschiede relevanter.

Hier bei der Zivilisation siehst du in ihr "eine eigene Realität"; auch sind für dich Menschen etwas klar von den Tieren abgegrenztes sind (durch Reflexion u.ä.).
Die "eigene Realität" wirkt für mich wie deine persönliche Festlegung (jedenfalls hatte ich vorher so noch nicht gehört), während die Abgrenzung der Menschen von Tieren nicht so klar ist, wie schon Körper hinterfragt hat.
Woher weißt du denn, dass ein Affe oder Delfin nicht weiß, dass er ein Affe bzw. Delfin ist? Vielleicht fehlt es nur an einer gemeinsamen Sprache, um uns dies hier gegenseitig verständlich zu machen?
Was heißt es überhaupt zu wissen, ein Mensch/Affe/Delfin zu sein? Dass diese Tiere klar zwischen ihren Artgenossen und anderen Tiergattungen unterscheiden können, dürfte klar sein.
Sicher ist alles ein großes Ganzes mit einem Gott vorne, hinten, unten und oben der auch in die Mitte hineinreicht. Aber wissenschaftlich gilt es halt zu erkennen, dass die Zivilisation eine ebenso große Auswirkung auf ein menschliches Dasein hat (denn jedes Dasein der Gegenwart ist durch und durch, durch diese geformt und bestimmt), wie die Materie und der Geist (der ja ein jeder, laut Philosophie sein solle).

Dann lies mal Soziologische Theorie. Dort ist Konsens, dass die Sozialwelt eine Welt sui generis ist, neben Psyche und Materie.
Ich stimme dir voll zu: Materie ist halt die Welt unanhängig von Leben, die Psyche die (eine) Welt des einzelnen Menschen und die Sozialwelt die Welt aller (vieler verbundener) Menschen. (Ob man es nun "einzelne Welten" nennt oder Ansichten/Abstraktionen einer einzigen Welt, dürfte letzlich egal sein.)
Nur wird diese heute zumeist unter Tonnen aus Sprachschichten verschütt gelassen, um dann sagen zu können, dass es Moral gibt oder nicht gibt und man keine Grundlage finden kann, außer der eigenen Innerlichkeit. Dabei ist diese eigene Innerlichkeit - u.a. auch bei Kant - aufs tiefste durchseucht von zivilisatorischen und gesellschaftlichen Prozessen. Bei Hegel noch ist die Negation eine Negierung der Sozialdimension zu Gunsten einer Erkenntnis von Gott und Materie, die dann als solche in der Negation der Negation affiziert wird.
Tja, vielleicht liegt das Verschütt-sein daran, dass soziologsche Strukturen/Theorien vielen Menschen im (z.B. Alltags-)Leben zu komplex bzw. zu kompliziert sind!? (In der Schule werden sie wohl auch nicht gelehrt, Soziologie ist kein Schulfach, nicht einmal Psychologie.) Vielmehr dürften sie nur eine intuitive Ahnung davon haben und sie für sich irgendwie interpretieren (und damit von Mensch zu Mensch verschieden).
Vielleicht aber auch kann man (die Mächtigen der Welt) uns Menschen besser steuern, wenn sie mit dem Finger auf uns als einzelne Menschen zeigen können, z.B. um uns die Schuld für irgendwas zu geben, uns besser auszubeuten u.ä.
Unsere Gesetze stehen für Schuld von Individuen, weil mal nur diese bestrafen kann (angeblich); größere soziale Einflüsse u.ä. haben dann i.a. nur einen gewissen Einfluss auf das Strafmaß, aber nicht auf die Schuld selbst (z.B. wenn jemand zum Schläger wird, weil er von seinen Eltern auch schon geschlagen wurde u.ä.). Umgekehrt gibt es bei uns keine Schuld von Gruppen, z.B. Familien, Gemeinden, Clans o.ä. ... was ich manchmal für sinnvoll erachten würde, z.B. für gemeinsame Verantwortung, aus die man sich als Individuen gut heraushalten kann.
Ich würde meinen, dass einem Affen und einem Delfin die Sprache fehlt. Sprachen lassen sich übersetzen; Delfine können unsere Sprachen nicht in ihre übersetzen und wir ihre nicht in unsere. Dasselbe gilt für Affen, wenn man denen teilweise auch Zeichensprache beibringen kann, so bleibt dabei die Intentionalität auf der Strecke, sowie der Reichtum der Bezugnahme, die eine verbale Sprache ermöglicht.
Dass einige Tiere Sprachen haben, sollte eigentlich bekannt sein . Und wenn es nur der Aufschrei eines Tieres ist, um andere vor einem Feind zu warnen.
Dass wir nicht Sprachen von Delfinen übersetzen können, mag an unserer Unfähigkeit liegen sie zu verstehen; möglicherweise beruhen unsere Sprachen auch zu sehr auf verschiedenen Kontexten (Landwelt gegenüber Wasserwelt). Sprachen lassen sich insofern nur bedingt übersetzen.
Dass wir Menschen eine viele komplexere Sprache haben als z.B. Affen, kann gut sein; das heißt aber eben nicht, dass Affen gar keine haben.
Und was Intentionalität betrifft, also sich auf etwas zu beziehen, so tut das auch schon die Zeichensprache, wozu Jörn im vorigen Beitrag ein gutes Beispiel gegeben hat.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Körper
Beiträge: 483
Registriert: Fr 18. Feb 2022, 20:14

Mo 18. Apr 2022, 13:19

Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Ja sicher erlernen wir Sprache. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Baby Bewusstsein hat. Viel eher plappert es instinktiv nach, um dann in späteren Perioden das einstmal nachgeplapperte bewusst verwenden zu können, um bspw. einen Stuhl oder eine Farbe oder einen Staat bezeichnen zu können.
Eben, wir erlernen Sprache.

Wenn du nun von einem "Nachplapper-Instinkt" ausgehst und durch das Nachplappern später "das Bewusstsein" verankert/erzeugt sehen möchtest, dann suggerierst du doch letztlich eine gewisse Magie rund um die Tonfolgen der Sprache - da wird es halt dann deutlich mystisch.

Mein Rat lautet: geh besser vollständig von bewussten Babys aus.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Dies geschieht in Interaktion, aber die Sprache ist hier ein essenzieller Bestandteil dafür, dass das Kind komplexe Kognition und Selbstbewusstsein erlangen kann.
Bereits vor der Geburt findet enorme Interaktion statt.
Schon während der ersten Ausprägung der rudimentären Form des Lebewesens kommt es zu entwicklungsnotwendigen Bewegungen.
Das Nervensystem wird dabei über den Körper auf eine Umwelt geprägt. Das ist nichts weniger, als die überall in unserer Wahrnehmung vorhandene Subjektivität.

Dies auf das Erlernen von Sprache zu verlagern, entbehrt jeglicher Grundlage.

Man dachte wohl lange Zeit, dass das Heranwachsen im Mutterleib ein passiver Vorgang sei, aber dieser "Verdacht" musste vollständig korrigiert werden.
Diese heranwachsenden Zellhaufen sind sehr schnell "wahrnehmender Akteur" mit Eigenbewegung.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Ich habe nicht Sprache zur Voraussetzung für Sprache gemacht, sondern sage, dass die Sprache bedingt, dass der Mensch sich seiner selbst bewusst werden kann. Bspw. haben wir Pronomen, um ein "Ich" von einem "Du" zu unterscheiden oder uns gemeinsam in einem "Wir" zu erkennen. So etwas können Tiere schlicht nicht.
Nein, die Sprach-Voraussetzung ist Bewusstsein (-> "Erlernen") und diese Reihenfolge möchtest du deutlich verdrehen - Wozu soll das gut sein?

Du denkst, nur weil ein Mensch das Wort "Ich" hört, springt ihm "Subjektivität" zu, die ihm dann später über "Qualia" ein dickes Rätsel sein wird und er sprachlich nicht mehr ausdrücken kann?
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Aber ich wüsste nicht, wie der Mensch zu Bewusstsein und Selbstbewusstsein gekommen wäre, ohne Sprache und die Fähigkeit darin Wissen über Generationen zu übertragen.
Ich würde sagen, du unterschätzt das Nervensystem, die dortigen Zellmechanismen, das Heranwachsen des Körpers und die Interaktion aus Körper und Umwelt.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Wie er also seiner Affekte und seiner Triebstruktur Herr werden konnte - zu was im Prinzip kein Tier in der Lage scheint.
Hier weichst du von "Bewusstsein" ab.
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Es ging darum, dass Selbstbewusstsein Sprache benötigt, nicht um die Tatsache, dass es auch nicht-sprachliche Zusammenhänge (zuhauf) gibt.
Wie kann Selbstbewusstsein Sprache benötigen, wenn es doch ganz schnell mit der Sprache vorbei ist, sobald es um das "phänomenale Bewusstsein" gehen soll?

Wenn sich ein Mensch sprachlich mit "Ich" ausdrückt, dann will er damit einen "jemand" ausdrücken - wer ist denn dieser "jemand" und ist dieser "jemand" nicht auch ohne Sprache vorhanden?
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Wieso sollte es denn falsch sein? Aber du scheinst mir alles auf die (triviale) Tatsache brechen zu wollen, dass wir Gehirne haben und darum identisch sind wie Tiere. Das mag biologisch stimmen, aber ich bin Kulturwesen und habe Reflexion die darüber hinausgeht, dass meine Hormone und Zellen meine Homöostase und meine Autopoiesis beeinflußen.
Nun, wenn ein Sachverhalt durch interaktiv nachvollziehbare Umstände untermauert werden kann, dann ist das nicht "trivial", sondern die stärkste Basis, die wir als Argument liefern können. Das läuft dann nach dem Motto "schau doch selber nach und erklär es dir selbst".

Für mich sieht es so aus, dass du dich mit der Basis aus "Körper, Nervensystem und Interaktion" eher nur ganz grob beschäftigen möchtest.
Was ist denn für dich ein Mensch - spielt da das Wort "Geist" eine grössere Rolle?
Groot hat geschrieben :
So 17. Apr 2022, 20:28
Ich habe ja nicht gesagt, dass der Mensch irgendwas tolles und völlig anderes ist als Tiere. Seine biologische Hülle ist quasi dasselbe, nur hat der Mensch halt komplexe Kognition und Sprache, damit Selbstbewusstsein und die Fähigkeit der Bezugnahme auf sich selbst und andere, entwickelt.
Du hast in Bezug aus menschliches Bewusstsein von "unendlich weit weg vom Tierischen" gesprochen.




Körper
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Mo 18. Apr 2022, 13:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Apr 2022, 07:35
Dabei kann man für die vorliegende Diskussion hervorheben: die Forscherin geht davon aus, dass Sprache ein echtes Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist. Und zweitens: nicht das Gehirn formt die Sprache, sondern die Sprache formt sich das Gehirn, wobei unterschiedliche Sprachen das Gehirn in unterschiedlicher Weise formen. Die Sprachen können das Gehirn jedoch nur formen, weil das Gehirn gewissermaßen "darauf vorbereitet" ist, weil bestimmte Strukturen vorhanden sind. Die entsprechenden Grundlagen sind also von Anfang an vorhanden, aber noch nicht voll funktionsfähig - sie müssen erst ausgebildet werden.
In Bezug auf Bewusstsein ist Sprache kein Alleinstellungsmerkmal.

Wenn man der Konfrontation mit Sprache einen gehörigen Einfluss auf die Ausformung von bestimmten Gehirnregionen zugesteht (was ich selbstverständlich mache, indem ich sage, dass das Nervensystem Zusammenhänge aus "Körper und Umwelt" nachvollzieht/aufbaut), dann stellt sich aber die Frage, welche Ausformungen sich beim Heranwachsen des Fötus im Uterus bildet, wenn es dort zur Interaktion zwischen Körper und Umwelt kommt.
Man muss dabei beachten, die Plastizität des Nervensystems ist in dieser frühen Phase noch viel stärker, als später beim Erlernen von Sprache.

Worauf prägt sich das Nervensystem in dieser vorgeburtlichen Phase?
Ich sage: der Körper wird hier als "zentral handelnde Einheit" verankert und eine Relation zur Umwelt aufgebaut -> Subjektivität.
Subjektivität nicht nur zur Umwelt, sondern auch zum Körper selbst, seinen Vorgängen und seinen Fähigkeiten.
Die Einwirkung des Körpers auf sein Nervensystem ist ständig und überall vorhanden.

Damit es überhaupt zum Aufbau all dieser Zusammenhänge kommen kann, benötigt das Nervensystem eine zentrale Funktion: "Schliessen auf das 'Dahinter'"
Egal, ob es um Objekte, um Handlungen, um abstrakte Prinzipien, um Vergangenheit, um Zukunft oder um das geht, was gerade "im Menschen abläuft" (-> "Erleben"), es muss erschlossen werden - nichts davon fällt einfach vom Himmel.
Auch das Verständnis rund um Sprache muss erschlossen werden.

Im Zentrum dieser (Er)Schliess-Vorgänge stehen die Zellmechanismen.
Hier stellt sich dann die Frage: weshalb sollen die Nervenzellen eines Eichhörnchens nicht mit "Schliessen auf das 'Dahinter'" beschäftigt sein?
Schaut man sich das Verhalten dieser Tiere an, dann springt einem die Notwendigkeit eines Objekt- und Handlungsverständnisses geradezu ins Gesicht.
Wenn dem Tier dieses Erschliessen zugestanden wird (zugestanden werden muss), dann kann man dem Tier die Subjektivität nicht absprechen, denn der Tierkörper wächst analog zum menschlichen Körper heran und führt selbstverständlich bereits als Fötus eine Interaktion mit der Umgebung durch.
=> Die Eichhörnchen sind bewusst, subjektiv und sie reagieren mit der Überzeugung von "phänomenalem Erleben".

Davon abweichende Behauptungen müssen bis runter in die Zellmechanismen stichhaltig sein.
Sind sie es nicht, dann haben die jeweiligen Vertreter noch deutliche Hausaufgaben zu erledigen.




Groot
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Mo 18. Apr 2022, 19:49

Tja, vielleicht liegt das Verschütt-sein daran, dass soziologsche Strukturen/Theorien vielen Menschen im (z.B. Alltags-)Leben zu komplex bzw. zu kompliziert sind!? (In der Schule werden sie wohl auch nicht gelehrt, Soziologie ist kein Schulfach, nicht einmal Psychologie.) Vielmehr dürften sie nur eine intuitive Ahnung davon haben und sie für sich irgendwie interpretieren (und damit von Mensch zu Mensch verschieden).
Vielleicht aber auch kann man (die Mächtigen der Welt) uns Menschen besser steuern, wenn sie mit dem Finger auf uns als einzelne Menschen zeigen können, z.B. um uns die Schuld für irgendwas zu geben, uns besser auszubeuten u.ä.
Unsere Gesetze stehen für Schuld von Individuen, weil mal nur diese bestrafen kann (angeblich); größere soziale Einflüsse u.ä. haben dann i.a. nur einen gewissen Einfluss auf das Strafmaß, aber nicht auf die Schuld selbst (z.B. wenn jemand zum Schläger wird, weil er von seinen Eltern auch schon geschlagen wurde u.ä.). Umgekehrt gibt es bei uns keine Schuld von Gruppen, z.B. Familien, Gemeinden, Clans o.ä. ... was ich manchmal für sinnvoll erachten würde, z.B. für gemeinsame Verantwortung, aus die man sich als Individuen gut heraushalten kann.
Das mag sein. Aber ich denke, dass ohne soziologische Theorien es eigentlich unmöglich ist, ein Verständnis davon zu bekommen, was "Mensch" heißt, was "Geist" hast und wie die Außenwelt geartet ist. Ich denke, dass hier die Theologie (bspw. die Ekklesiologie) verhinderte, dass sich die soziologischen Strukturen ins kollektive Unterbewusstsein schreiben konnten. Anders als bspw. in China oder asiatischen Kulturen, in denen die Kultur mittels Gottkaiser an die Jahreszeiten gebunden bleibt, hat sich in Europa das "Kirchenjahr" langsam aber sicher immer weiter aufgelöst, so dass die darin bestehende Verbundenheit an den Jahreszyklus der Natur und der Umkreisung der Sonne, nicht mehr als "selbstverständlich" darstellt.
Die soziologische Theorie nun, ist so komplex und erst in "2. Ordnung" sichtbar, weil bspw. die Sprache sich vor die soziologischen Strukturen geschoben hat. Wir fragen nach Etymologie oder Philologie, statt die materielle Entwicklungsgeschichte zu systematisieren. Ebenso fragen wir nach moralisch richtigem Handeln des Einzelnen, statt zu fragen, wo hier eine andere Quelle der Ethik sein könnte, welche nicht auf das "Kind" oder die Unversehrtheit des Leibes zielt, sondern in Kultur und Zivilisation fundiert ist.

Ja, die Schuld ist sicher ein Element der Rechtsordnung. Aber aus dieser individualisierten Form entspringen dann u.a. auch instrumentelle Verhältnisse bspw. der Ökonomie oder in der Politik. In diesen geht es um Posten und Geld, ohne die eigentliche Gesellschaftsstruktur und die damit einhergehende Verantwortung als Ehre, auch in der allgegenwärtigen Konkurrenz, zu Gesicht zu bringen.
Dass einige Tiere Sprachen haben, sollte eigentlich bekannt sein . Und wenn es nur der Aufschrei eines Tieres ist, um andere vor einem Feind zu warnen.
Dass wir nicht Sprachen von Delfinen übersetzen können, mag an unserer Unfähigkeit liegen sie zu verstehen; möglicherweise beruhen unsere Sprachen auch zu sehr auf verschiedenen Kontexten (Landwelt gegenüber Wasserwelt). Sprachen lassen sich insofern nur bedingt übersetzen.
Dass wir Menschen eine viele komplexere Sprache haben als z.B. Affen, kann gut sein; das heißt aber eben nicht, dass Affen gar keine haben.
Und was Intentionalität betrifft, also sich auf etwas zu beziehen, so tut das auch schon die Zeichensprache, wozu Jörn im vorigen Beitrag ein gutes Beispiel gegeben hat.
Ich würde präzisieren und sagen, dass sie keine Alphabet- oder Symbolsprachen haben, welche essenziell sind, für die menschliche Konstituiertheit und die Reflexivität, sowie die komplexe Kognition, die dem Menschen eingeboren ist.




Groot
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Mo 18. Apr 2022, 20:36

Eben, wir erlernen Sprache.

Wenn du nun von einem "Nachplapper-Instinkt" ausgehst und durch das Nachplappern später "das Bewusstsein" verankert/erzeugt sehen möchtest, dann suggerierst du doch letztlich eine gewisse Magie rund um die Tonfolgen der Sprache - da wird es halt dann deutlich mystisch.

Mein Rat lautet: geh besser vollständig von bewussten Babys aus.
hmm, ist dein Rat nicht aber eine exakt ebensolche Mystifizierung, wie du mir vorwirfst? Denn ein Baby hat ja offensichtlich noch kein Bewusstsein, sondern gewinnt dieses Vermögen erst im Heranwachsen.

Ich würde meine Position nicht verlassen wollen. Denn ich weiß nunmal nicht, wie ich entstanden bin, nachdem meine Eltern mich geboren haben. *Puff*, plötzlich war ich mir meiner Selbst bewusst.
Bereits vor der Geburt findet enorme Interaktion statt.
Schon während der ersten Ausprägung der rudimentären Form des Lebewesens kommt es zu entwicklungsnotwendigen Bewegungen.
Das Nervensystem wird dabei über den Körper auf eine Umwelt geprägt. Das ist nichts weniger, als die überall in unserer Wahrnehmung vorhandene Subjektivität.

Dies auf das Erlernen von Sprache zu verlagern, entbehrt jeglicher Grundlage.

Man dachte wohl lange Zeit, dass das Heranwachsen im Mutterleib ein passiver Vorgang sei, aber dieser "Verdacht" musste vollständig korrigiert werden.
Diese heranwachsenden Zellhaufen sind sehr schnell "wahrnehmender Akteur" mit Eigenbewegung.
Sicher, das mag sein, aber ich sehe in diesen pränatalen Erlebnissen noch kein Selbstbewusstsein oder überhaupt Bewusstsein. Sicher ergeben sich zu jener Zeit bereits Dispositionen, die den Menschen später in seiner Charakterbildung beeinflußen. Aber Bewusstsein würde ich dort noch nicht vermeinen.

"Wahrnehmend" sind die m.e. noch nicht. Sie können ja nicht affizieren, nicht propositionale Gehalte erlangen oder Urteile bilden. Aber sicher wird man durch Reize bereits im Bauch der Mutter beeinflusst, welche unter Umständen, dann natürlich auch das Temperament und die Persönlichkeit eines Menschen prägen.
Nein, die Sprach-Voraussetzung ist Bewusstsein (-> "Erlernen") und diese Reihenfolge möchtest du deutlich verdrehen - Wozu soll das gut sein?

Du denkst, nur weil ein Mensch das Wort "Ich" hört, springt ihm "Subjektivität" zu, die ihm dann später über "Qualia" ein dickes Rätsel sein wird und er sprachlich nicht mehr ausdrücken kann?
Das verstehe ich nicht genau, worauf willst du hinaus?
Ich würde sagen, du unterschätzt das Nervensystem, die dortigen Zellmechanismen, das Heranwachsen des Körpers und die Interaktion aus Körper und Umwelt.
Da ich nicht denke, dass originär menschliches in der Materiellen Ebene zu finden ist, sondern vielmehr die Instrumentalität und Funktionalismus, würde ich meinen, dass man diese Elemente, sofern es um das "Mensch-sein" geht, durchaus vernachlässigen kann.
Hier weichst du von "Bewusstsein" ab.
Weshalb? Ich würde meinen, dass gerade solche Affektblockade oder Triebunterdrückung eine ordentliche Portion dazu beigetragen hat, dass wird zu Kulturwesen mit Selbstbewusstsein und Vernunft werden konnten. Man denke nur daran, wie das gestörte Verhältnis der Kirche zur Sexualität ist - und wie dennoch über 1500 Jahre hinweg, die Kirche die höchste Höhe des Geistes repräsentiert hat.
Wie kann Selbstbewusstsein Sprache benötigen, wenn es doch ganz schnell mit der Sprache vorbei ist, sobald es um das "phänomenale Bewusstsein" gehen soll?

Wenn sich ein Mensch sprachlich mit "Ich" ausdrückt, dann will er damit einen "jemand" ausdrücken - wer ist denn dieser "jemand" und ist dieser "jemand" nicht auch ohne Sprache vorhanden?
Wer sagt, dass dem phänomenalen Bewusstsein ein Primat zukommt?

Sicher, Existenz ist auch ohne Bewusstsein. Aber ein Hase, ein Igel, ein Affe oder eine Pflanze sind ebenso existent; nur können sie nicht auf sich selbst verweisen, also kein Selbstbewusstsein erlangen. (Der Affe vielleicht ein halbes)
Nun, wenn ein Sachverhalt durch interaktiv nachvollziehbare Umstände untermauert werden kann, dann ist das nicht "trivial", sondern die stärkste Basis, die wir als Argument liefern können. Das läuft dann nach dem Motto "schau doch selber nach und erklär es dir selbst".

Für mich sieht es so aus, dass du dich mit der Basis aus "Körper, Nervensystem und Interaktion" eher nur ganz grob beschäftigen möchtest.
Was ist denn für dich ein Mensch - spielt da das Wort "Geist" eine grössere Rolle?
Ich habe mich hinreichend mit meinem Organismus beschäftigt, um zu wissen, dass der Organismus ein Teil von mir ist, der mir die Möglichkeit schafft, mich in der sozialen und natürlichen Welt zu bewegen und Existenz zu haben. Aber ich würde den Organismus nicht sakralisieren wollen, denn ontologisch ist der Mensch nunmal Geist.

Nein, ich habe lange Jahre bestmöglich versucht, den Geistbegriff aus dem Weg zu gehen. Aber manche Gebiete der Psyche bzw. die Mentalität selbst, ist nunmal kulturgeschichtlich mit dem Prädikat "Geist" bezeichnet worden - und dieser ist kulturell, nicht biologisch.
In den meisten Fällen würde ich aber einstmals geistige Phänomene, so zu substituieren versuchen, dass sie durch zivilisatorische Prozesse oder durch (materiell) vernünftige Abwägungen auf Kausal- oder Kontingenzprozesse reduziert werden können. (Deshalb spielt die Sprache wohl auch eine entscheidende Rolle seit 150 Jahren, denn viele einstmal "Geistiges", ist schlich Sprachverwirrung)
Du hast in Bezug aus menschliches Bewusstsein von "unendlich weit weg vom Tierischen" gesprochen.
Da war ich wohl ein bisschen polemisch. Sicher ist die Zivilisation aus Prozessen entsprungen, die Anteil haben an der biologischen Evolution. Ebenso, wie dann der Mensch als Selbstbewusstsein, sich aus dieser Zivilisation heraus, im natürlichen biologischen Evolutionsprozess erkennen konnte. Woraufhin er die Kategorie der "Antrhopologie" zu gründen, in der er sich auf seinen Schädel (Die phänomenologische Endgegenständlichkeit) reduzieren konnte, um so langsam aber sicher eine Art "Übermensch" oder "zukünftiges Gottesreich" zu postulieren, statt sich als Einzelwesen aus der Evolution der Zivilisation heraus zu begreifen. (Und diese Evolution der Zivilisation einzubetten in die Evolutionsbiologie...denn biologisch sind wir ja auch eher Gene. Nur psychologisch [welch lächerliche Kategorie] scheinen wir wirklich Individuiert mit Leib - diese Perspektive aber wird, wie eben gesagt, zum Schädel und einer intersubjektivierbaren Anthropologie.)
Zuletzt geändert von Groot am Mo 18. Apr 2022, 21:14, insgesamt 1-mal geändert.




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Groot hat geschrieben :
Mo 18. Apr 2022, 20:36
Denn ein Baby hat ja offensichtlich noch kein Bewusstsein, sondern gewinnt dieses Vermögen erst im Heranwachsen.
Kannst du erklären was du damit meinst?

Babies haben Bewusstsein. Und zwar sowohl phänomenales Bewusstsein als auch Zugriffs-Bewusstsein. Selbst- bzw Ich-Bewusstsein haben sie ab einem halben Jahr.




Groot
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Mo 18. Apr 2022, 21:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Apr 2022, 20:51
Groot hat geschrieben :
Mo 18. Apr 2022, 20:36
Denn ein Baby hat ja offensichtlich noch kein Bewusstsein, sondern gewinnt dieses Vermögen erst im Heranwachsen.
Kannst du erklären was du damit meinst?

Babies haben Bewusstsein. Und zwar sowohl phänomenales Bewusstsein als auch Zugriffs-Bewusstsein. Selbst- bzw Ich-Bewusstsein haben sie ab einem halben Jahr.
naja, da bin ich skeptisch. Ich würde dort die ca. 2 Jahre ansetzen, in der sich Kinder dann im Spiegel erkennen können.

Aber es mag durchaus sein, dass ein Baby ab 6 Monaten bereits die neuronalen Veranlagungen ausprägt, die ihm oder ihr dann Selbsterkenntnis ermöglichen.




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Problematisch wird es, wenn du die Begriffe Bewusstsein und Selbstbewusstsein synonym verwendest, ohne es auszuzeichnen.




Groot
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Mo 18. Apr 2022, 22:14

Ich würde sagen, du unterschätzt das Nervensystem, die dortigen Zellmechanismen, das Heranwachsen des Körpers und die Interaktion aus Körper und Umwelt.
Übrigens lese ich momentan Resonanz von Hartmut Rosa. Dort baut alles auf der Körper-Umwelt und Körper-Leib Unterscheidung auf, also würde ich meinen, dass ich diese Interaktion schon betrachte und auch beachte. Darin findet sich u.a. ja der Unterschied von deskriptiv, askriptiv und normativ.


Bewusstsein ist für mich quasi Selbstbewusstsein. Nur in der Neurologie bedarf es der Unterscheidung von Bewusstsein und Selbstbewusstsein, um höhere Tiere von Menschen unterscheiden zu können. Aber vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt, das kann sein.




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Di 19. Apr 2022, 06:25

Christof Koch, der zusammen mit Giulio Tononi bekannt ist für die Entwicklung der integrierten Informationstheorie, schreibt in seinem Buch über Bewusstsein gleich zu Beginn:
viele sind der Ansicht, dass es [das Bewusstsein] sich gar nicht definieren lasse. Doch die Definition ist eigentlich ganz einfach. Sie lautet: Bewusstsein ist Erleben. Das ist alles. Bewusstsein ist jedes Erleben, vom normalsten bis zum außergewöhnlichsten.

[...]

Es entspricht dem, wie es sich anfühlt, lebendig zu sein. Ohne Erleben wäre ich ein Zombie; ich wäre für mich selbst nicht jemand, sondern ein Nichts. Natürlich hat mein Geist auch noch andere Facetten; insbesondere der große Bereich des Nicht- und des Unbewussten, der abseits des Scheinwerferlichts des Bewusstseins existiert. Die eigentliche Herausforderung am Körper-Geist-Problem ist jedoch das Bewusstsein, nicht die unbewusste Verarbeitung; rätselhaft ist doch, dass ich etwas sehen, etwas fühlen kann und nicht die Frage, wie mein visuelles System die auf meine Netzhaut einprasselnden Photonen so verarbeitet, dass ich ein Gesicht erkenne. Letzteres schafft jedes Smartphone, doch kein Gerät kann sehen oder fühlen.




Groot
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Di 19. Apr 2022, 14:42

(Ob man es nun "einzelne Welten" nennt oder Ansichten/Abstraktionen einer einzigen Welt, dürfte letzlich egal sein.)
Das finde ich nicht. Denn Ansichten und Abstraktionen deuten darauf hin, dass es ein und dieselbe Welt ist. Das heißt, wir haben nicht die Sache, dass Modallogik angewendet und die vielen Blickwinkel auf die Unterscheidung von subjektiv möglich/notwendig runtergebrochen wird. Wir haben keine einzelnen Welten, die - aus der Subjektperspektive - dann zu vielen Welten werden, die sich Modal greifen lassen; sondern eine große Dimension der Intersubjektivität auf welche die Modallogik als Ganze angewendet wird.

Das ist in gewisser Weise schon ein Unterschied. Einmal findet sich das Wissen nämlich subjektiv, für Einen und im anderen Fall ist es Wissen der Gemeinschaft und intersubjektiv fundiert.
Einmal greift sozusagen der Wissende ohne Erziehung auf die Naturdinge und Gott zu, einmal durch die Erziehung und das Institutionengefüge hindurch.




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