Ungleichverteilungen

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Timberlake
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Sa 20. Mai 2023, 23:01

Weil andernorts Off Topic habe ich mich nun mehr entschlossen , u. a. unter Bezugnahme auf dem Gini-Koeffizient , hier die Ungleichverteilung zu thematesieren.
  • Gini-Koeffizient
    Der Gini-Koeffizient oder auch Gini-Index ist ein statistisches Maß für die Ungleichverteilungen in einer Gruppe, das vom italienischen Statistiker Corrado Gini entwickelt wurde. Ungleichverteilungskoeffizienten lassen sich für jegliche Verteilungen berechnen.
  • "Der Gini-Koeffizient ist ein mathematisches Maß für die Gleichheit einer Verteilung. Wären in einer Gemeinschaft zum Beispiel die Einkommen komplett gleich verteilt – jeder bekäme gleich viel – dann läge der Gini-Koeffizient bei 0. Im anderen Extrem, wenn einer alles Einkommen erhielte und alle anderen nichts, läge er bei 1. Ein Wert von 0,2 ist also schon nah an einer perfekten Verteilung.
    Für ganz Deutschland betrachtet lag der Gini-Koeffizient der Einkommen 2021 bei 0,309. Das ist im internationalen Vergleich ein durchschnittlicher Wert. In der EU liegen wir damit etwa im Mittelfeld, wobei die Slowakei zuletzt mit 0,23 führte und Bulgarien mit 0,397 das Schlusslicht bildete. Aber: Der Gini-Koeffizient der Einkommen in Deutschland steigt stetig an, langsam aber sicher. 2009 lag er noch bei 0,291."
    FOCUS-online-Autor Christoph Sackmann (München)
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 20. Mai 2023, 21:34


Ich habe mal ein Interview zu dem Thema herausgesucht, ich bin aber selbst erst bei Minute zehn :)

Ich bin jetzt bei Minute 25, das Interview ist wirklich sehr hörenswert!
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 20. Mai 2023, 23:52, insgesamt 1-mal geändert.




Timberlake
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Sa 20. Mai 2023, 23:22

Stefanie hat geschrieben :
Sa 20. Mai 2023, 20:37
Es gibt hier bei einigen nur schwarz und weiß. Vor Auge die Oberen der Dax Konzerne und die Banken. Die Fussballspieler. Oder die Erben. Was auch so nicht auf alle zutrifft. Manche Erben haben Unternehmen erst groß gemacht.

Mich ärgert immer das reflexartige Draufhauen auf alle, ohne zu differenzieren. Es gibt nicht nur Nestlé, Deutsche Bank, VW und co. es gibt auch und vor allem die mittelständischen Unternehmen, Handwerksbetriebe, Dienstleistungen. Als ob die alle das 300 fache ihrer ArbeitnehmerInnen verdienen.

Übrigens wird mit dem Gini-Koeffizient genau das getan , es wird differenziert .
  • "Der Gini-Koeffizient ist ein mathematisches Maß für die Gleichheit einer Verteilung. Wären in einer Gemeinschaft zum Beispiel die Einkommen komplett gleich verteilt – jeder bekäme gleich viel – dann läge der Gini-Koeffizient bei 0. Im anderen Extrem, wenn einer alles Einkommen erhielte und alle anderen nichts, läge er bei 1. Ein Wert von 0,2 ist also schon nah an einer perfekten Verteilung.
    Für ganz Deutschland betrachtet lag der Gini-Koeffizient der Einkommen 2021 bei 0,309"
    FOCUS-online-Autor Christoph Sackmann (München)
Wenn für ganz Deutschland betrachtet , der Gini-Koeffizient der Einkommen 2021 bei 0,309 lag , so deshalb , weil es vor allem die mittelständischen Unternehmen, Handwerksbetriebe, Dienstleistungen gibt , wo die Chefs eben nicht das 300 fache ihrer ArbeitnehmerInnen verdienen.
  • „Unterschiede bei den Löhnen müssen sich aber nicht eins zu eins in die Lebensqualität übersetzen“, sagt das IAB. Zum einen könne der Staat über Sozialleistungen die Einkommensunterschiede abmildern und zum zweiten die gefühlte Lebensqualität auch für Menschen mit geringem Einkommen dadurch steigern, dass er öffentliche Güter, etwa Busse, Bahnen, Schwimmbäder und Kultureinrichtungen kostenlos allen Bürgern oder allen Bürgern mit geringen Einkommen zur Verfügung stelle.
    FOCUS-online-Autor Christoph Sackmann (München)
Auch ein ausgeprägter Sozialstaat . , von dem vorallem Menschen mit einem geringem Einkommen profitieren , in dem sie beispielsweise ganz sicher nicht kostenlos, jedoch zu ermäßigten Preisen öffentliche Güter, etwa Busse, Bahnen, Schwimmbäder und Kultureinrichtungen benutzen können , trägt zur Senkung des Gini-Koeffizient und damit zu der von dir vermissten "Differenzierung" bei.




Timberlake
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So 21. Mai 2023, 00:39

Ganz anders sieht es allerdings beim Vermögen aus ...

  • Deutschland weist im internationalen Vergleich eine sehr hohe Ungleichheit bei der Verteilung von Vermögen auf. Da haben uns andere Länder einiges voraus - und viele liegen direkt vor unserer Haustür.

    Deutschlands Gini-Koeffizient liegt bei schlechten 0,79, wobei 1 der negativste Wert ist

    214.500 Euro besitzt jeder deutsche Haushalt im Schnitt, sagt die Bundesbank. Aber die Schere zwischen denen, die viel besitzen und denen, die wenig haben, ist bei uns sehr groß. Die obersten zehn Prozent - das sind alle mit mindestens etwa 750.000 Euro abzüglich aller Schulden - vereinen rund 24 Prozent des gesamten deutschen Vermögens auf sich. Die untersten zehn Prozent haben netto sogar Schulden.

    Deutschland auf dem Niveau von Togo und Marokko

    Um diese Ungleichheit beschreiben zu können, haben Wissenschaftler den Gini-Koeffizienten erfunden. Er berechnet die Vermögensverteilung eines Landes von 0 (totale Gleichverteilung des Geldes) bis zu 1 (ein Haushalt besitzt alles, der Rest nichts). Für Deutschland liegt dieser Koeffizient bei 0,79 laut dem Global Wealth Databook der Credit Suisse aus dem vergangenen Jahr. Das ist ein äußerst schlechter Wert.

    FOCUS-online-Autor Christoph Sackmann (München)
Stefanie hat geschrieben :
Sa 20. Mai 2023, 20:37
Es gibt hier bei einigen nur schwarz und weiß. Vor Auge die Oberen der Dax Konzerne und die Banken. Die Fussballspieler. Oder die Erben. Was auch so nicht auf alle zutrifft. Manche Erben haben Unternehmen erst groß gemacht.

Mich ärgert immer das reflexartige Draufhauen auf alle, ohne zu differenzieren. Es gibt nicht nur Nestlé, Deutsche Bank, VW und co. es gibt auch und vor allem die mittelständischen Unternehmen, Handwerksbetriebe, Dienstleistungen. Als ob die alle das 300 fache ihrer ArbeitnehmerInnen verdienen.
Da wäre das "reflexartige Draufhauen" übrigens durchaus berechtigt .

Merke
Weil extrem "Ungleich" , ist bei den Ungleichverteilungen zu unterscheiden zwischen dem Einkommen und dem Vermögen


Was allerdings .. gelinde gesagt .. schon merkwürdig ist , wenn man denn davon ausgeht , dass sich das Vermögen aus dem Einkommen speist. Wie kann das sein , wenn sich doch der Gini-Koeffizient beim Einkommen über die Zeit durchaus moderatem Level bewegt.




Timberlake
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Mo 22. Mai 2023, 01:36

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 21. Mai 2023, 19:13

Wenn man wegen des Geldes arbeitet, dann lebt man, wie man so schön sagt, entfremdet, oder? Und das dürfte leider auf die große Mehrheit der Arbeitnehmer zutreffen. Ich könnte mir vorstellen, dass das und die Ungleichverteilung irgendwie zusammenhängen ...
Wenn man denn bei den Löhnen der Arbeitnehmer ansetzt, so könnte ich mir das Zusammenhängen mit der Ungleichverteilung nicht nur bloß vorstellen , so habe ich dergleichen selbst erfahren. Als meine Kollegen und ich , als langjährige beschäftigte , zur Kenntnisnehmen mussten , dass neu eingestellte und zu dem dafür weit weniger qualifizierte Mitarbeiter mit einem höherem Stundenlohn eingestellt wurden und auf Rückfragen dazu an den Kopf geknallt bekamen .. ich zitiere .. "Selber Schuld , warum habt ihr euch auch so billig verkauft". Ich habe dort übrigens nicht wegen des Geldes gearbeitet , sondern weil die Arbeit perfekt zu mir gepasst hat. Von einer Entfremdung konnte also keine Rede sein. Deshalb und aus der doch sehr leidvollen Erfahrung heraus, eine Arbeit verrichten zu müssen , die einem von Hause so ganz und gar nicht liegt , war ein Jobwechsel für mich keine Option.

Wo wir schon mal bei der Entfemdung und Ungleichverteilung sind ..

  • "Nach Karl Marx tritt Entfremdung immer dann auf, wenn die Produzenten sich und ihre eigenen Zwecke nicht mehr in ihrem Produkt wieder entdecken können. Zum einen trat Entfremdung dann auf, sobald die Produzenten nicht mehr für ihren Eigenbedarf, sondern für den anonymen Markt produzierten. Dies ist eine Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. ..Zu dem tritt Entfremdung im Kapitalismus auf, bei dem die Lohnarbeiter nicht mehr selbstbestimmte, sondern fremd-bestimmte Produzenten sind. Hierbei entscheiden die Kapitalisten, was die Lohnarbeiter zu produzieren haben und unter welchen Bedingungen sie zu arbeiten haben. Allerdings gehört das Arbeitsprodukt den Arbeitsherrn und nicht den Arbeitenden. Da sich das Kapital auf immer weniger Kapitalisten konzentriert werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Kaufkraft sinkt und deshalb kann sich der Lohnarbeiter, das von ihm hergestellte Produkt oft nicht leisten."
    Magister Anika Geldner
Das sich das Kapital auf immer weniger Kapitalisten konzentriert und die Reichen immer reicher werden und sich von daher die Ungleicheit verstetigt , wird man ja wohl kaum bestreiten können.

Den Gewerkschaften und einer Demokratie sei dank, entscheiden die Kapitalisten schon längst nicht mehr unter welchen (Lohn-) Bedingungen die Lohnarbeiter arbeiten . Diese Entwicklung, dass sich die Lohnarbeiter auf diese Weise organisieren bzw. als Wähler einer ihr genehmen , politischen Partei Gehör verschaffen , hatte Marx offenbar nicht auf seinem Schirm , als er seiner Zeit davon ausging , dass die Armen auf Grund der Ungleichverteilung immer ärmer werden. Die Kapitalisten sind dadurch quasi selbst fremdbestimmt. Eine Entfremdung , die 1989 nicht zuletzt zum Untergang jenes Gesellschaftssystem geführt hat , dass von Marx angestrebt wurde.




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