Sogenannter freier Wille: Geht es um Wollen oder Können?

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
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Quk
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Sa 3. Feb 2024, 15:05

Bei der Frage, ob der menschliche Wille frei sei, sollte meines Erachtens hinzugefügt werden, worum es konkret geht: Entweder um das Wollen oder um das Können.

Ich halte das Wollen und das Können für grundverschiedene Angelegenheiten.

Das Wollen beginnt entweder kausal oder inkausal. Es ist an keine weiteren Bedingungen gebunden außer an das Wollen an sich. Strikt gesagt will beispielsweise die Gravitation Massen anziehen. Warum will sie das? Ich denke, die Frage ist sinnlos. Ebenso sinnlos ist jene Frage, ob die Gravitation frei sei oder nicht. Nun, sie tut, was sie will. Dieser Wille mag man als Zwang, also als Unfreiheit auffassen oder auch als eigenständige Durchsetzung, sprich: als Freiheit. Die Auslegung ist offensichtlich beliebig, und damit erübrigt sich auch die Frage, ob das Wollen frei sei; jedwede Antwort ändert nichts an der Tatsache, dass die Gravitation Massen anziehen will. Die Frage ist ähnlich irrelevant wie die Frage, ob rot frei sei. Ich behaupte, rot will rot sein. Nichts weiter.

Gibt es ein Wollen? Ja, zweifellos.

Das Können hingegen braucht einen Bezugsrahmen, der speziell ist. Nicht allumfassend. Alleskönner will ich hier ausnehmen, da ich keinen kenne. Selbst Gott, so es ihn gibt, kann nicht alles, denn er kann sich nicht langsam zu einem Nichtalleskönner umwandeln. Wenn die Umwandlung dennoch geschieht oder geschah, so muss die Dauer der Umwandlung unendlich kurz sein, denn man kann nicht zugleich alles und nicht alles können. Also, sowohl vor als auch nach der Umwandlung ist Gott kein Alleskönner. Deshalb rede ich hier ausschließlich von Nichtalleskönnern. Nichtalleskönner wie etwa die Gravitation oder die Menschheit können nur ganz bestimmte Sachen tun innerhalb eines Bezugsrahmens.

Gibt es ein Können? Vermutlich.

Nun gibt es die berühmte Frage: Ist der Mensch frei?

Die Fragesteller haben dabei unterschiedlichste Gedankenhintergründe. Die einen denken dabei an die Frage, ob das Wollen frei sei. Andere denken an jene Frage, ob das Können allumfassend sei. Viele denken an eine Vermischung solcher und weiterer Fragen.


Ist der Mensch frei? -- Konkreter:

Im Sinne von: Will der Mensch, was er will?

Ich sage, ja.


Im Sinne von: Beginnt der Wille kausal?

Ich sage, manchmal.


Im Sinne von: Beginnt der Wille inkausal?

Ich sage, manchmal.


Im Sinne von: Kann der Mensch alles?

Ich sage, nein.


Im Sinne von: Kann der Mensch etwas?

Ich sage, vermutlich.


Nicht alles, aber immerhin etwas kann der Mensch, so vermute ich. Wenn wir das Können definieren -- nicht das Alleskönnen --, dann müssen wir einen Bezugsrahmen dieses Könnens definieren. Die Definition des Bezugsrahmens wird gleichfalls die des Könnens sein. Beispiel:

Ein Wesen soll in den nächsten zwei Sekunden eine Zahl zwischen 1 und 3 sagen. Das Können bezieht sich in diesem Fall auf den folgenden Rahmen:
• Das Wesen kann die Aufgabe verstehen (Fähigkeits-Können)
• Das Wesen kann sprechen (Fähigkeits-Können)
• Das Wesen kann nur die Zahlen 1, 2, oder 3 sagen (Erlaubnis-Können)
• Das Wesen kann nur innerhalb der nächsten zwei Sekunden sprechen (Erlaubnis-Können)

Mit anderen Worten: Es gibt vielerlei Arten des Könnens -- Fähigkeit, Erlaubnis etc., und all diese zusammen beschreiben situativ einen eingeschränkten, speziellen Möglichkeitsrahmen. Auch da ist die Freiheitsfrage mühselig, da der Rahmen sowohl eine Ausdehnung als auch eine Grenze hat: Die Ausdehnung kann man als Freiheit auslegen und die Grenze als Unfreiheit. Die Antwort ist also irrelevant im Hinblick auf die Tatsache, dass sowohl eine Ausdehnung als auch eine Grenze vorliegt.

Soweit meine Gedanken für heute. Ich kann mich natürlich irren. Auch das kann ich.




Burkart
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Sa 3. Feb 2024, 17:55

Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 15:05
Im Sinne von: Beginnt der Wille inkausal?

Ich sage, manchmal.
Ist dieses "inkausal" nicht nur eine "nicht erkennbare/nicht erkannte" Kausalität, ggf. auf anderer Ebene? Oder kannst du dies widerlegen?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Quk
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Sa 3. Feb 2024, 18:49

Mit inkausal meine ich tatsächlich ohne Ursache, also total spontane, indeterministische Ereignisse wie in der Quantenmechanik. Der Urknall, so es ihn gab, war auch inkausal.




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Jörn Budesheim
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Sa 3. Feb 2024, 18:56

Ich habe den Text schon zwei- oder dreimal gelesen. Aber wenn mich jetzt jemand fragen würde, was Quk zu diesem Thema geschrieben hat, könnte ich es nicht erklären. Hast du zufällig Zeit und Lust, eine einfache, leicht verständliche Zusammenfassung zu schreiben, irgendeinen Anhaltspunkt, eine Richtung, einen Grundgedanken, worum es dir geht, so dass ich mit diesem Hintergrund den Text vielleicht noch einmal mit Verständnis lesen kann.




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Quk
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Sa 3. Feb 2024, 19:13

Klarer kann ich meinen Text leider nicht formulieren. Ich habe mir bereits maximale Mühe gegeben.




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Jörn Budesheim
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Sa 3. Feb 2024, 19:16

Okay.




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Stefanie
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Sa 3. Feb 2024, 19:36

Mir macht dieser Teil etwas Schwierigkeiten:
Das Wollen beginnt entweder kausal oder inkausal. Es ist an keine weiteren Bedingungen gebunden außer an das Wollen an sich. Strikt gesagt will beispielsweise die Gravitation Massen anziehen. Warum will sie das? Ich denke, die Frage ist sinnlos. Ebenso sinnlos ist jene Frage, ob die Gravitation frei sei oder nicht. Nun, sie tut, was sie will. Dieser Wille mag man als Zwang, also als Unfreiheit auffassen oder auch als eigenständige Durchsetzung, sprich: als Freiheit. Die Auslegung ist offensichtlich beliebig, und damit erübrigt sich auch die Frage, ob das Wollen frei sei; jedwede Antwort ändert nichts an der Tatsache, dass die Gravitation Massen anziehen will. Die Frage ist ähnlich irrelevant wie die Frage, ob rot frei sei. Ich behaupte, rot will rot sein. Nichts weiter.
Ähm, wie kann etwas, was kein Lebewesen ist, etwas wollen?
.
.
.
Oh, Moment. Ist das gerade der Clou? Die Gravitation macht was sie will, weil es das ist, was sie eben ist. Das liegt an ihrem ähm Aufbau. Insofern ist die Frage sinnlos, nach dem frei des Wollen zu fragen.
Übertragen auf uns Menschen bedeutet es, wir wollen eben auch, weil wir wollen. Auch hier ist dann die Frage sinnlos, nach der Freiheit des Willen zu fragen. Wir wollen sowieso immer wollen?
Oder so.
Ich lass das mal so stehen.



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Quk
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Sa 3. Feb 2024, 21:25

Stefanie hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 19:36
Oh, Moment. Ist das gerade der Clou? Die Gravitation macht was sie will, weil es das ist, was sie eben ist. Das liegt an ihrem ähm Aufbau. Insofern ist die Frage sinnlos, nach dem frei des Wollen zu fragen.
Übertragen auf uns Menschen bedeutet es, wir wollen eben auch, weil wir wollen. Auch hier ist dann die Frage sinnlos, nach der Freiheit des Willen zu fragen. Wir wollen sowieso immer wollen?
Ganz genau.

Ich will immer gesund sein, auch wenn ich das nicht sein kann oder nicht bin. Ich will das. Nichts schränkt meinen Willen ein. Eingeschränkt wird nur das Können.

Ich denke, durch die Vermischung von Wollen und Können entstehen viele Missverständnisse bei dieser berühmten Frage der Willensfreiheit.




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Quk
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Sa 3. Feb 2024, 21:31

Des Weiteren muss man sich auch mal bewusst werden, wo das Wort "wollen" sprachlich herkommt. Im Englischen wirds noch klarer: "I will survive" heißt sowohl "ich will überleben" als auch "ich werde überleben". Wollen ist eigentlich nur ein anderes Wort für Sein in der Zukunft. Es ist kein Handeln. Es ist ein Streben oder Wünschen. Die Gravitation wünscht sich wohl nichts, aber sie strebt.




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Stefanie
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Sa 3. Feb 2024, 22:01

Das "Ich will nicht" ist dann ein wollen, nicht zu wollen?

Edit.
An dem Wort inkausal scheitert übrigens Google.
Im Sinne von: Beginnt der Wille inkausal?

Ich sage, manchmal.
Gibt es dazu ein Beispiel? Mir fällt es schwer, mir das vorzustellen. Es gibt sowas wie einen Gedankenblitz, aber beim Willen?



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Timberlake
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Sa 3. Feb 2024, 22:29

Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 15:05

Nun gibt es die berühmte Frage: Ist der Mensch frei?

Die Fragesteller haben dabei unterschiedlichste Gedankenhintergründe. Die einen denken dabei an die Frage, ob das Wollen frei sei. Andere denken an jene Frage, ob das Können allumfassend sei. Viele denken an eine Vermischung solcher und weiterer Fragen.


Ist der Mensch frei? -- Konkreter:

Im Sinne von: Will der Mensch, was er will?

Ich sage, ja.


Im Sinne von: Beginnt der Wille kausal?

Ich sage, manchmal.


Im Sinne von: Beginnt der Wille inkausal?

Ich sage, manchmal.


Im Sinne von: Kann der Mensch alles?

Ich sage, nein.


Im Sinne von: Kann der Mensch etwas?

Ich sage, vermutlich.


Im Sinne von Naturgesetze und Naturkonstanten ?

Ich sage, nein.




Timberlake
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Sa 3. Feb 2024, 22:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 18:56
Ich habe den Text schon zwei- oder dreimal gelesen. Aber wenn mich jetzt jemand fragen würde, was Quk zu diesem Thema geschrieben hat, könnte ich es nicht erklären. Hast du zufällig Zeit und Lust, eine einfache, leicht verständliche Zusammenfassung zu schreiben, irgendeinen Anhaltspunkt, eine Richtung, einen Grundgedanken, worum es dir geht, so dass ich mit diesem Hintergrund den Text vielleicht noch einmal mit Verständnis lesen kann.
.. wie wäre es denn damit ...
Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 15:05


Ich halte das Wollen und das Können für grundverschiedene Angelegenheiten.





Timberlake
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Sa 3. Feb 2024, 22:55

Michael7Nigl hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 07:26
Timberlake hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 00:59
  • "Weil jegliches Wesen in der Natur zugleich Erscheinung und Ding an sich, oder auch
    natura naturata und natura naturans, ist; so ist es demgemäß einer zwiefachen
    Erklärung fähig, einer physischen und einer metaphpysischen. Die physische ist allemal
    aus der Ursache; die metaphysische allemal aus dem Willen: denn dieser ist es, der in der
    erkenntnißlosen Natur sich darstellt als Naturkraft, höher hinauf als Lebenskraft, in Thier
    und Mensch aber den Namen Willen erhält."
    Arthur Schopenhauer ... Parerga und Paralipomena
[Vorlage], wonach sich der Willen metaphysisch als eine Naturkraft einer erkenntnißlosen Natur und damit der toten Materie darstellt. Höher hinauf als Lebenskraft in der belebten Materie . In Thier und Mensch aber erst den Namen Willen erhält.
Schopenhauer scheint hier anzunehmen, dass Dinge an sich, welche nach Kant als Grund der Erscheinungen angenommen werden müssen, durch den Willen unserer Erkenntnis zugänglich gemacht werden können. Denn wir erführen am eigenen Leib, dass dieser nicht nur Vorstellung, sondern alle seine Lebensäußerungen unmittelbare Wirkung unseres Willens seien.

Für mich ist diese Idee Schopenhauers und die Verknüpfung mit Kants Ding an sich vor allem eins: spekulativ. In meinen Augen ist der Wille eine Erscheinung des empirischen Subjekts. Wohlgemerkt sage ich dies als Laie; ich traue mir nicht zu, über Schopenhauer zu urteilen.
und traust du dir denn zu bezüglich dessen, also dem "spekulativen" Willen , über Quk zu urteilen ..
Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 23:06


Nun besteht ja auch eine Verbindung zwischen Geist und Materie. Man kann annehmen, dass Neuronen mit Strom arbeiten, also mit Elektronen. Und dass Neuronen bisweilen einen bestimmten Willen erzeugen. Wenn man bedenkt, dass aus einem Schmetterlingsflügelschlag sich ein Sturm entwickeln kann, dann kann man sich auch vorstellen, dass ein Neuron Trilliarden andere Neuronen beeinflussen kann. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass quantenmechanische Zufälle einen bestimmten Willen verursachen können. Zufälle sind inkausal; inkausalen Ereignissen gehen keine Ursachen voraus. Die Neuronen werden wohl meistens rechnen, vermute ich. Dann gibt es Gründe und Begründungsketten, beziehungsweise Ursachen und Kausalketten. Ich schätze, insgesamt entstehen da viele inkausale und kausale Neuronen-Ereignisse oder anders gesagt: Willens-Vektoren.

Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 15:05

Das Wollen beginnt entweder kausal oder inkausal. Es ist an keine weiteren Bedingungen gebunden außer an das Wollen an sich. Strikt gesagt will beispielsweise die Gravitation Massen anziehen. Warum will sie das? Ich denke, die Frage ist sinnlos. Ebenso sinnlos ist jene Frage, ob die Gravitation frei sei oder nicht. Nun, sie tut, was sie will.
Wo wir schon mal bei der Gravitation und somit der Schwere, wie auch Schopenhauer sind ..
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 3. Feb 2024, 23:21, insgesamt 6-mal geändert.




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Quk
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Sa 3. Feb 2024, 23:06

Stefanie hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 22:01
Das "Ich will nicht" ist dann ein wollen, nicht zu wollen?
Im Satz "ich will nicht" fehlt noch die "was"-Information: "Was will ich nicht?" -- "Ich will nicht ersticken." Das ist zwar eine Negation und es klingt dadurch komplizierter. Aber das ist egal. Das ändert nichts am Inhalt. Ich verwandle das einfach ins positive: "Ich will atmen." Das will ich. Es geht also nicht um zweierlei Wollen -- Wollen und zugleich Nichtwollen --, sondern um Wollen und Atmen, beziehungsweise Wollen und Nichtersticken.

Stefanie hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 22:01
An dem Wort inkausal scheitert übrigens Google.
Erstaunlich. Ich dachte, das Wort sei bekannt. Wir hatten hier im Forum letzten Sommer ein Thema, da benutzte ich das Wort "akausal". Die Vorsilbe "a-" ist aber nicht wirklich eine Verneinung, sondern eine Nichtnachweisbarkeit. Das wurde mir da bewusst, und seither verwende ich lieber die Vorsilbe "in-", welche wirklich eine Verneinung meint. Ich meine also die tatsächliche Abwesenheit einer Ursache. Nicht, dass die Ursache lediglich unbemerkbar sein könnte.

Stefanie hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 22:01
Gibt es dazu ein Beispiel? Mir fällt es schwer, mir das vorzustellen. Es gibt sowas wie einen Gedankenblitz, aber beim Willen?
Du kennst sicherlich den Unterschied zwischen Sinustönen (Pfeifen) und Rauschen (Wasserfall). Du kennst das Rauschen aus einem alten Radio. Das Rauschen besteht aus unzähligen Sinustönen, die alle verschiedene Frequenzen haben. Diese vielen Frequenzen gehen dermaßen chaotisch-zufällig durcheinander, dass kein Sinuston (kein reiner Brummton, kein reiner Pfeifton) im Rauschen hörbar ist, sondern eben nur die Summe: Das Rauschen. Produziert wird das tatsächlich von den chaotischen, indeterminierten Elektronenbewegungen in den Transistoren etc. Wären die determinert, also kausal einem bestimmten Muster folgend, so würde auch das Rauschen verschwinden und stattdessen ein regelmäßiges Tonmuster hörbar werden (ähnlich wie ein Chor etc.). Beim Bildrauschen auf elektronischen Geräten ist es dasselbe. Die Transistoren und Dioden arbeiten mit Elektronenbewegungen. Die bewegen sich in keiner genauen geregelten Bahn, sondern innerhalb eines Wahrscheinlichkeits-Korridors. Der Zufall spielt da eine zentrale Rolle. Das ist echtes Chaos. Völlig unvorhersehbare Ereignisse finden da permanent statt. Wenn das nicht so wäre, würde das Bild anstatt ein Rauschen ein visuelles Muster aufzeigen.

Nun besteht ja auch eine Verbindung zwischen Geist und Materie. Man kann annehmen, dass Neuronen mit Strom arbeiten, also mit Elektronen. Und dass Neuronen bisweilen einen bestimmten Willen erzeugen. Wenn man bedenkt, dass aus einem Schmetterlingsflügelschlag sich ein Sturm entwickeln kann, dann kann man sich auch vorstellen, dass ein Neuron Trilliarden andere Neuronen beeinflussen kann. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass quantenmechanische Zufälle einen bestimmten Willen verursachen können. Zufälle sind inkausal; inkausalen Ereignissen gehen keine Ursachen voraus. Die Neuronen werden wohl meistens rechnen, vermute ich. Dann gibt es Gründe und Begründungsketten, beziehungsweise Ursachen und Kausalketten. Ich schätze, insgesamt entstehen da viele inkausale und kausale Neuronen-Ereignisse oder anders gesagt: Willens-Vektoren.




Michael7Nigl
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So 4. Feb 2024, 02:06

Timberlake hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 22:55
und traust du dir denn zu bezüglich dessen, also dem "spekulativen" Willen , über Quk zu urteilen ..
Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 23:06
Nun besteht ja auch eine Verbindung zwischen Geist und Materie. Man kann annehmen, dass Neuronen mit Strom arbeiten, also mit Elektronen. Und dass Neuronen bisweilen einen bestimmten Willen erzeugen. Wenn man bedenkt, dass aus einem Schmetterlingsflügelschlag sich ein Sturm entwickeln kann, dann kann man sich auch vorstellen, dass ein Neuron Trilliarden andere Neuronen beeinflussen kann. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass quantenmechanische Zufälle einen bestimmten Willen verursachen können. Zufälle sind inkausal; inkausalen Ereignissen gehen keine Ursachen voraus. Die Neuronen werden wohl meistens rechnen, vermute ich. Dann gibt es Gründe und Begründungsketten, beziehungsweise Ursachen und Kausalketten. Ich schätze, insgesamt entstehen da viele inkausale und kausale Neuronen-Ereignisse oder anders gesagt: Willens-Vektoren.
Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 15:05
Das Wollen beginnt entweder kausal oder inkausal. Es ist an keine weiteren Bedingungen gebunden außer an das Wollen an sich. Strikt gesagt will beispielsweise die Gravitation Massen anziehen. Warum will sie das? Ich denke, die Frage ist sinnlos. Ebenso sinnlos ist jene Frage, ob die Gravitation frei sei oder nicht. Nun, sie tut, was sie will.
Den Willen als außerhalb der Kausalität stehend ("inkausal") zu begreifen, erinnert mich tatsächlich an Schopenhauer. Ich glaube aber, dass Quk damit etwas anderes meint. Quantenmechanische Ereignisse sind nicht in diesem Sinne "inkausal", sondern nur indeterministisch. Auch in der Quantenmechanik gibt es Ursachen und Wirkungen, nur folgen nicht alle Wirkungen notwendigerweise auf eine bestimmte Ursache, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit.

Den Willen alleine auf materielle Vorgänge im Gehirn zurückzuführen, ist bereits eine starke philosophische Position (Physikalismus). In diesem Sinne könnte man sagen, dass Entscheidungen auf Zufällen beruhen, also je nachdem wie auf der Quantenebene sich die Dinge entwickeln. Somit wäre der Wille nicht frei, sondern eine Illusion - wir hätten nur das Gefühl, dass ein seelischer Zustand (Wille) ursächlich für eine Handlung sei. In Wahrheit spielte dieser seelische Zustand jedoch keine ursächliche Rolle dafür, was wir tun, weil alles nur ein Ergebnis materieller, naturgesetzlich vorgegebener Prozesse wäre.

Die Annahme, unser Geist stecke hinter den quantenmechanischen Zufallsereignissen, welche die Geschehnisse in unserem Gehirn bestimmen oder lenken, schiene mir äußerst spekulativ. Dies würde auch das Prinzip der kausalen Geschlossenheit infrage stellen.

Ich persönlich betrachte den Willen, wie bereits an anderer Stelle gesagt, als Erscheinung des empirischen Subjekts. Er steht somit für mich stets innerhalb eines kausalen Zusammenhangs.
Timberlake hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 22:55
Wo wir schon mal bei der Gravitation und somit der Schwere, wie auch Schopenhauer sind ..
Dieser Gedanke Schopenhauers ist interessant. Er richtet sich, wenn ich ihn richtig verstehe, gegen die These, dass Materie keine seelischen Zustände hervorbringen könne. Was geistige Fertigkeiten wie Rechnen, Sprechen, Schachspielen, räumliche Orientierung etc. angeht, hat Schopenhauer ja bereits Recht bekommen: Computer (tote Materie) können Vieles leisten, was früher als genuin geistiges Schaffen angesehen wurde. Lediglich die Aspekte subjektiven Erlebens, Bedeutung, Gefühle können Maschinen noch nicht darstellen.




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Quk
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So 4. Feb 2024, 08:07

Michael7Nigl hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 02:06
Quantenmechanische Ereignisse sind nicht in diesem Sinne "inkausal", sondern nur indeterministisch. Auch in der Quantenmechanik gibt es Ursachen und Wirkungen, nur folgen nicht alle Wirkungen notwendigerweise auf eine bestimmte Ursache, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit.
Wenn ein Teilchen plötzlich, spontan abweicht vom wahrscheinlichen Mittelwert seines Pfades, dann sehe ich in dieser Spontaneität keine Ursache. Man könnte zwar das Auftauchen dieser Spontaneität selbst wiederum als Ursache bezeichnen, aber das verschiebt die Warum-Frage nur um einen Schritt nach hinten. Spätestens wenn man fragt, was die Ursache selbiger Spontaneität war, ist das Ende der Fahnenstange erreicht, denke ich.

Vielleicht können wir uns auf das Wort "akausal" einigen, also wenigstens darauf, dass wir die Ursache solch einer Spontaneität nicht sehen und nicht steuern können. -- Wir können uns vom Rauschen des Chaos nur teilweise befreien. Teilweise. Unser Spielraum hat eine Ausdehnung (Freiheit) und eine Grenze (Unfreiheit).

Übrigens möchte ich meine These nicht als Physikalismus verstanden wissen. Ich benutze häufig das Wort "auch"; ich denke nicht monothematisch, sondern betrachte vielerlei Themenfelder zusammen und versuche, sie zu verbinden. Themenfelder außerhalb der Physik möchte ich keineswegs ausschließen. Meine Texte behandeln die Physik nur teilweise.




Burkart
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So 4. Feb 2024, 09:19

Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 18:49
Mit inkausal meine ich tatsächlich ohne Ursache, also total spontane, indeterministische Ereignisse wie in der Quantenmechanik. Der Urknall, so es ihn gab, war auch inkausal.
Die Frage ist nur, ob es solchen (sagen wir hier: menschlichen) "freien" Willen überhaupt gibt. Ist er nicht immer vom menschlichen Gehirn, Sinneseindrücken u.a. bedingt?
Inwieweit Quantenmechanik dafür entscheidend sein kann, weiß niemand, z.B. ob sie für Willen zu unbedeutend ist.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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So 4. Feb 2024, 16:51

Ich habe eine Frage zur Kausalität (kausal, inkausal). Nehmen wir ein Beispiel. Ich beschließe, eine Reihe von Kafka-Geschichten zu lesen. Jetzt ist es nicht so, dass diese Geschichten kausal auslösen, dass ich sie lese. Sondern da spielen andere Dinge eine Rolle, wie Sinn, Ästhetik, Geist, Geschichte und so weiter. Diese Aspekte finde ich in deiner Beschreibung nicht wieder. Spielen die für die Frage nach unserer Freiheit keine Rolle?




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Stefanie
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So 4. Feb 2024, 17:45

Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 23:06
Stefanie hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 22:01
Das "Ich will nicht" ist dann ein wollen, nicht zu wollen?
Im Satz "ich will nicht" fehlt noch die "was"-Information: "Was will ich nicht?" -- "Ich will nicht ersticken." Das ist zwar eine Negation und es klingt dadurch komplizierter. Aber das ist egal. Das ändert nichts am Inhalt. Ich verwandle das einfach ins positive: "Ich will atmen." Das will ich. Es geht also nicht um zweierlei Wollen -- Wollen und zugleich Nichtwollen --, sondern um Wollen und Atmen, beziehungsweise Wollen und Nichtersticken.
Soweit habe ich Deine Position verstanden. Ich frage mich nur, ob das immer so möglich ist, wie in dem Beispiel mit einer lebenswichtigen Funktion.
Es gibt Situationen, da will frau einfach was nicht. Ich will nicht am Firmenlauf teilnehmen. Positiv formuliert....ähm... fällt mir nichts ein. Ich mag solche Veranstaltungen nicht.
Das ist ja kein Wollen und zugleich Nichtwollen. Es ist nur Nichtwollen. Es gibt einen Grund dafür, etwas nicht zu wollen. Von über keine Lust bis hin gefällt nicht usw. Es gibt auch ein Nichtwollen.

Zum inkausal.
Ja, tja. Ich bekomme, das nicht auf den Mensch übertragen. Ich kann mir ein Wollen ohne Grund und Ursache nicht vorstellen.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Quk
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So 4. Feb 2024, 17:53

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 16:51
Ich habe eine Frage zur Kausalität (kausal, inkausal). Nehmen wir ein Beispiel. Ich beschließe, eine Reihe von Kafka-Geschichten zu lesen. Jetzt ist es nicht so, dass diese Geschichten kausal auslösen, dass ich sie lese. Sondern da spielen andere Dinge eine Rolle, wie Sinn, Ästhetik, Geist, Geschichte und so weiter. Diese Aspekte finde ich in deiner Beschreibung nicht wieder. Spielen die für die Frage nach unserer Freiheit keine Rolle?
Es können meines Erachtens unzählig viele Ursachen Dich motivieren, Kafka zu lesen. Du hast viel Gelerntes im Gedächtnis, hast stets unermesslich viele Gedankenketten, Abwägungen, Berechnungen, Handlungspläne, Gespräche, hast ständig Sinneseindrücke, Träume, etc. Alles beeinflusst alles kausal. Manches passiert dabei wohl auch zufällig.

Du fragst, ob das alles keine Rolle spielt für die Frage nach unserer Freiheit. Ich kenne Deine Definition der Freiheit nicht. Ich kenne meine. Der Wille will nur eins: Wollen. Ich habe oben mehrmals begründet, warum ich den Willen weder für frei noch für unfrei halte. Der Wille will etwas, egal ob er kann oder nicht. Ich will Kafka lesen, egal ob das Buch vor mir liegt oder nicht. Egal, ob ich kann oder nicht, ich will das. So viel zum Wollen. Zum Können: Man kann etwas tun innerhalb eines Spielfeldes. Meine Könnens-Freiheit reicht bis zur Grenze des Spielfelds. Was heißt das jetzt? Frei oder nicht frei. Warum muss man diese Frage immer dermaßen klobig pauschalieren ohne jegliche Differenzierung? Hat der Mensch Hunger? Ja, nein, ja, nein. Ich muss doch differenzieren. Das menschliche Leben ist unermesslich komplex.
Zuletzt geändert von Quk am So 4. Feb 2024, 17:55, insgesamt 1-mal geändert.




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