Filter

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
Michael7Nigl
Beiträge: 186
Registriert: Mi 3. Jan 2024, 00:49

Mo 15. Jan 2024, 20:59

Quk hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2024, 20:36
Ich denke, im Leben ist es nicht immer das wichtigste, einen Apfel als einen Apfel zu erkennen, sondern ob mein Mitmensch und ich, wir beide, in diesem Ding dort einen essbaren Apfel sehen. Der Apfel mag in Wahrheit eine Birne sein, aber diese Täuschung ist gar nicht so wichtig.

Zweitens: Dass wir beide in diesem Ding dort einen essbaren Apfel sehen, passiert vielleicht nicht immer, aber meistens. "Meistens" ist eine ziemlich brauchbare Größe in den Wahrscheinlichkeiten des Lebens. Also warum müssen die Skeptiker dermaßen übertreiben?
Was wichtig ist, scheint mir eine Frage der Perspektive zu sein. Ein nach Wahrheit strebender Philosoph, der sich mit existenziellen Fragen beschäftigt, hat möglicherweise andere Interessen als mehr im Alltag verhaftete Menschen.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1885
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Mo 15. Jan 2024, 21:09

Das ist wohl wahr. Ich zähle mich selbst auch zu jenen, die die Wahrheit sehr lieben. Zur Wahrheit gehört meiner Ansicht nach aber nicht nur das Streben nach der Wahrheit, sondern auch die Untersuchung ihres Nutzens im Alltag. Ich meine, Philosophie wird erst richtig spannend, wenn sie Angelegenheiten verbindet, zum Beispiel die Metaphysik mit dem Alltagsleben.




Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Mo 15. Jan 2024, 22:26

Das ist eine neurologische Frage, ob es einen Filter zwischen uns und der Umwelt gibt.
Aber zuerst etwas anderes. Ein Astronom wird "mehr" sehen als wir, wenn er in den nächtlichen Sternenhimmel guckt. Ein Biologe wahrscheinlich einen Baum etwas anders wahrnehmen oder einen Käfer als jemand, der keine Ahnung von Bäumen und Käfern hat. Gewisse Details eines materiellen Gegenstands (Baums) kann man einfach fast nicht erkennen, wenn man darüber nicht Bescheid weiss.
Aber zurück zum Filter. Unsere Augen stellen ja das Bild zuerst auf den Kopf, dann wird es wieder umgedreht im Gehirn. Die Ohren nehmen die Lautstärke logarithmisch und nicht proportional wahr, wenn es mir recht ist. Und sowieso sind die Sinnesorgane nicht bei allen Menschen genau gleich. Also schon da muss es unterschiede geben in der Wahrnehmung von Mensch zu Mensch.
Nehmen wir das Glockengeläute einer nahen Kirche. Mich nervt das manchmal. Einmal war ein Kollege dabei, der meinte, das sei so schön. Mich hat es genervt, wenn nicht sogar gestört. Also habe ich es so gut wie möglich ausgeblendet. Habe mich auf etwas anderes konzentriert.
Ich denke, neben einem allgemeinen Filter, der jeder Mensch hat, gibt es einen "Erfahrungsfilter". Letzterer hat man sich erarbeitet und er filtert Sachen heraus, die uns schlichtweg nicht interessieren. Aber die Daten aus der Umwelt nehmen wir wahrscheinlich immer alle wahr. Nur mehr (interessant) oder weniger (uninteressant).



Ohne Gehirn kein Geist!

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 16. Jan 2024, 09:40

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2024, 22:26
Das ist eine neurologische Frage, ob es einen Filter zwischen uns und der Umwelt gibt.
Angenommen, die Neurologen hätten herausgefunden, dass es einen Filter zwischen uns und der Umwelt gibt. Dann hätten sie zugleich herausgefunden, dass sie das, was sie herausgefunden zu haben glauben, nicht herausfinden können. Ein klarer Selbstwiderspruch. Das ist ja das Thema dieses Fadens. Manche Philosophen (wie z.B. Thomas Fuchs) folgern daraus - meines Erachtens zu Recht -, dass unsere Lebenswelt unhintergehbar ist, dass sie eben der "Ort" ist, an dem wir unser Wissen schöpfen, der sich nicht zugleich als illusorisch (oder wie immer man es formulieren will) erweisen kann.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1885
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 16. Jan 2024, 09:45

Klärungsfrage:

Angenommen, die Neurologen vermuten einen Filter zwischen uns und der Umwelt.

Die Vermutung lässt doch auch Irrtum zu. Beinhaltet diese Vermutung ebenfalls einen Widerspruch?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 16. Jan 2024, 10:02

Ist das Argument, dass die Lebenswelt unhintergehbar ist, damit in Gefahr?




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1885
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 16. Jan 2024, 10:05

Was meinst Du mit "unhintergehbar"?




Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Di 16. Jan 2024, 10:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 16. Jan 2024, 10:02
Ist das Argument, dass die Lebenswelt unhintergehbar ist, damit in Gefahr?
Was ist Lebenswelt? Was bedeutet unhintergehbar?

Wir können auch über unsere eigenen Gedanken nachdenken. Hintergehen wir uns dann? Wenn ich ein Handschuh anziehe. Dann ist ein Filter zwischen meiner Hand und der Umwelt. Ich kann doch feststellen, dass ich ein Handschuh anhabe? Und dass das der Grund ist, dass mein Tastsinn anders ist als sonst?



Ohne Gehirn kein Geist!

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 16. Jan 2024, 11:04

Die Lebenswelt ist, vereinfacht gesagt, unsere Alltagswelt. Sie ist der (vorwissenschaftliche) Raum, in dem wir als Menschen leben und der die Grundlage all unserer Erfahrungen und unseres Wissens bildet. Sie ist gleichsam der Boden, auf dem wir stehen, sie (und damit wir in ihr) ist das unhintergehbare Reale, das der Mensch bei all seinen Erkenntnisbemühungen immer schon voraussetzen muss. Damit sind auch Geist, Kultur, Subjekt und Leib unhintergehbar, denn ohne sie können wir nichts wissen. Diese Voraussetzung des Wissens kann durch kein Wissen unterlaufen werden, sie ist unhintergehbar, man kann sie nicht auf etwas anderes reduzieren.

Dazu habe ich ein perfekt passendes Video des Hirnforschers, Psychologen und Philosophen Thomas Fuchs gefunden, der uns hier in den letzten Tagen ständig begegnet :-) Er skizziert darin den Begriff der Lebenswelt (in dem u.a. der Begriff Leben enthalten ist) und auch das Argument, das ich oben vorgebracht habe.





Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1885
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 16. Jan 2024, 12:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 16. Jan 2024, 10:02
Ist das Argument, dass die Lebenswelt unhintergehbar ist, damit in Gefahr?
Wahrscheinlich nicht.

Ich wollte nur nachfragen, ob der Selbstwiderspruch beim "Filter-Entdecken" ein gutes Argument ist, wenn man stattdessen auch von "Filter-Vermuten" sprechen kann.

Für mich stellt sich die Frage der Hintergehbarkeit derzeit nicht, da ich die ganze Lebenswelt als Filtersubstanz sehe. In der Praxis unterscheide ich nicht zwischen Filter und Nichtfilter. Wenn ich einen fliegenden Elefanten sehe, ist der Teil meiner Lebenswelt, egal ob der Traumfilter heißt oder Kaffeefilter.

(Ich kann das Video nicht anhören. Die Musik nervt mich.)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 16. Jan 2024, 17:42

Michael7Nigl hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2024, 20:22
Wer macht das denn geltend? Meinst Du etwas wie die Veden?

Ausgangspunkt in der Philosophie ist m.E. eher, dass man nicht wissen kann, ob die Dinge so sind wie wir sie wahrnehmen.
Ich beziehe mich nicht auf eine bestimmte Position. Aber ich glaube, dass die Vorstellung, dass es Filter zwischen uns und der Wirklichkeit gibt, sehr verbreitet ist. Ich sage nicht, dass dies der Ausgangspunkt der Philosophie ist.




Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Di 16. Jan 2024, 18:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 16. Jan 2024, 11:04
Dazu habe ich ein perfekt passendes Video des Hirnforschers, Psychologen und Philosophen Thomas Fuchs gefunden, der uns hier in den letzten Tagen ständig begegnet :-) Er skizziert darin den Begriff der Lebenswelt (in dem u.a. der Begriff Leben enthalten ist) und auch das Argument, das ich oben vorgebracht habe.
Das Video zeigt sehr schön welches Puzzleteil uns noch fehlt. Wie ist Leben auf der Erde entstanden?
Und damit der Übergang von unbelebten Atomen/Molekülen zu einem Lebewesen? Ich sage ja. Da ist ein Bruch. Das Problem ist. Wir wissen nicht, was eigentlich Leben ausmacht.

Ich sehe diesen Widerspruch nicht, der angedeutet wird. Wir können einfach das erforschen, was wir erforschen können und dazu gehört der menschliche Körper ebenso wie alles andere.
Das hindert doch niemanden daran, den Menschen ganzheitlich zu betrachten. Und man könnte doch Leben einfach einmal definieren. Damit alle vom gleichen reden.



Ohne Gehirn kein Geist!

Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7320
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Di 16. Jan 2024, 19:47



Das ist das transcript des Videos. Ich habe mal so Programm getestet.
Sprecher 1 (00:00)
Alle wissenschaftlichen Reduktionen, die auch immer eine gewisse Berechtigung haben, weil sie einen Ausschnitt von Realität erfassen und ihn unter Absehung von, zum Beispiel von Subjektivität oder von Einfluss Prognosen des Kontextes versuchen, möglichst rein, möglichst sozusagen aus sich heraus zu betrachten, sozusagen aus sich heraus einen Ausschnitt auf wenige Prinzipien zurückzuführen. Soweit ist der Reduktionismus ja auch berechtigt und hat uns zu ungeheuren Fortschritten verholfen. Aber das Problem ist, dass diese Vorgehensweise der Wissenschaft immer beruht auf einem lebensweltlichen Vorverständnis. Was also ein Gehirn ist, darauf muss man sich erst mal verständigt haben. Was Neuronen sind, darauf muss man sich verständigt haben. Der Begriff macht überhaupt keinen Sinn und die Messungen, die damit vorgenommen werden, würden völlig in der Luft hängen, wenn wir nicht in einer gemeinsamen Lebenswelt an diese Prozesse und an diese Phänomene herangehen würden. Das heißt, die Wissenschaft ist eine Spezialtätigkeit, eine die Abstraktionen vornimmt aus einer ursprünglichen gemeinsamen Welt. Diese Lebenswelt, die die Welt unserer Unterhaltung ist, der Gegenstände, die wir vor uns sehen, die Welt von makroskopischen Lebewesen und nicht von Quarks und Quantenbits, das ist die Welt, die die Wissenschaft voraussetzt und die sie nun in immer detaillierterer Weise zu beschreiben, zu mathematisieren, zu strukturieren versucht, mit Modellen zu erfassen versucht, mit durchaus großem Erfolg.

Sprecher 1 (02:13)
Das Problem beginnt dann, wenn wir glauben, diese gemeinsame Lebenswelt sei letztlich nichts anderes mehr als die physikalisch beschreibbare Welt. In dieser physikalisch beschreibbaren Welt kommen wir aber gar nicht vor, nämlich wir als Erlebende, als führende, als einander wahrnehmende, miteinander sprechende Wesen. Das heißt, wir kämen in eine absurde Konstruktion, nämlich all das, was der Wissenschaft zugrunde liegt, vorausliegt und sie ermöglicht. Jeder Wissenschaftler muss sich mit anderen verständigen, muss die anderen wahrnehmen, muss ihnen mal auch ins Auge blicken. Also kurz und gut, jeder Wissenschaftler ist auf die Lebenswelt angewiesen. Und wenn wir das, was Wissenschaft ermöglicht, nun sozusagen vollständig durch die wissenschaftlichen Konstrukte erklären wollten, dann bekommen wir in einen Selbstwiderspruch. Die Lebenswelt, das, was wir voraussetzen, bleibt unreduzierbar. Wissenschaft beruht auf Lebenswelt. Sie ist immer nur in der Lage, bestimmte Ausschnitte immer besser als Abstraktionen zu erfassen, mit Modellen zu erfassen, aber sie kann niemals die Lebenswelt als Ganze sozusagen auf die Seite eines naturwissenschaftlichen Reduktionismus bringen. Darum muss man kämpfen. Darum muss man philosophisch theoretisch streiten, denn der Materialismus, der Szientismus, Ist eine starke Bewegung. Es hat eine ungeheure Macht in der Gesellschaft. Die beruht wiederum natürlich auf dem Erfolg der Naturwissenschaft. Aber dieser Erfolg liegt immer nur in bestimmten Teilprozessen Prozessen, Ausschnitten und entsprechenden technischen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben.

Sprecher 1 (04:06)
Niemals hat die Wissenschaft bisher es geschafft, Bewusstsein zu erklären und das wird auch naturwissenschaftlich nicht möglich sein – wäre meine Prognose. Wir haben in der Moderne begonnen, die ursprüngliche Einheit von Lebenskeit, die z. B. In aristotelischer Sicht durchaus Lebenskeit des Organismus, Wahrnehmung, Empfindung, Bewegung, aber auch Geistiges umfasst. Wir haben in der Moderne damit begonnen, diese Einheit von Lebenskeit aufzulösen, in Körperlichkeits und in Geistigkeit, also sie in einen Dualismus zu verwandeln. Dieser Dualismus spielt uns immer noch sozusagen eine Möglichkeit zu, nämlich die Bewusstsein dem Körper gegenüber zu stellen, also beide voneinander getrennt zu halten. Damit setzen wir uns immer noch auseinander seit Dekard. Und viele, gerade spiritualistische oder esoterische Vorstellungen von Leben oder Bewusstsein, gehen immer noch davon aus, es müsse doch über dem materiellen Prozessen noch eine Ebene geben von einer wie immer gearteten seelischen, astralen oder sozusagen eigenen dinglichen Entität, nämlich der Seele oder dem Seelischen. Wir sind da immer noch befangen in einem grundlegenden Dualismus, dass wir uns so etwas wie bewusstes Erleben nicht anders vorstellen können, als indem wir ihm eine eigene Substanz zuordnen, die dann nicht sichtbar ist, aber von der wir irgendwie ausgehen. Ich glaube, eine Auseinandersetzung mit dem Reduktionismus muss auf einer anderen Ebene stattfinden.


Sprecher 1 (06:12)
Und das ist die Ebene des lebendigen, die ich jetzt schon wieder heute angesprochen habe. Was uns seit der Moderne fehlt, ist ein genuiner Begriff des Lebens. Des Lebens als eines verkörperten, das heißt eines auch sichtbaren Prozesses, der aber nicht in einem technisch, mechanisch aufgefassen oder physikalistisch aufgefasstem Körper aufgeht. Das ist der Begriff, den wir brauchen, Geistiges, aber auch Körperliches wieder in eine Einheit in eine Einheit denken zu können. Eine Einheit, die aber dann natürlich auch unterschiedliche Aspekte haben muss, denn es ist ja nun mal so, dass wir an einem lebendigen Wesen, an einem Lebewesen nun auch materielle, stoffliche Prozesse feststellen können, in beliebiger Detailliertheit. Wir können ja in den Körper immer weiter hineingehen und da Prozesse feststellen, die man auch physikalisch beschreiben kann. Gleichzeitig ist aber dieses lebendige Wesen eben ein lebendiger Organismus, der empfindet, der wahrnimmt, der spürt, der fühlt. Und diese Vorgänge, diese Erlebnisvorgänge, werden sie bei immer weiterem detaillierten reinschauen in den Organismus, niemals mehr finden. Die sind eben Eigenschaften und Fähigkeiten eines gesamten Lebewesens. Jetzt haben sie also ein zwar durchaus stoffliches, also sichtbares, greifbares Wesen, eben das Lebewesen, das aber gleichzeitig einen ganz anderen Aspekt aufweist, der sich jetzt nicht irgendwo im Inneren auffinden lässt, sondern der sich dann findet, wenn dieses Wesen eben erlebt, wenn es mit Ihnen in Kontakt tritt, wenn Sie es wahrnehmen, reden, spüren, empfinden, schmerzempfinden sehen.


Sprecher 1 (08:08)
Wenn sie also sozusagen die Gesamtgestalt dieses Wesens ansehen, dann sehen Sie ja Bewusstsein. Bewusstsein ist nicht irgendwo drinnen. Auch wenn wir es erleben, ist es nicht im Gehirn, sondern es sind wir als lebendige Wesen, die dieses bewusste Erleben gleichzeitig haben. Also nicht eine eigene Substanz, nicht eine eigene Entität, die jetzt irgendwie Geist, Seele, Bewusstsein oder wie auch immer heißt und die irgendwo in einem nicht sichtbaren Ort zu finden sein müsste, sondern immer die Gesamtheit Teil der gesamte Organismus ist gleichzeitig ein stoffliches Wesen, aber auch ein lebendiges und das heißt ein erlebendes Wesen. Das ist immer noch etwas schwierig zu denken, aber wenn Sie es so ein bisschen versuchen, nachzuvollziehen, dann wird vielleicht deutlich, dass die Lösung nicht in einem neuen Dualismus liegen kann, der jetzt dann doch irgendwo nach der Seele sucht oder einem wie immer gearteten Geist oder einem eigenen Bewusstsein, sondern dass die Lösung eigentlich darin liegt, einen Begriff des Lebens wieder zu gewinnen, der eben nicht reduktionistisch ist und der in einem abgegriffenen Wort gesprochen eben ganzheitlich oder besser vielleicht ist, insofern, als es immer den gesamten Organismus dazu braucht, damit Erleben stattfinden kann.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1885
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Di 16. Jan 2024, 20:17

Danke für das Transkript. Das muss ich mal in Ruhe durchlesen.




Michael7Nigl
Beiträge: 186
Registriert: Mi 3. Jan 2024, 00:49

Di 16. Jan 2024, 22:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 16. Jan 2024, 17:42
Ich beziehe mich nicht auf eine bestimmte Position. Aber ich glaube, dass die Vorstellung, dass es Filter zwischen uns und der Wirklichkeit gibt, sehr verbreitet ist. Ich sage nicht, dass dies der Ausgangspunkt der Philosophie ist.
Philosophisch erinnert mich Dein Gedanke an das Projekt der Phänomenologie, in der man theoretische Vorannahmen über die Wirklichkeit außen vor lassen möchte.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 17. Jan 2024, 09:01

Michael7Nigl hat geschrieben :
Di 16. Jan 2024, 22:56
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 16. Jan 2024, 17:42
Ich beziehe mich nicht auf eine bestimmte Position. Aber ich glaube, dass die Vorstellung, dass es Filter zwischen uns und der Wirklichkeit gibt, sehr verbreitet ist. Ich sage nicht, dass dies der Ausgangspunkt der Philosophie ist.
Philosophisch erinnert mich Dein Gedanke an das Projekt der Phänomenologie, in der man theoretische Vorannahmen über die Wirklichkeit außen vor lassen möchte.
Es ist viel einfacher, mir geht es nur um den möglichen Widerspruch, von dem ich in der Einleitung gesprochen habe. Ein Beispiel:
Kleist hat geschrieben : Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urteilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken, sind grün - und nie würden sie entscheiden können, ob ihr Auge ihnen die Dinge zeigt, wie sie sind, oder ob es nicht etwas zu ihnen hinzutut, was nicht ihnen, sondern dem Auge gehört. So ist es mit dem Verstande. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint ...
Wir haben oben von einer rosaroten Brille gesprochen. Kleists Brille ist grün. (Diese Passage wird oft im Zusammenhang mit Kleists so genanntem Kantschock zitiert, zumindest erinnere ich mich so daran). Wenn sich jemand festlegt und sagt, wir haben immer so eine Brille (im metaphorischen Sinne) auf und können deshalb die Dinge nicht so erkennen, wie sie sind, dann tut er im selben Moment das, was angeblich nicht geht, er beansprucht, etwas so zu erkennen, wie es ist, nämlich unsere Erkenntnissituation.

Interessant und vielleicht vergleichbar für diesen Zusammenhang ist auch das folgende: Wolfgang Welsch: Zur geistigen Situation der Zeit – ein Weckruf




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1885
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Mi 17. Jan 2024, 09:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2024, 09:01
Wenn sich jemand festlegt und sagt, wir haben immer so eine Brille (im metaphorischen Sinne) auf und können deshalb die Dinge nicht so erkennen, wie sie sind, dann tut er im selben Moment das, was angeblich nicht geht, er beansprucht, etwas so zu erkennen, wie es ist, nämlich unsere Erkenntnissituation.
Ja, diesem Argument stimme ich zu.

Zur Lösung dieses Problems schlage ich folgende Sichtweise vor:
Der Mensch beschaut einen Schneemann durch eine grüne Brille. Sieht der Beschauer die Wahrheit? Ja. Vor ihm ist ein Stück grünes Glas, ein Stück durchsichtige Luft und ein Stück weißer Schnee. Dieses gesamte Gebilde vor dem Beschauer nenne ich beispielsweise ein Grüdurnee. Der Beschauer sieht die Wahrheit, nämlich ein Grüdurnee. Klingt lustig, meine ich aber ernst.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23565
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 17. Jan 2024, 12:28

Quk hat geschrieben :
Mi 17. Jan 2024, 09:18
Vor ihm ist ein Stück grünes Glas, ein Stück durchsichtige Luft und ein Stück weißer Schnee...
Mir ist nicht klar, warum diese Sicht nicht von demselben Problemen betroffen ist. Schließlich lieferst du doch eine ungefilterte Beschreibung der Filtersituation, oder?




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1885
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Mi 17. Jan 2024, 12:48

Nein, ich liefere immer eine gefilterte Beschreibung. Jede Beschreibung ist eine Filterbeschreibung; die Beschreibung impliziert sich auch selbst.

Beispielbeschreibung: Rot!

Rot. Was ist das? Ist das ein Filter oder ein Nichtfilter? Es ist egal. Es ist einfach rot. Selbstbeschreibend.




Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Mi 17. Jan 2024, 13:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Jun 2018, 13:25
Wenn man geltend macht, dass es zwischen uns und der Welt immer eine Art Filter gibt, welcher uns die klare Sicht auf das Sosein der Welt verstellt, begibt man sich da nicht in einen fundamentalen Selbstwiderspruch? Man muss schließlich ein bestimmtes Sosein der Welt konstatieren ("es gibt zwischen uns in der Welt einen Filter') um das sagen zu können.
Was ist die Welt? Was ist der Mensch ("uns")? Ist der Mensch ein Teil der Welt? Oder gehen wir von einem Dualismus Mensch-Welt aus? Oder ist Welt gleich Umwelt?
Eigentlich ist schon die Frage in sich widersprüchlich, die du oben formulierst. Der Widerspruch ist schon in der Frage enthalten.

Und vor allem müsste man sagen, von was für einem Filter wir sprechen. Und was wir unter einem Filter überhaupt verstehen wollen. Ein Filter filtert etwas heraus. Aber wie? Ein Sieb kann ein Filter sein.
Ich nehme an, du meinst es so, dass wir einen Menschen haben, der die materiellen Gegenstände in seiner Nähe wahrnimmt. Zum Beispiel einen dunkelbraunen Tisch aus Holz. Wenn er den Tisch sieht (mit seinen Augen), wird da wohl nicht viel herausgefiltert. Er sieht den Tisch in etwa so, wie er ist. Dunkelbraun, Holzstrukturen, eben, also flach, ein Tischbein in der Mitte, das bis zum Boden geht.

Aber noch einmal. Auf was willst du hinaus? Wie kommst du auf einen Filter? Es ist einfach zu wenig klar, von was du redest.



Ohne Gehirn kein Geist!

Antworten