Erscheinung und Wirklichkeit

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
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NaWennDuMeinst
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Do 27. Okt 2022, 10:48

Lucian Wing hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 10:36
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 08:01
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 06:53


Ich sage allerdings an keiner Stelle, dass die Vorstellung außen sein muss. Es ging um die Frage, wo sich der Tisch befindet. Wenn der Tisch sich je im Inneren von Ottington bzw. mir befindet, dann kann keiner auf den je anderen zugreifen.
Der Tisch IST eine Vorstellung. Die Vorstellung von dem Ding das wir Tisch nennen.
Und natürlich greifen wir auf das Ding zu das wir Tisch nennen. Mithilfe unserer Wahrnehmung.
Searle sagt, dass es keine Möglichkeit gebe, den Tisch vor mir zu sehen ohne zu sehen, dass vor mir ein Tisch steht.
Er unterscheidet also nicht zwischen dem Ding (dem Phänomen) das er wahrnimmt (sieht) und seiner mentalen Interpretation und Repräsentation des Phänomens?
Das ist ja lustig.
Es braucht nach ihm zwei Erfüllungsbedingungen, nämlich den Gegenstand als auch den ganzen Sachverhalt. Die interne Relation liegt nach Searle darin, dass ich das Ding nicht sehen kann ohne zugleich den Sachverhalt zu sehen. Also einen Begriff vom Tisch habe. Der Hund nimmt den Gegenstand auch wahr, sieht aber in diesem Sinne keinen Tisch, weil ihm der Begriff fehlt.
Ja eben. Aber genau das zeigt ja, dass die Wahrnehmung und Interpretation nicht dasselbe sein kann.
Beide - Mensch und Hund - glotzen auf das selbe Ding. Wie kommt es denn nun dazu, dass der Hund aber keinen Tisch sieht, der Mensch aber schon?
Schauen sie etwa beide auf unterschiedliche Phänomene?
Und der Begriff kommt nun von aussen, also aus dem Tisch?
Wie weise ich den Begriff am Tisch nach? Kann ich den da messen?
Verstehe ich alles nicht. Ergibt für mich keinerlei Sinn.

Was Ottington hier vertritt, halte ich für grundfalsch: der Tisch IST NICHT innen.
Aber das sagt er doch gar nicht. Er sagt doch - so habe ich ihn verstanden - dass die Erscheinung (also die Vorstellung, die Interpretation davon dass dieses Phänomen da ein Tisch ist) innen ist.
Natürlich ist das Phänomen selbst nicht innen. Wir nehmen es ja als ausserhalb von uns wahr.
Es gäbe sonst keine Möglichkeit einer geteilten Intentionalität. Das Kleinkind würde niemals einen Grund haben, dem Blick des Vaters oder der Mutter zu folgen. Schon das sollte einem eigentlich sagen, dass "Der Tisch ist innen" ein falscher Satz ist.
Eltern und Kind sehen keinen Tisch. Sie sehen ein Phänomen. Sie sehen das selbe Phänomen. Weil sie gleiche Wahrnehmungen haben können sie sich auf diese gleichen Wahrnehmungen beziehen.
Warum soll das nicht gehen?
Das geht ja sogar, wenn es gar kein Phänomen gibt. Zum Beispiel wenn das Kind und die Eltern dieselbe Wahnvorstellung haben.
Jörn hat hier Tomasello irgendwo erwähnt. Den kann ich auch empfehlen. "Mensch werden" mal lesen, das hilft als Antidotum gegen idealistische und/oder rein konstruktivistische Ansätze.
Ich habe keine Ahnung was Du mit "idealistische und/oder rein konstruktivistische Ansätze" meinst. Aber wenn Tomasello meint, Vorstellungen ((also Gedanken) wären aussen in den Phänomenen, dann brauch ich den nicht lesen.
Ich weiß auch so, dass das Unsinn ist. Beziehgunweise ich würde von ihm dann verlangen eine Methode zu nennen mit der man Gedanken in äußeren Phänomenen nachweist.



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Do 27. Okt 2022, 10:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 10:48
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 10:32
Ich verstehe deine Argumentation gegen Ottington's Aussage, dass Erscheinungen (Vorstellungen) innen sind, nicht.
Das tue ich gar nicht. Ottington vertritt, das hat er bestätigt, die Ansicht, dass der Tisch innen ist.
Was meint er mit "Tisch"? Das Phänomen? Das kann nicht innen sein, wenn es als aussen wahrgenommen wird.
Dass das Phänomen aber ein Tisch ist, ist eine Interpretation, eine mentale Leistung. Das Mentale ist aber nicht aussen am Phänomen.
Ich argumentiere, dass wir nie über den Tisch reden könnten, wäre er irgendwo innen.
Ja, und ich frage nun, warum nicht? Das stimmt ja gar nicht.
Wir können ja sogar über Dinge reden die es gar nicht gibt, für die gar kein korrespondierendes Phänomen aussen existiert.
Zwei Menschen können sich einig sein, dass sie weiße Mäuse in der Ecke sehen (wenn sie unter der selben Wahnvorstellung leiden).
Und das geht ohne, dass es ein externes Phänomen gäbe das diese Vorstellung auslöst.



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Jörn Budesheim
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Ottington hat geschrieben :
Di 25. Okt 2022, 08:27
Der Tisch ist eine Erscheinung
Ottington hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 09:57
nwdm hat geschrieben : Aber es sagt doch niemand, dass die Gegenstände die uns erscheinen innen sind.
Doch, ich sag das :-)




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Do 27. Okt 2022, 11:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 11:08
Ottington hat geschrieben :
Di 25. Okt 2022, 08:27
Der Tisch ist eine Erscheinung
Ottington hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 09:57
nwdm hat geschrieben : Aber es sagt doch niemand, dass die Gegenstände die uns erscheinen innen sind.
Doch, ich sag das :-)
Gegenstände = Ding/Phänomen. Das Phänomen ist aussen.
Die Interpretation dessen was wir wahrnehmen (wie es uns erscheint, wie wir es uns vorstellen) ist aber nicht aussen. Sie ist innen.
Warum? Weil Interpretieren ein mentaler Vorgang ist.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Do 27. Okt 2022, 11:37, insgesamt 1-mal geändert.



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Dann musst du Ottington jetzt beibringen, dass er was anderes denkt als er denkt :-)




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Do 27. Okt 2022, 11:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 11:34
Dann musst du Ottington jetzt beibringen, dass er was anderes denkt als er denkt :-)
Also wenn er tatsächlich meint, dass der physische Tisch innen ist, dann brauchen wir nicht weiter drüber reden.
Das ist natürlich Quatsch. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er das so gemeint hat.
Mit "Erscheinung" meint er - so vermute ich - unsere Interpretation/mentale Repräsentation des Phänomens (des Gegenstands, des Dings) das eine Wahrnehmung auslöst.



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Do 27. Okt 2022, 11:48

Ottington sagt, der Tisch ist eine Erscheinung und die Erscheinung ist innen.




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Do 27. Okt 2022, 11:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 11:48
Ottington sagt, der Tisch ist eine Erscheinung und die Erscheinung ist innen.
Ok. Das ist... eigenwillig.



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Nauplios
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Do 27. Okt 2022, 14:43

sybok hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 22:43
Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 17:07

Das ist aber am Ende ein schwieriges Terrain; die Forschungsgruppe Poetik und Hermeneutik hatte hier einen ihrer Schwerpunkte.
Wenn du mal Lust und Zeit hast, darüber noch zusätzlich ein, zwei Sätze zu verlieren, ich würde sie lesen.
Wir können das gerne auf einen späteren Zeitpunkt verlegen, etwa nach meiner REHA. Ich muß mich erst einmal wieder ein wenig in mein altes Leben zurückkämpfen. ;)




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Nauplios
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Do 27. Okt 2022, 15:03

viewtopic.php?f=6&t=1132&p=50173&hilit= ... ire#p50173

Zu Baudelaire habe ich tatsächlich noch "ein, zwei Sätze" gefunden.

Hier ein Aufsatz zu Baudelaire, der eine erste Hinführung zu Baudelaire Begriff der "modernité" ist:

"Avec Sa jambe de statue" - Baudelaires elliptische Ästhetik der Modernität




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Ottington
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Do 27. Okt 2022, 15:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 11:48
Ottington sagt, der Tisch ist eine Erscheinung und die Erscheinung ist innen.
Wie soll etwas, das von unserem Inneren (Sinnlichkeit, Wahrnehmung, Denken, Sprache, etc.) unbeeindruckt und damit "außen" ist, ein "Tisch" sein können? Der Tisch als Erscheinung ist das Resultat einer sinnlichen Wahrnehmung und vor jeder Verstandesleistung das, worüber sich unser Verstand später den Kopf zerbrechen kann und womit aus der Erscheinung der Begriff wird.
Alles was außen ist, kann kein räumlicher Gegenstand sein, da Räumlichkeit erst durch die Wahrnehmung dazukommt.




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Ottington
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Do 27. Okt 2022, 16:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 10:48
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 10:32
Ich verstehe deine Argumentation gegen Ottington's Aussage, dass Erscheinungen (Vorstellungen) innen sind, nicht.
Das tue ich gar nicht, ich argumentiere an keiner Stelle dafür oder dagegen, dass Erscheinungen innen sind. Darüber spreche ich gar nicht. Ottington vertritt jedoch, das hat er bestätigt, die Ansicht, dass der Tisch innen ist. Ich argumentiere, dass wir nie über den Tisch reden könnten, wäre er irgendwo innen.
Wir können auch nicht über den Tisch reden, weil es den auch nicht gibt. Maximal als Begriff oder als Schema. Und wie NaWennDuMeinst schon sagt: wir sind alle baugleich und lernen von einander wie die Dinge heißen, die wirewahrnehmen. Intersubjektivität. Nicht mehr.




Timberlake
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Do 27. Okt 2022, 17:02

sybok hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 22:43
Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 17:07
Ist nicht die Moderne das Zeitalter, das sich durch die Ästhetik versteht (Baudelaire)? Man darf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt nicht zur Definition des Zeitalters verabsolutieren; und auch der braucht die Phantasie. - Eine Theorie der Moderne hätte es wesentlich mit der Ästhetik zu tun.
Interessante Sichtweise. Könnte man aber den wissenschaftlich-technischen Fortschritt nicht auch gleich unter Ästhetik sehen (es klingt im Zitat eher als Gegensatz)?
Nur mal dazu und zwar zu dieser Ästhetik, zur Info ...
  • Kant ... Kritik der reinen Vernunft
    I. Transzendentale Elementarlehre
    Der transzendentalen Elementarlehre
    Erster Teil
    Die transzendentale Ästhetik


    Eine Wissenschaft von allen Prinzipien der Sinnlichkeit a priori nenne ich die transzendentale Ästhetik Es muß also eine solche Wissenschaft geben, die den ersten Teil der transzendentalen Elementarlehre ausmacht, im Gegensatz mit derjenigen, welche die Prinzipien des reinen Denkens enthält, und transzendentale Logik genannt wird.

    In der transzendentalen Ästhetik also werden wir zuerst die Sinnlichkeit isolieren, dadurch, daß wir alles absondern, was der Verstand durch seine Begriffe dabei denkt, damit nichts als empirische Anschauung übrigbleibe. Zweitens werden wir von dieser noch alles, was zur Empfindung gehört, abtrennen, damit nichts als reine Anschauung und die bloße Form der Erscheinungen übrigbleibe, welches das einzige ist, das die Sinnlichkeit a priori liefern kann. Bei dieser Untersuchung wird sich finden, daß es zwei reine Formen sinnlicher Anschauung, als Prinzipien der Erkenntnis a priori gebe, nämlich Raum und Zeit, mit deren Erwägung wir uns jetzt beschäftigen werden.
Bin mal gespannt , ob wenigstens das "verstanden" wird. Wenn nicht, so ist wohl davon aus zu gehen , dass mit Kant , hier zum Thema "Erscheinung und Wirklichkeit" kein Blumentopf zu gewinnen ist. Was mich zumindest im Hinblick auf Nauplios , doch schon sehr wundert. Möglicherweise sieht er darin statt Blumen nur Unktraut. Für jemanden , der auf "Blumen"berg steht , wiederum nicht verwunderlich. ;)
Zuletzt geändert von Timberlake am Do 27. Okt 2022, 17:39, insgesamt 1-mal geändert.




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AufDerSonne
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Do 27. Okt 2022, 17:37

Timberlake hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 17:02
In der transzendentalen Ästhetik also werden wir zuerst die Sinnlichkeit isolieren, dadurch, daß wir alles absondern, was der Verstand durch seine Begriffe dabei denkt, damit nichts als empirische Anschauung übrigbleibe. Zweitens werden wir von dieser noch alles, was zur Empfindung gehört, abtrennen, damit nichts als reine Anschauung und die bloße Form der Erscheinungen übrigbleibe, welches das einzige ist, das die Sinnlichkeit a priori liefern kann. Bei dieser Untersuchung wird sich finden, daß es zwei reine Formen sinnlicher Anschauung, als Prinzipien der Erkenntnis a priori gebe, nämlich Raum und Zeit, mit deren Erwägung wir uns jetzt beschäftigen werden.[/i][/list]

Bin mal gespannt , ob wenigstens das "verstanden" wird. Wenn nicht, so ist wohl davon aus zu gehen , dass mit Kant , hier zum Thema "Erscheinung und Wirklichkeit" kein Blumentopf zu gewinnen ist. Was mich zumindest im Hinblick auf Nauplios , doch schon sehr wundert. Möglicherweise sieht er darin statt Blumen nur Unktraut. Für jemanden , der auf "Blumen"berg wiederum nicht verwunderlich. ;)
Also irgendwie bringt Kant hier Raum und Zeit in die Diskussion.
Ich finde auch schon lange, dass bei Diskussionen über die Wirklichkeit, Raum und Zeit eine Rolle spielen müssten.
Können wir uns Raum und Zeit bei unserer Wahrnehmung von einem materiellen Gegenstand total wegdenken? Hm, eher nicht. Diese zwei Dinge sind so elementar mit dem Menschen verwoben.
Ohne Zeit etwa, hätten wir keine Vergangenheit. Das würde sich schon einmal ziemlich blöd anfühlen. Ohne Raum könnten wir uns dann auch nicht bewegen. Auch ein eher unangenehmer Gedanke.



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Do 27. Okt 2022, 17:43

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 23:22
Aber du streitest nicht ab, dass der Mensch auch die Realität konstruiert? Nämlich indem er durch seine Handlungen die Realität verändert?
Nein, viel schlimmer ( :-) ):
Der Körper (Mensch) gehört zur Realität.

Ich vermute, bei "Realität" hast du nur an die Umwelt gedacht. Das wäre zu wenig.
Wenn Realität Reaktion konstruiert, dann ist natürlich die dadurch ablaufende Reaktion wiederum eine Veränderung der Realität.
Du hast es auf menschliche Handlungen beschränkt, aber tatsächlich ist jede Zellaktivität eine Veränderung der Realität und kann dadurch wiederum in die Konstruktion der nächsten Reaktion eingehen.




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AufDerSonne
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Do 27. Okt 2022, 17:50

Körper hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 17:43
Du hast es auf menschliche Handlungen beschränkt, aber tatsächlich ist jede Zellaktivität eine Veränderung der Realität und kann dadurch wiederum in die Konstruktion der nächsten Reaktion eingehen.
Das ist mir jetzt zu pingelig. Ich denke, wichtig sind erst einmal die menschlichen Handlungen, das, was der Mensch tut jeden Tag.
Wenn ich einem Kollegen einen Brief schreibe, dann interessiert, was ich geschrieben habe, nicht, welche Zelle wie reagiert hat.



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Timberlake
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Do 27. Okt 2022, 17:55

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 17:37
Timberlake hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 17:02
In der transzendentalen Ästhetik also werden wir zuerst die Sinnlichkeit isolieren, dadurch, daß wir alles absondern, was der Verstand durch seine Begriffe dabei denkt, damit nichts als empirische Anschauung übrigbleibe. Zweitens werden wir von dieser noch alles, was zur Empfindung gehört, abtrennen, damit nichts als reine Anschauung und die bloße Form der Erscheinungen übrigbleibe, welches das einzige ist, das die Sinnlichkeit a priori liefern kann. Bei dieser Untersuchung wird sich finden, daß es zwei reine Formen sinnlicher Anschauung, als Prinzipien der Erkenntnis a priori gebe, nämlich Raum und Zeit, mit deren Erwägung wir uns jetzt beschäftigen werden.[/i][/list]

Bin mal gespannt , ob wenigstens das "verstanden" wird. Wenn nicht, so ist wohl davon aus zu gehen , dass mit Kant , hier zum Thema "Erscheinung und Wirklichkeit" kein Blumentopf zu gewinnen ist. Was mich zumindest im Hinblick auf Nauplios , doch schon sehr wundert. Möglicherweise sieht er darin statt Blumen nur Unktraut. Für jemanden , der auf "Blumen"berg wiederum nicht verwunderlich. ;)
Also irgendwie bringt Kant hier Raum und Zeit in die Diskussion.
Ich finde auch schon lange, dass bei Diskussionen über die Wirklichkeit, Raum und Zeit eine Rolle spielen müssten.
Können wir uns Raum und Zeit bei unserer Wahrnehmung von einem materiellen Gegenstand total wegdenken? Hm, eher nicht. Diese zwei Dinge sind so elementar mit dem Menschen verwoben.
Ohne Zeit etwa, hätten wir keine Vergangenheit. Das würde sich schon einmal ziemlich blöd anfühlen. Ohne Raum könnten wir uns dann auch nicht bewegen. Auch ein eher unangenehmer Gedanke.
.. wenigsten einer , der sich gegenüber Kant , bei aller "unverdaulichkeit , seines göttlichen Kuchens " aufgeschlossen zeigt.
Nauplios hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 15:03

Hier ein Aufsatz zu Baudelaire, der eine erste Hinführung zu Baudelaire Begriff der "modernité" ist:

"Avec Sa jambe de statue" - Baudelaires elliptische Ästhetik der Modernität

"Vielmehr wanderte die beauté particulière in die Sphäre des beau ideale ein, als, wie Baudelaire mit einer gastronomischen Metapher sagte „Avec sa jambe de statue“„die Speiselust reizender Überzug des göttlichen Kuchens“, der ohne diesen Überzug unverdaulich bleiben müsste. Die Museumsbesucher, die Baudelaire karikiert, sind nicht nur blind für die Bilder zweiten Ranges, in denen eine Schatzkammer des veränderlichen Schönen enthalten ist, sie sind auch blind für das modische, gegenwartsverhaftete Element in den Tizians und Raffaels,,die sie bestaunen, für die beauté particulière im scheinbar zeitenthobenen Klassischen

Man kann übrigens auch Blind für das .. " modische, gegenwartsverhaftete Element" ..einer Philosophie , wie der von Kants "Kritik der reinen Vernunft" sein. Wenn gleich während dessen , von einem bestaunen , zumindest hier in diesem Thread, keine Rede sein kann. Müsste man doch dazu Kant zur Kenntnis nehmen. Offenbar konnte dazu noch nicht einmal mein Versuch , dergleichen Unverdauliches , mit einem schmackhaften Überzug zu versehen, hilfreich sein.




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Do 27. Okt 2022, 18:32

Timberlake hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 00:26
Wenn denn ein Wahrnehmungsprinzip (die Funktionsweise des Menschen) gesucht wird , dann doch wohl auf der Grundlage eines wahrgenommenen Gegenstandes bzw. einer wahrgenommenen Realität.
...
Wer A "Nö, es startet nicht mit Gegenstand - Ende der Durchsage" sagt , muss B "Nö , es startet nicht mit der Realität - Ende der Durchsage"" sagen. Somit du dich mit "sondern der Mensch reagiert direkt auf Realität" selbst widersprochen haben dürftest.
Ich verstehe das so, dass du "Gegenstand" und "Realität" gleichsetzen möchtest.
Bei mir ist "Realität" viel allgemeiner gefasst, als "Gegenstand".

Wenn ein Mensch die Umwelt und sich selbst sieht, dann schliesst er über das, was er zur Verfügung hat, auf "die Gegenstände".
Das, was er zur Verfügung hat, kommt dann in diesen "Gegenständen" gar nicht vor, gehört aber dennoch zur Realität.
Beim Sehen startet der Mensch mit Strahlungseinwirkung. Obwohl der Mensch also unmittelbar der Strahlung "gegenüber steht", kommt sie für ihn als "Gegenstand" nicht vor.
"Gegenstand" ist das, was sich der Mensch aus den Strahlungsunterschieden (samt anderer Interaktionsumstände) erschliesst.

Wenn man gleich mit "Gegenstand" startet, dann ergibt sich das Problem, dass man nicht mehr vom "Gegenstand" wegkommt, obwohl man es müsste, weil man die Wahrnehmung (teilweise) als unzulänglich in Bezug zum Gegenstand erkennt (siehe z.B. "schräge Linien").
Du scheinst diesen Vorgang ja durchaus nachvollziehen zu wollen, weshalb du den Versuch "reiner Gegenstand" ins Spiel bringst.
So Attribute wie "rein" und "unrein" (oder was auch immer) bringen aber keine Verbesserung, denn es geht schlicht nicht um "Gegenstand".

Schau dir mal an, was in WIKI zu "Gegenstand in der Philosophie" steht:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gegenstand#Philosophie

Kontrovers war und ist beispielsweise, ob nur – ggf. potentiell – direkt empirisch „Gegebenes“ als „Gegenstand“ in Frage komme; ob unter bloß gedachten Objekten auch Schimären oder widersprüchliche Merkmalszusammenstellungen „Gegenstände“ heißen können; ob von einem „Gegenstand“ zu sprechen mit einer Existenzpräsupposition einhergeht.
Das Durcheinander, samt Ontologie-Gefahr, scheint wohl durchaus schon aufgefallen zu sein.
Ich habe es oben ja bereits deutlich angesprochen, mit "Gegenstand" sind wir mitten in unsinniger Ontologie.
Wer "Gegenstand" als Startpunkt akzeptiert, kommt aus diesem Zeugs nicht mehr heraus.
Vor allem verliert so jemand sofort jegliches Interesse am Nervensystem (wir kennen das ja), denn dieses startet nirgendwo mit "Gegenstand".




Timberlake
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Do 27. Okt 2022, 18:33

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 17:37

Also irgendwie bringt Kant hier Raum und Zeit in die Diskussion.
Ich finde auch schon lange, dass bei Diskussionen über die Wirklichkeit, Raum und Zeit eine Rolle spielen müssten.
.. das finde ich auch. Wie wollte man sich auch "Erscheinung und Wirklichkeit" außerhalb von Raum und Zeit "vorstellen" .
  • Der Raum ist eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann sich niemals eine Vorstellung davon machen, daß kein Raum sei, ob man sich gleich ganz wohl denken kann, daß keine Gegenstände darin angetroffen werden.
    ...
    . Die Zeit ist eine notwendige Vorstellung, die allen Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann in Ansehung der Erscheinungen überhaupt die Zeit selbst nicht aufheben, ob man zwar ganz wohl die Erscheinungen aus der Zeit wegnehmen kann. Die Zeit ist also a priori gegeben. In ihr allein ist alle Wirklichkeit der Erscheinungen möglich. Diese können insgesamt wegfallen, aber sie selbst als die allgemeine Bedingung ihrer Möglichkeit, kann nicht aufgehoben werden.
    Kant ... Der transzendentalen Ästhetik
Zuletzt geändert von Timberlake am Do 27. Okt 2022, 18:53, insgesamt 2-mal geändert.




Timberlake
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Do 27. Okt 2022, 18:41

Körper hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 18:32

Schau dir mal an, was in WIKI zu "Gegenstand in der Philosophie" steht:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gegenstand#Philosophie

Kontrovers war und ist beispielsweise, ob nur – ggf. potentiell – direkt empirisch „Gegebenes“ als „Gegenstand“ in Frage komme; ob unter bloß gedachten Objekten auch Schimären oder widersprüchliche Merkmalszusammenstellungen „Gegenstände“ heißen können; ob von einem „Gegenstand“ zu sprechen mit einer Existenzpräsupposition einhergeht.
Das Durcheinander, samt Ontologie-Gefahr, scheint wohl durchaus schon aufgefallen zu sein.
Ich habe es oben ja bereits deutlich angesprochen, mit "Gegenstand" sind wir mitten in unsinniger Ontologie.
Wer "Gegenstand" als Startpunkt akzeptiert, kommt aus diesem Zeugs nicht mehr heraus.
Vor allem verliert so jemand sofort jegliches Interesse am Nervensystem (wir kennen das ja), denn dieses startet nirgendwo mit "Gegenstand".
.. was würdest du denn anstatt dessen als Startpunkt akzeptieren?
Körper hat geschrieben :
Do 13. Okt 2022, 21:12

Du fragst dich "Was ist, wenn unsere Sinne uns genau das liefern, was die Dinge sind?".

Sie es mal so:
die Sinneszellen werden durch Stimulation zu einer exakten Entsprechung in Form von nervösen Impulsen angeregt.
D.h. das, was an physikalischer/chemischer Wirkung "eingeht", wird auch korrekt weitergeleitet.
Dir ist doch wohl schon klar, dass du hier diesen Startpunkt ausblendest. Es sei dir allerdings unbenommen das , was die Stimulation auslöst , nachträglich zu ergänzen. Weil wir uns daraufhin mitten in einer unsinniger Ontologie befinden , dürfte ein Gegenstand schon mal dafür ausfallen.
Körper hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 18:32

Ich verstehe das so, dass du "Gegenstand" und "Realität" gleichsetzen möchtest.
Bei mir ist "Realität" viel allgemeiner gefasst, als "Gegenstand".
Die Realität dürfte , obgleich viel allgemeiner gefasst, als "Gegenstand", übrigens gleichfalls ausfallen.
Körper hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 18:32
Wenn man gleich mit "Gegenstand" startet, dann ergibt sich das Problem, dass man nicht mehr vom "Gegenstand" wegkommt, obwohl man es müsste, weil man die Wahrnehmung (teilweise) als unzulänglich in Bezug zum Gegenstand erkennt (siehe z.B. "schräge Linien").
Was wäre denn , wenn wir mit der Realität starten ? Weil man die Wahrnehmung (teilweise) als unzulänglich in Bezug zur Realität erkennt, müsste man deshalb nicht auch von der Realität wegkommen? Um auf dein Beispiel mit den "schrägen Linien" zurück zu kommen. In der Realität sind da tatsächlich keine schrägen Linien. Das gilt aber auch für den Gegenstand. Wie in der Realität , so verlaufen auch beim Gegenstand, die Linien parallel. Wo wir schon mal dabei sind . Kann man sich denn diese Realität auch ohne Gegenstand vorstellen? Kann es überhaupt eine Realität ohne Gegenstände geben?




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