Relativismus

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
Burkart
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Mo 10. Jul 2023, 22:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 10. Jul 2023, 08:21
Burkart hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 13:35
Insofern wären Beispiele hilfreich.
Burkart hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 10:14
Etwas wie "diese Musik ist gut" ist sicher u.a. kultur-relativ, aber wohl auch zu subjektiv, oder?
Verschiedene Beispiele wurden bereits mehrfach genannt. Das von Dir genannte Beispiel ist sicherlich ein Fall von Relativismus, und zwar in Bezug auf die Kultur bzw. das Subjekt/Individuum. Aber genau das wurde (neben anderen Möglichkeiten) ja bereits in Beitrag 65744 beschrieben. Siehe noch einmal hier:

Bild
Ich hatte die Tabelle nicht als Beispiele erkannt, vielleicht weil sie mir zu abstrakt war/ist; ein einzelnes konkretes wäre mir klarer gewesen zum Diskutieren; ein Beispiel kann man direkt mal von mehreren Seiten beleuchten.
Also wie folgt: (9)R(f)/(h) - Ästhetische Werte (9) gelten nach diesem Relativismus nur relativ (R) zu einer Kultur (f) bzw. zu Individuen (h). Du scheinst das sogar für "sicher" zu halten. Müsste dann nach Deiner Diktion eigentlich unter "Schwarz-Weiß" laufen.
Das mit dem 'für "sicher" halten" und "Schwarz-Weiß" habe ich nicht verstanden.



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Jörn Budesheim
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Di 11. Jul 2023, 07:42

Burkart hat geschrieben :
Mo 10. Jul 2023, 22:03
Das mit dem 'für "sicher" halten" und "Schwarz-Weiß" habe ich nicht verstanden.
Du selbst sprichst weiter oben von "schwarz-weiß" und ähnlichem. Auf diese Passage habe ich mich bezogen. Das ist erst wenige Beiträge her. In solchen Fällen ist aus Deiner Sicht, wenn ich Dich richtig verstanden habe, eine "Relativierung" im Sinne einer Einschränkung o.ä. angebracht. Hier machst Du aber selbst eine solche "absolute" (=uneingeschränkte) Aussage. Während Du sonst immer wieder für Dich in Anspruch nimmst, Dinge zu "hinterfragen", scheint es für Dich unzweifelhaft wahr, ja geradezu selbstverständlich zu sein, dass ästhetische Werte nur relativ auf eine Kultur oder ein Individuum gelten.

Noch mal zu den "fehlenden" Beispielen. In dem Faden gab es schon viele Beispiele:

Das ist wahr für mich, auch wenn mir alle widersprechen.
Der eine glaubt dies, der andere das, und das ist auch gut so.
Über Geschmack kann man sich sowieso nicht streiten.
Der Mythos ist genauso gültig wie die Wissenschaft.

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Di 11. Jul 2023, 09:14

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 23:47
Burkart hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 13:35
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 13:20
Burkardt, Relativismus im erkenntnistheoretischen Sinne ist die Ansicht, dass Wahrheit standpunkt- und perspektivenabhängig ist.
Das lehnt Jörn ab.
Dann ist die Frage, um was für Wahrheit geht es bzw. was soll sie genau sein. Insofern wären Beispiele hilfreich.
Den Relativisten geht es darum, dass ...
@Burkart, ich bin neugierig, ob/warum Du diesen Beitrag "übersehen" hast?




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Jörn Budesheim
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Di 11. Jul 2023, 17:53

Im Kapitel über den Wahrheitsrelativismus (alethischer Relativismus) bringt Irlenborn ein Beispiel, das an den Anfang von Paul Boghossians Buch "Angst vor der Wahrheit" erinnert, vielleicht ist es sogar dieselbe Geschichte. Das Beispiel mag etwas extrem erscheinen, aber die Frage ist, ob man als Wahrheitsrelativist eine andere Wahl hat.
Bernd Irlenborn, Relativismus hat geschrieben : ... Um die Herausforderung und Relevanz des Themas konkreter herauszustellen, möchte ich ein typisches Beispiel für einen alethischen Relativismus anführen.14 Am 22. Oktober 1996 veröffentlicht die New York Times einen Artikel mit der Überschrift Indian Tribes’ Creationists Thwart Archeologists, was man so übersetzen kann: „Indianische Kreationisten kommen Archäologen in die Quere“. Es wird berichtet, die archäologisch weithin belegte Erkenntnis, dass die ersten Menschen vor etwa 10.000 Jahren aus Asien über die Beringstraße nach Nordamerika eingewandert sind, werde von indianischen Stämmen als unwahr abgelehnt. Nach indianischen Mythen stammten die Menschen nicht von Affen, sondern von Büffelmenschen ab. Diese hätten zunächst unter der Erde Nordamerikas gelebt und konnten erst durch die Hilfe von übernatürlichen Geistern auf die Erdoberfläche gelangen. Der Artikel berichtet nun, dass mehrere Archäologen offenkundig zu einem Relativismus neigten. Die zitierten Wissenschaftler betonen in ihrer Hochschätzung für die unterdrückten indianischen Ureinwohner, wissenschaftliche Erkenntnis stelle nur eine bestimmte Sicht auf die Wirklichkeit dar, die genauso gültig sei wie andere Erkenntnisformen, etwa die des Mythos. Der Archäologe Professor Larry Zimmerman von der University of Iowa wird angeführt mit dem Zitat: „I personally do reject science as a privileged way of seeing the world.“ ...




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Di 11. Jul 2023, 19:02

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 17:53
„I personally do reject science as a privileged way of seeing the world.“
Aber tust Du das nicht auch?
Sagst Du nicht auch oft, es gibt nicht nur eine richtige Sicht auf die Dinge?



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Di 11. Jul 2023, 19:32

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 19:02
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 17:53
„I personally do reject science as a privileged way of seeing the world.“
Aber tust Du das nicht auch?
Sagst Du nicht auch oft, es gibt nicht nur eine richtige Sicht auf die Dinge?
Das ist richtig. Aber ich bin Realist. Wahrheit und absolute Wahrheit sind daher für mich Synonyme. Dass die Naturwissenschaften - und nicht nur sie - auch für mich kein "privileged way of seeing the world" sind, liegt daran, dass der von mir vertretene Realismus einen ontologischen Pluralismus beinhaltet. Und die Naturwissenschaften sind eben nicht für alle Bereiche der bunten Wirklichkeit das geeignete Beobachtungs-Instrument. Für die Interpretation von Poesie sind sie zum Beispiel eher ungeeignet.




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Di 11. Jul 2023, 20:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 19:32
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 19:02
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 17:53
„I personally do reject science as a privileged way of seeing the world.“
Aber tust Du das nicht auch?
Sagst Du nicht auch oft, es gibt nicht nur eine richtige Sicht auf die Dinge?
Das ist richtig. Aber ich bin Realist. Wahrheit und absolute Wahrheit sind daher für mich Synonyme. Dass die Naturwissenschaften - und nicht nur sie - auch für mich kein "privileged way of seeing the world" sind, liegt daran, dass der von mir vertretene Realismus einen ontologischen Pluralismus beinhaltet. Und die Naturwissenschaften sind eben nicht für alle Bereiche der bunten Wirklichkeit das geeignete Beobachtungs-Instrument. Für die Interpretation von Poesie sind sie zum Beispiel eher ungeeignet.
Ok. Aber diesen "Pluralismus" gibt es doch auch im Relativismus. Letztlich ist das doch die selbe Aussage: Kein Erkenntnissystem kann für sich allein die ganze Wahrheit in Anspruch nehmen.



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Di 11. Jul 2023, 21:46

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 20:18
Kein Erkenntnissystem kann für sich allein die ganze Wahrheit in Anspruch nehmen.
Nach dem Relativismus kann kein "Erkenntnissystem" absolute Wahrheit "beanspruchen". Denn es gibt schließlich immer nur eine relative "Wahrheit", deren Gültigkeit von etwas anderem abhängt, z.B. von der Kultur, dem Paradigma, der jeweiligen Sprache etc. pp. Das ist auch kein wirklicher Pluralismus, weil es für das jeweilige Paradigma immer nur die eine Wahrheit relativ zum Paradigma gibt.

Der Realismus hingegen behauptet, dass absolute Wahrheit erreichbar ist. Sie ist plural, weil die Wirklichkeit selbst plural ist und nicht nur, weil es pluralistische Kulturen, Sprachschemata, Paradigmen etc. gibt.

Der Unterschied in einfachen Worten: Für den Realismus gibt es eine absolute Wahrheit, für den Relativismus nicht. Die Vielfalt liegt auf der Seite der Wirklichkeit, nicht auf der Seite der "Erkenntnissysteme".

An dem Beispiel oben erläutert: für den relativistischen Wissenschaftler gibt es keine Möglichkeit, die Ansicht der Stämme substanziell in Frage zu stellen. Weil es eben wahr gemäß ihrer Kultur ist. Für den Realisten ist das hingegen möglich. Wenn die Dinge so liegen, wie in dem vorliegenden Buch dargestellt, dann irren die Stämme.




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Di 11. Jul 2023, 23:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 07:42
Burkart hat geschrieben :
Mo 10. Jul 2023, 22:03
Das mit dem 'für "sicher" halten" und "Schwarz-Weiß" habe ich nicht verstanden.
Du selbst sprichst weiter oben von "schwarz-weiß" und ähnlichem. Auf diese Passage habe ich mich bezogen. Das ist erst wenige Beiträge her.
Dass ich davon gesprochen habe, weiß ich noch.
In solchen Fällen ist aus Deiner Sicht, wenn ich Dich richtig verstanden habe, eine "Relativierung" im Sinne einer Einschränkung o.ä. angebracht.
Ich meinte es umgekehrt: "alternativlos" war eine absolute Aussage, die zu relativieren war.
Hier machst Du aber selbst eine solche "absolute" (=uneingeschränkte) Aussage. Während Du sonst immer wieder für Dich in Anspruch nimmst, Dinge zu "hinterfragen", scheint es für Dich unzweifelhaft wahr, ja geradezu selbstverständlich zu sein, dass ästhetische Werte nur relativ auf eine Kultur oder ein Individuum gelten.
Das "nur" kommt nur von dir. Allerdings haben Kultur und Individuum schon einen Einfluss auf (u.a. ästhetische) Werte, aber natürlich keinen absoluten.
Noch mal zu den "fehlenden" Beispielen. In dem Faden gab es schon viele Beispiele:

Das ist wahr für mich, auch wenn mir alle widersprechen.
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Wahrheit ist relativ auf die Kultur
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Bedeutungen sind relativ auf das Individuum
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Gerade auf die ersten bin ich ja auch schon eingegangen.
Ok, es sind hier Beispiele quasi auf relativistisch-philosophischer Ebene, schon recht.
Ich hoffte, dass wir (eine) diese(r) Thesen durch etwas Konkretes genauer analysieren, inwieweit sie Sinn machen können oder eben auch nicht. Deshalb differenzierte ich zwischen (mehr oder weniger) Faktischen und persönlich Subjektivem (wie (nur) "wahr für mich", "eine glaube dies, der andere das", "Geschmack").



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Di 11. Jul 2023, 23:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 09:14
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 23:47
Burkart hat geschrieben :
So 9. Jul 2023, 13:35

Dann ist die Frage, um was für Wahrheit geht es bzw. was soll sie genau sein. Insofern wären Beispiele hilfreich.
Den Relativisten geht es darum, dass ...
@Burkart, ich bin neugierig, ob/warum Du diesen Beitrag "übersehen" hast?
Übersehen habe ich ihn nicht, NWDM hat das gut formuliert (ich hatte dazu nur gerade nichts zu schreiben), z.B.:
"Das Problem beim Relativismus ist nun, dass er der Beliebigkeit Tür und Tor öffnet.
Wenn alles (je nach Standpunkt) wahr ist, dann ist auch nichts falsch."
Das ist in dieser Form sicherlich der (philosophisch-)theoretisch perfekte Relativismus.

Pragmatischer ist wohl einen "relativierten Relativismus" anzunehmen, bei dem man mehr oder weniger alles in Frage stellen kann, aber schon einiges nur mit "großem Magengrummeln", also sozusagen eine Priorisierung innerhalb des Relativismus. Z.B. NWDMs Aussage "Man darf Kinder quälen" scheinen einige wenige anders (also als nicht falsch) für sich zu sehen, z.B. wenn sie sie mobben oder gar real körperlich misshandeln bis hin zu töten. Abgewandelt auf "Man darf Menschen töten" wird es schon problematischer, weil es allgemein akzeptierte Ausnahmen (z.B. Notwehr) gibt, die relatistisch (je Kultur z.B.) unterschiedlich sein können.

Wenn ich mich zu etwas gezielt mehr äußern soll, schreibt diese(n) Punkt(e) ggf. gerne.



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Mi 12. Jul 2023, 00:24

Burkart hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 23:29
Pragmatischer ist wohl einen "relativierten Relativismus" anzunehmen, bei dem man mehr oder weniger alles in Frage stellen kann, aber schon einiges nur mit "großem Magengrummeln", also sozusagen eine Priorisierung innerhalb des Relativismus. Z.B. NWDMs Aussage "Man darf Kinder quälen" scheinen einige wenige anders (also als nicht falsch) für sich zu sehen, z.B. wenn sie sie mobben oder gar real körperlich misshandeln bis hin zu töten. Abgewandelt auf "Man darf Menschen töten" wird es schon problematischer, weil es allgemein akzeptierte Ausnahmen (z.B. Notwehr) gibt, die relatistisch (je Kultur z.B.) unterschiedlich sein können.
Du bringst hier das Normative mit dem Deskriptiven durcheinander.
Daraus, dass es Menschen gibt die Kinder quälen folgt nicht dass es richtig ist so zu handeln.
Ich würde sagen es ist in jedem einzelnen Fall falsch.

Wobei mich mein Lieblingsspiel auf eine altebekannte Fragestellung diesbezüglich begracht hat.
In "The Last of US" wird die Menscheit von einer Seuche (Pilzinfektion) heimgesucht.
Die meisten Menschen versterben oder mutieren.
Nur eine Handvoll Menschen sind übrig.
Ein junges Mädchen names Ellie aber ist immun und deshalb für die Überlebendenn von höchster Bedeutung.
Denn sie ist der Schlüssel zu einem Heilmittel.
Ellie wird in ein Krankenhaus gebracht und untersucht. Es stellt sich heraus, dass tatsächlich ein Heilmittel hergestellt werden kann.
Allerdings müssen die Proben aus Ellies Gehirn entnommen werden. Ellie wird dabei sterben.
Wie handelt man nun?

Nun ist Ellie kein kleines Kind mehr (sie ist 14), und Ellie WILL auch helfen.
Aber nehmen wir an Ellie wäre erst 3 und könnte sich nicht äußern (oder würde die Behandlung ablehnen).
Was dann? Wäre es moralisch vertrebar Ellie zu opfern?



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Mi 12. Jul 2023, 08:01

Burkart hat geschrieben :
Di 11. Jul 2023, 23:07
[ich differenzierte] zwischen (mehr oder weniger) Faktischen und persönlich Subjektivem (wie (nur) "wahr für mich", "eine glaube dies, der andere das", "Geschmack").
Aber das hat nichts mit Relativismus zu tun. Die Beispiele helfen dir anscheinend nicht. Ich weiß nicht, warum du die Unterschiede nicht siehst. Für den Relativisten gibt es nichts Faktisches, weder mehr noch weniger. Und dass manches Geschmackssache ist, hat mit dem Thema überhaupt nichts zu tun.

Bei dir scheint es, grob gesagt, um Grade der Sicherheit zu gehen, mit der jemand etwas wissen oder vertreten kann.

Das Gegenteil von relativ ist absolut (unbedingt). Mit "absolut" ist aber im vorliegenden Zusammenhang - um ein Beispiel zu geben - nicht gemeint, dass jemand einen absoluten Wahrheitsanspruch vertritt, sondern dass die Wahrheit eines Standpunktes durch nichts "Drittes", wie z.B. durch die Kultur, das Individuum, das Sprachschema, ein Paradigma etc. bedingt ist. Die Wahrheit eines Standpunktes ist dementsprechend absolut=unbedingt, d.h. sie hängt nur davon ab, ob man die Tatsachen trifft oder verfehlt. Dabei kann es natürlich Abstufungen geben, so dass ein Wahrheitsanspruch die Tatsachen deutlich verfehlt oder ihnen nahe kommt und ggf. alles Mögliche dazwischen.




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Mi 12. Jul 2023, 11:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 08:01
Das Gegenteil von relativ ist absolut (unbedingt). Mit "absolut" ist aber im vorliegenden Zusammenhang - um ein Beispiel zu geben - nicht gemeint, dass jemand einen absoluten Wahrheitsanspruch vertritt, sondern dass die Wahrheit eines Standpunktes durch nichts "Drittes", wie z.B. durch die Kultur, das Individuum, das Sprachschema, ein Paradigma etc. bedingt ist. Die Wahrheit eines Standpunktes ist dementsprechend absolut=unbedingt, d.h. sie hängt nur davon ab, ob man die Tatsachen trifft oder verfehlt. Dabei kann es natürlich Abstufungen geben, so dass ein Wahrheitsanspruch die Tatsachen deutlich verfehlt oder ihnen nahe kommt und ggf. alles Mögliche dazwischen.
Aber ist das nicht ein Widerspruch? Natürlich ist auch im Realismus Wahrheit "bedingt". Nämlich bedingt durch Tatsachen. Wobei nun der Realist das Problem hat zu erklären was eine Tatsache ist also wie die Bedingungen denn nun genau lauten.



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 11:24
Aber ist das nicht ein Widerspruch? Natürlich ist auch im Realismus Wahrheit "bedingt". Nämlich bedingt durch Tatsachen.
Nein, das ist kein Widerspruch. Ich habe extra geschrieben, weil ich den Einwand vorausgesehen habe, dass in nicht-relativistischen Positionen die Wahrheit eines Standpunktes durch nichts "Drittes" bedingt ist, wie z.B. durch die Kultur, das Individuum, das Sprachschema, ein Paradigma usw. Wenn die Fakten entscheidend sind und nicht zusätzlich als "Drittes" die oben genannten "Filter" nötig sind, dann haben wir es mit einer nicht-relativistischen Sichtweise zu tun.

Ich kann dann ganz andere Wahrheitsansprüche erheben: Ich kann einfach behaupten, dass sich der Mond um die Erde dreht. Und damit (ohne die genannten weiteren Bedingungen) falsch oder richtig liegen. Und ich muss nicht immer eine relativierende Bedingung hinzufügen, indem ich mich z.B. darauf festlege, dass sich der Mond nach einem bestimmten Paradigma um die Erde dreht. Das heißt, der Relativist fügt immer eine relativierende Bedingung hinzu.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 11:50
Ich kann dann ganz andere Wahrheitsansprüche erheben: Ich kann einfach behaupten, dass sich der Mond um die Erde dreht. Und damit (ohne die genannten weiteren Bedingungen) falsch oder richtig liegen. Und ich muss nicht immer eine relativierende Bedingung hinzufügen, indem ich mich z.B. darauf festlege, dass sich der Mond nach einem bestimmten Paradigma um die Erde dreht. Das heißt, der Relativist fügt immer eine relativierende Bedingung hinzu.
Das tut der Realist aber auch. Nämlich in dem Moment wo er erklären muss was Tatsachen sind.
Denn Tatsachen sind uns auf keinen Fall einfach so gegeben (wäre das so, bräuchten wir keine Forschung).
Wir müssen sie erkennen. Und das ist nicht bedingungslos, sondern führt zu unterschiedlichen Erkenntnissystemen als relativierende Bedingungen.
Der Realist tut gerne so, als sei der Relativismus eine Art grund- und sinnlose Freizeitbeschäftigung.
Das trifft den Punkt aber nicht. Der Realismus hat Schwächen. Und nur deshalb gibt es überhaupt unterschiedliche Erkenntnistheorien.
Über die Schwächen des Realismus können wir ja auch mal sprechen. Also zur Abwechslung.



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 12:19
Das tut der Realist aber auch.
Nein. Der Nicht-Relativist geht nicht davon aus, dass wir grundsätzlich keine Wahrheit an sich erkennen können.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 12:19
Denn Tatsachen sind uns auf keinen Fall einfach so gegeben
Ja und? Das würde den Nicht-Relativismus nicht zum Relativismus machen. Im Gegenteil, ich glaube, dass (zum Beispiel) nur der Nicht-Relativismus behaupten kann, dass es Tatsachen gibt, die für uns unerreichbar sind. Manche Erkenntnisse sind mühsam erarbeitet, ich habe mal einen Film über die Entdeckung des "Higgs-Teilchens" gesehen, das war - gelinde gesagt - ziemlich mühsam. Aber das spricht nicht gegen den Nicht-Relativismus.




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 12:19
Der Realist tut gerne so, als sei der Relativismus eine Art grund- und sinnlose Freizeitbeschäftigung.
Kannst du aus diesem Faden einen Beleg dafür bringen?

Der Autor des Buches, auf das ich mich bisher bezogen habe, ist zum Beispiel der Ansicht, dass der Relativismus durchaus nachvollziehbar motiviert ist. Darauf will ich hier auch noch zu sprechen kommen. Zunächst sollte aber eine ungefähre gemeinsame Vorstellung, was Relativismus ist, geben.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 12:42
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 12:19
Das tut der Realist aber auch.
Nein. Der Nicht-Relativist geht nicht davon aus, dass wir grundsätzlich keine Wahrheit an sich erkennen können.
Das meine ich auch nicht. Sondern was ich meine ist: Wenn er davon ausgeht, dass wir Wahrheit an sich erkennen können, dann muss er auch erklären können wie.
Das heißt er muss die Bedinungen nennen können unter denen das Erkennen von Wahrheit (bzw Tatsachen) möglich ist/wird.
Er kann ja nicht einfach sagen, dies und das sei eine Tatsache. Er muss natürlich auch erklären können warum (also wie er darauf kommt).
Andernfalls landen wir nicht bei Wahrheit sondern in einer Diktatur.
Wie aber nun sollte der Realist erklären was eine Wahrheit ist ohne sich dabei auf ein (von ihm favorisiertes) Erkenntnissystem (z.B. Wissenschaft) zu beziehen?



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 12:47
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 12. Jul 2023, 12:19
Der Realist tut gerne so, als sei der Relativismus eine Art grund- und sinnlose Freizeitbeschäftigung.
Kannst du aus diesem Faden einen Beleg dafür bringen?
Nein, muss ich auch nicht, denn das ist meine ganz persönliche Einschätzung insb auch bei den Gesprächen mit dir (wenn es um dieses Thema geht).
Mich stört einfach, dass Deine Kritik (so sehr sie auch berechtigt sein mag) sehr, sehr, sehr einseitig zugunsten des Realismus ist.



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