Woran erkennt man Qualität, Seriosität und fundierte Argumente?

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
Tosa Inu
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Man könnte das aber konstruktiv nutzen und einen Thread darüber machen, was Seriosität bedeutet und was nicht, da man sich Kompetenz, Seriösität usw. heute gerne wechselseitig abspricht. Hier isser:

Wie aussagestark sind h-Index oder Hirsch-Faktor oder der Impact von wissenschaftlichen Magazinen.
Was ist mit Peer Review, also dem Gegenlesen von Experten?

Was ist seriöser Journalismus oder ein seriöses Buch und was sagt überhaupt die Philosophie dazu?

Woran erkennt man nun tatsächlich grausamen Mist und was ist mit origenellen Positionen, die vielleicht nur nicht zur Kenntnis genommen werden? Was chrakterisiert Fake News oder Verschwörungstheorien und was macht man dagegen, dass dieselben Begriffe vielleicht nur ein Instrument zur Diskreditierung missbraucht werden?

Was kann man als Normalleser machen, um sich schnell einen Überblick zu verschaffen, woher der Wind weht?

Und da ich gerade im Flow bin: What about wiki? Wer hat schon mal von den legendären Admin Wars dort gehört? Eine Welt für sich, spannend, lalalaleicht duster auch, irgendwie.

Und dazu noch eine erweiterte Antwort an Eberhard:

Wobei es auch nicht so ist, dass man eine Theorie nur aus dem Denken dieser Theorie heraus verstehen darf. Ob Gabriel, Marx, der radikale Konstruktivismus oder eine stinknormale Theorie über Frettchen, zunächst a) geht es darum zu verstehen, was der Autor überhaupt sagen will. Manche machen es einem da leicht, andere nicht. Aus verschiedenen Gründen. Manche wissen selbst nicht was sie wollen, andere formulieren zum Stein erweichen, mancher verdribbelt sich, wieder anderen fehlt die Pointe.
Deshalb ist es b) nicht nur statthaft, sondern geboten, den ganzen Krempel in einen Kontext anderer Theorien zu stellen und Stärken und Schwächen zu vergleichen.
Erst a), dann b), aber man darf sich auch nicht an der Nase herumführen lassen und in dem Kosmos des Autor, wenn er denn einen erzeugt hat, verirren, das ist häufig nur eine Immunisierung gegen Kritik.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 7. Mär 2018, 18:22
Woran erkennt man Qualität, Seriosität und fundierte Argumente?
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 7. Mär 2018, 18:22
Was chrakterisiert Fake News oder Verschwörungstheorien
Qualität, Seriosität, fundierte Argumente, Fake News oder Verschwörungstheorien, das ist natürlich ein bunter Strauß. Also pack ich mir erst eine Sache raus. Wie erkennt man Fake News? Eine einfache Checkliste gibt es dafür natürlich nicht, aber viele verschiedene Indizien. Wobei jedes Indiz, jeder Aspekt für sich allein genommen in der Regel nicht reicht. Wenn aber viele solcher Indizien zusammen kommen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man es mit Fake News zu tun hat.

Diese Liste beansprucht weder Vollständigkeit, noch habe ich sie systematisch geordnet.

Am Anfang steht für mich die Frage nach dem Autor. Wer ist der Autor? Wo schreibt er? Wie ist seine Vita, wie ist sein Renommee? Wenn man z.b. gar nichts über den Autor herausfinden kann, ist das nicht unbedingt ein gutes Zeichen.

Wie steht es mit der Seite, auf der der Autor veröffentlicht hat? Macht sie einen seriösen Eindruck? Welche Art von Meldungen findet man dort? Immer dieselben hetzerischen Artikel? Ist die Seite extrem rechts- oder linkslastig oder sonst irgendwie super einseitig? Gibt es ein Impressum?

Zum Text, der zu checken ist: findet man die Meldung auch in seriösen Quellen? Gibt der Autor an, woher er seine Informationen bezieht, gibt es eine seriöse Quellenangabe? Nutzt der Autor eine tendenziöse, reißerische Sprache? Oder schreibt er neutral, sachlich und ausgewogen?

Meines Erachtens gibt es auch eine ganze Reihe von Text-Mustern, bei denen man hellhörig werden sollte. Alles was irgendwie nach Weltverschwörungstheorie klingt kaufe ich nicht, bevor ich es nicht ausführlich geprüft habe. Auch das Muster "die da oben/wir hier unten" mahnt zur Vorsicht, finde ich. Vorsichtig sein, heißt nicht verwerfen. In dem Film die Verlegerin, den ich vor kurzem gesehen habe, geht es genau um dieses Muster. Dennoch basiert der Film auf einer wahren Geschichte.

Und natürlich können auch Artikel in reißerischer Sprache wahr sein. Und auch Autoren, über die man nichts im Netz findet, können im Recht sein. Dass es keine Quelle gibt, beweist nicht, dass der Artikel gelogen ist. Aber kommen viele solcher fragwürdiger Punkte zusammen, dann sollte man sehr auf der Hut sein und sich klug machen, bevor man dem Artikel Glauben schenkt.




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Jörn Budesheim
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im Netz findet man folgende Kriterien für Qualitätsjournalismus:
  • Wahrhaftigkeit
  • Sorgfalt bei Recherche und Dokumentation
  • Sachlichkeit bei der Berichterstattung
  • Unparteilichkeit im Konfliktfall
  • Argumentation statt Meinungsinflation
  • Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit
  • Vertraulichkeit
https://www.journalistenkolleg.de/lexik ... urnalismus




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Qualität, Seriosität, fundierte Argumente, Fake News oder Verschwörungstheorien, das ist natürlich ein bunter Strauß.

Ja, da müssen wir aber ran, wobei der Einstieg und der Weg bis zum Basislager einfach ist, aber wiederum auch so erschreckend einfach
Meine Kompetenz ist, dass ich die Kraft der zwei Herzen habe, einfach toll bin und größere Portionen esse, als der XXL-Ostfriese es konnte.
Kraft meiner Autorität sage ich Dir, Schleckys Buch ist auch nach 120 Seiten noch topp. Ich werde aber selbstverständlich nicht nur daraus berichten, sondern aus vielen Quellen, vom wiki Admin Helden, über den Prof bis zum Nobelpreisträger wird alles dabei sein.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Also pack ich mir erst eine Sache raus. Wie erkennt man Fake News? Eine einfache Checkliste gibt es dafür natürlich nicht, aber viele verschiedene Indizien. Wobei jedes Indiz, jeder Aspekt für sich allein genommen in der Regel nicht reicht. Wenn aber viele solcher Indizien zusammen kommen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man es mit Fake News zu tun hat.

Diese Liste beansprucht weder Vollständigkeit, noch habe ich sie systematisch geordnet.
Die Vorabkritik des Rests, schon mal hier: Hast Du gut gemacht.
Ist irgendwo zwischen ziemlich brauchbar und gut anzusiedeln, wir müssen aber Stufen einführen.
Zum einen, weil ich Stufenfetischist bin, es geht also nicht ohne bei mir, zum anderen, weil wir von mehreren unterschiedlichen Welten oder Sinnfeldern sprechen.

Sägen wir das also schon mal in der Mitte durch, nein, doch nicht Mitte, es geht um die Enden der Figur. Ganz oben und ganz unten.
Wer nun denkt, die hätten so gar nichts gemein, irrt. Allerdings gibt es oben wirklich ein paar die an der Wahrheit interessiert sind, aber auch längst nicht alle. Für die meisten ganz oben gilt dasselbe, wie für die ganz unten und eigentlich auch für die in der Mitte: Sie wollen nicht belogen werden, sondern hören, was sie denken, nur eben völlig unterschiedlich im Niveau.

Da gibt es z.B. ihn hier. Aber er ist noch gehobene Klasse, Trend besonders in rechten oder querfrontigen Kreisen ist die Überrschriften zu lesen und bei den Social Media zu teilen und sonst ... nichts, keine Zeile des Textes. Ein Randphänomen? Nee, nur einer von 11 aus der Ecke lesen was drin steht, braucht man nicht, man weiß ja was richtig ist. Den Rest besorgen gerne auch mal Bots mit echt scheinenden Fake-Profilen.

Ganz oben sitzen die, für die der Marktwert zählt, da kommt dann der Hirsch-Faktor ins Spiel, ein Index aus Arbeiten und wie oft diese, von wem zitiert wurden. Hier findest Du alles, von dem Du denkst, dass es nach allen Regeln der Kunst läuft, Quellenverweise bis zum geht nicht mehr, auf echte wisssenschaftliche Publikationen ... und was keiner glauben will, einer riesigen Menge an Schund. Und Schund heißt hier nicht dezente methodische Fehler, bei denen der Wissenschaftler, als harter und unbelehrbarer Empiriker, mit dem Philosophen, der sagt, dass das so nicht geht (durchaus gelungene Variante: der Streit um die Willensfreiheit zwischen Hirnforschern und Philosophen) die Klingen kreuzt, nein, es geht einfach und plumpe Fälschungen, bei der Studienergebnisse komplett erstunken und erlogen wurden oder dramatisch verändert wurden. Also die 0,001 bis 0,03% schwarzen Schafe, die man leider, so gerne man's auch hätte, nicht wegbekommt. So will man's glauben. Doch die Wahrheit könnte hier geradezu dramatisch anders sein.
Hier ein Feature, das noch etwa 4 Monate zur Verfügung steht, also downloaden: Faked Science: Manipulation und Betrug in der Wissenschaft.
So als Ouvertüre. Kernbotschaft hier nur: Auch die wollen betrogen werden und wir wollen glauben, dass alles mit rechten Dinge zugeht.
Da das kaum einer hören wird, werde ich später die relevanten Stellen angeben und daraus zitieren.

Wir sind die Mitte. Wir wollen, Du, wie ich, das Gefühl haben, dass man und kein X für ein U vormachen kann, also im Labor schon, klar, aber allgemein sind wir straßentaugliich, überdurchschnittlich gebildet, informiert und kritisch, wenn es sein muss. Das unterscheidet uns vom etwas breiteren Rest der Mitte, die sich mit deutlich weniger abspeisen lässt. Da wir schlau sind, schauen wir natürlich, ob bei SPON auch mal die Quelle hinter der Botschaft anegeben wurde und wenn wir dann auf eine Seite mit der wissenschaftlichen Veröffentlichung stoßen, dann lesen wir sogar dann und wann, den Abstract und jau, stimmt.
Damit ist die Kuh von Eis, aber da ich letztens was schreiben sollte, wollte ich - der ich es genauso mache - den Kontext auch mal prüfen und schon sah das alles gar nicht mehr so eindeutig aus und aus der Suggestion der Meldung ... die von der großen Nachrichtenseite wollten einfach nur was schreiben, die Studie war, wie sie war, nur dass die Botschaft der Nachrichtenseite lautete, x sei zu empfehlen, wenn man aber die Quellendiskussion weiter las hieß es, dass aufgrund der kontroversen Datenlage derzeit keine Empfehlung für x gegeben werden könne und dann wurden sorgsam und im Stile wirklich guter Wissenschaft die methodischen Fragwürdigkeiten der Studie aufgelistet. Nur sah zu Anfang alles superseriös aus und Abstract lesen allein reicht oft nicht. Und wer macht das schon?

Darum jetzt zu den Fake News:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Am Anfang steht für mich die Frage nach dem Autor. Wer ist der Autor? Wo schreibt er? Wie ist seine Vita, wie ist sein Renommee? Wenn man z.b. gar nichts über den Autor herausfinden kann, ist das nicht unbedingt ein gutes Zeichen.
Teilsteils, würde ich sagen. Es gibt hervorragende Features von nachher preisgekönten Journalsiten, von denen Du vorher noch nie gehört hast. Auch Jochen Neibel vom Wülfrather Anzeiger, den keine Sau kennt (weil ich ihn gerade erfunden habe) kann ja ganz aufrichtig sein und die Wahrheit schreiben.
Es gibt grandiose Blogs von Leuten, die keiner kennt und Bekanntheit ist ein zweischneidiges Schwert ... wenn immer diselben Nasen in irgendwelchen Talkshows sitzen - und genau das ist der Fall - dann denkt man automatisch die müssten Ahnung haben, sonst würden sie ja nicht eingeladen.

Und wer bewährt Gutes produziert ist bekanntlich eine Meinungsfrage. Da fängt es dann schon an, wenn man sagt, dass alle in meiner Echokammer das aber auch meinen. Aber, ganz schlecht ist das nicht, wer allgemein eine Reputation hat, der hat sie sich irgendwie erarbeitet.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Wie steht es mit der Seite, auf der der Autor veröffentlicht hat? Macht sie einen seriösen Eindruck?
Nicht jeder hat eine eigene Seite .... obwohl heute. Und der seriöse Eindruck. Die Frage ist eher, welche Zielgruppe man erreichen will. Wir hier in unserem Deutsche Bank Outfit (hab' ich für meine Seite, als ich mal eine hatte auch gewählt, genau aus dem Grund ... schön seriös) wollen halt ein bestimmtes Klientel haben. Schlecky Silverstein ein anderes, aber an seiner Seriosität - ich kannte ihn vorher gar nicht, habe dann auch einem Spaziergang zufällig auf WDR 3, der absoluteste Nischensenden den der WDR hat, noch esoterischer als WDR5 (den höre ich meistens), nur Klassik und Bildung für Freaks, das verlinkte Interview gehört, da kommst Du gar nicht rein, wenn Du Mist schreibst, und dann einfach mal das Buch gekauft - habe ich bislang keinen Zweifel und das auch nach 120 Seiten.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Welche Art von Meldungen findet man dort? Immer dieselben hetzerischen Artikel? Ist die Seite extrem rechts- oder linkslastig oder sonst irgendwie super einseitig? Gibt es ein Impressum?
Jou, volle Punktzahl wüde ich sagen, mit einer winzigen Randbemerkung, die aber wichtig ist.

Aber zunächst: Ja, wie wir es noch in der Schule lernten, nicht wahr? Popular press vs. quality press. Erstere: Viele Bilder, fette Überschriften, wenig Text, kurze Sätze, viel Emotion, wenig Information und kein Hintergrund. Qualität: Wenig Bilder, dezentere Headlines, text- und inforbetont, man lernt was.
Links und rechts ... im Grunde ja, nur gibt es auch Leute die da nicht die Kriterein haben, die wir haben und man findet sie nicht selten in Philosophieforen. So'n paar linke Spinner mit durchzuziehen gehörte irgendwie zum guten Ton, weil man selbst zumeist links(liberal)grünversifft ist, wie Du und ich, die neuen Rechten irritieren, brauche ich hier nicht auszuführen.

Und jetzt die wichtige Randbemerkung: Impressum. Prinzipiel ja, und das ist sogar einer der wichtigsten Punkte. Z.B. ist psiram ein abschreckendes Beispiel, was hier passt. Ungenießbar.

Es gibt allerdings Ausnahmen, eine davon ist dame.von.welt, in deren Umfeld sch zwar auch Flachpfeifen (aber eher in der Kategorie hyperaggressive Gutmenschen mit psychopathischen Einschlägen, aber einer klaren Agenda) tummeln, aber da kann ja sie nix dafür. Ohne Impressum, aber sehr reflektiert: https://dvwelt.wordpress.com/

Sie hier einzuführen ist auch ein strategischer Trick. Sie soll ein Gegengewicht darstellen - einer jeder mache sich sein eigenes Bild - falls wir bei unserem Thread in den Keller gehen und bspw. die Admin Wars bei Wikipedia behandeln. Ein komplexes Thema für sich, ich werde dann daran erinnern.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Zum Text, der zu checken ist: findet man die Meldung auch in seriösen Quellen? Gibt der Autor an, woher er seine Informationen bezieht, gibt es eine seriöse Quellenangabe? Nutzt der Autor eine tendenziöse, reißerische Sprache? Oder schreibt er neutral, sachlich und ausgewogen?
Du benutzt hier Begriffe zur Klärung, die erst noch geklärt werden wollen, eine petitio principii. Seriös ist, wenn's seriös ist. Aber was ist seriös? Schau mal hier.
Nicht das Pharma-Bashing ist interessant, sondern die Beschreibung wie hier gearbeitet wird. Damit führt man kluge Leute wie uns hinter die Fichte.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Meines Erachtens gibt es auch eine ganze Reihe von Text-Mustern, bei denen man hellhörig werden sollte. Alles was irgendwie nach Weltverschwörungstheorie klingt kaufe ich nicht, bevor ich es nicht ausführlich geprüft habe. Auch das Muster "die da oben/wir hier unten" mahnt zur Vorsicht, finde ich. Vorsichtig sein, heißt nicht verwerfen. In dem Film die Verlegerin, den ich vor kurzem gesehen habe, geht es genau um dieses Muster. Dennoch basiert der Film auf einer wahren Geschichte.
Ja, und intuitiv werden sehr viele Deiner Kriterien, die Du zur Anwendung bringst, sicher stimmen. Aber wir wollen sie hier eben explizit machen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 06:17
Und natürlich können auch Artikel in reißerischer Sprache wahr sein. Und auch Autoren, über die man nichts im Netz findet, können im Recht sein. Dass es keine Quelle gibt, beweist nicht, dass der Artikel gelogen ist. Aber kommen viele solcher fragwürdiger Punkte zusammen, dann sollte man sehr auf der Hut sein und sich klug machen, bevor man dem Artikel Glauben schenkt.
Eben.
Stimmt alles. Aber wonach soll man sch richten? Dass man es eben irgendwie im Urin hat? Nun, das denkt jeder von sich. Kaum einer geht mit der Auffassung durch die Welt, er sei der dümmste Schröchel unter der Sonne. Viele glänzen mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein, das sich gerade aus der Tatsache speist, dass sie vollstens Informiert sind. Dass sie dabei oft nur was von Restposten-Tisch kurz nach Weihnachten abgegriffen haben, ist ihnen entfallen, aber irgendwas mit Bilderberger stand drin und das klang auch alles so logisch. Man weiß ja, wie's geht, seit dem.
Seit dem weht aber auch wieder ein frischer Wind durch deren Leben und Wut ist nicht nur der Treibstoff der Social Media, der am stärkesten zur Aktivität animiert, sondern er ist auch ein wichtiger Baustein für die selbstgerechte Überzeugung mit der Verschwörungstheoretiker - die meisten sind Überzeugungstäter - agieren.
Philosophisch gewendet. Konsistenz allein ist hier kein Kriterium anhand dessen man das beurteilen kann, denn Verschwörungstheorien sind oft konsistent.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Do 8. Mär 2018, 13:01

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 08:48
im Netz findet man folgende Kriterien für Qualitätsjournalismus:
  • Wahrhaftigkeit
    Sorgfalt bei Recherche und Dokumentation
    Sachlichkeit bei der Berichterstattung
    Unparteilichkeit im Konfliktfall
    Argumentation statt Meinungsinflation
    Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit
    Vertraulichkeit
https://www.journalistenkolleg.de/lexik ... urnalismus
Ja.
Nur gelten damit für den Journalismus andere Kriterien als für die Wissenschaft.
Der Wissenschaftler muss seine Quellen offenlegen, der Journalist darf es im Zweifel nicht.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Stefanie
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Do 8. Mär 2018, 20:45

Wieso darf der Journalist im Zweifel seine Quellen nicht angeben? Welche Fälle sind gemeint?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Stefanie hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 20:45
Wieso darf der Journalist im Zweifel seine Quellen nicht angeben? Welche Fälle sind gemeint?
Quellenschutz ist oberstes Gebot, ist doch klar.
Du bist als Journalist tot, wenn Du ausplauderst, wer Dir brisante Infos gegeben hat, z.B. gerade im inverstigativen Bereich oder wenn was durchgestochen wird. Den Fehler machst Du genau ein mal, danach kannst Du schauen, was Dir jemand in seinem Auftritt unter "Presse" mitteilt, weil Du nie wieder ein Bein auf den Boden kriegst.

D.h. ein guter Artikel über brisante Inhalte muss kenntlich machen, dass Du was von der Sache verstehst, zugleich darf aber nicht mal in Ansätzen klar werden, wer die Infos rausgerückt hat, außer jemand bittet explizit darum oder outet sich als Whistleblower. Im besten Fall hast Du natürlich immer mehrere Quellen und legst Dich mit niemandem ins Bett.
Oder Du nennst Deinen Journalismus Meinungsmagazin oder sowas in der Art, dann kannst Du dezidiert Stellung beziehen. Journalistische Ideale, wie die, dass man sich nicht mal mit einer guten Idee gemein machen soll, sind eben Ideale. Auch bei der sachlichsten Darstellung kann man genau wissen, dass jetzt jemand platzt und nimmt es in kauf.



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Jörn Budesheim
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Fr 9. Mär 2018, 05:44

Es geht in meinem Beitrag oben darum, dass es nach meiner Einschätzung viele verschiedene (unterschiedlich wichtige) Symptome, Anzeichen, Kriterien gibt, deren Vorhandensein oder Fehlen in in der Summe dazu führen kann, dass ein Beitrag eher fragwürdig oder eher glaubwürdig erscheint. Es geht also um die Summe und den daraus entstehenden Gesamteindruck für jeden einzelnen, besonderen Fall.

Darauf, dass einzelne dieser Kriterien im jeweils besonderen Fall noch nicht für ein ausgewogenes Urteil ausreichen können, habe ich ja selbst hingewiesen. Aber daraus, dass jedes einzelne dieser Symptome für sich genommen möglicherweise nicht ausreicht, folgt nicht, dass sie in der Summe nicht doch einen guten Fingerzeig geben können, ob ein Text glaubwürdig oder nicht glaubwürdig ist.

Wer einer Falschmeldung aufsitzt und sie auch noch verbreitet, aber sich nicht die Mühe gemacht hat, zu prüfen, ob eine gewisse Plausibilität und eine gewisse Seriosität vorliegt, handelt fahrlässig. Würden mehr Leute sich die Mühe machen, das was sie lesen nach obigen Kriterien zu prüfen, dann würden sich Falschmeldungen nicht so rasend schnell verbreiten und die Zahl der hoax' würde sicherlich sinken.




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Stefanie hat geschrieben :
Do 8. Mär 2018, 20:45
Wieso darf der Journalist im Zweifel seine Quellen nicht angeben? Welche Fälle sind gemeint?
Nehmen wir noch mal den Film "die Verlegerin" als Beispiel. Mit den sogenannten Pentagon-Papieren waren einige Zeitungen seinerzeit an brisantes Material gelangt. Auf diese Quelle haben sie sich gestürzt, wer ihnen diese zugänglich gemacht hat, wurde jedoch nicht veröffentlicht. Sie haben also nicht einfach gar keine Quelle angegeben, sondern sozusagen nur nicht die Quelle der Quelle :)




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Fr 9. Mär 2018, 08:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 05:44
Es geht in meinem Beitrag oben darum, dass es nach meiner Einschätzung viele verschiedene (unterschiedlich wichtige) Symptome, Anzeichen, Kriterien gibt, deren Vorhandensein oder Fehlen in in der Summe dazu führen kann, dass ein Beitrag eher fragwürdig oder eher glaubwürdig erscheint. Es geht also um die Summe und den daraus entstehenden Gesamteindruck für jeden einzelnen, besonderen Fall.

Darauf, dass einzelne dieser Kriterien im jeweils besonderen Fall noch nicht für ein ausgewogenes Urteil ausreichen können, habe ich ja selbst hingewiesen. Aber daraus, dass jedes einzelne dieser Symptome für sich genommen möglicherweise nicht ausreicht, folgt nicht, dass sie in der Summe nicht doch einen guten Fingerzeig geben können, ob ein Text glaubwürdig oder nicht glaubwürdig ist.
Man weiß halt nur nicht wann.
Es bleibt immer das diffuse Finger in den Wind halten und der salomonische Urteilsspruch den man am Ende des Tages mit sich selbst ausmacht. Nach Abwägung aller Komponenten glaube oder behaupte ist, dass x. So macht es jeder, aber nicht jeder kommt zum gleichen Urteil.

In Deiner Welt ist es tendenziell so, dass es Hexen gibt, aber keine größeren Probleme mit Datenverkäufen durch Datenkraken (mindestens schien es bis vor kurzem noch so), in meiner Welt gibt es tendenziell keine Hexen, aber Probleme mit Datenkraken.
Nun kann man spekuieren, wer den sensibleren Finger hat, aber das ist so eitel wie unergiebig.

Also schauen wir doch lieber auf die einzelnen Elemente, aus denen wir unser Urteil zusammenwerfen und dem gilt dieser Thread. Machen wir es halt etwas genauer, kann ja unter Philosophen nicht so schmerzhaft sein.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 05:44
Wer einer Falschmeldung aufsitzt und sie auch noch verbreitet, aber sich nicht die Mühe gemacht hat, zu prüfen, ob eine gewisse Plausibilität und eine gewisse Seriosität vorliegt, handelt fahrlässig. Würden mehr Leute sich die Mühe machen, das was sie lesen nach obigen Kriterien zu prüfen, dann würden sich Falschmeldungen nicht so rasend schnell verbreiten und die Zahl der hoax' würde sicherlich sinken.
Nun tun sie das aber und der Trend geht immer mehr in die Richtung, dass das zunimmt und das macht niemanden froh, hat aber Gründe.

Einer der Gründe sind die immer abgedichteteren Echokammern. Genau das ist der harte Trend im Internet, spiel den Leuten auf ihr mobiles Endgerät, was zu ihrem Weltbild passt. Sie wollen und sollen sich bestätigt fühlen und ein wenig in Wallung geraten. In Wallung geraten, weil das ihre Interaktionsbereitschaft erhöht und das heißt, die Kraken können neue, aktuelle Daten sammeln.

Der Punkt ist nicht die gezielte Werbung, sondern, dass von Suchanfragen bei der Suchmaschine der Wahl bis zu den Vorschlägen und Nachrichten, die man eingespielt bekommt, alles maßgeschneidert für den eigenen Kosmos ist. Der Horizont verengt sich so immer mehr, langsam und durchaus mit positiven Effekten, wenn der mit Katzenhaarallergie nicht mit Werbung für Mietzi zugeballert wird, aber man köchelt eben auch täglich mehr in der eigenen Suppe. Und ist das nicht genau das, was man klassisch doof sein nennt? Natürlich kommen noch andere Effekte dazu, ein Wegfall des Ödipuskomplexes aka Wegbrechen stabiler Wertesysteme und sicher auch neoliberale Zumutungen, aber das gehört in andere Threads. Zu erwarten ist freilich, dass sich einige dieser Faktoren bedingen, die Systeme sind eben nicht so getrennt, wie Luhmann bisweilen vermutete.

Die Komponenten die wir hier betrachten wollen sind Seriositätskriterien in der Version Schein und Sein, in der Wissenschaft, dem woran unsere Gesellschaft bevorzugt glaubt. In der Philosophie, die kann uns nämlich in Orientierungsfragen in vielem helfen. Im Journalismus, denn der Einfluss der Massenmedien ist immens. In der Onlinewelt der Social Media, in der wieder andere Regeln gelten und bei der Fraktion der Hater werden Texte nicht nur nicht gründlich gelesen, sondern, nochmal, in über 90% der Fälle gar nicht. Bild und Überschrift, zack, geteilt. Und wenn es auch die anderen in Wallung bringt, weil irgendwer Merkel als IS Aktivistin enttarnt hat, wird das geteilt. Nichts ist doof genug, um nicht geteilt zu werden.

Auf die Seriosität und Qualität von Büchern sollten wir auch schauen, denn Autoren, die z.B. im Bereich der Mafia recherchieren, sind dazu übergegangen, um zermürbende Prozesse zu vermeiden, die Strukturen in Romanform darzustellen, hochseriös und zugleich fiktional, Tatsachenroman heißt sowas. Gut ist auch mal einen Blick auf bestimmte Abwehrmechanismen und Automatismen zu werfen, wie z.B. die Assoziationen die losgetreten werden wenn ein Buch den Stempel "populärwissenschaftlich" bekommt. Das lass ich mal so schwingen.

Insofern müssen wir den Blick auf die Angebotsseite richten, wie eben oberflächlich dargestellt, aber auch auf den Rezipienten und seine Gewohnheiten.
Und es ist nicht so, dass die einen in Bubbles, Blasen, Echokammern leben, wir Philosophen, weil wir uns erhaben fühlen, aber nicht, nein, wir fahren genauso mit dem Schlafwagen, wenn wir nicht aufpassen.

Mein letztes, längeres Schreiben wollte den Automatismus, steht in der ZEIT und ist verlinkt auf Nature, mehr geht nicht, etwas zu hinterfragen. Aber eben nicht einfach nur verschwörungsteoretisch, sondern mal hübsch belegt durch Quellen und so mache ich das dann mal weiter.

Dann gibt es noch ganz finstere Ecken der Welt, in der das süffisante Auflisten von diesen oder jenen Schrecklichkeiten mit dem "Hab ich's nicht immer gesagt?" Gestus nicht mal mehr eine Aufwärmübung ist und selbst der in der letzten Antwort, dem FAZ Artikel, verlinkte Hater schrecklich old school ist. Muss man nicht näher untersuchen, aber wissen.

Das Bildungsniveau ist nicht mehr allein der Faktor auf den man achten muss, es ist auch eine rradikale Unterschätzung der Neurechten, ihnen pauschal Dummheit zu unterstellen. Jakob Augstein meinte pointiert, die Rechten läsen keine Bücher, sie würden sie nur verbrennen. Schönes Konstrukt, aber falsch, es gibt da längst neue Rechtsintellektuelle und neumedienmäßig sind die besser aufgestellt und viel vernetzer, als diese beleidigten Einzelgänger, denen ein Zacken aus der phantasierten Krone bricht, weil man ihrem entsetzlich dummen Niveaugeschwafel nicht mehr zuhört.

Danach kann man wieder in sein Dachstube krabbeln und sich mit seinen Folianten ins Bett legen, wie der arme Poet. Ich würde das so machen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Fr 9. Mär 2018, 08:39

Also schauen wir doch lieber auf die einzelnen Elemente
Das ist nach meiner Ansicht der falsche Weg, wie oben schon erläutert. Meines Erachtens führt an den Kriterien im Zusammenspiel, die ich aufgeführt habe kein Weg vorbei. Ich sehe auch nicht, welche Einwände du dagegen hast (die sich auf die Methode und nicht auf einzelne Aspekte beziehen). Ebenso wenig sehe ich (d)eine Alternative.

Vermutlich fragen wir auch nach verschiedenen Sachen. Ich frage nach Glaubwürdigkeit. Du vielleicht nach Wahrheit, genau kann ich es nicht erkennen. Die Frage, wie man Wahrheit erkennen kann, halte ich in einer allgemeinen Form ohnehin für abwegig, da es schlicht und ergreifend keine allgemeinen Wahrheitskriterien gibt. Die Kriterien für Seriosität und Glaubwürdigkeit, die ich weiter oben vorgeschlagen habe, sind hingegen recht solide und gut brauchbar, meine ich.




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Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 08:32
In Deiner Welt ist es tendenziell so, dass es Hexen gibt, aber keine größeren Probleme mit Datenverkäufen durch Datenkraken
Das ist eine komplett falsche Darstellung meiner Positionen.




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Fr 9. Mär 2018, 09:37

Wenn Du erlaubst, würde ich aber trotzdem lieber beim Thema bleiben.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Fr 9. Mär 2018, 09:42

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 09:37
Wenn Du erlaubst, würde ich aber trotzdem lieber beim Thema bleiben.
Klaro. Du du aber in der jüngeren Vergangenheit an verschiedenen Stellen meine Ansichten vollständig falsch wiedergegeben hast, dachte ich, es könnte nicht verkehrt sein, zumindest einmal darauf zu reagieren :-)




Tosa Inu
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 08:39
Das ist nach meiner Ansicht der falsche Weg, wie oben schon erläutert. Meines Erachtens führt an den Kriterien im Zusammenspiel, die ich aufgeführt habe kein Weg vorbei.
Beides, Analyse & Synthese, schließen sich nicht notwendig aus.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 08:39
Ich sehe auch nicht, welche Einwände du dagegen hast (die sich auf die Methode und nicht auf einzelne Aspekte beziehen). Ebenso wenig sehe ich (d)eine Alternative.
Jörn, wird sind am Anfang des Threads.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 08:39
Vermutlich fragen wir auch nach verschiedenen Sachen. Ich frage nach Glaubwürdigkeit. Du vielleicht nach Wahrheit, genau kann ich es nicht erkennen.
Steht in der Überschrift.
Natürlich sind Glaubwürdigkeit und Wahrheit zwei Faktoren, die einander bedingen. Wenigstens zum Teil und je weiter man hierarchisch nach oben krabbelt.
In den Niederungen der Verschwörungstheorien ist es eher so, dass die Erwartungen befeuert werden müssen und wie derjenige, der Lust hat da mal raus zu kommen, das machen kann und worauf er achten könnte, wenn er wollte, darum geht es.

Wer keine Lust hat, den interessiert all das sowieso nicht und es ist ganz gut zu verstehen, was solche Verschwörungstheorien eigentlich interessant macht.
Du findest wasserdicht geschlossene Weltsichten auch bei intelligenten Menschen, prädestiniert dafür sind z.B. Szientisten. Die Klugen erkennen meistens, irgendwann, was da gespielt wird, aber die geschlossene Weltsicht organisierten Atheisten ist so eine Sache für sich.
Ich komme auch darauf zurück, wobei stets verwirrende Reste bleiben. Ich habe hochintelligente Menschen kennengelernt, die ein ziemlich fundamentaistisches Weltbild hatten.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 08:39
Die Frage, wie man Wahrheit erkennen kann, halte ich in einer allgemeinen Form ohnehin für abwegig, da es schlicht und ergreifend keine allgemeinen Wahrheitskriterien gibt. Die Kriterien für Seriosität und Glaubwürdigkeit, die ich weiter oben vorgeschlagen habe, sind hingegen recht solide und gut brauchbar, meine ich.
Frag mich doch mal, und nicht Dich selbst, ob ich auf Wahrheit abziele - oder lies, was ich dazu schon hier geschrieben habe - bevor Du Deine These über mich im nächsten Schritt selbst aufgreifst und irgendwann glaubst, das wäre meine These.
Nein, ich rede nicht von Wahrheit, wobei die natürlich nicht gänzlich von Qualität und Seriosität zu trennen ist.
Glaubwürdigkeit ist immer mit der Frage nach der Glaubwürdigkeit für wen verbunden.
Das Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen ist schon ein reales Spiel, aber es geht fließend in das des Gebens und Nehmens von Vorurteilen über.
Und das ist eine Frage des Persönlichkeitsentwicklung, da spielt die Intelligenz eine Rolle, aber nicht die einzige.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Fr 9. Mär 2018, 12:02

Quelle dieses Beitrags, sofern nicht anders angegeben:

Faked Science: Manipulation und Betrug in der Wissenschaft
WDR 5 Dok 5 - Das Feature | 16.07.2017 | 53:01 Min.
Ein Feature von Gabriele Knetsch , Redaktion: Dorothea Runge , Produktion: BR/SWR/WDR 2017- www.wdr.de/k/feature

Bitte anhören: 4:00, ungefähr eine Minute lang.

Dann: 15:15 – 18:20

Brian Nosek hat 100 wissenschaftliche Studien im Bereich Sozialpsychologie wiederholt, nur 36 waren reproduzierbar. (17:05)
Aber auch in der Krebsforschung sieht es nach ersten Eindrücken nicht anders aus.

In der NZZ finden wir dazu (aber über andere(!) Reproduktionen) einen Artikel, in dem folgendes steht:
„Gilbert und Kollegen kritisieren, dass die Replikationsstudien häufig unter ganz anderen Bedingungen durchgeführt wurden als die Originalstudien. Zum Beispiel bat man in einer Studie Israeli, sich die Konsequenzen des Militärdiensts vorzustellen. Wiederholt wurde dies, indem man Amerikaner bat, sich die Konsequenzen der Flitterwochen vorzustellen. Bei so unterschiedlichen Randbedingungen müsse man mit einer hohen Fehlerrate rechnen und diese bei der Interpretation berücksichtigen, schreiben die Autoren. In ihrem Versuch, die Auswertung der Replikationsstudie zu «korrigieren», versteigen sich Gilbert und Kollegen aber in eine Argumentationsweise, die laut Experten von wenig Sachkenntnissen in der Statistik zeugt. Auf Twitter machten sich Wissenschafter , schon bevor das Embargo des Kommentars gefallen war, über die rudimentären Statistikkenntnisse der Harvardprofessoren lustig.“
https://www.nzz.ch/wissenschaft/medizin ... 1.18705727
Aber, sind nicht diese Metastudien, genau jene, denen wir sonst so vertrauen?
Nun ist das alles nicht mehr als ... ein guter Witz?

Später im Artikel:
„Die Aussagekraft der OSC-Studie scheint demnach gering zu sein. Was aber nicht heisst, dass die Psychologie kein Replikationsproblem hat. Damit steht sie allerdings nicht allein da, das sieht bei anderen Geisteswissenschaften, aber auch bei der Biologie und der Medizin nicht anders aus. Selbst mehrfache, sorgfältig durchgeführte Versuche, Studien zu wiederholen, scheitern oft. Gründe dafür gibt es viele. Häufig genannt wird, dass die Anreize, positive Resultate zu publizieren, grösser sind und damit Wissenschafter alles probieren, etwas zu sehen, was womöglich gar nicht da ist.“
https://www.nzz.ch/wissenschaft/medizin ... 1.18705727
Worin besteht noch mal der große und prinzipielle Vorteil der Wissenschaft? Im Experiment, das zu den immer gleichen Ergebnissen kommt, so hört man. Hier wird alles was die Wissenschaft ausmacht, mal eben nonchalant kassiert.

Zurück zum Feature:
Diederik Stapel, der Wissenschaftsbetrüger, der im Feature ein zentrale Rolle spielt, hat 54 wissenschaftliche Studien zurückgezogen, weil er sie gefälscht hat, brachte es zuvor aber bis in die renommierte in Science , (dem anderen Flagschiff neben Nature) durch alle wissenschaftlichen Selbstkontrollen. (19:00)

Dünne Datenlage zu Fälschungen in der Wissenschaft: 2% der Forscher einer Befragung geben an, Daten schon einmal gefälscht zu haben, ein Drittel, sie geschönt zu haben. (21:40)

Eine Überprüfung von 20.000 wissenschaftlichen Artikeln zwischen 1995 – 2014 ergab: 4% gefälschte Bildpublikationen, mit einem deutlichen Anstieg seit 2003 (22:00)

Stanford Prof meint 80% der präklinischen Studien seien „Müll“. (22:15)
85% der Forschungsgelder würden für nicht ausreichende Studien ausgegeben.
In Deutschland wird nach wissenschaftlichem Fehlverhalten nicht gesucht.

In dem Feature kommt auch der Wissenschaftsjournalist Rolf Degen zu Wort und es ist hochinteressant, mal die Wikipedia-Seite von Degen aufzurufen, interessant deshalb, weil es nette Einblicke in die Neutralität von Wikipedia bietet:

Dort finden wir unter Leben:
„In seiner Schulzeit begegnete Degen schon als 10-Jähriger seinem späteren Mitautor Akif Pirinçci, dem er seit dieser Zeit freundschaftlich sehr eng verbunden ist. Nach dem Abitur studierte er in Mainz Psychologie, Publizistik und Soziologie. Schon während seines Studiums startete er Ende der 1970er Jahre seine Tätigkeit als freiberuflicher Wissenschaftsjournalist.
Degen lebt seit vielen Jahren in Bonn.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Dege ... ournalist)
Das ist der Kompletttext seines Lebens. Da fragt man sich doch zu welchem Zweck wohl die Freundschaft mit dem netten Katzenbuchautor so prominent erwähnt wird. Weil das eine neutrale Information ist? Weil Wiki was gegen vermeintlich „Rechte“ hat? Weil Wiki was gegen Wissenschaftskritik hat? Weil der assoziative Zusammenhang zwischen Wissenschaftskritik und hat irgendwas mit Rechts und/oder Verschwörungstheorien zu tun so ein bewährtes Mittel oder auch nur häufiger zu findendes Kennzeichen in der Wikipedia ist? Wer jetzt denkt, das sei doch selbst etwas verschwörungstheoretisch, nun ja genau darum drehen sich die Edit-Wars.

Jo, denkt man da, wenn man den Telepolis Text gelesen hat, is klar, bestimmte Themen sind eben kontrovers und da meint der eine das, der andere eben das, aber man täte dem Thema vollkommen unrecht, wollte man es so tief hängen, tatsächlich hat es eine weitaus brisantere Dynamik, es sind buchstäblich schon ganze Filme darüber gedreht worden. Doch dazu später, denn das hat das Potential zu einem ganzen Unterkapitel.

Wieder zum Feature:
Jener Rolf Degen meint, dass 70% aller Wissenschaftler Daten frisieren, also weglassen, was der eigenen These widerspricht. (25:35)

Im Anschluss zu hören, weitere Tricks in der Wissenschaft: renommierte Ko-Autoren für eigene Studien stehlen und so tun, als seien diese an der eigenen Studie beteiligt. Zitierkartelle von Wissenschaftlern, die sich wechselseitig zitieren, um ihre Impact-Faktoren hochzutreiben. Erfundene Gutachten und Autoren.
Führend aber ist ist die Fälschung per Bildbearbeitung, z.B. in der Biomedizin.

Da in Deutschland über Betrug in der Wisssenschaft nicht geforscht wird, haben die Autoren des Features 281 Unis/Ombutsleute angeschrieben. Ab 30:30 selbst hören.

Resümee der Autorin: „Die Wissenschaft kontrolliert sich selbst, wenn sie sich kontrolliert“

Unbedingt zu erwähnen ist in dem Kontext auch ein anderes preisgekröntes Feature von Florian Felix Weyh, mit dem Titel:
Der eine macht, der andere wacht - Peer Review als Qualitätssicherungsverfahren in der Wissenschaft

Das Feature liegt in gedruckter Form vor, ist aber per Copyright geschützt, ich kann daraus also nicht zitieren, aber ich habe es verlinkt, so dass es jeder selbst lesen kann.



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Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 9. Mär 2018, 12:02
Faked Science
@Tosa Inu

Du hast die Fragestellung ist sehr, sehr weit gefasst. Von Fake-News bis Faked Science. Fraglos gibt es hier Berührungspunkte. Ich hab mir dennoch erlaubt (in der Hoffnung auf mehr Engführung) einen Aspekt des Themas in einen anderen Bereich des Forums zu entführen. Zu den Fake-News hab ich ein eigenes Thema eröffnet.




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Kann man machen, warum auch nicht und ggf. die Threads nachher wieder zusammenführen, oder Ergebnisse des einen in den anderen kopieren.
Breit gefasst habe ich es bewusst, weil ich meine, dass man eben höllisch aufpassen muss, wenn es darum geht, kurz zu schließen und z.B. zu sagen, X sei Experte auf dem Gebiet, oder wenn hinter eine Medlung meinetwegen aus der Qualitätspresse eine Studie aus einem renommierter Journal steht, darum habe ich Karen Dente (auf Zeit online) verlinkt, die uns hier aufklärt.

Aus dieser Sicht ist das also eng verbunden, aus einer anderen Perspektive ist es aber m.E. berechtigt, die Themen getrennt zu behandeln, da die Modi dessen, wen was interessiert mitunter dramatsich verschieden sind, einmal auf Seiten der Produzenten: Hetzer, Hater und manchmal Social Bots und dann auf Seiten der Konsumenten, die zuweilen in anspruchsvollster Weise, manchmal aber auch in denkbar plattester Weise ihr Weltbild bestätigt haben wollen, das sind dann vor allem die Fake News, die wir aus den Social Media kennen und die gar nicht den Anspruch haben zu argumentieren oder zu überzeugen, die in Kreisen von Usern kuriseren, die seltrn mehr als die Überschrift lesen.

Ich widme mich als nächstem nach dem bewussten Betrug in der Wissenschaft, dem nicht bewussten oder gewollten, der auch eine große Rolle spielt.

Danach gehe ich zu Büchern oder Journalismus über. Am Ende dann zu den Social Media, wenn Dein Thread gelingt, kann ich da im besten Fall die Filetstücke rasuschneiden. ;)



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Sa 10. Mär 2018, 12:03

Zum Thema Betrug in den Wissenschaften habe ich Literatur. Leider hab ich das Buch heute morgen nicht gefunden!




Tosa Inu
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Sa 10. Mär 2018, 13:59

Ungewollte Fehler der Wissenschaft

Der bewusste Betrug in der Wissenschaft ist vermutlich deutlich höher als man annimmt und vor allem, als man glauben möchte. Das Bild der vereinzelten schwarzen Schafe in einem an sich hellen bis blütenweißen System, das sich selbst, im Namen eigener Ideale, so erstklassig kontrolliert, wie sonst nichts und niemand ist zwar im hohen Maße schon vom Konstrukt her unglaubwürdig, doch da wir in einer wissenschaftsgläubigen Zeit leben, wollen viele das einfach nicht wissen und ignorieren entsprechende Meldungen dann auch hartnäckig, dass dieser Betrug erheblich weitere Kreise zieht, als man glauben will. Es erschüttert die Grundfesten unserer Überzeugungen und das ist kein gutes Gefühl.

Damit will ich dieses Kapitel abschließen und ein neues öffnen, das die unwissentlichen Fehlleistungen der Wissenschaft behandelt.
Der größte Kreis den man hier ziehen kann, ziehe ich nicht, weil er Kern eigener Diskussionen ist, die längst nicht abgeschlossen sind. Er betrifft die Frage, ob der Naturalismus, die philosophische Idee hinter der Wissenschaft (auch wenn es etliche Wissenschaftler gibt, die der Meinung sind, hinter ihrer Idee stünde überhaupt kein Weltbild und Philosophie eher für mehr oder minder nette Ideen, bishin zu belanglosem Gelaber halte und meinen, auf die empirischen hard facts käme es an) überhaupt noch zeitgemäß ist und man darf mindestens sagen, dass der Naturalismus einige harte Schläge kassieren musste.

Der kleinere Kreis sind Irrtümer innerhalb des Systems, die allenfalls ignorant sind aber oft nicht einmal das. Es sind zu viele, um sie alle aufzuzählen, aber die beste Quelle, die se alle aufzählt, ohne ins Ideologische zu verfallen, ist Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahneman, ein gleichermaßen dickes, wie dichtes Buch (600 Seiten) des Kognitionspsychologen und Nobelpreisträgers für Wirtschaftswissenschaften. Auch dort hat er geforscht, aber den Nobelpreis seiner Einschätzung nach einfach deshalb dort bekommen, weil es schlicht keinen für Psychologie gibt.

Ich kann das Buch nicht auf ein paar Sätze eindampfen, man täte ihm auch unrecht damit. Es ist pickepacke voll mit Phänomenen aus der Forschung der Kognitionspsychologen, ein oft grausam langweliges Gebiet, aber Kahneman hat den Vorteil auch noch schreiben zu können. Für mich war es besonders inspirierend, nicht weil Kahneman alle meine Vorurteile bestätigte, sondern, im Gegenteil, weil er psychologisch eher vom anderen Ufer kommt, als ich. Ich bin also eher mit leiser Skepsis an das Buch gegangen, die sich noch vergrößerte, als er über Statistik, Algorithmen und den ganzen Kram schriebt, von dem ich immer dachte, dass er in der Psychologie (mindestens aber Psychotherapie) wenig zu suchen hat. Nun, Kahneman hat mich nicht nur in diesem Punkt kuriert. Er lässt überzeugend der Idee des Homo Oeconomicus die Luft raus (an den habe ich tatsächlich nie geglaubt), schreibt über Priming, Anker und Vieles von dem, wo andere ganze Bücher drüber schreiben, hat Kahneman in einem Kapitel abgehandelt. Für das Thema der Studien in der Wissenschaft ist vor allem das Thema der Regressionen zur Mitte interessant. Mit Regressionen sind hier keine psychischen gemeint, sondern statistische, das ist also so sexy, wie ein dicker alter Mann, in Feinripp-Unterwäsche.

Aber doch hochinteressant, mit ein paar fürs Thema wichtigen Konsequenzen, denn kurz und knapp runtergebrochen heißt das, dass man kleine Studien, egal wie sie ausfallen in der Pfeife rauchen kann. Und zwar alle und egal auf welchem Gebiet. Konkret heißt das: Wenn sich bei einer Therapiemethode, ob für Psyche oder Körper, aber auch bei einer Umfrage oder whatever bei einer Gruppe von 19 Versuchspersonen extrem erfreuliche Ergebnisse zeigen, so heißt das … nichts. Überhaupt nichts. Oder wenn schon, dass sogar die Tendenz groß ist, dass bei der nächsten Gruppe mit 19 Versuchspersonen die Ergebnisse nicht nur nicht bestätigt werden, sondern sogar ins Gegenteil kippen können. Es ist wahrscheinlich, dass sich erste sensationelle Erfolge in einer kleinen Gruppe nicht wiederholen lassen. Übrigens sagen auch erste Misserfolge bei einer Studie mit 43 Personen überhaupt nichts aus, außer, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der nächsten Studie besser wird. Kleine Studie kann man allesamt in der Pfeife rauchen. Das hört man insofern nicht gern, weil man als junger Wissenschaftler nicht immer (oder eigentlich nie) die Möglichkeit hat 1.500 Leute zu interviewen oder zu untersuchen und über sein 28 schon glücklich ist. Nur, sagt das eben nichts aus und der allgemeine Trend ist der, dass sich in einer Vielzahl gleicher Studien immer ein Trend der Regression zur Mitte abzeichnet, d.h. 8 kleine Studien sind aussagekräftiger, aber besser und streng genommen überhaupt erst aussagefähig sind Studien im Bereich von 1000 oder lieber 10.000 Menschen.

Das weiß man und ist der Grund für Metastudien und -analyse, aber selbst bei 90% Heilungen beim neuen Krebsmittel XY, in einer tollen ehrlichen Studie, von respektablen Forschern mit 28 Teilnehmern, muss man seriöserweise sagen, dass das überhaupt nichts besagt, außer, dass die nächsten Tests vermutlich deutlich schlechter ausfallen werden.

Das Buch von Kahneman ist ausgesprochen lesenswert, aber besonders diesen Punkt wolle ich im Zusammenhang mit dem Thema Seriosität und Qualität, hier in der Wissenschaft, erwähnen, womit das Kapitel Wissenschaft in diesem Kontext für mich hier abgeschlossen sind, Ergänzungen und Kritik sind natürlich immer gerne gelesen.

Nicht ohne zu erwähnen, dass es mir hier nicht um ein Wissenschafts-Bashing geht. Ich habe gerade wieder in letzter Zeit auch die andere Seite der Wissenschaft erlebt, honorige und im besten Falle selbstkritische Forscher, es tut sich was und das ist auch gut, richtig und wichtig so. Wer dies liest und alles wieder vergisst, sollte, wenn er sich für Seriosität und Qualität in der Wissenschaft interessiert, nicht für tonnenweise statistische Tools, Graphiken oder Bilder (am schlimmsten aus dem Hirn) interessieren, sondern nur diesen einen Punkt behalten: Wie viele Teilnehmer hatte die Studie?



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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