Erscheinung und Wirklichkeit

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
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AufDerSonne
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Fr 22. Mär 2024, 23:40

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 23:31
Trotzdem finde ich persönlich, wie schon gesagt, die Transzendentalphilosophie zwar faszinierend aber nicht überzeugend. Ein kritischer naturwissenschaftlicher Zugang zu den Dingen erscheint mir aussagekräftiger als idealistische oder am Alltag orientierte Weltanschauungen.
Sehr gut. Endlich kommen wir wieder auf die richtige Spur. Ich löste mich schon im Idealismus auf, meine Gedanken begannen zu kreisen, ein einziges grosses Wirrwarr im Kopf.



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Timberlake
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Sa 23. Mär 2024, 00:59

Salutitutti hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 12:10
. Unsere Begriffe sind vielleicht mangelhaft, weil sie die Vielfalt der Wirklichkeit nicht wiedergeben können.
Wie gesagt ... nach Hegel steht zwischen das , was draußen außerhalb unser Sinne wirklich ist und unseren Begriffen , die wir uns daraus machen, das Wesen.

  • "Das Wesen ist das Anundfürsichsein, aber dasselbe in der Bestimmung des Ansichseins; denn seine allgemeine Bestimmung ist, aus dem Sein herzukommen oder die erste Negation des Seins zu sein"
    Hegel .. Wissenschaft der Logik
Aber bereits dieses Wesen ist , als "erste Negation dieses Seins(Hegel) " mangelhaft.
AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 23:40
Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 23:31
Trotzdem finde ich persönlich, wie schon gesagt, die Transzendentalphilosophie zwar faszinierend aber nicht überzeugend. Ein kritischer naturwissenschaftlicher Zugang zu den Dingen erscheint mir aussagekräftiger als idealistische oder am Alltag orientierte Weltanschauungen.
Sehr gut. Endlich kommen wir wieder auf die richtige Spur. Ich löste mich schon im Idealismus auf, meine Gedanken begannen zu kreisen, ein einziges grosses Wirrwarr im Kopf.
  • " Seine .. (Wesen) .. Bewegung besteht darin, die Negation oder Bestimmung an ihm zu setzen, dadurch sich Dasein zu geben und das als unendliches Fürsichsein zu werden, was es an sich ist. So gibt es sich sein Dasein, das seinem Ansichsein gleich ist, und wird der Begriff. Denn der Begriff ist das Absolute, wie es in seinem Dasein absolut oder an und für sich ist.
    Hegel .. Wissenschaft der Logik
... ich würde übrigens , weil zwischen dem tatsächlich , absoluten Sein und dem tatsächlichen , absoluten Begriff stehend , dieses im Vergleich dazu imaginäre relative Wesen eben dieser Transzendentalphilosophie zu ordnen. Nur um einmal an dieser Stelle , diese Spur nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren. Zumal mir dergleichen durchaus dazu geeignet scheint, auch diese kreisenden Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken.




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Jörn Budesheim
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Sa 23. Mär 2024, 06:47

Michael7Nigl hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 23:31
Der Stoff, der sich in diesem Thread angesammelt hat, lässt sich kaum bewältigen.
Das müssen wir auch nicht, es reicht, wenn sich die Gedanken zu kreisen beginnen, wir unseren Alltag besser verstehen und nicht bei den Naturwissenschaften stehen bleiben, sondern die Fülle der Wirklichkeit erkennen ;)




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Jörn Budesheim
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Sa 23. Mär 2024, 07:40

Noch ein Nachtrag zu den Naturwissenschaften: Natürlich habe ich, wie fast alle, eine kurze Geschichte der Zeit gelesen, schaue mit Begeisterung Videos von Harald Lesch, habe Bücher über das Gehirn im Regal stehen und bin fasziniert, wenn ich die Komplexität einer "einfachen" Zelle betrachte. Das alles gebe ich gerne zu.

Trotzdem können uns die Naturwissenschaften nichts über Werte sagen, sie sagen uns viel darüber, was ist, aber nichts darüber, was sein soll. Sie können keine Gedichte interpretieren oder Kunstwerke verständlich machen, das Rätsel eines Gesichts offen halten. Der Grund dafür ist, dass sie jeweils nur eine bestimmte ontologische Provinz untersuchen, wie man manchmal sagt, aber die Wirklichkeit ist viel, viel weiter und komplexer.




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Jörn Budesheim
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Sa 23. Mär 2024, 08:58

Salutitutti hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 17:56
Alles, was existiert, existiert in seiner begrifflichen Ordnung. Ein Baum kann auch ein Spielplatz sein für Kinder, die darauf spielen. Der Kontext des Dings, sein Eingebettetsein in die Tatsachenstrukturen, machen aus ihm das, was er ist - im jeweiligen Zusammenhang. Es gibt nicht nur physikalische Tatsachen, daher kann es auch nicht nur physikalische Dinge geben. Als Hinweis (nicht als Beweis) dient uns in erster Linie der Umstand, dass sich die Wissenschaft "Physik" nicht physikalisch erklären lässt. Physik kann sich nicht selber beschreiben mit ihren physikalischen Methoden, sie braucht wiederum Tatsachen anderer Ordnungen, um auf sich selbst als Wissenschaft zu referenzieren.
Salutitutti hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 21:18
Zu Punkt 3: Problematisch wird es, wenn wir behaupten, dass es die Welt nicht gibt. :-) Sehr kontraintuitiv.
Ich müsste noch besser verstehen, wie Zitat Nummer 1 zu deuten ist. Insbesondere der Ausdruck von der begrifflichen Ordnung ist mir noch nicht klar. Aber vom Prinzip her könnte es sein, dass auch deine Ausführungen darauf hinauslaufen, dass es die Welt nicht gibt: Nicht alles hängt mit allem zusammen, es gibt keinen Masterbereich, z. B. Atome und Leere, auf den alles andere zurückzuführen wäre. Und weil es die Welt nicht gibt, also keinen Kosmos, gibt es eben alles andere, eine bunte unendliche Vielfalt.




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Sa 23. Mär 2024, 09:24

Salutitutti hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 15:13
[Der] Sinnesapparat [der Biene] zeigt ihr diese Realität des Tisches, welche uns verborgen bleibt. Ihre Wahrnehmung müsste aber die genau Gleiche sein, wenn es sich nicht um Repräsentationen handelte?
Wir sehen ja nie die Wirklichkeit im Ganzen, schon deshalb nicht, weil es die Wirklichkeit im Ganzen gar nicht gibt, sondern immer nur kleine Ausschnitte. Die Biene ist sensibel für Ausschnitte der Wirklichkeit, die wir nicht wahrnehmen können. Daraus folgt meines Erachtens nicht, dass zwischen uns und der Wirklichkeit Repräsentationen stehen.

Ich glaube, dass die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenwelt oft in die Irre führt. Unsere Wahrnehmung ist nicht in uns, sie bringt uns in Kontakt mit der Realität, von der wir ein Teil sind. Die Wahrnehmung ist vielleicht eher so etwas wie eine Beziehung. Und Beziehungen sind ebenso Teil der Wirklichkeit wie subatomare Teilchen oder Felder.




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Sa 23. Mär 2024, 09:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 07:40
Noch ein Nachtrag zu den Naturwissenschaften: Natürlich habe ich, wie fast alle, eine kurze Geschichte der Zeit gelesen, schaue mit Begeisterung Videos von Harald Lesch, habe Bücher über das Gehirn im Regal stehen und bin fasziniert, wenn ich die Komplexität einer "einfachen" Zelle betrachte. Das alles gebe ich gerne zu.

Trotzdem können uns die Naturwissenschaften nichts über Werte sagen, sie sagen uns viel darüber, was ist, aber nichts darüber, was sein soll. Sie können keine Gedichte interpretieren oder Kunstwerke verständlich machen, das Rätsel eines Gesichts offen halten. Der Grund dafür ist, dass sie jeweils nur eine bestimmte ontologische Provinz untersuchen, wie man manchmal sagt, aber die Wirklichkeit ist viel, viel weiter und komplexer.
So gesehen ist die Naturwissenschaft etwas Objektives, meist Nachprüfbares, während "sein soll" etwas Subjektives ist, das man so oder auch anders sehen kann. Das Soll ist etwas Menschliches, der Mensch hat aber sehr unterschiedliche Interessen, fährt dann gerne gegen Andere auch mal seine Ellenbogen aus, kämpft um seine Ideen usw. - und steht so für verschiedene Wirklichkeiten. (Dabei wird das natürlich noch durch die unterschiedlichen Ausschnitte der Wirklichkeit(en) verstärkt.)
Kein Wunder, dass die(se) Wirklichkeiten so komplex oder auch kompliziert sind - eben im Gegensatz zu der relativ klaren Naturwissenschaft.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Komplexität ist eine inhärente Eigenschaft vieler Dinge, die Gegenstand der Naturwissenschaften sind.

Werte sind so real wie irgendetwas und natürlich ebenso objektiv. Die Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Interessen haben, spricht gerade dafür und nicht dagegen.




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Sa 23. Mär 2024, 09:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 09:37
Komplexität ist eine inhärente Eigenschaft vieler Dinge, die Gegenstand der Naturwissenschaften sind.

Werte sind so real wie irgendetwas und natürlich ebenso objektiv. Die Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Interessen haben, spricht gerade dafür und nicht dagegen.
Was ist an einem Wert real bzw. objektiv, wenn er gilt oder eben auch nicht? Ist z.B. "Spinat ist sehr gesund" ein realer Wert oder nicht? Oder "Süßigkeiten sind sehr gesund"?



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Sa 23. Mär 2024, 11:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 09:24
Die Wahrnehmung ist vielleicht eher so etwas wie eine Beziehung.
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das in mein Paket an Überzeugungen passt. Sicher bin ich mir, dass die Banane gelb ist und dass das Gelb der Banane sich nicht in unserem Geist oder Gehirn befindet. Das steht für mich fest. Das Gelb ist eine "Art des Gegebenseins" der Banane. Das ist auch etwas, was wir richtig oder falsch erfassen können. (Dieser Objektivitätskontrast, also der Umstand, dass wir uns in etwas irren können, ist meines Erachtens ein Lackmustest für den Realismus.) Wenn ich anstelle von einer "Art des Gegebensein" oben von einer "Beziehung" spreche, muss man sich diese Beziehung wahrscheinlich als einen Vektor vorstellen, der gleichsam von der Banane abstrahlt. Die Banane strahlt aus und wir haben die geeignete Registratur, um diesen Aspekt der Wirklichkeit zu erfassen.




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Sa 23. Mär 2024, 11:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 07:40
Der Grund dafür ist, dass sie jeweils nur eine bestimmte ontologische Provinz untersuchen, wie man manchmal sagt, aber die Wirklichkeit ist viel, viel weiter und komplexer.
"Höchste Reinheit, Klarheit und Sicherheit auf Kosten der Vollständigkeit. Was kann es aber für einen Reiz haben, einen so kleinen Ausschnitt der Natur genau zu erfassen, alles Feinere und Komplexere aber scheu und mutlos beiseite zu lassen? Verdient das Ergebnis einer so resignierten Bemühung der stolzen Namen "Weltbild"?
Ich glaube der stolze Name ist wohlverdient, denn die allgemeinen Gesetze, auf die das Gedankengebäude der theoretischen Physik gegründet ist, erheben den Anspruch für jedes Naturgeschehen gültig zu sein." (Einstein)

Ich glaube, die Physik untersucht die ganze Welt, nicht nur eine bestimmte Provinz des Seins.



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Sa 23. Mär 2024, 11:53

Salutitutti hat geschrieben :
Fr 22. Mär 2024, 17:56
Du nennst es Ursache, ich nenne es Bezugsobjekt.
Hier würde ich Zweifel anmelden, ob das wirklich dasselbe ist. Statt Bezugsobjekt würde ich sagen: intentionaler Gegenstand, also der Gegenstand der Wahrnehmung. Und das scheint mir eher eine logische Struktur zu sein, bei der beantwortet wird, was ich wahrnehme. Dass diese Struktur irgendwie auch kausal verwirklicht wird, keiner weiß genau wie, ist vermutlich so. Aber das ist eben nicht nur kausal. "Etwas als etwas" zu erkennen, ist meines Erachtens nicht bloß ein kausales Geschehen, sondern gehört zum Logos. Schließlich haben wir hier auch einen normativen Aspekt. Man kann ja "etwas als etwas" zu erkennen meinen, aber sich irren.




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Sa 23. Mär 2024, 11:55

AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 11:46
Ich glaube, die Physik untersucht die ganze Welt, nicht nur eine bestimmte Provinz des Seins.
Untersucht die Physik zum Beispiel die Mathematik? Natürlich nicht, und neben der Natur im Sinne der Physik gibt es noch viele andere Bereiche, z.B. den Bereich des Sozialen, der Politik etc. pp.




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Quk
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Sa 23. Mär 2024, 12:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 11:41
Sicher bin ich mir, dass die Banane gelb ist und dass das Gelb der Banane sich nicht in unserem Geist oder Gehirn befindet. Das steht für mich fest.
Mich würde interessieren, ob Deiner Überzeugung nach "gelb" bloß eine abstrakte Eigenschaft ist, die mittels Eigenschaftswort symbolisiert wird, -- oder ob dieses Symbolisierte über das Symbolische hinausgeht und eine Qualität ist. Kurz gefasst, vier Fragen: Sind unsere Empfindungen qualitätsfrei? Geschehen unsere Empfindungen in der Banane? Sind wir Banane? Wie ist es, gelb zu sein?




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Sa 23. Mär 2024, 12:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 11:55
AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 11:46
Ich glaube, die Physik untersucht die ganze Welt, nicht nur eine bestimmte Provinz des Seins.
Untersucht die Physik zum Beispiel die Mathematik? Natürlich nicht, und neben der Natur im Sinne der Physik gibt es noch viele andere Bereiche, z.B. den Bereich des Sozialen, der Politik etc. pp.
Ja. Aber Philosophie ohne Physik wäre lahm. Die Philosophie sollte die Physik zur Hilfe nehmen, dort wo es Sinn macht. Und das ist unter anderem bei den wichtigen Bereichen der Wahrnehmung und der Wirklichkeit.



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Jörn Budesheim
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Sa 23. Mär 2024, 12:37

Quk hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 12:19
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 11:41
Sicher bin ich mir, dass die Banane gelb ist und dass das Gelb der Banane sich nicht in unserem Geist oder Gehirn befindet. Das steht für mich fest.
Mich würde interessieren, ob Deiner Überzeugung nach "gelb" bloß eine abstrakte Eigenschaft ist, die mittels Eigenschaftswort symbolisiert wird, -- oder ob dieses Symbolisierte über das Symbolische hinausgeht und eine Qualität ist. Kurz gefasst, vier Fragen: Sind unsere Empfindungen qualitätsfrei? Geschehen unsere Empfindungen in der Banane? Sind wir Banane? Wie ist es, gelb zu sein?
Gelb ist ein grundlegender Begriff, tiefer geht es nicht. Man kann diesen Begriff nicht durch etwas Anderes ersetzen, zum Beispiel, wie es manchmal versucht wird, durch die Wellenlänge des Lichts. Die Banane ist gelb. Das ist etwas reales. Präziser kann ich das nicht ausdrücken. Wir verfügen in der Regel über die geeigneten Rezeptoren, um diese Eigenschaft der Banane selbst wahrzunehmen. Wir produzieren diese Eigenschaft nicht, wir nehmen sie wahr, sie ist völlig real.




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Sa 23. Mär 2024, 12:39

AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 12:31
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 11:55
AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 11:46
Ich glaube, die Physik untersucht die ganze Welt, nicht nur eine bestimmte Provinz des Seins.
Untersucht die Physik zum Beispiel die Mathematik? Natürlich nicht, und neben der Natur im Sinne der Physik gibt es noch viele andere Bereiche, z.B. den Bereich des Sozialen, der Politik etc. pp.
Ja. Aber Philosophie ohne Physik wäre lahm. Die Philosophie sollte die Physik zur Hilfe nehmen, dort wo es Sinn macht. Und das ist unter anderem bei den wichtigen Bereichen der Wahrnehmung und der Wirklichkeit.
Jetzt hast du allerdings das Thema gewechselt. Das Thema war die Frage, ob es neben den Provinzen, die die verschiedenen Naturwissenschaften untersuchen, noch weitere Bereiche gibt.




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Sa 23. Mär 2024, 12:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 12:37
Gelb ist ein grundlegender Begriff, tiefer geht es nicht. Man kann diesen Begriff nicht durch etwas Anderes ersetzen, zum Beispiel, wie es manchmal versucht wird, durch die Wellenlänge des Lichts. Die Banane ist gelb. Das ist etwas reales. Präziser kann ich das nicht ausdrücken. Wir verfügen in der Regel über die geeigneten Rezeptoren, um diese Eigenschaft der Banane selbst wahrzunehmen. Wir produzieren diese Eigenschaft nicht, wir nehmen sie wahr, sie ist völlig real.
Danke für die Klärung. Ich stimme jedem Satz zu, besonders dem Halbsatz "wir nehmen sie wahr".

Weitere Gedanken: Diese Gelbwahrnehmung bezeichne ich als eine spezielle Qualität. Diese Qualität besteht nicht aus den Buchstaben g, e, l, b, und auch nicht aus einer Wellenlängenzahl, sondern schlichtweg aus einer nicht näher beschreibbaren Qualität an sich, die sich zum Beispiel von der Qualität der Rotwahrnehmung unterscheidet.




Salutitutti
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Sa 23. Mär 2024, 19:51

Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 09:44
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 09:37
Komplexität ist eine inhärente Eigenschaft vieler Dinge, die Gegenstand der Naturwissenschaften sind.

Werte sind so real wie irgendetwas und natürlich ebenso objektiv. Die Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Interessen haben, spricht gerade dafür und nicht dagegen.
Was ist an einem Wert real bzw. objektiv, wenn er gilt oder eben auch nicht? Ist z.B. "Spinat ist sehr gesund" ein realer Wert oder nicht? Oder "Süßigkeiten sind sehr gesund"?
Der Werterealismus muss angeben können, was richtiges und falsches Handeln in moralischem Zusammenhang ist. Nun gilt aber doch ganz objektiv, dass du nicht eingesperrt und gequält werden willst. Sofern das gilt, gilt auch, dass ich mich danach zu richten habe und es unterlassen soll, dich zu quälen.

Wir können natürlich die Existenz der Menschenwürde bezweifeln und sie im Reich der Konstruktionen verorten.Aber sehr viel Evidenz spricht eben dagegen.

Nun ist es wahr, dass es einen qualitativen Unterschied gibt zwischen dem Gegenstand "Würde" und dem Gegenstand "Stein". Letzterer ist persistent, physikalsisch robust und man kann nicht umhin, sich zu verletzen. wenn man sich an ihm stösst. Da braucht es keine menschlichen Handlungen dazu, die Physik sorgt qua Naturgesetze dafür, dass ein unsorgsamer Umgang mit einem Stein Konsequenzen hat. Wenn wir die Menschenwürde verletzen, bestraft uns aber auch jemand, zwar nicht die Physik, sondern die Gesellschaft. Dass die Gesellschaft die Menschenwürde "in Kraft" setzen muss, damit sie Konsequenzen zeitige, ist jedoch nicht ein Hinweis für ihr Konstruiertsein, als vielmehr für die Tatsache, dass sie kein physikalisches Ding ist, das kausalen Gesetzen folgt.

Ethik ist die Disziplin von Menschen im Lichte ihrer selbst als empfindsame Wesen. Sofern wir Menschen sind, schulden wir einander diesen Schutz und zwar ganz objektiv. Dass wir Schutzbedürftige sind, kann man evidenzbasiert erheben durch empirische Studien. Man wird finden, dass 99% der Befragten nicht unnötig leiden wollen, nicht gegen ihren Willen eingesperrt sein wollen und mit Fairness behandelt werden möchten. Das ist also ein objektiv gegebener Umstand und die Verletzung / Missachtung dieser Fakten ist ein objektiver Fehler.

Es ist ferner kein Gegenargument für die Realität von Werten, dass 1% gerne unfreiwillig eingesperrt ist und gequält wird. Es verweist der Umstand, dass jemand gerne eingesperrrt ist nur darauf, dass er gewisse Dinge freiwillig zu erleiden bereit ist und sofern sich zwei oder mehrere finden, die daran Gefallen gefunden haben, sich gegenseitig zu unterdrücken und zu quälen, ist es kein moralisch relevanter Sachverhalt mehr, da es moralisch neutral ist, dass zwei übereinkommen, einander zu schaden (sofern sie dabei anderen nicht schaden, die es nicht wollen).

Wer die Menschenwürde verletzt, irrt objektiv. Aber es ist wahr, dass es viel subtilere moralische Sachverhalte gibt, die so komplex sind, dass wir die Richtgkeit kaum oder gar nicht erkennen können (moralische Dilemma) Aber auch die Naturwissenschaften können vieles heute nicht, was sie später können werden und wir sprechen ihr wegen dieses Mangels auch nicht ab, objektiv zu verfahren: d.h. die (realen) Sachverhalte im Auge zu haben.. Das ist m.E. gemeint mit realen Werten, dass es bei ihnen um reale Situationen geht, in denen Menschen stecken können.




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Jörn Budesheim
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Sa 23. Mär 2024, 20:16

Salutitutti hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 19:51
Der Werterealismus muss angeben können, was richtiges und falsches Handeln in moralischem Zusammenhang ist.
Salutitutti hat geschrieben :
Sa 23. Mär 2024, 19:51
Aber auch die Naturwissenschaften können vieles heute nicht, was sie später können werden und wir sprechen ihr wegen dieses Mangels auch nicht ab, objektiv zu verfahren: d.h. die (realen) Sachverhalte im Auge zu haben.
Diese beiden Passagen des Beitrags scheinen sich ein wenig zu beißen, aber ansonsten haben wir eine große Übereinstimmung.




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