Erscheinung und Wirklichkeit

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
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Jörn Budesheim
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Mi 26. Okt 2022, 15:40

Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 15:25
Wir malen uns das akustische Bild unterschiedlich aus, nach individuellen Vorstellungen; aber niemand würde sagen: "Also ich höre eine vielbefahrene Autobahn" ..."Ich höre das Geräusch einer Kreissäge"
Genau. Nach meiner Vorstellung ist unsere individuelle "mentale Aufführung" des Stücks ist ein Teil des Stücks selbst. Aber das ist nicht alles und nicht beliebig. Es gibt nach meiner Vorstellung hier objektive "Potenziale", die ich treffen oder verfehlen kann. Das sieht (hört) man zum Beispiel daran, dass man das Hören eines Stücks regelrecht lernen kann. Andere können mich auf Aspekte hinweisen, die ich zuvor nicht richtig erfasst habe. Ich war mal bei einer Probe des "Ensemble Modern", da hab ich das am eigenen Leib erlebt. Ich konnte (zunächst) vieles nicht hören, aber es war mir auch möglich, mithilfe von Fingerzeigen des Komponisten, ein Ohr dafür zu entwickeln.




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Nauplios
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Mi 26. Okt 2022, 15:55

Worauf ich mit diesem Beispiel so ein wenig hinauswollte: Wir können die Leistungen des Bewußtseins bei der Erfahrung von "Gegenständen" (hier war es ein Beispiel aus der Musik) anerkennen, ohne daß wir damit die Wirklichkeit in Konstruktionen aufgehen lassen. Der Gegensatz von Konstruktivismus und Realismus ist nicht zwingend, sofern man beide nicht mit einem Feindbild des jeweils anderen ausstaffiert. Die Radikalisierung, sich als die Überwindung des je anderen verstehen zu sollen, scheint mir je auf eine Engführung zuzulaufen. (Gegenstände werden dann innerhalb/außerhalb eine Bewußtseins lokalisiert ... das "An-sich" als Negation des "Für-uns" .. usw.)




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AufDerSonne
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Mi 26. Okt 2022, 16:00

Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 15:55
Der Gegensatz von Konstruktivismus und Realismus ist nicht zwingend, sofern man beide nicht mit einem Feindbild des jeweils anderen ausstaffiert.
Phantasie (Konstruktivismus) und Verstand (Realismus).
Ich könnte mir vorstellen, dass in den letzten hundert Jahren der Menschheit die Phantasie ganz stark gelitten hat.
Man darf heute kaum noch etwas Phantastisches sagen ohne schräg angeschaut zu werden. Die Phantasie ist peinlich geworden.



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Nauplios
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Mi 26. Okt 2022, 17:07

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 16:00

Ich könnte mir vorstellen, dass in den letzten hundert Jahren der Menschheit die Phantasie ganz stark gelitten hat.
Man darf heute kaum noch etwas Phantastisches sagen ohne schräg angeschaut zu werden. Die Phantasie ist peinlich geworden.
Aber nein, AufDerSonne.
Die Phantasie hat sich in der Kunst, in der Literatur, aber auch in der Philosophie in den letzten hundert Jahren Anerkennung verschafft. Das beginnt schon mit der Wiener Moderne (1890-1910). Ist nicht die Moderne das Zeitalter, das sich durch die Ästhetik versteht (Baudelaire)? Man darf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt nicht zur Definition des Zeitalters verabsolutieren; und auch der braucht die Phantasie. - Eine Theorie der Moderne hätte es wesentlich mit der Ästhetik zu tun. Das ist aber am Ende ein schwieriges Terrain; die Forschungsgruppe Poetik und Hermeneutik hatte hier einen ihrer Schwerpunkte.




Körper
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Mi 26. Okt 2022, 17:34

Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 15:55
Der Gegensatz von Konstruktivismus und Realismus ist nicht zwingend, sofern man beide nicht mit einem Feindbild des jeweils anderen ausstaffiert.
Ich habe das vor einiger Zeit schon einmal geschrieben: die Realität konstruiert, und zwar Reaktion.

Kurrios, aber hier ist ein Punkt erreicht, an dem das Nervensystem des Menschen tatsächlich mal vollständig zuständig ist.
Es ist quasi zu nichts anderem da, als dass Realität Reaktion konstruiert.

Die Reaktion eines Menschen ist keine "Verbindung zu irgendwelchen Erscheinungen", sondern der Mensch reagiert direkt auf Realität.
Der Witz ist halt nur, dass zur Konstruktion der Reaktion nur das eingesetzt werden kann, was aus der Realität gerade vorliegt.
D.h. kommt der Mensch nicht an alle Realitäts-Details heran, dann ist die Reaktion derart konstruiert, als wäre der vorliegende Realitäts-Teil die "ganze Realität".

Das ist dann der Nährboden für ahnungslose Philosophen, irgendwelche Ontologie-Behauptungen zu starten - wir kennen das ja...




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NaWennDuMeinst
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Mi 26. Okt 2022, 21:57

Ottington hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 09:57
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 01:08
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 25. Okt 2022, 15:34




Wie soll man die "Sicht des anderen" verstehen, wenn sie im "Inneren" des anderen ist? Das kann nicht gehen, denke ich. Denn die Sicht des Anderen ist mir schließlich verborgen, da sie innen ist. Und wie soll man sich auf Begrifflichkeiten einigen, wenn diese sich auf etwas beziehen sollen, was im Inneren des anderen für mich unzugänglich ist?
Aber es sagt doch niemand, dass die Gegenstände die uns erscheinen innen sind.
Doch, ich sag das :-)
Aha, Du hast also einen Tisch im Kopf? Wie passt der denn da rein? Und tut das nicht weh?
(Die Phänomene sind natürlich nicht Innen. Das anzunehmen ist albern)



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
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NaWennDuMeinst
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Mi 26. Okt 2022, 22:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 11:11
Ottington hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 09:56
Ich kann einer anderen Person beschreiben ...
Das setzt jedoch eine gemeinsame Sprache einfach voraus. Aber wie soll so eine Sprache möglich sein? Ich halte sie unter diesen Umständen für unmöglich. Wie soll man sich gemeinsam auf etwas beziehen (sagen wir: den Tisch), wenn der Tisch etwas "im Inneren" des anderen ist? Das kann nicht gehen.
Wieso nicht? Wir sind doch alle Menschen und haben deshalb auch ähnliche Wahrnehmungen. Es gibt doch Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen.
Dass Du von einem Gegenstand eine bestimmte Vorstellung entwickelst ist kein Zufall. Das hat was damit zu tun, dass Du ein Mensch bist.
Die anderen sind ja aber auch Menschen.

Nehmen wir an, Du kennst die Begriffe "hart" und "weich" nicht.
Wenn ich jetzt ein Kantholz nehme und es Dir auf den Kopf schlage und dir dann sage, das ist "hart", dann mache ich eben genau das: Ich nehme meine eigene Erfahrung mit dem Kantholz und gehe davon aus, dass wenn ich es dir auf den Kopf schlage, dass Du die selbe Erfahrung (Wahrnehmung) machen wirst.
Nun nehme ich eine Feder und streichle damit über deinen Arm. Das ist "weich":
Wieso muss, damit diese Übertragung möglich ist, die Vorstellung von dir und mir aussen sein?
Du machst einfach in der Situation die selbe Wahrnehmung und Erfahrung. Weil wir beide Menschen sind die Dinge eben ähnlich wahrnehmen.

(Ich will das was Du sagst nicht widerlegen.... ich finde nur deine Erklärungen nicht plausibel. Natürlich wäre alles was wir kennen auch möglich, wenn Vorstellungen innen sind).



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Lucian Wing
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Mi 26. Okt 2022, 22:28

Ottington hat geschrieben :
Di 25. Okt 2022, 11:38
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 25. Okt 2022, 09:17
Wo ist die Erscheinung?
Innen. Oder meinst du was anderes?
Dann haust du dir den Kopf an dir selbst in dir selbst an, wenn du gegen eine offene Schranktür läufst.
Ottington hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 14:03

Eine gemeinsame Sprache setzt nicht voraus und bringt auch nicht mit sich, dass wir uns zu 100% das selbe denken, wenn wir den Begriff "Tisch" hören.
Du und ich können nicht einmal 0,0000001 Prozent DASSELBE denken.
Auch die Idee der Wir-Interntionalität gibt das nicht her.

Du musst schon sprachlich dann auch genau bleiben.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

sybok
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Mi 26. Okt 2022, 22:43

Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 17:07
Ist nicht die Moderne das Zeitalter, das sich durch die Ästhetik versteht (Baudelaire)? Man darf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt nicht zur Definition des Zeitalters verabsolutieren; und auch der braucht die Phantasie. - Eine Theorie der Moderne hätte es wesentlich mit der Ästhetik zu tun.
Interessante Sichtweise. Könnte man aber den wissenschaftlich-technischen Fortschritt nicht auch gleich unter Ästhetik sehen (es klingt im Zitat eher als Gegensatz)? Schon deren Sprache, die Mathematik, könnte man vielleicht als "schöne" Version natürlicher Sprachen sehen, wenn beispielsweise der mathematische Kreis die perfekte Version des realen "Kreises" ist. Oder Naturwissenschaft als Vermessung, Ordnen und Sortieren der Welt - nicht das Chaos nicht auch Charme hätte, aber ein geordnetes Zimmer empfinden wir glaube ich als sozusagen harmonischer.
Unabhängig davon, wie kam es denn dazu? Woran würdest du das festmachen?
Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 17:07
Das ist aber am Ende ein schwieriges Terrain; die Forschungsgruppe Poetik und Hermeneutik hatte hier einen ihrer Schwerpunkte.
Wenn du mal Lust und Zeit hast, darüber noch zusätzlich ein, zwei Sätze zu verlieren, ich würde sie lesen.




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AufDerSonne
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Mi 26. Okt 2022, 23:22

Körper hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 17:34
Ich habe das vor einiger Zeit schon einmal geschrieben: die Realität konstruiert, und zwar Reaktion.
Aber du streitest nicht ab, dass der Mensch auch die Realität konstruiert? Nämlich indem er durch seine Handlungen die Realität verändert?



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AufDerSonne
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Mi 26. Okt 2022, 23:30

sybok hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 22:43
Schon deren Sprache, die Mathematik, könnte man vielleicht als "schöne" Version natürlicher Sprachen sehen, wenn beispielsweise der mathematische Kreis die perfekte Version des realen "Kreises" ist.
Ist die Mathematik denn eine künstliche Sprache?
Ich denke in der Kunst wären Symmetrien wichtig.

Ist es eigentlich nicht sonderbar, dass der geometrische perfekte Kreis in der Natur gar nicht vorkommt?



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sybok
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Do 27. Okt 2022, 00:06

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 23:30
sybok hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 22:43
Schon deren Sprache, die Mathematik, könnte man vielleicht als "schöne" Version natürlicher Sprachen sehen, wenn beispielsweise der mathematische Kreis die perfekte Version des realen "Kreises" ist.
Ist die Mathematik denn eine künstliche Sprache?
Ich denke in der Kunst wären Symmetrien wichtig.

Ist es eigentlich nicht sonderbar, dass der geometrische perfekte Kreis in der Natur gar nicht vorkommt?
Sehr schwierig, aber ja, aus meiner Perspektive ist sie hauptsächlich eine Sprache. So was wie die Sprache der Ideen, der Abstraktionen. Das gibt mir bis zu einem gewissen Grad eine Antwort auf die ewige Frage: "Entdeckung oder Erfindung?". Der math. Kreis ist halt einerseits eine Idealisierung, andererseits eine reine Idee. Ich weiss nicht, ob es sonderbar ist, aber ich finde das auch ein unheimlich schwieriges Thema.

Aber ich meine, dass die Mathematik etwas hat, dass man glaube ich unter Ästhetik verstehen kann. Ich meine noch nicht mal das klischeehafte "Beweise wie Musik", sondern tiefer, dass ihre Objekte rein, durchsichtig, ohne Schmutz und ohne Makel, sozusagen tatsächlich "perfekt" sind. Sie kennt keine Autorität, keine Verhaftung, keine Verpflichtung und keine Ungerechtigkeit. :)




Timberlake
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Do 27. Okt 2022, 00:26

Körper hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 09:37
Timberlake hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 00:35
Wie hier ersichtlich , beginnt für Kant alles mit dem Gegenstand.
Das kann ja sein, aber dann macht er halt einen Fehler (-> was soll's, "fällt in China ein Regenschirm um")
Timberlake hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 00:35
Kein Gegenstand , so auch keine Anschauung und in Folge dessen auch kein Begriff , den sich der Verstand über dessen empirische Anschauung machen kann.
Nö, es startet nicht mit Gegenstand - Ende der Durchsage :-)

...
Gesucht wird aber ein Wahrnehmungsprinzip (die Funktionsweise des Menschen) und nicht eine neue Welt.
Wenn denn ein Wahrnehmungsprinzip (die Funktionsweise des Menschen) gesucht wird , dann doch wohl auf der Grundlage eines wahrgenommenen Gegenstandes bzw. einer wahrgenommenen Realität.


Körper hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 17:34

Die Reaktion eines Menschen ist keine "Verbindung zu irgendwelchen Erscheinungen", sondern der Mensch reagiert direkt auf Realität.
Wer A "Nö, es startet nicht mit Gegenstand - Ende der Durchsage" sagt , muss B "Nö , es startet nicht mit der Realität - Ende der Durchsage"" sagen. Somit du dich mit "sondern der Mensch reagiert direkt auf Realität" selbst widersprochen haben dürftest.




Timberlake
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Do 27. Okt 2022, 00:48

Nauplios hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 15:25

Warum hören wir "Natur" und "Landleben"? Liegt das in dem spezifischen Schallwellen-Bereich begründet? - Warum hören wir einen Kuckuck in der Klarinette? (Bei Beethoven eine große Terz, später bei Mahler sogar eine Quarte: unterschiedliche Intervalle und dennoch "erkennbar")

Ich würde sagen , dass dergleichen , also das Hören eines Kuckuck in der Klarinette , gewissermaßen eine alkustische Metaphern für den Ruf eines Kuckuck ist.
  • Der Geist ist sich selbst voraus

    Der Philosoph Hans Blumenberg hat darauf hingewiesen, dass Metaphern für das menschliche Denken und Verhalten nicht weniger wichtig seien als klare Definitionen. Damit konnte Blumenberg die philosophische Begriffsgeschichte kategorial erweitern.
Warum sollte man nicht auch natürliche Töne , wie die des Kuckucks , durch eine Klarinette kategorial erweitern können. Nur mal zum Vergleich ..
  • Die vier Jahreszeiten .. Antonio Vivaldi.
    L’estate – Der Sommer, Op. 8 Nr. 2, RV 315

    Die matten, schleppenden Akkorde des Themas sind auch für den heutigen Hörer als Darstellung extremer Hitze nachvollziehbar und bauen eine Spannung auf, die sich urplötzlich in einem virtuosen Solo entlädt. Hier ist der Kuckuck zu hören, später dann auch Taube und Distelfink. Die liegende Harmonik verdeutlicht das endlose Warten der Natur auf etwas Kühlung. Da sind auf einmal leichte Zephyrwinde zu spüren; sie kommen aber nur langsam in Gang, bis schlagartig der eisige Nordwind Boréas losbricht. Pianissimo nun noch einmal ein paar Takte des Anfangsritornells auf der Dominante, als sei die Hitze nun plötzlich weit entfernt, und wieder hören wir den Hirten über sein Schicksal klagen, bis der kalte Sturm wiederkommt und alles hinwegfegt.
Wenn gleich dieses "Erscheinen" eines "wirklichen" Sommers in Vivaldis "Die vier Jahreszeiten" mir persönlich erst nach solchen Beschreibungen ermöglicht wurde. Vor dem war das für mich lediglich nur einer sehr angenehm an zu hörende reine! Musik.

Timberlake hat geschrieben :
So 23. Okt 2022, 21:35


Um dir bei der Beantwortung behilflich zu sein, folgende Situation. Jemand , der von Geburt an blind war , kann plötzlich sehen. Das, was bei Kant reine Anschauung. heißt, liegt also noch nicht vor. Wenn man denn Schauen, im Sinne von Sehen, wortwörtlich nimmt. Weil der vor ihm stehende Tisch Eigenschaften hat , der in ihm die Wahrnehmung braun auslöst , würde dieser Tisch ihm tatsächlich braun erscheinen? Würde ihm der Gegenstand überhaupt als Tisch erscheinen? Was ist , wenn ich behaupte , weil ihm das alles , aus naheliegenden Gründen , so nicht erscheint , dass er eben dadurch die Gegenstände so sieht, wie sie wirklich sind. Sind doch bei ihm die Gegenstände durch die reine Anschauung., die mit Wirklichkeit korrespondiert und sie als solches verfälscht , noch nicht "verunreingt". Für ihn ist da kein brauner Tisch. Da ist nur ein reiner Gegenstand.
Vergleichbar mit dem hier beschriebenen reinen! Gegenstand. Erst durch diese reine! Beschreibung , vergleichbar mit der reinen Anschauung , hat sich für mich diese Musik über den reinen! Gegenstand hinaus , als die Beschreibung eines Sommers erschlossen.




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Jörn Budesheim
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 22:21
Wieso muss, damit diese Übertragung möglich ist, die Vorstellung von dir und mir aussen sein?
Ich sage allerdings an keiner Stelle, dass die Vorstellung außen sein muss. Es ging um die Frage, wo sich der Tisch befindet. Wenn der Tisch sich je im Inneren von Ottington bzw. mir befindet, dann kann keiner auf den je anderen zugreifen.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 06:53
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 22:21
Wieso muss, damit diese Übertragung möglich ist, die Vorstellung von dir und mir aussen sein?
Ich sage allerdings an keiner Stelle, dass die Vorstellung außen sein muss. Es ging um die Frage, wo sich der Tisch befindet. Wenn der Tisch sich je im Inneren von Ottington bzw. mir befindet, dann kann keiner auf den je anderen zugreifen.
Der Tisch IST eine Vorstellung. Die Vorstellung von dem Ding das wir Tisch nennen.
Und natürlich greifen wir auf das Ding zu das wir Tisch nennen. Mithilfe unserer Wahrnehmung.



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Wofür oder wogegen möchtest du damit argumentieren?




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 08:16
Wofür oder wogegen möchtest du damit argumentieren?
Ich verstehe deine Argumentation gegen Ottington's Aussage, dass Erscheinungen (Vorstellungen) innen sind, nicht. Ich wüsste nicht wo sie sonst erscheinen sollten (Vorstellungen sind Gedanken).
Ist aber egal. Vergiss es einfach.



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 08:01
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 06:53
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 26. Okt 2022, 22:21
Wieso muss, damit diese Übertragung möglich ist, die Vorstellung von dir und mir aussen sein?
Ich sage allerdings an keiner Stelle, dass die Vorstellung außen sein muss. Es ging um die Frage, wo sich der Tisch befindet. Wenn der Tisch sich je im Inneren von Ottington bzw. mir befindet, dann kann keiner auf den je anderen zugreifen.
Der Tisch IST eine Vorstellung. Die Vorstellung von dem Ding das wir Tisch nennen.
Und natürlich greifen wir auf das Ding zu das wir Tisch nennen. Mithilfe unserer Wahrnehmung.
Searle sagt, dass es keine Möglichkeit gebe, den Tisch vor mir zu sehen ohne zu sehen, dass vor mir ein Tisch steht. Es braucht nach ihm zwei Erfüllungsbedingungen, nämlich den Gegenstand als auch den ganzen Sachverhalt. Die interne Relation liegt nach Searle darin, dass ich das Ding nicht sehen kann ohne zugleich den Sachverhalt zu sehen. Also einen Begriff vom Tisch habe. Der Hund nimmt den Gegenstand auch wahr, sieht aber in diesem Sinne keinen Tisch, weil ihm der Begriff fehlt.

Was Ottington hier vertritt, halte ich für grundfalsch: der Tisch IST NICHT innen. Es gäbe sonst keine Möglichkeit einer geteilten Intentionalität. Das Kleinkind würde niemals einen Grund haben, dem Blick des Vaters oder der Mutter zu folgen. Schon das sollte einem eigentlich sagen, dass "Der Tisch ist innen" ein falscher Satz ist.

Jörn hat hier Tomasello irgendwo erwähnt. Den kann ich auch empfehlen. "Mensch werden" mal lesen, das hilft als Antidotum gegen idealistische und/oder rein konstruktivistische Ansätze.



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Jörn Budesheim
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 10:32
Ich verstehe deine Argumentation gegen Ottington's Aussage, dass Erscheinungen (Vorstellungen) innen sind, nicht.
Das tue ich gar nicht, ich argumentiere an keiner Stelle dafür oder dagegen, dass Erscheinungen innen sind. Darüber spreche ich gar nicht. Ottington vertritt jedoch, das hat er bestätigt, die Ansicht, dass der Tisch innen ist. Ich argumentiere, dass wir nie über den Tisch reden könnten, wäre er irgendwo innen.




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