Wissenschaft
- Jörn Budesheim
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Das ist eine Auslagerung aus dem Faden "Wasser?"
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Leute, was für ein sinnloser Streit. Unsere natürliche Sprache besteht vor allem aus Alltagsbegriffen, die man manchmal genauer als Alltagsworte bezeichnen sollte, zB den Himmel über uns, womit tatsächlich meistens das Weltall um uns gemeint ist, nur Religiöse denken da an eine absolute Macht über uns. Das Gute der Alltagssprache ist, saß sie allen zur Verfügung steht und dadurch alle in die Kommunikation einbezieht, der Mangel ist, daß sie viele Unklarheiten enthält, viel Unwissen und Irrtümer, falsche Vorstellungen. Damit sind nicht die individuellen Vorstellungen gemeint, sie haben ihre Berechtigung, denn Sprache ist auch ganz wesentlich Expression von Individuellem. Aber Sprache ist eine Form der Objektivation, das Individuelle wird allgemein zugänglich, und das Allgemeine wird zu einer geteilten Perspektive. Man kann nicht den Anspruch aufgeben, das Objektive objektiv auszusprechen. Aussagen über die Objektwelt sollen wahr sein.
Wissenschaft analysiert die Welt des Objektiven (Naturwissenschaft) und des Subjektiven (Geisteswissenschaft), so trägt sie zur Verbesserung der Sprache bei, sie objektiviert das Sprechen.
Heute verstehen wir nicht mehr, was man sich unter den vier Elementen einmal vorgestellt hat. Das wissenschaftliche Denken hat unsere Vorstellungen im Sinne von analytischer Erkenntnis verändert. Das "Wasser" der vier Elemente existiert nicht mehr. Der "Äther" existiert nicht mehr. Unsere Alltagsvorstellung von Wasser ist längst eine Kombination von Alltags- und analytischem Fachbegriff. "Elektrizität" ist ein Alltagsbegriff geworden, der bei den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft einen sehr unterschiedlichen Umfang an analytischer Einsicht enthält.
Die Verwissenschaftlichung der Sprache zu kritisieren ist so unsinnig, wie zu glauben, Wissenschaft könne das Alltagsverständnis als individuelles und als kollektive Sprachnorm ersetzen.
Wissenschaft analysiert die Welt des Objektiven (Naturwissenschaft) und des Subjektiven (Geisteswissenschaft), so trägt sie zur Verbesserung der Sprache bei, sie objektiviert das Sprechen.
Heute verstehen wir nicht mehr, was man sich unter den vier Elementen einmal vorgestellt hat. Das wissenschaftliche Denken hat unsere Vorstellungen im Sinne von analytischer Erkenntnis verändert. Das "Wasser" der vier Elemente existiert nicht mehr. Der "Äther" existiert nicht mehr. Unsere Alltagsvorstellung von Wasser ist längst eine Kombination von Alltags- und analytischem Fachbegriff. "Elektrizität" ist ein Alltagsbegriff geworden, der bei den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft einen sehr unterschiedlichen Umfang an analytischer Einsicht enthält.
Die Verwissenschaftlichung der Sprache zu kritisieren ist so unsinnig, wie zu glauben, Wissenschaft könne das Alltagsverständnis als individuelles und als kollektive Sprachnorm ersetzen.
Nein, ganz so ist es nicht.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 10. Okt 2024, 10:41Wissenschaft analysiert die Welt des Objektiven (Naturwissenschaft) und des Subjektiven (Geisteswissenschaft), ...
Wissenschaft ist die Sammlung von Tatsachen, die aus vorliegenden Situationen entnommen sind (bei Tatsachen geht es ja um nichts anderes).
Der Wissenschaftsbetrieb, hier "die Forschung", versucht neue vorliegende Situationen zu erschliessen (z.B. durch Experimente) und daraus Tatsachen zu entnehmen.
Der Wissenschaftsbetrieb benutzt hierfür Weltbilder, die nicht zur Wissenschaft zählen und auch komplett falsch sein können.
Man darf hier nicht so grosszügig sein und alles als "Wissenschaft" bezeichnen (nur weil die Leute z.B "einen weissen Kittel anhaben").
Der Schwellenwert für Wissenschaft ist die vorliegende Situation.
Vorliegende Situationen bringen es automatisch mit, dass man eine Beschreibung unabhängig von der Perspektive erreichen kann.
Diese "Objektivität" ist ein nützlicher Nebeneffekt, denn dadurch steigt die Akzeptanz bei der Weitergabe von Tatsachen, insbesondere für denjenigen, der die vorliegende Situation nicht noch einmal selbst erreichen kann/will.
Beim Begriff "Wasser" steckt letztlich mehr die Wirkung auf den wahrnehmenden Akteur drin, als das "was es ist", also das, was vorliegt.
Damit wäre "Wasser" nur dann ein wissenschaftlicher Begriff, wenn man den wahrnehmenden Akteur in die vorliegende Situation mit hereinnimmt.
"Wasser" ist ein Wahrnehmungsbegriff und kein Stoffbegriff.
Die hauptsächlichen Effekte auf einen wahrnehmenden Akteur kommen von H2O. Die Stoffbestandteile zusätzlich zu H2O sind nicht für den grundsätzlichen "Wasser"-Eindruck des Akteurs verantwortlich.
Wird hier keine saubere Trennung zwischen Wahrnehmung eines Akteurs und der auslösenden vorliegenden Situation durchgeführt, entsteht atemberaubender Unfug.
Einen gewissen Höhepunkt dieses Unfugs stellt z.B. die Frage dar "wie kann H2O feucht sein?".
Es ist vermutlich bekannt, dass die dort aktiven "Experten" dann zur "Emergenz" greifen oder sich noch grösseren Blödsinn einfallen lassen.
Aus diesem Grunde habe ich hier im Thread die "Paradoxie des Haufens" erwähnt (weil es auch dort exakt um das Prinzip einer Ignoranz gegenüber der notwendigen Trennung geht), aber dieser Beitrag wurde dann, vermutlich auf Basis von derartigem "Expertenwissen", nach "Off Topic" verschoben.
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Nein. "Der Wissenschaftsbetrieb, hier "die Forschung", versucht neue vorliegende Situationen zu erschliessen (z.B. durch Experimente) und daraus Tatsachen zu entnehmen." Dies ist zwar ein zusätzlicher Aspekt des Wissenschaftsbetriebs, aber ziemlich untergeordnet. Der Normalfall ist eine Gegebenheit, die von Wissenschaftlern eben nicht als Tatsachenmenge verstanden wird, sondern als empirisches Material, das durch Analyse einem Verständnis zu öffnen ist. Manchmal kommt man auch durch synthetisches Denken auf analytische Fragestellungen (ich erinnere an die Riemannsche verallgemeinerte Geometrie). Mit dem Begriff "Weltbilder" wäre ich ja einverstanden, wenn diese als Denkmodelle der Welt verstanden würden. Wenn Esoteriker sich einen weißen Kittel anziehen, werden sie selbstverständlich nicht zu Wissenschaftlern. Alle wissenschaftlichen Theorieversuche sind hypothetische Modelle, die empirische Bestätigung erfahren müssen.
Ein wichtiger Gesichtspunkt sind die unterschiedlichen Grade der "Objektivität" ("Diese "Objektivität" ist ein nützlicher Nebeneffekt, denn dadurch steigt die Akzeptanz bei der Weitergabe von Tatsachen, insbesondere für denjenigen, der die vorliegende Situation nicht noch einmal selbst erreichen kann/will."). Das gilt für die unterschiedliche Beobachtungsperspektive sowohl eines sozialen Tatbestands durch unterschiedliche Beobachter als auch für die perspektivische Beobachtung von unterschiedlichen Meßgeräten. Im ersten Falle kommen freilich solche unobjektiven Aspekte wie Ideologie, Weltbilder, soziale Normen, Emotionen usw. hinzu. In den Naturwissenschaften ist es nur die Imprädikativität, daß man nur "objektiv" messen kann mit Dingen, die selbst zu dem zu messenden gehören.
Das wissenschaftliche Vorgehen läßt sich exemplarisch an der Erforschung der Bewegungsgesetze studieren, in der Newtonschen Physik und dann in der unnaiven RT und QT.
Ein wichtiger Gesichtspunkt sind die unterschiedlichen Grade der "Objektivität" ("Diese "Objektivität" ist ein nützlicher Nebeneffekt, denn dadurch steigt die Akzeptanz bei der Weitergabe von Tatsachen, insbesondere für denjenigen, der die vorliegende Situation nicht noch einmal selbst erreichen kann/will."). Das gilt für die unterschiedliche Beobachtungsperspektive sowohl eines sozialen Tatbestands durch unterschiedliche Beobachter als auch für die perspektivische Beobachtung von unterschiedlichen Meßgeräten. Im ersten Falle kommen freilich solche unobjektiven Aspekte wie Ideologie, Weltbilder, soziale Normen, Emotionen usw. hinzu. In den Naturwissenschaften ist es nur die Imprädikativität, daß man nur "objektiv" messen kann mit Dingen, die selbst zu dem zu messenden gehören.
Das wissenschaftliche Vorgehen läßt sich exemplarisch an der Erforschung der Bewegungsgesetze studieren, in der Newtonschen Physik und dann in der unnaiven RT und QT.
Das Erarbeiten einer Tatsache ist ein seltener Diamant.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 10. Okt 2024, 15:12Nein. "Der Wissenschaftsbetrieb, hier "die Forschung", versucht neue vorliegende Situationen zu erschliessen (z.B. durch Experimente) und daraus Tatsachen zu entnehmen." Dies ist zwar ein zusätzlicher Aspekt des Wissenschaftsbetriebs, aber ziemlic untergeordnet.
D.h. der Wissenschaftsbetrieb macht viel und es kommt hoffentlich ab und zu eine Erweiterung der Wissenschaft (um eine neue Tatsache) dabei heraus.
Die Bezeichnung "untergeordnet" ist aber nicht angebracht, denn es ist schlicht das eigentlich zu erreichende Ziel.
Ich bin Kunde von Wissenschaft und nicht Kunde von Wissenschaftsbetrieb.
Nur wenn ich mich explizit dafür entscheide, frage ich, entlang welcher Theorie die Mehrheit der Forschenden weiterzukommen versucht.
Ich mache aber nicht den Fehler, dass ich dann deren Theorie als "zur Wissenschaft gehörend" einordne.
Ich vermute, dass es leider so ist, dass die Mehrheit der Forscher sich fälschlicherweise zur Wissenschaft zählen und damit viel zu viel Anspruch aufbauen.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 10. Okt 2024, 15:12Der Normalfall ist eine Gegebenheit, die von Wissenschaftlern eben nicht als Tatsachenmenge verstanden wird, sondern als empirisches Material, das durch Analyse einem Verständnis zu öffnen ist.
Unabhängig davon ist mir nicht klar, was du hier mit "empirisches Material" ansprichst.
Ich verstehe darin nichts anderes als vorliegende Situationen, wodurch wir automatisch bei Tatsachen, also bei dem was ich gesagt habe, sind.
D.h. die Forscher starten mit Tatsachen und bauen hierfür eine Hintergrunderklärung auf, die ich als "Weltbild" einstufe.
Für diese Hintergrunderklärung versuchen sie dann vorliegende Situationen zu finden. In die Wissenschaft geht aber immer nur das ein, was sie finden, niemals die durch ihre Hintergrunderklärung gefüllten Lücken.
Es ist leider notwendig hier eine scharfe Trennung vorzunehmen, denn es bildet sich viel zu leicht unsachliches Autoritätsgebaren heraus.
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"Das Erarbeiten einer Tatsache ist ein seltener Diamant." (Körper)
Das ist eine gute Metapher. So, wie es kein "reines" Wasser in der Natur gibt, ich aber das Wesentliche im "reinen" treffen muß, so gibt es keinen "reinen", einschlußfreien, also ohne Irregularitäten vorkommenden Diamanten und, wenn ich das richtig sehe, keine vollkommene Diamantstruktur, die bewirken würde, daß der Diamant bei Temperaturen über 0°K ein vollständiger Isolator bleibt. Aber ganz abgesehen von der Metapher, ich habe keine Einwände gegen die Verwendung des Begriffs Tatsache, bestehe nur auf Poppers Falsifikationismus. Tatsachen sind Tatsachen auf Widerruf, mehr oder weniger gut bestätigte Hypothesen. Das ist schon zwingend denknotwendig, weil alles Denken Modellcharakter hat, nicht über die Abbildeigenschaft hinauskommt, abgesehen von der formalen Erkenntnis. Absolut ist nur das Denken über sich selbst. Tatsächlichkeit ist das Ziel der Wissenschaft.
"Die Bezeichnung "untergeordnet" ist aber nicht angebracht, denn es ist schlicht das eigentlich zu erreichende Ziel."
Das ist eine falsche Perspektive auf Wissenschaft, denn das würde bedeuten, daß die 'Wissenschaft sich nicht um die Konsolidierung, didaktische und axiomatische Organisation von weitgehend abgeschlossenen, theoretisch beherrschten Teilgebieten bemühen würde. Das würde bedeuten, daß man sich nicht mehr mit der Wissenschaft vom Apfel beschäftigt, weil es Kernobst gibt, welches sich nicht eindeutig der Gattung Apfel zuordnen läßt. Das würde Wissenschaft zu einem Zweig der Modeindustrie machen, "der letzte Schrei" ist übrigens ein sehr schöner Film von Robert van Ackeren.
"entlang welcher Theorie die Mehrheit der Forschenden weiterzukommen versucht" und "Ich mache aber nicht den Fehler, dass ich dann deren Theorie als "zur Wissenschaft gehörend" einordne"
Willst Du also sagen, Wissenschaft sind die zu Fakten geronnenen Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, die Theorien, auf die sie sich stützen und auf deren Grundlage sie überhaupt formuliert werden können, sind keine Wissenschaft?
"empirisches Material" = die unabhängig von mir, meinem Denken gegebene Außenwelt, die mir wie allen anderen Menschen begriffslos und zunächst unverstanden, also nicht in Form von Fakten vorliegt, mit der jeder unsystematische Erfahrungen macht und dann sich eine Institution ausbildet, in der in systematischer Weise Erfahrung gesammelt, objektiviert, kommuniziert, dokumentiert und auf hypothetische gesetzmäßige Zusammenhänge zurückgeführt werden.
Die Theorie leistet genau das, die Lücken zwischen den Einzelerfahrungen so zu schließen, daß jede neue Erfahrung, jede empirische Überprüfung, eine Bestätigung der Theorie ist.
Das ist eine gute Metapher. So, wie es kein "reines" Wasser in der Natur gibt, ich aber das Wesentliche im "reinen" treffen muß, so gibt es keinen "reinen", einschlußfreien, also ohne Irregularitäten vorkommenden Diamanten und, wenn ich das richtig sehe, keine vollkommene Diamantstruktur, die bewirken würde, daß der Diamant bei Temperaturen über 0°K ein vollständiger Isolator bleibt. Aber ganz abgesehen von der Metapher, ich habe keine Einwände gegen die Verwendung des Begriffs Tatsache, bestehe nur auf Poppers Falsifikationismus. Tatsachen sind Tatsachen auf Widerruf, mehr oder weniger gut bestätigte Hypothesen. Das ist schon zwingend denknotwendig, weil alles Denken Modellcharakter hat, nicht über die Abbildeigenschaft hinauskommt, abgesehen von der formalen Erkenntnis. Absolut ist nur das Denken über sich selbst. Tatsächlichkeit ist das Ziel der Wissenschaft.
"Die Bezeichnung "untergeordnet" ist aber nicht angebracht, denn es ist schlicht das eigentlich zu erreichende Ziel."
Das ist eine falsche Perspektive auf Wissenschaft, denn das würde bedeuten, daß die 'Wissenschaft sich nicht um die Konsolidierung, didaktische und axiomatische Organisation von weitgehend abgeschlossenen, theoretisch beherrschten Teilgebieten bemühen würde. Das würde bedeuten, daß man sich nicht mehr mit der Wissenschaft vom Apfel beschäftigt, weil es Kernobst gibt, welches sich nicht eindeutig der Gattung Apfel zuordnen läßt. Das würde Wissenschaft zu einem Zweig der Modeindustrie machen, "der letzte Schrei" ist übrigens ein sehr schöner Film von Robert van Ackeren.
"entlang welcher Theorie die Mehrheit der Forschenden weiterzukommen versucht" und "Ich mache aber nicht den Fehler, dass ich dann deren Theorie als "zur Wissenschaft gehörend" einordne"
Willst Du also sagen, Wissenschaft sind die zu Fakten geronnenen Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, die Theorien, auf die sie sich stützen und auf deren Grundlage sie überhaupt formuliert werden können, sind keine Wissenschaft?
"empirisches Material" = die unabhängig von mir, meinem Denken gegebene Außenwelt, die mir wie allen anderen Menschen begriffslos und zunächst unverstanden, also nicht in Form von Fakten vorliegt, mit der jeder unsystematische Erfahrungen macht und dann sich eine Institution ausbildet, in der in systematischer Weise Erfahrung gesammelt, objektiviert, kommuniziert, dokumentiert und auf hypothetische gesetzmäßige Zusammenhänge zurückgeführt werden.
Die Theorie leistet genau das, die Lücken zwischen den Einzelerfahrungen so zu schließen, daß jede neue Erfahrung, jede empirische Überprüfung, eine Bestätigung der Theorie ist.
Nur für den Wissenschaftsbetrieb gilt das Konzept "Falsifizierung". Die dortigen Weltbilder (Hintergrunderklärungsversuche) müssen sich der "peinlichen Befragung" stellen, und das immer wieder.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 11. Okt 2024, 12:22Aber ganz abgesehen von der Metapher, ich habe keine Einwände gegen die Verwendung des Begriffs Tatsache, bestehe nur auf Poppers Falsifikationismus.
Wissenschaft (Sammlung der Tatsachen) steht weit über dem Wissenschaftsbetrieb und dort wird keine "Falsifizierung" benötigt.
Nein, eine Tatsache ist letztlich ein Ausschnitt aus einer vorliegenden Situation.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 11. Okt 2024, 12:22Tatsachen sind Tatsachen auf Widerruf, mehr oder weniger gut bestätigte Hypothesen.
Beispiel: ich versuche gerade, durch einen Tisch zu gehen. Ergebnis: geht nicht.
Dieser Experimentausgang ist eine Tatsache.
Der Begriff Hypothese ist hier nicht angebracht.
"Falsifizierung" ist hier nicht angebracht.
Tatsächlichkeit ist das Ziel des Wissenschaftsbetriebs, wobei das (wie gesagt) nur sehr selten erreicht wird.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 11. Okt 2024, 12:22Tatsächlichkeit ist das Ziel der Wissenschaft.
Die Sammlung der bisher erreichten Tatsächlichkeit ist "die Wissenschaft".
Wissenschaft ist eine neutrale Sammlung von Tatsachen (also nicht "das Sammeln", sondern "die Sammlung").Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 11. Okt 2024, 12:22Das ist eine falsche Perspektive auf Wissenschaft, denn das würde bedeuten, daß die 'Wissenschaft sich nicht um die Konsolidierung, didaktische und axiomatische Organisation von weitgehend abgeschlossenen, theoretisch beherrschten Teilgebieten bemühen würde.
Das ist kein Akteur und von dort kommen keine Handlungen.
Du bist wieder beim Wissenschaftsbetrieb. Dort finden Handlungen statt, um etwas zu erreichen. Dort gibt es Versuche und es gibt viel Scheitern und manchmal Erfolg.
Genau richtig.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 11. Okt 2024, 12:22Willst Du also sagen, Wissenschaft sind die zu Fakten geronnenen Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, die Theorien, auf die sie sich stützen und auf deren Grundlage sie überhaupt formuliert werden können, sind keine Wissenschaft?
Eine wissenschaftliche Theorie ist ein Werkzeug von Forschern, entlang dessen sie hoffentlich neue vorliegende Situationen erschliessen und "dort" Tatsachen entnehmen können.
"wissenschafliche Theorie" gehört zum Wissenschaftsbetrieb und ist (noch) nicht Teil der Wissenschaft.
Bei Wissenschaft, also Tatsachen, kann ich von jedem anderen Menschen verlangen, dass sie berücksichtigt wird.
Hier besteht ein Zwang zur Akzeptanz.
Weltbilder, die gegen eine Tatsache verstossen fliegen raus.
Weltbilder, die eine Tatsache noch nicht berücksichten, müssen nachgebessert werden und gelten als unfertig. Bei einer Weigerung zum Nachbessern (z.B. durch eine Ausrede) fliegt das Zeug raus.
Bei den Weltbildern des Wissenschaftsbetriebs (Hypothesen, Theorien) kann ich nicht verlangen, dass sie akzeptiert werden.
Ein Weltbild kann ohne Angabe von Gründen durch ein anderes Weltbild ersetzt werden (das andere Weltbild muss lediglich die bisher erarbeiteten Tatsachen berücksichtigen und darf nicht dagegen verstossen).
Der einzige Druck, der auf ein Weltbild ausgeübt werden kann, kommt von Tatsachen, also vorliegenden Situationen.
Bereits das Vorliegen ist die Tatsache.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 11. Okt 2024, 12:22"empirisches Material" = die unabhängig von mir, meinem Denken gegebene Außenwelt, die mir wie allen anderen Menschen begriffslos und zunächst unverstanden, also nicht in Form von Fakten vorliegt,
Zu "Tatsache" gibt es keine Steigerung mehr. Wie soll "Vorliegen" noch gesteigert werden?
Über die "Theorie" werden Lücken nicht geschlossen, sondern mit Behauptungen "gefüllt".Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Fr 11. Okt 2024, 12:22Die Theorie leistet genau das, die Lücken zwischen den Einzelerfahrungen so zu schließen, daß jede neue Erfahrung, jede empirische Überprüfung, eine Bestätigung der Theorie ist.
Die "Theorie" ist eine Hintergrunderklärung, sozusagen eine Erzählung, über die man (hoffentlich) auf Ideen zur Nachprüfung kommt und sich so neue vorliegende Situationen (also eine Erweiterung der Wissenschaft) erschliessen kann.
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Du scheinst einen logischen Empirismus und Pragmatismus zu vertreten, korrigiere mich, wenn mein Eindruck falsch ist. Der logische Empirismus hat eine wichtige, verdienstvolle Rolle in der antimetaphysischen Aufklärung gespielt. Aber er scheint mir historisch überholt, Du kämpfst vergangene Schlachten. Wenn Du mir widersprechen willst, mußt Du Dich schon auf meine Konzeption einlassen. Sonst bleibt es eine unfruchtbare Auseinandersetzung inkompatibler Voraussetzungen.
Wenn du mich in irgendeine Schublade stecken möchtest, dann bist du am Zug, und es ist bei Weitem nicht so, dass ich mich aus deiner Schubladenbehauptung herausarbeiten muss.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 11:34Du scheinst einen logischen Empirismus und Pragmatismus zu vertreten, korrigiere mich, wenn mein Eindruck falsch ist. Der logische Empirismus hat eine wichtige, verdienstvolle Rolle in der antimetaphysischen Aufklärung gespielt. Aber er scheint mir historisch überholt, Du kämpfst vergangene Schlachten.
Ich habe genug geschrieben, auf das du reagieren kannst.
Wenn du in der tollen Lage bist, dass du bereits "vergangene Schlachten" anwenden kannst, dann müssten dir Antworten auf meine Beiträge ja ganz leicht fallen.
Dass du das hier und jetzt nicht gemacht hast, sehe ich als ungünstige Auffälligkeit für deine Haltung an - versuchst du da gerade einen Taschenspielertrick?
Ich habe dir das Experiment "durch einen Tisch gehen" samt der Ergebniseinordnung als "nicht falsifizierbar" genannt.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 11:34Wenn Du mir widersprechen willst, mußt Du Dich schon auf meine Konzeption einlassen. Sonst bleibt es eine unfruchtbare Auseinandersetzung inkompatibler Voraussetzungen.
Zeig mal im Detail auf, wieso ich an dem Ergebnis "ich konnte nicht durch den Tisch gehen" zweifeln soll.
Kannst du es nicht, dann solltest du "Popper" beim Wissenschaftsbetrieb belassen (da wo er hingehört).
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Ja, wenn Du für Wissenschaft hältst, daß "Du nicht durch einen Tisch gehen kannst", hast Du recht. Diese beispielhafte Erklärung von Wissenschaft höre ich hier aber zum ersten Mal. Sie erinnert mich freilich an die blöden Beispielsätze "alle Schwäne sind weiß" oder "ist der Abendstern der Morgenstern?". Ist Wissenschaft eine Enzyklopädie des gesunden Menschenverstands? Und der Wissenschaftsbetrieb eine perfide Verwirrungs- und Verdummungsinstitution, die eine Priesterherrschaft aufrechterhalten soll?
Soll also der Satz "man kann nicht durch den Tisch gehen" ein Paradigma für Faktizität, Wahrheit, Erkenntnis sein?
Entschuldigung, aber ich kann nicht ernsthaft auf den Kommentar eingehen.
Soll also der Satz "man kann nicht durch den Tisch gehen" ein Paradigma für Faktizität, Wahrheit, Erkenntnis sein?
Entschuldigung, aber ich kann nicht ernsthaft auf den Kommentar eingehen.
Nein, das halte ich nicht für Wissenschaft.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 19:39Ja, wenn Du für Wissenschaft hältst, daß "Du nicht durch einen Tisch gehen kannst", hast Du recht.
Es ist schon um einiges komplizierter und du solltest dich nicht von dem einfachen Experiment ablenken lassen, denn es enthält alles, um das es geht - es ist ja letztlich ein vollwertiges Experiment.
Zur Wissenschaft gehört, dass ich nicht durch einen Tisch gehen konnte.
Prognosen gehören nicht zur Wissenschaft, weil sie keine Tatsachen sind - es fehlt der Einblick in die Grundlagen der Zukunft.
Wenn ich sage, dass ich auch in fünf Minuten nicht durch den Tisch gehen kann, dann vertrete ich ein Weltbild - das Weltbild einer Verlässlichkeit von Umständen, in die ich keinen Einblick habe.
Prognosen können keine Tatsachen darstellen und sind somit auch nicht Teil der Wissenschaft.
Nein, Wissenschaft ist die Sammlung der Tatsachen und Wissenschaftsbetrieb der Versuch, diese Sammlung zu erweitern - aber ich würde sagen, das habe ich bereits geschrieben.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 19:39Ist Wissenschaft eine Enzyklopädie des gesunden Menschenverstands? Und der Wissenschaftsbetrieb eine perfide Verwirrungs- und Verdummungsinstitution, die eine Priesterherrschaft aufrechterhalten soll?
Nein, der Satz "ich konnte nicht durch den Tisch gehen" ist das Ergebnis eines Experimentes, also einer vorliegenden Situation, und damit eine Tatsache.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 19:39Soll also der Satz "man kann nicht durch den Tisch gehen" ein Paradigma für Faktizität, Wahrheit, Erkenntnis sein?
"Wahrheit" kann man hier ganz aus dem Spiel lassen, denn "Wahrheit" ist schwächer als "Tatsache".
Bei "Tatsache" geht es nicht um eine Beurteilung, nicht um eine Wertung, sondern einzig um ein Vorliegen.
Das liegt halt daran, dass du einen Experimentausgang, also eine vorliegende Situation, nicht bezweifeln kannst.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 19:39Entschuldigung, aber ich kann nicht ernsthaft auf den Kommentar eingehen.
"Popper" hat hier nichts zu suchen.
Was verstehst du daran nicht?
@Körper:
Ich versuche das jetzt mal zu verstehen; denn was du schreibst klingt irgendwie doch sehr interessant.
Also: Als du gemerkt hast, dass du nicht durch den Tisch gehen konntest, bist du doch damit auf eine Tatsache stoßen, oder?
Und meine Frage ist jetzt einfach die, ob diese Tatsache über die Situation hinaus Bestand hat, oder ob du immer wieder probieren musst, ob du durch einen Tisch gehen kannst.
(Das ist jetzt wirklich als aufrichtige Nachfrage gemeint - ohne irgendwelchen ironischen Hintersinn oder eigene Behauptung. Ich selbst glaube auf eine ganz eigene Weise nämlich auch, dass es vielleicht gar nichts gibt außerhalb von konkreten Situationen...aber das nur am Rande.)
Ich versuche das jetzt mal zu verstehen; denn was du schreibst klingt irgendwie doch sehr interessant.
Also: Als du gemerkt hast, dass du nicht durch den Tisch gehen konntest, bist du doch damit auf eine Tatsache stoßen, oder?
Und meine Frage ist jetzt einfach die, ob diese Tatsache über die Situation hinaus Bestand hat, oder ob du immer wieder probieren musst, ob du durch einen Tisch gehen kannst.
(Das ist jetzt wirklich als aufrichtige Nachfrage gemeint - ohne irgendwelchen ironischen Hintersinn oder eigene Behauptung. Ich selbst glaube auf eine ganz eigene Weise nämlich auch, dass es vielleicht gar nichts gibt außerhalb von konkreten Situationen...aber das nur am Rande.)
Ich war verwickelt in eine vorliegende Situation und habe daraus einen Anteil an Zusammenhängen entnommen, der als Tatsache ("Gehen durch den Tisch war nicht möglich") eingestuft wird.RoloTomasi hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 20:27Also: Als du gemerkt hast, dass du nicht durch den Tisch gehen konntest, bist du doch damit auf eine Tatsache stoßen, oder?
Man stösst nicht auf Tatsachen, sondern man ist in vorliegende Situationen verwickelt (bei meinem Beispiel: im damaligen "Hier und Jetzt").
Eine Tatsache ist eine Zusammenhangsmenge, die aus der vorliegenden Situation entnommen wird, sozusagen eine "Protokollierung der vorliegenden Situation in den relevanten Aspekten".
Das, was ich aus der vorliegenden Situation entnommen habe, die Zusammenhangsmenge, kann ich erst einmal in meiner Erinnerung speichern.RoloTomasi hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 20:27Und meine Frage ist jetzt einfach die, ob diese Tatsache über die Situation hinaus Bestand hat, oder ob du immer wieder probieren musst, ob du durch einen Tisch gehen kannst.
Das ist eine Form der Archivierung, die den Vorgang aber nicht für andere Menschen kontrollierbar macht.
Für eine intersubjektiv austauschbare Wissenschaft führt man eine einsehbare Archivierung samt Nachprüfung durch (es sollen Protokollierungsfehler ausgeschlossen werden).
Im Idealfall erfolgt die Erweiterung von Wissenschaft dadurch über einen kontrollierten Vorgang.
Über die Archivierung kann die Zusammenhangsmenge aus der Vergangenheit durch die Zeit mitgezogen werden.
Die Archivierung ist aber immer auf den Zeitpunkt in der Vergangenheit bezogen.
D.h. die Tatsache dass ich am 11.10.2024 nicht durch einen Tisch gehen konnte, steht weiterhin zur Verfügung (indem sie aus der Archivierung abgerufen wird).
Diese Tatsache hat aber nichts damit zu tun, ob ich hier und jetzt durch einen Tisch gehen kann.
Selbstverständlich rechne ich nicht damit, dass ich es kann, aber das ist mein Weltbild.
Wenn z.B. jemand denkt, er muss "nur" 10 Stunden täglich meditieren und erlangt durch "Hochziehen der Lebensenergie zu den oberen Chakren" die Fähigkeit, durch einen Tisch gehen zu können, dann habe ich nichts (keine Tatsache) in der Hand um sein Weltbild als falsch zu entsorgen.
Es ist nicht mein Weltbild und ich halte so ein Vorhaben nicht für erfolgversprechend, aber ich habe nichts in der Hand, um Druck auszuüben.
Insgesamt gehören auch die Stabilität und die dauerhafte Verlässlichkeit der Wirklichkeit sicherlich zur Lebenserfahrung, aber es stehen keinerlei Tatsachen zur Verfügung.
Wenn man es also genau nimmt, ist die Formelsammlung der Physik eine Betrachtung der Vergangenheit, mehr nicht.
Man verlässt sich halt darauf, dass die Formeln auch weiterhin in den Bereichen ihrer Aufstellung gelten - die dauerhafte Gültigkeit ist aber nicht Teil der Wissenschaft, d.h. es ist keine Tatsache.
@Körper: Danke für die Erläuterung. Ich muss mal genauer drüber nachdenken, aber mir scheint, daran ist Einiges wirklich Bedenkenswerte. (Vor allem die Vermeidung fixierter Weltbilder und die Betonung der Situation, damit kann ich gut was anfangen.)
- Jörn Budesheim
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Mehr als 21.000 Studiengänge! Damit lässt sich vielleicht ein grobes Bild von der Vielfalt der Wissenschaften zeichnen, die man natürlich nicht alle im Detail kennen kann.Mehr als 21.000 Studiengänge
Das Angebot der Hochschulen in Deutschland wird immer vielfältiger. Die Anzahl der Studienfächer erreicht ein neues Rekordhoch.
https://www.forschung-und-lehre.de/lehr ... aenge-4182
Ich frage mich, welche dieser Wissenschaften "die Situation betont"? (Die neue Phänomenologie?) Was bedeutet das eigentlich "Betonung der Situation" ? Und wenn man diese Frage beantwortet, bedeutet das nicht auch, dass selbst eine Wissenschaft, die die jeweils konkrete Situation in den Blick nehmen will, mit Begriffen arbeiten muss, die bereits existieren? Mit "Abstraktionen", die zum Beispiel aus anderen "Situationen" gewonnen wurden? Oder woher? Transzendentale Konzepte? Und sie muss doch auch zumindest einen (wenn auch vagen) Begriff von "Situation" haben, also von ihrem Gegenstand, und dazu passende Methoden, die nicht einfach nur aus der je konkreten Situation heraus entwickelt werden können, sondern "von außen" in diese hineingetragen werden, oder? Begriffe wie in der neuen Phänomenologie: Leiblichkeit, Atmosphären, Situationen, subjektive Tatsachen, primitive Gegenwart, Einleibung, Enge ... ich zweifle nicht an, dass man damit gut Situationen beschreiben kann, aber die Begriffe sind bereits übersituativ, oder? Und sie unterstellen, dass es Muster gibt, die in verschiedenen Situationen konstant auftauchen, oder?
Der Ausdruck "die Betonung der Situation" ist also selbst schon keine Betonung der Situation mehr, sondern eine Abstraktion von jeder einzelnen Situation. Solche Abstraktionen können etwas treffen, aber natürlich genauso gut verfehlen. Mit dieser vorsichtigen Formulierung versuche ich die Begriffe wahr und falsch zu vermeiden, weil sie für viele ein rotes Tuch zu sein scheinen ;) Im Alltag befinden wir uns zwar ausschließlich in Situationen, die sich so nie zuvor und sicher auch nie danach wiederholen werden. Die Wissenschaft jedoch versucht, gerade von diesen konkreten Situationen zu abstrahieren, oder? Sie sucht nach: [jede füge hier ihren Lieblingsbegriff ein].
Bei den Naturwissenschaften scheint es in den letzten paar tausend Jahren erhebliche Fortschritte gegeben zu haben. Doch dort, wo das Leben und menschliches Verhalten ins Spiel kommen, zeigen sich meines Erachtens ziemlich schnell die Grenzen der Berechenbarkeit.
Versuchsanordnungen, bei denen jemand versucht, durch einen Tisch zu gehen, kann ich mir nicht nur schwer als Wissenschaft vorstellen – vielleicht eher als Dada-Theaterstück. Das hat sicherlich seine Berechtigung, allerdings nicht als Wissenschaft. Vor ziemlich genau fünf Jahren habe ich zu einer ähnlichen Frage diese Zeichnung gemacht: Warum geht man durch die Tür und nicht durch die Wand?
@Jörn: Du hast ganz recht damit, dass die meisten Wissenschaften sich nicht für Situationen interessieren. Wissenschaftler versuchen ja meistens, sich Situatives handhabbar zu machen, etwa in dem sie aus Situationen Konstellationen machen: z.B. aus Wasser H2O (plus oder nicht plus X) oder aus Bewusstsein ein Ensemble von objektiven Vermögen, Akten, Inhalten (Gegenständen) usw. Wissenschaften arbeiten eben häufig mit analytischen und synthetischen ‚Einheiten‘ (was einige Philosophen dann ‚Entitäten‘ nennen). Das ist ein Vorgehen, an dem es m.E. für sich genommen nichts auszusetzen gibt.
Mein Interesse für Situationen ist ganz persönlicher Natur. Es hängt mit meiner persönlichen Vermutung zusammen, dass Situationen für die Lebenserfahrung grundlegend sind. Auch und gerade bei der Betrachtung des Bewusstseins erachte ich die Berücksichtigung der Situationen für zentral. Die Neue Phänomenologie halte ich persönlich für ein gutes Instrument, um mir die Situativität des Bewusstseins klar zu machen. Natürlich sind auch deren Begriffe theoretische Kategorien: aber es sind solche, die versuchen, die unwillkürliche Lebenserfahrung zu explizieren, also die Abstraktionsbasis der Begriffe etwas tiefer zu legen als bei anderen Wissenschaften. Ich persönlich erkenne in diesen Explikaten mich selbst als bewusstes Wesen mit meinen Erfahrungen wieder, ohne dass ich vorher ein Sachstudium (in Physik, Physiologie, Neurologie, Psychologie usw.) durchlaufen muss. Und dass man beim Thema ‚Bewusstsein‘ sofort auf irgendwelche objektiven Wissenschaften zusteuern muss, steht ja nirgendwo geschrieben. Das ist heute zwar weitgehend ein Reflex, aber den muss man ja nicht mitmachen. Man kann die Bälle der einschlägigen Begriffe auch flacher halten, d.h. mit umgangssprachlich vertrauten Begriffen arbeiten – etwa mit Enge, Weite, Gefahr, Mattigkeit, Atmosphäre usw.
Natürlich überzeugt diese Auffassung nicht jeden; aber dieser Anspruch, jeden zu überzeugen, wird ja auch gar nicht erhoben. Wer z.B. eingefleischter oder gut trainierter Materialist, Naturalist, Realist, Idealist usw. ist, der wird das Thema Bewusstsein aus jeweils ganz anderen Perspektiven ansteuern – er sucht und stößt auf anderes. Das ist für mich kein Problem. Mich persönlich wiederum überzeugen diese Ansätze eher nicht, da mir dabei auf je unterschiedliche Weise das Subjektive zu kurz kommt oder ganz zu fehlen scheint. Man könnte auch zugespitzt sagen: Ich selbst und meine Erfahrungen kommen gar nicht vor. Rein gegenständlich (‚objektiv‘) ausgerichtete Theorien des Bewusstseins sagen mir nichts über mich - über meine leiblichen oder auch sozialen Erfahrungen, so wie ich sie wirklich habe.
Man könnte mit einer (aber nur sehr vagen) Analogie aus dem anderen Faden sagen: Bewusstsein, und damit u.a. ich selbst, wird in objektiven Theorien des Bewusstseins wie H20 behandelt, nicht wie Wasser. H20 ist eine Konstellation, die die Situation ‚Wasser‘ mehr schlecht als recht wiedergibt. Ich will nochmals sagen: Man kann das Bewusstsein natürlich objektiv-wissenschaftlich betrachten; aber mir persönlich scheint, dass man dabei manches Wesentliche übersieht.
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Zum Punkt von 'Körper': Nicht durch den Tisch gehen können – nun ja, das scheint mir schon durchaus ein gutes Beispiel dafür zu sein, welches Anforderungsprofil man auch in den Wissenschaften an Tatsachen stellen sollte. Körpers Beispiel selbst ist zwar trivial und unwissenschaftlich: Aber es versinnbildlicht doch auf sehr klare Weise, was man in den Tatsachenwissenschaften von Tatsachen verlangen muss: nämlich Unwiderlegbarkeit und absolute Gültigkeit. (Ob es so etwas in den Wissenschaften gibt, ist eine andere Frage; es wird ja immer wieder für unwiderlegbar Gehaltenes doch wieder faktisch widerlegt und dann neu diskutiert und ausgelotet. Aber dass es Unwiderlegbares im vorwissenschaftlichen Leben gibt, ist evident: Man kann nicht durch einen Tisch oder durch eine Wand gehen. Das ist, wie man so schön sagt, Fakt. Faktizitäten dieser Art sucht die Wissenschaft auf ihrem Niveau; und solange sie Derartiges nicht gefunden hat, geht die Suche weiter, während in der Zwischenzeit jeweils aktuelle und vorläufige Weltbilder die wissenschaftliche Szene beherrschen.)
Mein Interesse für Situationen ist ganz persönlicher Natur. Es hängt mit meiner persönlichen Vermutung zusammen, dass Situationen für die Lebenserfahrung grundlegend sind. Auch und gerade bei der Betrachtung des Bewusstseins erachte ich die Berücksichtigung der Situationen für zentral. Die Neue Phänomenologie halte ich persönlich für ein gutes Instrument, um mir die Situativität des Bewusstseins klar zu machen. Natürlich sind auch deren Begriffe theoretische Kategorien: aber es sind solche, die versuchen, die unwillkürliche Lebenserfahrung zu explizieren, also die Abstraktionsbasis der Begriffe etwas tiefer zu legen als bei anderen Wissenschaften. Ich persönlich erkenne in diesen Explikaten mich selbst als bewusstes Wesen mit meinen Erfahrungen wieder, ohne dass ich vorher ein Sachstudium (in Physik, Physiologie, Neurologie, Psychologie usw.) durchlaufen muss. Und dass man beim Thema ‚Bewusstsein‘ sofort auf irgendwelche objektiven Wissenschaften zusteuern muss, steht ja nirgendwo geschrieben. Das ist heute zwar weitgehend ein Reflex, aber den muss man ja nicht mitmachen. Man kann die Bälle der einschlägigen Begriffe auch flacher halten, d.h. mit umgangssprachlich vertrauten Begriffen arbeiten – etwa mit Enge, Weite, Gefahr, Mattigkeit, Atmosphäre usw.
Natürlich überzeugt diese Auffassung nicht jeden; aber dieser Anspruch, jeden zu überzeugen, wird ja auch gar nicht erhoben. Wer z.B. eingefleischter oder gut trainierter Materialist, Naturalist, Realist, Idealist usw. ist, der wird das Thema Bewusstsein aus jeweils ganz anderen Perspektiven ansteuern – er sucht und stößt auf anderes. Das ist für mich kein Problem. Mich persönlich wiederum überzeugen diese Ansätze eher nicht, da mir dabei auf je unterschiedliche Weise das Subjektive zu kurz kommt oder ganz zu fehlen scheint. Man könnte auch zugespitzt sagen: Ich selbst und meine Erfahrungen kommen gar nicht vor. Rein gegenständlich (‚objektiv‘) ausgerichtete Theorien des Bewusstseins sagen mir nichts über mich - über meine leiblichen oder auch sozialen Erfahrungen, so wie ich sie wirklich habe.
Man könnte mit einer (aber nur sehr vagen) Analogie aus dem anderen Faden sagen: Bewusstsein, und damit u.a. ich selbst, wird in objektiven Theorien des Bewusstseins wie H20 behandelt, nicht wie Wasser. H20 ist eine Konstellation, die die Situation ‚Wasser‘ mehr schlecht als recht wiedergibt. Ich will nochmals sagen: Man kann das Bewusstsein natürlich objektiv-wissenschaftlich betrachten; aber mir persönlich scheint, dass man dabei manches Wesentliche übersieht.
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Zum Punkt von 'Körper': Nicht durch den Tisch gehen können – nun ja, das scheint mir schon durchaus ein gutes Beispiel dafür zu sein, welches Anforderungsprofil man auch in den Wissenschaften an Tatsachen stellen sollte. Körpers Beispiel selbst ist zwar trivial und unwissenschaftlich: Aber es versinnbildlicht doch auf sehr klare Weise, was man in den Tatsachenwissenschaften von Tatsachen verlangen muss: nämlich Unwiderlegbarkeit und absolute Gültigkeit. (Ob es so etwas in den Wissenschaften gibt, ist eine andere Frage; es wird ja immer wieder für unwiderlegbar Gehaltenes doch wieder faktisch widerlegt und dann neu diskutiert und ausgelotet. Aber dass es Unwiderlegbares im vorwissenschaftlichen Leben gibt, ist evident: Man kann nicht durch einen Tisch oder durch eine Wand gehen. Das ist, wie man so schön sagt, Fakt. Faktizitäten dieser Art sucht die Wissenschaft auf ihrem Niveau; und solange sie Derartiges nicht gefunden hat, geht die Suche weiter, während in der Zwischenzeit jeweils aktuelle und vorläufige Weltbilder die wissenschaftliche Szene beherrschen.)
Hier mal ein Hinweis, wie ernstzunehmen das Experiment ist, durch feste Materie hindurchzugehen:
Streuversuch und Atommodell von RUTHERFORD
Die vorliegende Situation (Ablenkung von wenigen Alpha-Teilchen in ganz unerwartete Richtungen) stellt eine Tatsache dar (-> Wissenschaft)
In Bezug auf die Weltbilder des Wissenschaftsbetriebs kann eine Tatsache nicht ignoriert werden.
In der Folge wurde das "Atommodell von Thomson" als unzureichend eingestuft und ein neues "Atommodell" aufgestellt.
Weder das "Atommodell von Thomson" noch das "Atommodell von Rutherford" gehören zur Wissenschaft, sondern nur der Experimentaufbau und der Experimentausgang, also das Streubild.
Im Wissenschaftsbetrieb wird zu einer neuen Tatsache eine neue Hintergrunderklärung, also ein neuer Verdacht, aufgestellt und die dort enthaltenen Behauptungen führen (hoffentlich) zum Ausdenken einer Strategie zum Erreichen einer neuen vorliegenden Situation - usw. usf.
Es muss aber klar sein, dass dieses Ausgedachte nur die Arbeitsumgebung der Forscher ist und es ist kritisch zu sehen, wenn so ein Weltbild (egal wie lange man es sich schon erzählt) durchgesetzt werden soll.
Das Durchsetzen eines Weltbildes ist Ideologie.
Innerhalb des Wissenschaftsbetriebs gibt es sicherlich Sinnhaftigkeitsabwägungen, denn für die Forschung wird Geld benötigt und es sollte auch etwas (-> neue Tatsachen) dabei herauskommen.
(aktuell gibt es wohl in der Physik herzhafte Streitereien, ab so manches Tänzchen der theoretischen Physiker einer Sinnabwägung stand hält, denn das reine Produzieren von Weltbildern ist schlicht nicht ausreichend)
Es dürfen hier keinerlei Autoritätsansprüche formuliert werden, denn nur den vorliegenden Situationen (-> Tatsachen und damit Wissenschaft) kommt Autorität zu.
Dass dies im Wissenschaftsbetrieb oft nicht funktioniert (weil sich halt doch wieder ein Autoritätstheater einschleicht - mit Preisen und Namenslametta ist quasi schon eine Sollbruchstelle fest verankert), ist unschön und muss zur Konsequenz einer strikten Abgrenzung zu Wissenschaft führen, denn dem Kunden von Wissenschaft kann nicht die Aufgabe zukommen, dass er sich erst herausfieseln muss, was denn nun eine Tatsache ist und was lediglich Weltbild darstellt.
Wenn z.B. ein Laie sagt "ja aber das ist doch nur eine Theorie", dann wird er oft von etwas "reichlich übermotivierten Fan-Boys" ausgelacht und vor den "Hinweis" gestellt, dass eine "wissenschaftliche Theorie" das Beste sei, das man zur Verfügung hat.
Das ist natürlich dummes Zeug, denn eine "wissenschaftliche Theorie" ist lediglich ein Weltbild und nur die Tatsachen (z.B. Experimentausgänge) stellen die eigentliche Wissenschaft dar.
Ein Laie ist nicht verpflichtet, ein Weltbild des Wissenschaftsbetriebs anzunehmen, denn das wäre dümmliche Ideologie.
Wäre ja auch reichlich ungünstig gelaufen, hätte man das "Atommodell von Thomson" mit Macht in die Köpfe von Laien gedrückt (z.B. in Schulen) und dann kommt Rutherford und entlarvt das Zeugs als falsch.
Es darf also ruhig nach Qualität gestrebt werden und der Wissenschaftsbetrieb ist lediglich ein "versuchter Weg" und nicht schon direkt "das Ziel".
Streuversuch und Atommodell von RUTHERFORD
Die vorliegende Situation (Ablenkung von wenigen Alpha-Teilchen in ganz unerwartete Richtungen) stellt eine Tatsache dar (-> Wissenschaft)
In Bezug auf die Weltbilder des Wissenschaftsbetriebs kann eine Tatsache nicht ignoriert werden.
In der Folge wurde das "Atommodell von Thomson" als unzureichend eingestuft und ein neues "Atommodell" aufgestellt.
Weder das "Atommodell von Thomson" noch das "Atommodell von Rutherford" gehören zur Wissenschaft, sondern nur der Experimentaufbau und der Experimentausgang, also das Streubild.
Im Wissenschaftsbetrieb wird zu einer neuen Tatsache eine neue Hintergrunderklärung, also ein neuer Verdacht, aufgestellt und die dort enthaltenen Behauptungen führen (hoffentlich) zum Ausdenken einer Strategie zum Erreichen einer neuen vorliegenden Situation - usw. usf.
Es muss aber klar sein, dass dieses Ausgedachte nur die Arbeitsumgebung der Forscher ist und es ist kritisch zu sehen, wenn so ein Weltbild (egal wie lange man es sich schon erzählt) durchgesetzt werden soll.
Das Durchsetzen eines Weltbildes ist Ideologie.
Innerhalb des Wissenschaftsbetriebs gibt es sicherlich Sinnhaftigkeitsabwägungen, denn für die Forschung wird Geld benötigt und es sollte auch etwas (-> neue Tatsachen) dabei herauskommen.
(aktuell gibt es wohl in der Physik herzhafte Streitereien, ab so manches Tänzchen der theoretischen Physiker einer Sinnabwägung stand hält, denn das reine Produzieren von Weltbildern ist schlicht nicht ausreichend)
Es dürfen hier keinerlei Autoritätsansprüche formuliert werden, denn nur den vorliegenden Situationen (-> Tatsachen und damit Wissenschaft) kommt Autorität zu.
Dass dies im Wissenschaftsbetrieb oft nicht funktioniert (weil sich halt doch wieder ein Autoritätstheater einschleicht - mit Preisen und Namenslametta ist quasi schon eine Sollbruchstelle fest verankert), ist unschön und muss zur Konsequenz einer strikten Abgrenzung zu Wissenschaft führen, denn dem Kunden von Wissenschaft kann nicht die Aufgabe zukommen, dass er sich erst herausfieseln muss, was denn nun eine Tatsache ist und was lediglich Weltbild darstellt.
Wenn z.B. ein Laie sagt "ja aber das ist doch nur eine Theorie", dann wird er oft von etwas "reichlich übermotivierten Fan-Boys" ausgelacht und vor den "Hinweis" gestellt, dass eine "wissenschaftliche Theorie" das Beste sei, das man zur Verfügung hat.
Das ist natürlich dummes Zeug, denn eine "wissenschaftliche Theorie" ist lediglich ein Weltbild und nur die Tatsachen (z.B. Experimentausgänge) stellen die eigentliche Wissenschaft dar.
Ein Laie ist nicht verpflichtet, ein Weltbild des Wissenschaftsbetriebs anzunehmen, denn das wäre dümmliche Ideologie.
Wäre ja auch reichlich ungünstig gelaufen, hätte man das "Atommodell von Thomson" mit Macht in die Köpfe von Laien gedrückt (z.B. in Schulen) und dann kommt Rutherford und entlarvt das Zeugs als falsch.
Es darf also ruhig nach Qualität gestrebt werden und der Wissenschaftsbetrieb ist lediglich ein "versuchter Weg" und nicht schon direkt "das Ziel".
Moin Rolo,
wenn die Genauigkeit einer wissenschaftlichen oder philosophischen Voraussage von der besonderen Situation abhängt, dann sehe ich diese Situation, anders gesagt, schlichtweg als eine Zufügung weiterer Bedingungen.
Beispiel:
Newtons These: Die Zeit verläuft überall einheitlich und gleich schnell.
Einsteins These: Die Zeit verläuft in verschiedenlich bewegenden und verschieden großen Massen unterschiedlich schnell.
Mit Einstein kommen in die Voraussagen zusätzliche, veränderliche Bedingungen, nämlich die Bewegungen der Massen und ihre Größen. Diese sind unendlich vielgestaltig und dementsprechend vielgestaltige Situationen können die Voraussagen beeinflussen. Newton hatte diese Bedingungen noch nicht in seiner These. Seine These war steifer und enger als die von Einstein. Bei Newton gab es praktisch nur eine einzige, absolute Situation. Seit Einstein gilt für jeden Bezugspunkt eine andere, dementsprechend situative Voraussage.
Anderes Beispiel:
These 1: Orangensaft schmeckt immer lecker.
These 2: Orangensaft schmeckt lecker, wenn man nicht kurz vorher Pfefferminz im Mund hatte.
These 2 fügt eine weitere Bedingung hinzu. Wie im vorigen Beispiel kann man diese Bedingung als eine situative Bedingung sehen.
Mit anderen Worten: Die Situation zu berücksichtigen sehe ich als nichts anderes als eine Zufügung weiterer Bedingungen. Andere Synonyme dafür sind: "Es kommt darauf an, wie ..." oder "Das hängt davon ab, ob ..." etc.
Woraus meine ehrliche Lernfrage folgt: Was ist daran wirklich neu, wenn man an solchen Stellen den Begriff "Situation" verwendet?
wenn die Genauigkeit einer wissenschaftlichen oder philosophischen Voraussage von der besonderen Situation abhängt, dann sehe ich diese Situation, anders gesagt, schlichtweg als eine Zufügung weiterer Bedingungen.
Beispiel:
Newtons These: Die Zeit verläuft überall einheitlich und gleich schnell.
Einsteins These: Die Zeit verläuft in verschiedenlich bewegenden und verschieden großen Massen unterschiedlich schnell.
Mit Einstein kommen in die Voraussagen zusätzliche, veränderliche Bedingungen, nämlich die Bewegungen der Massen und ihre Größen. Diese sind unendlich vielgestaltig und dementsprechend vielgestaltige Situationen können die Voraussagen beeinflussen. Newton hatte diese Bedingungen noch nicht in seiner These. Seine These war steifer und enger als die von Einstein. Bei Newton gab es praktisch nur eine einzige, absolute Situation. Seit Einstein gilt für jeden Bezugspunkt eine andere, dementsprechend situative Voraussage.
Anderes Beispiel:
These 1: Orangensaft schmeckt immer lecker.
These 2: Orangensaft schmeckt lecker, wenn man nicht kurz vorher Pfefferminz im Mund hatte.
These 2 fügt eine weitere Bedingung hinzu. Wie im vorigen Beispiel kann man diese Bedingung als eine situative Bedingung sehen.
Mit anderen Worten: Die Situation zu berücksichtigen sehe ich als nichts anderes als eine Zufügung weiterer Bedingungen. Andere Synonyme dafür sind: "Es kommt darauf an, wie ..." oder "Das hängt davon ab, ob ..." etc.
Woraus meine ehrliche Lernfrage folgt: Was ist daran wirklich neu, wenn man an solchen Stellen den Begriff "Situation" verwendet?
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Nein. Es enthält das Entscheidende NICHT. Wenn alles mit dem gesunden Menschenverstand erkennbar wäre, bräuchten wir überhaupt keine Wissenschaft. Die Wissenschaft wurde etabliert, weil man verstanden hat, daß die Wahrheit eben abgesehen von Trivialitäten NICHT offensichtlich, sondern verborgen ist. Daß man sie nicht unmittelbar erkennen kann, sondern zu ihr, auch wesentlich kontraintuitiv, vordringen muß. Das wissenschaftliche Experiment ist notwendig, weil ohne es keine tiefere Erkenntnis möglich ist. Es liefert Faktizität, die begriffen werden muß, die also eine Begriffsbildung erfordert, in der sie (die Faktizität) überhaupt erst formulierbar wird.Körper hat geschrieben : ↑Sa 12. Okt 2024, 20:14
Nein, das halte ich nicht für Wissenschaft.
Es ist schon um einiges komplizierter und du solltest dich nicht von dem einfachen Experiment ablenken lassen, denn es enthält alles, um das es geht - es ist ja letztlich ein vollwertiges Experiment.
Zur Wissenschaft gehört, dass ich nicht durch einen Tisch gehen konnte.
Prognosen gehören nicht zur Wissenschaft, weil sie keine Tatsachen sind - es fehlt der Einblick in die Grundlagen der Zukunft.
"Prognosen gehören nicht zur Wissenschaft, weil sie keine Tatsachen sind - es fehlt der Einblick in die Grundlagen der Zukunft."
Wissenschaftliche Experimente wären sinnlos, wenn sie nicht als immer mit dem gleichen Ergebnis in der Zukunft wiederholbar angesehen werden könnten. Würde ich den vorstehenden Satz ernst nehmen, braüchte ich auch keine wissenschaftlichen Experimente, da sie nur eine einmalige Konstellation formulieren. Das ist krassester Empirismus.
"Nein, der Satz "ich konnte nicht durch den Tisch gehen" ist das Ergebnis eines Experimentes, also einer vorliegenden Situation, und damit eine Tatsache."
Aber Du definierst doch Wissenschaft als die Sammlung aller Tatsachen. Dann ist Dein Satz das Paradigma der Wissenschaftlichkeit.
"Das liegt halt daran, dass du einen Experimentausgang, also eine vorliegende Situation, nicht bezweifeln kannst. "Popper" hat hier nichts zu suchen. Was verstehst du daran nicht?"
Doch, das verstehe ich sehr gut, dem stimme ich zu, in dieser Auffassung von Wissenschaft hat Popper keinen Platz. Ich bin übrigens kein Anhänger von Popper. Aber in dieser Minimalvoraussetzung von Wissenschaftlichkeit hat er recht. Was ich nicht verstehe, ist, wie man dem widersprechen kann. Denn ich sehe keinen Unterschied in Deiner Tatsachengläubigkeit (unmittelbarer Gewißheiten) von religiösen Gewißheiten.
Womit ich keineswegs den Wert der unmittelbaren Gewißheiten bestreite. Leben (das von komplexen Organisationsformen) ist nicht möglich ohne solche Gewißheiten, also ohne pragmatische Weltbilder. Nur ist der überwältigende Teil der Wissenschaft nicht in diese pragmatischen Weltbilder integrierbar.
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Damit widerlegst Du Dich selbst.Körper hat geschrieben : ↑So 13. Okt 2024, 10:45Hier mal ein Hinweis, wie ernstzunehmen das Experiment ist, durch feste Materie hindurchzugehen:
Streuversuch und Atommodell von RUTHERFORD