Sogenannter freier Wille: Geht es um Wollen oder Können?

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1882
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

So 4. Feb 2024, 22:00

Stefanie hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 21:12

Ich kann und darf ohne Beschränkungen und Verbote, die mich daran hindern, erst nach New York und dann nach Sydney reisen. Anders sieht das aus, wenn ich Bürgerin von Nordkorea wäre. Als solche darf ich ohne Erlaubnis noch nicht mal aus meinem Dorf in die Hauptstadt, geschweige denn nach New York. Für diese Beschränkung besteht noch nicht mal die Möglichkeit, es zu ändern. Es ist eine undurchlässige Grenze. Es ist keine Freiheit.
Es gibt Rahmen, deren inneliegende Fläche so winizig minimal sind, dass man nicht davon ausgehen kann, dass dort überhaupt irgendein ein Können möglich ist. Der Möglichkeitsrahmen in wesentlichen Bereichen ist gleich Null. Diktaturen und sonstige totalitären Herrschaftsregime. Diese Situationen kommen irgendwie nicht in der Beschreibung von Freiheit vor.
Doch, sie kommen vor. Die Freiheit, also das Spielfeld (Rahmen etc.) hat eine skalierbare Ausdehnung. Die ist je nach Thema groß oder klein. Wenn wir das Spielfeld einer Schnecke mit dem einer Nordkoreanerin vergleichen, so ist die Nordkoreanerin relativ freier. Vergleichen wir letztere mit dem Spielfeld von Elon Muskel, so hat er die größere Freiheit.

Ich sehe bei diesen Überlegungen kein Problem im Kontext meiner Thesen.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7319
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

So 4. Feb 2024, 22:00

Na ja, es gibt auch Ohrstöpsel. :mrgreen:

Ich meinte insbesondere diese Strophen:

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei

Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei

Übertragen auf heutige Situationen, wie z.B. im Iran bedeutet dies, dass selbst wenn jemand eingesperrt wird, weil er oder sie im öffentlichen Raum das Denken öffentlich ausgesprochen hat, diese Person trotzdem weiterhin denkt. Der Wille will weiterhin. Allerdings ist das Können ausgeschaltet. Der Wille ist nicht eingeschränkt, das Denken auch nicht, aber das Können und Handeln ist verboten.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1882
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

So 4. Feb 2024, 22:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 21:25
Es ist wie ein Fremdkörper.
Nein.

Es ist Dein Körper.

Es ist Dein Wollen.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1882
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

So 4. Feb 2024, 22:11

Stefanie hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 22:00
Na ja, es gibt auch Ohrstöpsel.
Hab ich.

Stefanie hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 22:00
Übertragen auf heutige Situationen, wie z.B. im Iran bedeutet dies, dass selbst wenn jemand eingesperrt wird, weil er oder sie im öffentlichen Raum das Denken öffentlich ausgesprochen hat, diese Person trotzdem weiterhin denkt. Der Wille will weiterhin. Allerdings ist das Können ausgeschaltet. Der Wille ist nicht eingeschränkt, das Denken auch nicht, aber das Können und Handeln ist verboten.
Exakt. Denkenkönnen läuft. Haareoffentragenkönnen läuft nicht.

Denkenwollen läuft sowieso.

Das sind keine Fremdkörper. Diese Kräfte stecken in den Lebewesen drin.




Burkart
Beiträge: 2802
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Mo 5. Feb 2024, 01:16

Quk hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 21:15
AufDerSonne hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 21:11
Quk hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 21:08

Ja.
Ich frage, weil das Resultat vom Denken nicht immer so offensichtlich ist wie bei anderen Handlungen.
Denken ist Arbeit. Arbeit muss nicht immer Muskelarbeit sein.

Wer arbeitet, handelt.
Mir scheint, dass das Handeln nicht so klar ist. Nichts jedes Denken ist Arbeit, kann z.B. auch Entspannung sein.

Wikipedia beginnt mit: "Handeln ist ein Sammelbegriff für bestimmte Tätigkeiten (die Handlungen), die ein Mensch absichtlich unternimmt. Handeln ist mit Verantwortung verbunden."
Der erste Satz passt soweit noch.. Aber ist das (eigene!?) Denken mit Verantwortung verbunden? Das sehe ich nicht so; man muss denken können, was man möchte.

"Die Untersuchung von Handlungen und Verantwortung sind traditionelle Bestandteile der Philosophie. „Was soll ich tun?“ gilt als eine ihrer Grundfragen."
Ist mit "Was soll ich tun?" wirklich auch das Denken gemeint? So hatte ich es bisher zumindest nicht verstanden.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Michael7Nigl
Beiträge: 186
Registriert: Mi 3. Jan 2024, 00:49

Mo 5. Feb 2024, 01:21

Quk hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 08:07
Michael7Nigl hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 02:06
Quantenmechanische Ereignisse sind nicht in diesem Sinne "inkausal", sondern nur indeterministisch. Auch in der Quantenmechanik gibt es Ursachen und Wirkungen, nur folgen nicht alle Wirkungen notwendigerweise auf eine bestimmte Ursache, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit.
Wenn ein Teilchen plötzlich, spontan abweicht vom wahrscheinlichen Mittelwert seines Pfades, dann sehe ich in dieser Spontaneität keine Ursache. Man könnte zwar das Auftauchen dieser Spontaneität selbst wiederum als Ursache bezeichnen, aber das verschiebt die Warum-Frage nur um einen Schritt nach hinten. Spätestens wenn man fragt, was die Ursache selbiger Spontaneität war, ist das Ende der Fahnenstange erreicht, denke ich.

Vielleicht können wir uns auf das Wort "akausal" einigen, also wenigstens darauf, dass wir die Ursache solch einer Spontaneität nicht sehen und nicht steuern können. -- Wir können uns vom Rauschen des Chaos nur teilweise befreien. Teilweise. Unser Spielraum hat eine Ausdehnung (Freiheit) und eine Grenze (Unfreiheit).

Übrigens möchte ich meine These nicht als Physikalismus verstanden wissen. Ich benutze häufig das Wort "auch"; ich denke nicht monothematisch, sondern betrachte vielerlei Themenfelder zusammen und versuche, sie zu verbinden. Themenfelder außerhalb der Physik möchte ich keineswegs ausschließen. Meine Texte behandeln die Physik nur teilweise.
Bei der komplizierten Diskussion über Willensfreiheit ist es notwendig, auf die genaue Bedeutung der Worte zu achten und mit Beschreibungen nicht zu vage zu sein. Man kann es belächeln, wenn ich immer wieder auf das Wörterbuch verweise, aber oft entsteht bei Debatten der Eindruck, dass man versucht zu laufen, bevor man sitzen gelernt hat.

Z.B. weiß man natürlich, was gemeint ist, wenn jemand sagt: "Ich will fliegen." oder "Ich will gesund sein." Das ist aber kein Wille im eigentlichen Sinn, sondern ein Wunsch. Wille bedeutet: "Fähigkeit des Menschen, sich für bestimmte Handlungen zu entscheiden" - das ist noch kein Fachterminus, sondern einfach die Bedeutung des Wortes, wie es im Wörterbuch steht. Wenn in einer Diskussion jeder unter einem bestimmten Wort etwas anderes versteht, dann wird man nie auf einen grünen Zweig kommen.

Ebenso verhält es sich mit dem Begriff Kausalität: "Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, betrifft also die Abfolge aufeinander bezogener Ereignisse und Zustände". Eine zufällige Bewegungsänderung geschieht nicht aus dem Nichts heraus, sondern setzt ein Teilchen mit (unbestimmtem) Ort und Impuls voraus, welches zufällig seine Bewegung ändert. Dieser Zustand A ist die Ursache. Nach der zufälligen Bewegungsänderung haben wir einen Zustand B, die Wirkung. Anders als in der Newtonschen Mechanik folgt in der Quantenmechanik B nicht notwendig auf A, sondern nur mit einer Wahrscheinlichkeit (Du nennst das "Spontaneität"). Die Abläufe sind also weder "inkausal" noch "akausal", sondern indeterministisch. Dass wir für die Bewegungsänderung keinen weiteren Grund angeben können, kommt in dem Wort "zufällig" zum Ausdruck, nicht in dem hier fehlplatzierten Wort "akausal".

Du scheinst sagen zu wollen, dass Wille und Freiheit zueinander windschief stehen. Für mich macht die Frage, ob wir unseren Willen bestimmen können, durchaus Sinn. Kann ich mir bspw. den Willen geben Vegetarier zu sein oder nicht? Vegetarier zu sein bedeutet den Willen zu haben, kein Fleisch zu essen. Dieser Wille ist bei einer vegetarischen Ernährung stets handlungsleitend.
Vegetarier zu sein bedeutet nicht einfach nur kein Fleisch zu essen, soz. zufällig, sondern den Willen dazu zu haben. Und diesen Willen kann ich mir bewusst geben.
Man kann andererseits auch der Meinung sein, dass ich mir diesen Willen nicht frei geben kann. Das ist dann eben die Frage der Willensfreiheit.

Davon zu unterscheiden wäre die Handlungsfreiheit. Wenn mich jemand an einen Stuhl fesselt und mir mit einer Magensonde tierische Nahrung verabreicht, habe ich keine Handlungsfreiheit bzgl. einer vegetarischen Ernährung.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1882
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Mo 5. Feb 2024, 07:43

Burkart hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2024, 01:16
"Die Untersuchung von Handlungen und Verantwortung sind traditionelle Bestandteile der Philosophie. „Was soll ich tun?“ gilt als eine ihrer Grundfragen."
Ist mit "Was soll ich tun?" wirklich auch das Denken gemeint? So hatte ich es bisher zumindest nicht verstanden.
Ich denke, man muss die Sachverhalte nicht entweder schwarz oder weiß sehen.

Paula: "Otto, du musst handeln. Denk dir endlich einen Sitzplan aus."
Otto: "Mach ich morgen."
Paula: "Nein, jetzt. Handle jetzt. Wir müssen die Sitze optimal den verschiedenen Gästen zuordnen."
Otto: "Gut. Ich handle jetzt. Ich arbeite. Frau Meier, hm, setzen wir am besten dort hin, weil ..."


Dann gibt es noch den Spruch: "Nicht schwätzen. Machen!" Da könnte man -- im strikten Sinn -- das Schwätzen als ein Nichthandeln bezeichnen. Aber genau genommen, philosophisch scharf betrachtet, ist doch das Schwätzen auch ein aktives Tun, mit Absicht, mit Einfluss etc. Vielleicht sollte man unterscheiden zwischen dem strikten "Handeln"-Begriff im Alltag und einer feineren, mikroskopischen Bedeutung des Begriffs.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23560
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 5. Feb 2024, 07:55

Grundbegriffe der Philosophie, Ansgar Beckermann hat geschrieben : Über Handlungsfreiheit verfügt, wer in seinen Handlungen (→Handeln) frei ist, d. h., wer tun kann, was er tun will. Über W. verfügt, wer in seinen Entscheidungen frei ist.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1882
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Mo 5. Feb 2024, 07:56

Michael7Nigl hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2024, 01:21
Z.B. weiß man natürlich, was gemeint ist, wenn jemand sagt: "Ich will fliegen." oder "Ich will gesund sein." Das ist aber kein Wille im eigentlichen Sinn, sondern ein Wunsch. Wille bedeutet: "Fähigkeit des Menschen, sich für bestimmte Handlungen zu entscheiden" - das ist noch kein Fachterminus, sondern einfach die Bedeutung des Wortes, wie es im Wörterbuch steht. Wenn in einer Diskussion jeder unter einem bestimmten Wort etwas anderes versteht, dann wird man nie auf einen grünen Zweig kommen.
Stimmt.

"Fähigkeit des Menschen, sich für bestimmte Handlungen zu entscheiden."

Das widerspricht ja nicht meinen Aussagen. Denn die Entscheidung für eine Handlung ist noch nicht die Handlung selbst.

"Ich will fliegen" ist noch kein Fliegen, sondern zunächst nur eine Entscheidung, beziehungsweise ein Wollen, sich so zu entscheiden.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23560
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 5. Feb 2024, 08:21

Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 15:05
Das Wollen beginnt entweder kausal oder inkausal. Es ist an keine weiteren Bedingungen gebunden außer an das Wollen an sich. Strikt gesagt will beispielsweise die Gravitation Massen anziehen. Warum will sie das? Ich denke, die Frage ist sinnlos. Ebenso sinnlos ist jene Frage, ob die Gravitation frei sei oder nicht. Nun, sie tut, was sie will. Dieser Wille mag man als Zwang, also als Unfreiheit auffassen oder auch als eigenständige Durchsetzung, sprich: als Freiheit. Die Auslegung ist offensichtlich beliebig, und damit erübrigt sich auch die Frage, ob das Wollen frei sei; jedwede Antwort ändert nichts an der Tatsache, dass die Gravitation Massen anziehen will. Die Frage ist ähnlich irrelevant wie die Frage, ob rot frei sei. Ich behaupte, rot will rot sein. Nichts weiter.
Ich frage mich, wo in dem zitierten Text das Leben ist. Ich sehe es nicht, wenn du schreibst, dass der Wille kausal oder inkausal beginnt. Unser Leben wird dabei ausgeblendet.
Quk hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 21:50
Möglicherweise haben wir zwei unterschiedliche Haltungen zum Leben.
Ein Beispiel, wovon ich rede: Marie will zeichnen lernen, sie ist gerade zehn Jahre alt. Wie kommt das? Nun, ich vermute, dass wir alle eine gewisse Veranlagung zur künstlerischen Tätigkeit in uns tragen, die sich natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausprägt. Aber das erklärt es vielleicht noch nicht, was kommt noch dazu? Es gibt Vorbilder. Ihre große Schwester zeichnet auch und ihr Großvater ist ein leidenschaftlicher Hobbyzeichner. Er zeigt ihr seine eigenen Bilder, hat ihr auch schon ein Buch mit Zeichnungen aus der Renaissance geschenkt. Im Internet hat er ihr Zeichnungen von Horst Janssen gezeigt. Das hat Marie besonders fasziniert, so wie er möchte sie auch zeichnen können, sie ahmt ihn nach und macht schnell große Fortschritte.

Was ist das für ein Prozess? Ich würde sagen, Marie wird Schritt für Schritt in die Welt des Geistes eingeführt. Natürlich spielt die Kausalität auch eine Rolle, sonst würde der Stift nicht die Farbe auf dem Papier hinterlassen, aber der Geist und das Leben werden mit den beiden Stichworten Kausalität un Inkausalität völlig ausgeblendet. Marie entwickelt beim Zeichnenlernen ein Gefühl dafür, was auf dem Papier richtig ist, was sich gut anfühlt, was schön ist. (Und natürlich auch, wie man eine Nase zeichnet.) Und damit ist sie auch im Einklang mit den anderen, denn die Vorbilder sind Teil dieses Eintauchens in das Bad des Geistes. Später wird sie den Einklang womöglich hinter sich lassen und nach neuen Wegen suchen, auch das ist Teil der Welt des Geistes.

Mein Vorschlag ist, wenn wir von Freiheit sprechen, dann sprechen wir vom Menschen und nicht von Gravitation und dergleichen. Inwiefern andere Tiere auch frei sind und in welcher Hinsicht will ich offen lassen.




Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Mo 5. Feb 2024, 09:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2024, 08:21
Was ist das für ein Prozess? Ich würde sagen, Marie wird Schritt für Schritt in die Welt des Geistes eingeführt.
Marie entwickelt einen Willen fürs Zeichnen. Wieso sagst du, dass sie in die Welt des Geistes eingeführt wird? Weil der Wille ein Teil des Geistes ist? Ich finde der Wille ist, wie das Bewusstsein, etwas das für sich existiert. Also ich sehe den Zusammenhang zwischen Wille und Geist nicht ganz.

Ich fühle mich am freisten, wenn ich immer gerade das tun kann, was mir gefällt. Das noch zum Thema Freiheit.



Ohne Gehirn kein Geist!

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23560
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 5. Feb 2024, 09:11

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2024, 09:01
Wieso sagst du, dass sie in die Welt des Geistes eingeführt wird?
Ich skizziere das in dem Abschnitt, in dem es darum geht, dass sie nicht die Einzige auf der Welt ist, die zeichnet. Es ist sozusagen eine Gemeinschaftsaktion. Sie ist also Teil einer Tradition, könnte man sagen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23560
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 5. Feb 2024, 10:35

Quk hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 22:05
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 21:25
Es ist wie ein Fremdkörper.
Nein.

Es ist Dein Körper.

Es ist Dein Wollen.
Dies steht aber meines Erachtens in direktem Widerspruch zum kausal-inkausalen Text. "Das Wollen beginnt entweder kausal oder inkausal. Es ist an keine weiteren Bedingungen gebunden außer an das Wollen an sich." Das Wollen ist an keine Bedingungen geknüpft, schreibst du da, es existiert also unabhängig von mir, es ist nicht einmal mein Wollen, darauf beruht die Geschichte, die ich geschrieben habe. Und da das Wollen ausschließlich kausal oder inkausal ist, kann es zum Beispiel natürlich auch nicht an meine Vorstellungen vom guten Leben und so gebunden sein. Sondern es ist eine anonyme Ursache oder ein Zufall.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7319
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 5. Feb 2024, 10:45

Es geht doch um den menschlichen Willen, steht auch so im Text, im ersten Satz.
Das menschliche Wollen ist an keine weitere Bedingungen geknüpft außer an das Wollen an sich. Es existiert nicht unabhängig vom Menschen.
Du bist ein Mensch.
So lese ich das.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23560
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 5. Feb 2024, 11:24

Ja, aber dieses Wollen wird nicht so dargestellt, als hätte es etwas mit mir zu tun. Es existiert an sich. Ich bin sozusagen ein Getriebener des Wollens, das zudem rein kausal oder inkausal ist, also z.B. nicht der Vernunft zugänglich ist, es ist völlig wertfrei und nicht normativ gedacht. Eine Anti-Freiheit. Denn es wird grundsätzlich einfach verursacht oder stellt sich zufällig ein.

Vernunft, Werte, Normativität, Sozialtät, Geschichte, Geist... nichts in der Art kommt in den Text vor, nur Kausalität oder Inkausalität.
Stefanie hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2024, 10:45
Es geht doch um den menschlichen Willen, steht auch so im Text, im ersten Satz.
Und eine oder zwei Zeilen später geht es um den Willen der Gravitation.
Quk hat geschrieben :
Sa 3. Feb 2024, 15:05
Im Sinne von: Beginnt der Wille kausal?

Ich sage, manchmal.


Im Sinne von: Beginnt der Wille inkausal?

Ich sage, manchmal.
Es gibt überhaupt keine Einbettung des Willens in unser Leben, in unsere Geschichte, in soziale Beziehungen und so weiter. Dagegen wendete sich mein Beispiel mit dem kleinen Mädchen, das anfängt zu zeichnen.
Quk hat geschrieben :
So 4. Feb 2024, 17:53
Der Wille will nur eins: Wollen. Ich habe oben mehrmals begründet, warum ich den Willen weder für frei noch für unfrei halte. Der Wille will etwas, egal ob er kann oder nicht. Ich will Kafka lesen, egal ob das Buch vor mir liegt oder nicht. Egal, ob ich kann oder nicht, ich will das. So viel zum Wollen
Hier ist es genauso, der Wille hat weder einen Bezug zu mir selbst, noch zu dem, was gewollt wird, er ist einfach wie er ist, ohne Sinn und Verstand. Man findet sich plötzlich mit ihm wieder und er will irgendetwas, keiner weiß wirklich warum, es könnte schließlich auch akausal begonnen haben.

Ein weiterer Punkt: Nehmen wir wieder den Drogensüchtigen. Er will die Droge. Aber dieser Wille ist bloßer Zwang, durch die Sucht selbst verursacht. Aber mein Wille, nur noch vegetarisch zu essen, der ist ganz anders, der kommt aus einer Überlegung, der ist begründet, den könnte ich auch ändern, wenn sich zum Beispiel meine Überlegung ändern würde. Diesen Unterschied gibt es in Quks Sicht des Willens nicht, das liegt daran, dass der Wille einfach so ist, wie er ist, und nichts mit den Überlegungen und dem Sein der Person zu tun hat.

Damit will ich nicht leugnen, dass es durchaus Dinge geben mag, die wir einfach so wollen, weil wir eben so sind, aber es ist eben nicht grundsätzlich so.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7319
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 5. Feb 2024, 15:09

Ist für Dich ein Wollen nur das, was du hinterfragst, bevor es zu einem Wollen wird? Kommt die Abwägung, ob ich etwas kann (darf) vor dem Wollen?

Ich will jetzt eine Tafel Schokolade essen. Das ist der Wille, das Wollen. Umgesetzt habe ich davon noch nichts. Denn jetzt kommt das Können bzw. Handeln und die Frage kann ich, oder kann ich nicht. Erlaubnisfaktoren, wie z.B. die eigenen Selbstbeschränkungen kommen jetzt ins Spiel. Ich kann jetzt keine Tafel Schokolade essen, es scheitert an der Selbstregel "Ess nicht so viel Süsses).

Das Wollen ist noch keine Handlung.

Ich will jemand die Meinung sagen, laut und deutlich. Ich will das.
2 Minuten später bin ich zu der Erkenntnis gekommen, durch Abwägung (Vernunft, Normativ usw.), dass dieses keine gute Idee ist. Es scheitert dann am Können. Es ändert aber nichts daran, dass der Wille was wollte.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7319
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 5. Feb 2024, 15:17

Marie will zeichnen lernen, sie ist gerade zehn Jahre alt.
Das ist ein Wille, der aufgrund etwas entstanden ist. Oder etwa nicht? Du hast das aufgezählt. Familiärer Hintergrund etc.
Dem Können bzw. Handeln entsprechend dem Wunsch steht daher nichts im Wege.

Marie will Skrispringerin werden. Sie will das.
Sie hat es im Fernsehen gesehen und in der Familie sind alle leider Sportmuffel.
Kann sie das auch, was sie will? Fraglich. Einschränkende Faktoren, keine Kontakte, wohnt nicht schneesicher usw.

Bei dem Punkt inkausal, akausal hatte ich schon geschrieben, dass ich das für mich außer Acht lasse. Mir fehlt schlicht die Vorstellungskraft, um das zu erfassen zu können.

Der Drogensüchtige will Drogen. Ich würde sagen ein "besseres" Der Wille will einfach gibt es nicht.
Wie das mit dem Können aussieht, ist eine ganz andere Frage.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23560
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 5. Feb 2024, 15:21

Stefanie hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2024, 15:17
Marie will Skrispringerin werden. Sie will das.
Sie hat es im Fernsehen gesehen und in der Familie sind alle leider Sportmuffel.
Kann sie das auch, was sie will? Fraglich. Einschränkende Faktoren, keine Kontakte, wohnt nicht schneesicher usw.
Wofür oder wogegen möchtest du damit argumentieren?




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7319
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 5. Feb 2024, 15:38

Das ist ein Beispiel, welches Deinen Fall mit dem Zeichnen abändert.

Du bestehst doch auch beim Willen auf Vernunft, Werte, Normativität, Sozialtät, Geschichte, Geist und auch eine Einbettung des Willens in unser Leben, in unsere Geschichte, in soziale Beziehungen und so weiter. Und verweist auf den Fall, in dem Marie zeichnen will. Familienhintergrund etc. Ebenso soziale Beziehungen.
Marie hat diesen Willen. Jetzt kommt das Können. Kein Problem mit dem familiären Hintergrund. Können geht auch.

Jetzt will Marie Skispringen, weil sie es Fernsehen gesehen hat.
Leider hat sie nicht den sozialen passenden Hintergrund, Geschichte auch nicht wirklich, soziale Beziehungen auch nicht (keiner in der Familie betreibt Wintersport.) Sie will Skispringen.
Das Können des Willen kann scheitern an den tatsächlichen Fähigkeiten, na gut sie muss es erst lernen, ist aber eigentlich sportlich. Hier könnte das Können am sozialen Hintergrund und Beziehungen scheitern, weil niemand in der Familie Ahnung von Skispringen hat. Aber Der Wille will einfach Skispringen.
Im Beispiel mit dem Skispringen fehlt es an dem, was bei Marie will Zeichnen, vorhanden ist.
Marie will Skispringen hat aber eindeutig einen Willen, der will. Noch keine Einbettung in das Leben, in die Geschichte, und so weiter.
Aber sie hat doch wohl einen Willen.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23560
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 5. Feb 2024, 15:56

Du schreibst, dass sie das im Fernsehen gesehen hat? Das hat sie offensichtlich beeindruckt. Auch hier ist der Wille sozial eingebettet, wenn auch nicht mit der gleichen Intensität wie im vorigen Beispiel. Ich könnte mir vorstellen, dass deine Marie vielleicht andere Dinge tun will, die ähnlich sozial eingebettet sind wie bei meiner Marie.

Mein Beispiel war ein Argument gegen die Behauptung, dass der Wille grundsätzlich einfach da ist, entweder kausal ausgelöst oder zufällig. Die beiden Beispiele von dir und mir sprechen dagegen, dass es grundsätzlich so ist.




Antworten