Bedeutung der Physik für unser gedankliches Universum

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
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Jörn Budesheim
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Do 25. Apr 2024, 12:49

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 25. Apr 2024, 11:51
...im Rahmen meines Mathematikstudiums habe ich mich nicht nur pflichtgemäß, sondern mit großem Interesse auch der Physik gewidmet. Allerdings nicht anwendungsorientiert, sondern nur hinsichtlich der Bedeutung dieses Wissensbereichs für unser gedankliches Universum. Ich bedauere, daß das heute anscheinend kaum noch interessiert. Wäre schön, wenn wir hier ein Zeichen dagegen setzen könnten.
Das hat mich überrascht. Ohne über empirische Daten zu verfügen, glaube ich, dass die Physik - oder sagen wir, die Naturwissenschaften - heute in unserem gedanklichen Universum die größte Bedeutung haben. Hier können wir ja mal ausbaldowern, welchen Einfluss die Physik / Naturwissenschaften haben ... und welchen sie haben sollten.




Meller
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Do 25. Apr 2024, 15:03

Die Physik sollte das bleiben was sie war.
Die Lehre des Raumkörpers.
Es kann nicht sein dass die Physik immer neue Gebiete beansprucht die sie nicht erklären kann.
Wenn ich jemanden Elektrizität erklären möchte bekomme ich schon ein Problem. Erkläre ich es klassisch oder quantenphysikalisch oder beides? Was ist denn nun richtig?
Wenn die Physik das tunneln von Elektronen nicht erklären kann, dann ist das auch kein physikalisches Phänomen.
Würden Informationen transportiert, wäre es physikalisch.
Sind die Elektronen aber keine Informationsüberträger sondern selbst Informationen ist der Vorgang nicht physikalisch.
Also ich finde man müsste sich da endlich einmal einig werden.
Physik und Quantenphysik sind zwei vollkommen unterschiedliche Konzepte und sind deshalb nicht vereinbar.
Statt das aber zu akzeptieren, versucht man sie durch neue Theorien wie der Quantengravitation zu vereinen.
Die Physik beansprucht die Gebiete der elementaren Teilchenphysik, der Quantenmechanik und auch noch die Planckskala für sich die weit unter der Quantenebene liegt und berechnet wurde.
Meiner Meinung nach hat das nichts mehr mit Physik zu tun. Hier geht es um körperlose Einheiten und nicht um Körper. Hier geht es um Informationen und nicht um Informationensübertragung.

MfG Meller




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Quk
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Do 25. Apr 2024, 16:39

Meller, ob Körper oder Nichtkörper, Physik ist eine Wissenschaft, oder? Wenn Du diese Frage bejahst, frage ich weiter: Ist Physik in Deinen Augen entweder eine "reine" Natur- oder eine "reine" Geisteswissenschaft?

Was ich immer großartig finde ist Interdisziplin. Das Fachübergreifen. Denn Schubladen sind ja zunächst nur Verwaltungshilfen und keine wahrlichen Trenner der Sachen selbst, so, wie das Alphabet zwar eine begrenzte Anzahl von Buchstaben enthält, aber die im tatsächlichen Leben getätigten Laute verschieben sich unendlich fein zwischen den wenigen Symbolen. So haben wir beispielsweise nicht nur die Astronomie; wir bekommen auch die Astrobiologie, Astrogeografie, Astrophysik und so weiter, ebenso nicht nur die Biologie, sondern auch die Molekularbiologie, Humanbiologie, Biomedizin, Biochemie, Biophysik, Neurobiologie, Neuropsychologie etc. Und wenn man diese ganzen Pakete abermals in zwei Container aufteilt, nämlich in die Geistes- und Naturwissenschaften, was spricht dagegen, auch diese verschiedenen Untersuchungen fachlich ineinander übergreifen zu lassen? Was spricht hier verwaltungstechnisch dagegen? Oder sollte für Dich das Nichtkörperliche grundsätzlich keine Angelegenheit der Wissenschaft sein? Was soll es dann sein? Soll es esoterisch verschlossen sein? Wohl kaum. Also warum genau forderst Du da so eine strikte Trennung?




Wolfgang Endemann
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Do 25. Apr 2024, 17:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 25. Apr 2024, 12:49


Das hat mich überrascht. Ohne über empirische Daten zu verfügen, glaube ich, dass die Physik - oder sagen wir, die Naturwissenschaften - heute in unserem gedanklichen Universum die größte Bedeutung haben. Hier können wir ja mal ausbaldowern, welchen Einfluss die Physik / Naturwissenschaften haben ... und welchen sie haben sollten.
Die Naturwissenschaften und besonders die Physik spielen in unserer Lebenswelt eine überragende Rolle. Für unsere gedanklichen Universen hat die Bedeutung mE stark nachgelassen, allerdings weniger stark als die der Soziologie und auch der anderen Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften. Unsere Experten werden in ihren spezifischen Arbeitsfeldern immer klüger, aber ihre und unser aller Allgemeinbildung leidet darunter, das Wissen wird nicht mehr im Gedankenuniversum integriert. Als Beispiel sei hier gegeben die große Diskussion über die noch keineswegs befriedigende Einbettung von Relativitätstheorie und Quantentheorie in eine einheitliche Physik. Diese offene Frage hat die wissenschaftlich interessierte Öffentlichkeit Jahrzehnte lang beschäftigt, eine Grundsatzdebatte gibt es kaum noch. Und wo sind all die Debatten über die unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Konzepte? Mir scheint, da ist vieles verloren gegangen.
Wie oben gesagt, meine ich, daß es noch kritischer zu bewerten ist, daß wir weniger sozialpsychologisch und individualpsychologisch denken, sonst gäbe es nicht so viel Haß und Unversöhnlichkeit, Unfähigkeit zu Konfliktlösungen. Das möchte ich aber nicht gegeneinander ausspielen.




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Jörn Budesheim
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Do 25. Apr 2024, 18:45

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 25. Apr 2024, 17:45
Die Naturwissenschaften und besonders die Physik spielen in unserer Lebenswelt eine überragende Rolle.
Vermutlich wegen der technischen Revolutionen wie Handy, Computer und vielem mehr, die wir der Physik verdanken?
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 25. Apr 2024, 17:45
Für unsere gedanklichen Universen hat die Bedeutung mE stark nachgelassen...
Im weiteren Verlauf deines kurzen Textes nennst du einige Beispiele, z.B. die fehlende Diskussion über die richtige Epistomologie. Aber was ist mit den folgenden Dingen, die uns täglich begleiten: Früher gab es Brot, Margarine und Käse, heute gibt es Kohlenhydrate, Proteine, Vitamine, Ballaststoffe und so weiter. Gehört das nicht auch zu den gedanklichen Universen?




Meller
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Do 25. Apr 2024, 19:54

Hallo Quk

Physik ist eben keine Geisteswissenschaft, sondern eine Naturwissenschaft.
Physik ist für mich eine Wissenschaft die sich mit der Äußerung des Raumkörpers befasst. Deswegen versagt die Physik bei der Erklärung der Quantenphänome.

Die Quantenebene ist die Ebene der Entstehung des Raumkörpers und die macht Aussagen zum Verhalten innerhalb des Raumkörpers und seiner Entstehung.

Das sind zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe.

Seit Newton die Gravitation formulierte ist die gegenstandslose, körperlose, subjektive, metaphysische "Form" der Gravitation nicht verstanden.
Daran hat auch die QM nichts geändert.
Es werden lediglich Auswirkungen auf den Raumkörper formuliert.
Niemals sind Gravitation oder Quanten gesehen worden oder direkt nachgewiesen worden, sondern nur die Auswirkungen.
Das sind keine Körper die man physikalisch beschreiben kann, nur die Auswirkungen können formuliert werden.

Da ist eine Grenze der Physik unterhalb des Raumkörpers, dort wo der Raum noch keinen Körper hat.
Und genau da entsteht auch die Masse die sich als Gravitation in der Äußerung des Raumkörpers äußert.

Die Philosophie nennt das Geist. Neuerdings nennt man das sogar Bewusstsein was die Materie schafft.
Das ist etwas metaphysisches, etwas nicht greifbares, welches das Universum schafft.

Und das will die Physik erklären? Das hofft die Physik erklären zu können und sucht händeringend nach neuen physikalischen Theorien wie der Quantengravitation die ART und QM vereinen soll.

Mit fällt nur auf dass die Physik sich daran festklammert und alles für sich beansprucht. Wenn die Phänomene QM nicht physikalisch zu erklären sind, dann sucht man eben eine Erklärung für die Nichterklärbarkeit, mit dem Ziel die Quantenphänome als physikalische Phänomene erklären zu können????
Was ist das für eine Logik?
Die Physik scheint sich nicht eingestehen zu können dass es Dinge gibt die nicht physikalisch sind.

Einfaches Beispiel.
Die Physik möge mir den geometrischen Strahl erklären.
Die Physik möge mir gerade erklären.
Die Physik möge mir erklären wo im Universum die Mathematik ist. Wo verstecken sich die Zahlen?

Einfach Logik.
Das Bewusstsein nimmt wahr, interpretiert, wandelt in metaphysische, abstrakte Konzepte um die mit anderem Bewusstsein zu kommunizieren.
Das einzige was daran wirklich ist, das ist die Sinnhaftigkeit und Logik der Konzepte die auf die Sinnhaftigkeit und Logik des Universums zutrifft.

Der Mensch interpretiert Sinn und Logik des Univerums.

MfG




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Quk
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Do 25. Apr 2024, 20:55

Du hast Dein Trennungsbegehr wiederholt, aber meine Frage nicht beantwortet. Warum genau forderst Du eine strikte Trennung bei der fachübergreifenden Untersuchung solcher Sachen? Möchtest Du irgendetwas geheim halten?




Wolfgang Endemann
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Do 25. Apr 2024, 22:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 25. Apr 2024, 18:45


Im weiteren Verlauf deines kurzen Textes nennst du einige Beispiele, z.B. die fehlende Diskussion über die richtige Epistomologie. Aber was ist mit den folgenden Dingen, die uns täglich begleiten: Früher gab es Brot, Margarine und Käse, heute gibt es Kohlenhydrate, Proteine, Vitamine, Ballaststoffe und so weiter. Gehört das nicht auch zu den gedanklichen Universen?

Schon richtig, en détail wissen wir immer mehr über die Natur, obwohl: wissen wir, was wir wissen? Bringen die Kohlenhydrate unserem Denkuniversum mehr Klarheit?
Aber ich schränke meine Aussage gerne ein: Wir häufen immer mehr Kenntnisse in den unterschiedlichsten, auch entlegenen Bereichen an. Aber es ist fast schon zwangsläufig, daß wir den Überblick verlieren, wenn uns nicht durch wachsendes Verständnis das Erfassen der wachsenden Kenntnismenge erleichtert wird. Verstehen ist Komplexitätsreduktion zur Komplexitätssteigerung.




Meller
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Do 25. Apr 2024, 22:55

@Quk

Entweder die Physik verfolgt das physische Raumkonzept oder das metaphysische Raumkonzept.
Entweder ist etwas determiniert oder prohabilistisch.
Entweder ist etwas räumlich getrennt oder instantan verbunden.
Entweder entsteht etwas aus physikalischen Gründen oder nicht.
Siehe Urknall, Planckraum.
Entweder Materie ist eine Barriere oder etwas wodurch sich tunneln lässt.
Entweder ist etwas lokal oder in Wahrscheinlichkeit.
Entweder ist etwas Informationsüberträger oder Informationsträger.




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Quk
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Do 25. Apr 2024, 23:44

Bei Dick & Doof ist der eine entweder der Oli oder der Stan. Trotzdem sind sie ein Paar. Warum sollten die beiden durch eine willkürliche Entweder-Oder-Funktion getrennt werden?

Vor Gericht ist eine Person entweder schuldig oder unschuldig. Trotzdem befasst sich das Gericht mit beiden Entweder-Oder-Seiten.

In der Küche ist in dem einen Glas Salz und in dem anderen Pfeffer. Trotzdem befasst sich die Köchin mit beiden.

So lassen sich noch Zillionen weitere Entweder-Oder-Paare nennen. Warum sollte man aus einer Begriffstrennung auch eine Befassungstrennung machen?

Die Antwort schuldest Du mir immer noch.




Meller
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Fr 26. Apr 2024, 01:03

@ Quk

Du verstehst mich anscheinend nicht.
Wenn die Physik per Definition den Anspruch erhebt Dick zu sein, kann sie nicht Doof sein.
Wenn sie Dick und Doof sein will, muß sie eine Grenze zwischen Dick und Doof ziehen.

Es gibt Dinge die sich nicht physikalisch erklären lassen.
Du kannst gerne versuchen die 1D physikalisch zu erklären, wenn du nicht schon vorher daran scheiterst sie dir vorzustellen.

MfG Meller




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Quk
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Fr 26. Apr 2024, 02:27

Meller hat geschrieben :
Fr 26. Apr 2024, 01:03
... die Physik per Definition ...
Ich denke, wenn Du dieses griechische Wort buchstäblich allein auf den "Körper" beschränkst, dann müssten auch so Gleichungen wie E=mc^2 strikterweise von der Physik ausgeschlossen werden. Gewisse Parameter bestimmen die Energie. Je höher die Frequenz, desto größer die Energie. Nun, ist Frequenz ein Körper? Ist Zeit ein Körper? Nein.

Aber selbst wenn die Physik sich beispielsweise nur mit Mechanik oder Akustik befassen dürfte, so wäre das eine menschengemachte Trennung. Es gibt zum Beispiel das Fach der Psychoakustik. Hochinteressant. Ich hatte beruflich damit zu tun. Wenn es verboten gewesen wäre, die beiden Bereiche Psyche und Akustik zu verbinden, wäre der Wissensstand heute niedriger. Dass Du thematische Trennungen vollführst, habe ich schon lange verstanden. Ich verstehe Deine Themenaufteilung. Ich verstehe nur nicht, warum Du keinerlei wissenschaftliche Untersuchung eines möglichen Zusammenhangs erlauben willst. Als ginge es um ein heiliges Dogma, das nur in der Kirche der Nichtphysik besprochen werden darf. Ich meine, Wissenschaft muss aufdecken, nicht zudecken. Hat das ganze für Dich eine religiöse Bedeutung? Wenn ja, will ich Diskussion dabei belassen.




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Jörn Budesheim
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Fr 26. Apr 2024, 07:40

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 25. Apr 2024, 18:45
... Aber was ist mit den folgenden Dingen, die uns täglich begleiten: Früher gab es Brot, Margarine und Käse, heute gibt es Kohlenhydrate, Proteine, Vitamine, Ballaststoffe und so weiter. Gehört das nicht auch zu den gedanklichen Universen?
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 25. Apr 2024, 22:17
Schon richtig, en détail wissen wir immer mehr über die Natur, obwohl: wissen wir, was wir wissen? Bringen die Kohlenhydrate unserem Denkuniversum mehr Klarheit?
Ich habe es etwas anders gemeint. Mit der Bemerkung, dass man früher Brot gegessen hat und heute Kohlenhydrate, wollte ich nicht sagen, dass wir heute mehr wissen, sondern dass wir uns und unsere Lebenswelt heute oft durch die Brille der Naturwissenschaften betrachten. Und so etwas kann zu einem anderen Selbstverständnis führen, verändert also letztlich, wer wir sind.

Bild
Die Kartoffelesser (niederländisch De Aardappeleters) ist ein Gemälde Vincent van Goghs, das er im April 1885 in Nuenen malte.

Bild
Abb. 1: Einfachzucker Glucose (links) und Zweifachzucker Saccharose (bestehend aus Glucose und Fructose). Bildhinweis: Glucose: NEUROtiker, Alpha-D-Glucopyranose, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons; Saccharose: NEUROtiker, Saccharose2, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Als geistige Wesen machen wir uns eben ein Bild von uns selbst und unserem Platz in der Wirklichkeit. Die beiden Darstellungen sollen dies verdeutlichen. Solche höchst unterschiedlichen Selbstbilder sind sicher nicht ohne Folgen. Das ist eine der Bedeutungen der Physik für unser gedankliches Universum, denke ich.




Wolfgang Endemann
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Fr 26. Apr 2024, 09:12

Das hatte ich durchaus mitgemeint. Ich stimme Deiner Schlußbemerkung vollkommen zu. Ich formuliere meinen Gedanken einmal um, um ihn hoffentlich verständlicher zu machen.
Unsere Kognition, dh unsere rationale Denkinstanz, kann man sich analytisch als Hybrid aus zwei Komponenten vorstellen, hybrid, weil die Komponenten unentwirrbar ineinander verwoben sind, aus einem Fakten und Kenntnisse ansammelnden und speichernden (Gedächtnis) und einem operativen, die Gedankendinge in Konsonanz zur Wirklichkeit in Beziehung zu setzen, in eine Ordnung zu bringen, strukturell zu begreifen. Der Rationalismus (im engeren Sinne) unserer Gesellschaft verwissenschaftlicht unser Denkuniversum, indem die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung als Ergebnis ins Alltagsbewußtsein einwandern, allerdings wissen die meisten Menschen kaum, was Elektrizität ist, sondern vor allem, daß sie aus der Steckdose kommt. Das ist meine Aussage, daß wir immer mehr wissen und relativ zu diesem Wissen immer weniger verstehen. Daß der Strom aus der Steckdose kommt, erweitert unser Denkuniversum nicht. Und hinsichtlich des wissenschaftlichen Universums muß man konstatieren, daß die auf Zweckrationalität ausgerichtete Naturwissenschaft das geistige Universum mehr ins Ungleichgewicht als voran bringt.




Wolfgang Endemann
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Fr 26. Apr 2024, 09:26

PS. Unsere Kollegen (generisches Maskulinum) @ Meller und @ Quk demonstrieren gerade, wie schwierig es ist, die Dinge auseinander und zusammen zu bringen.




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Jörn Budesheim
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Fr 26. Apr 2024, 11:53

Ja, wir sind von Dingen umgeben, die auf den erstaunlichen Ergebnissen der physikalischen Forschung beruhen: Handys, Fernseher, Autos, Computer, Mikrowellenherde, Kühlschränke, LED-Lampen, GPS-Geräte, Digitalkameras... Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Fast allen diesen Dingen ist gemeinsam, dass kaum jemand wirklich weiß, wie sie funktionieren, man ist schon froh, wenn man sie einigermaßen richtig bedienen kann.

Das erinnert mich an einen Text von Max Weber, den wir hier vor zwei oder drei Jahren diskutiert haben. Leider mit rassistischen Untertönen gespickt, aber in der Sache wohl nahe an dem, was du meinst, glaube ich.
Max Weber hat geschrieben : „Machen wir uns zunächst klar, was denn eigentlich diese intellektualistische Rationalisierung durch Wissenschaft und wissenschaftlich orientierte Technik praktisch bedeutet. Etwa, daß wir heute, jeder z. B., der hier im Saale sitzt, eine größere Kenntnis der Lebensbedingungen hat, unter denen er existiert, als ein Indianer oder ein Hottentotte? Schwerlich. Wer von uns auf der Straßenbahn fährt, hat – wenn er nicht Fachphysiker ist – keine Ahnung, wie sie das macht, sich in Bewegung zu setzen. Er braucht auch nichts davon zu wissen. Es genügt ihm, daß er auf das Verhalten des Straßenbahnwagens »rechnen« kann, er orientiert sein Verhalten daran; aber wie man eine Trambahn so herstellt, daß sie sich bewegt, davon weiß er nichts. Der Wilde weiß das von seinen Werkzeugen ungleich besser. Wenn wir heute Geld ausgeben, so wette ich, daß, sogar wenn nationalökonomische Fachkollegen im Saale sind, fast jeder eine andere Antwort bereit halten wird auf die Frage: Wie macht das Geld es, daß man dafür etwas – bald viel, bald wenig – kaufen kann? Wie der Wilde es macht, um zu seiner täglichen Nahrung zu kommen, und welche Institutionen ihm dabei dienen, das weiß er. Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet also n i c h t eine zunehmende allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet etwas anderes: das Wissen davon oder den Glauben daran: daß man, wenn man n u r w o l l t e, es jederzeit erfahren k ö n n t e, daß es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, daß man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch B e r e c h n e n b e h e r r s c h e n könne. Das aber bedeutet: die Entzauberung der Welt. Nicht mehr, wie der Wilde, für den es solche Mächte gab, muß man zu magischen Mitteln greifen, um die Geister zu beherrschen oder zu erbitten. Sondern technische Mittel und Berechnung leisten das. Dies vorallem bedeutet die Intellektualisierung als solche.–

Max Weber: Wissenschaft als Beruf, München 1919

https://www.google.com/url?sa=t&source= ... ms6xzQ_gOD_
Auf der einen Seite wissen wir als Gemeinschaft viel mehr über die Welt als je zuvor, auf der anderen Seite kann keine einzelne Person dieses Wissen auch nur annähernd überblicken. Jede einzelne Person weiß genau genommen sehr wenig von den Dingen, mit denen sie täglich zu tun hat, aber das Gefühl ist, im Prinzip alles wissen zu können, wie es Max Weber ausgedrückt hat. Zugleich sind in der Gesellschaft große Teile von zweckrationalen Prinzipien überzogen.

Und das Schlimmste ist: Ich weiß oft nicht mehr genau, was ich vorgestern gemacht habe, während die Naturwissenschaft genau weiß, was eine Sekunde nach dem Urknall passiert ist. Wenn das keine unüberbrückbare Diskrepanz ist :)




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Jörn Budesheim
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Fr 26. Apr 2024, 12:14

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Unterscheiden heißt nicht trennen, dass mein Kopf vom Rumpf verschieden ist, heißt nicht, dass beide getrennt sind. Dass man die Geisteswissenschaften von den Naturwissenschaften unterscheiden kann, bedeutet nicht, dass sie völlig getrennt sind und dass es nicht auch Überschneidungen, Überlappungen und Verbindungen - oder wie immer man es nennen möchte - gibt.




Meller
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Fr 26. Apr 2024, 14:24

@ Quk

Genau. Die Metaphysik war immer schon Bestandteil der Physik und ihr Anteil wird größer. Mittlerweile ist der metaphysische Anteil der Physik schon so groß, dass sie sich in zahlreiche Widersprüche verstrickt.

Die 3D besteht aus 2D und 1D. An der Beschreibung dieser Bestandteile der 3D scheitert die Physik. Die Physik konnte das bisher umgehen, die Metaphysis, das gegenstandslose, körperlose direkt zu beschreiben, indem sie einfach nur die Auswirkungen des metaphysischen auf die 3D beschrieb.

Jetzt geht es aber nicht mehr weiter. Die Physik ist gezwungen das metaphysische, gegenstandslose, körperlose nun zu beschreiben, zu benennen um weiter zu kommen.

Die Physik ignoriert von Anfang an die metaphysischen Aspekte des Seins und schlängelt sich geschickt um die Hütchen herum. Nun ist Schluß damit.

Anstatt nun einfach die metaphysischen Aspekte des Seins zu akzeptieren, hält sich die Physik immer noch daran fest, dass alles physisch sei und physikalisch zu erklären sei.

Mir ist das im Prinzip egal was die Physik macht. Ich beobachte das nur.
Ich möchte auch niemandem seine Physik streitig machen oder wegnehmen. Nur darüber philosophieren, mehr nicht.

MfG Meller




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Fr 26. Apr 2024, 14:33

@Jörn

Genau 🤭.
Es geht darum zu unterscheiden um
die Vereinigung des Unvereinbaren.

MfG Meller




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Fr 26. Apr 2024, 14:53

Ergänzung @ Quk

Es hat mit der Struktur des Univerums zu tun. Der Religion ist diese Struktur bekannt. Sie nennt die Struktur Trimurti, Dreigottheit, Dreifaltigkeit.
Hermes Trismegistos, Trikele, Trinity beschreiben dieselbe Struktur.
Die Struktur ist ein abstraktes Konzept des Bewusstseins und stammt ursprünglich aus der heiligen Geometrie der Ägypter..
Diese Struktur ist nicht direkt zu beweisen. Entweder glaubt man daran und versteht ihre Sinnhaftigkeit und Logik oder nicht.

MfG Meller






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