Mit der Fibel lernt sich besser

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
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Schimmermatt
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Mo 17. Sep 2018, 19:19

Ich bin heute morgen über einen Artikel in der Presse (Spiegel Online) gestolpert, in dem eine Studie herausfand, dass Grundschüler mithilfe der altmodischen Fibel, in der vorgegeben nach dem Alphabet jeder Buchstabe "eingeschliffen" wird, am besten lernten und hinterher weit weniger Rechtschreibfehler machten als die andersmethodisch unterrichteten Vergleichspennäler. Die Methode erwies sich laut Studie den Konkurrenten "Schreiben nach Gehör" als mit riesigem Abstand und der Methode, den Schüler die Reihenfolge der Buchstaben nach eigenem Interesse anzuordnen noch in signifikantem Ausmaß überlegen.

Ich wunderte mich, dass das Leute so wundert. Hin und wieder meldet sich die Wirklichkeit und würfelt unsere lieb gewonnenen Elfenbeinturmweisheiten durcheinander.



"Manche Leute werden heutzutage langsam wahnsinnig. Ich schnell." C. Schlingensief

Tosa Inu
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Mo 17. Sep 2018, 20:40

Jou, ich hab's vorhin gehört und wundere mich auch nicht.

Ich halte ja nicht viel von Gerhard Roth (Hirnforscher), aber in einem Interview, wo er fast sympathisch war (aber nur fast), sagte er, dass, nach seinen Forschungen, 60% des Effekts eines guten Lehrers darauf zurück zu führen seien, dass der Lehrer von seinem Fach ehrlich begeistert ist. 30% mache die Zahl der Wiederholungen aus und da seien Mädchen einfach fleißiger als Jungs und den Rest machen dann Schulreformen, Stuhlkreise, Inklusion etc. aus. Klingt schön genug, um es auch glauben zu wollen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Mo 24. Sep 2018, 18:55

Studie, Spiegel-Online
Kinder lernen Rechtschreibung am besten mit der Fibel

Früja wa ales bässa? Zumindest beim Schreibenlernen scheint da etwas dran zu sein: In einer Studie schneidet die klassische Fibel am besten ab. Eine besonders umstrittene Methode fällt durch.

Bild

Lernen Kinder mit der Fibel Lesen und Schreiben, beherrschen sie die Rechtschreibung besser. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Bonn. Andere Ansätze, wie "Lesen durch Schreiben", schnitten weitaus schlechter ab.

"Die Studienergebnisse weisen klar darauf hin ...

Hier weiter lesen > Spiegel-Online




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Jörn Budesheim
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Mo 24. Sep 2018, 19:16

Schimmermatt hat geschrieben :
Mo 17. Sep 2018, 19:19
Elfenbeinturmweisheiten
Welche Elfenbein-Turm-Weisheiten schweben dir vor?

Die anderen Methoden, die nicht so gut abschneiden, folgen vielleicht der Devise, dass Drill für die Kinder nicht gut und Spiel, Kreativität und Eigenständigkeit einen wichtigen Teil des Lernens ausmachen sollten?

Ich habe eine vage Erinnerung daran, dass bei einem Vergleich zwischen uns und anderen Primaten heraus kam, dass eine unserer Stärken, die für den Wagenhebereffekt maßgeblich verantwortlich ist, die Fähigkeit ist, Dinge exakt zu imitieren und identisch nachzuahmen. zu großen Fortschritten geführt, aber auch zu Menschen, die es lieben in Reih und Glied beim Militär anzutreten. Ich glaube, ein Stein, der die Vor- und Nachteile in dieser Weise auf den Punkt gebracht hat.

An üben üben üben kommt man oft nicht vorbei, man sollte es jedoch auch so einrichten, dass am Ende mündige Bürger bei rauskommen :-)




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Schimmermatt
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Do 27. Sep 2018, 18:42

Ich meine damit konkret die Kompetenzorientierung und die heutige Neurodidaktik. Auch die Empfehlung von allgemein viel Gruppenarbeit ist so eine "Weisheit". Und nein: ich bin nicht für Drill und Gehorsam und kein "schwarzer Sheriff". Ich plädiere für eine konkret an der Lerngruppe ausgerichtete empirische Lehr-Lernforschung, nicht für Dogmatismus eines seine skeptischen Wurzeln missachtenden Konstruktivismus. Konkret heißt dies, dass, wenn ich nicht Schüler riskieren will, die frei an wesentlichen Kulturtechniken und absolut essenziell: Wissen, in inakzeptabel langer Zeit vorbei mäandern sollen, ich eine Struktur vorgeben muss. Die Gesellschaft weiß nämlich eventuell die Kreativität von manch Rechtschreibung nicht so zu schätzen, wie sicherlich wohlmeinende, aber deshalb noch nicht zwingend wohlschaffende, Pädagogen gern glauben. Und wenn eine Kompetenzorientierung etwa sich rühmen will, das Können in den Vordergrund zu stellen, so sollte sie es doch nicht durch ihre Grundzüge erst ermöglichen, dass dieses mittlerweile bei basischen Kulturtechniken versagt.



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Jörn Budesheim
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Do 27. Sep 2018, 19:00

Schimmermatt hat geschrieben :
Do 27. Sep 2018, 18:42
ich bin nicht für Drill
Das wollte ich natürlich auch nicht unterstellen!




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Schimmermatt
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Fr 28. Sep 2018, 18:54

Hab ich auch nicht so verstanden, kenne aber die Reflexe, die ich sonst bei anderen Menschen auslösen kann. Schrieb diesen Part eher pro forma :-)


Ich lasse aber zum Beispiel das "simple past" auch mit einer Methode, basierend auf des Schülers Nachmachen, kleinschrittig selbstständiger Werden und erst zum Ende der Einführungsstunde ganz frei produzierend, erlernen und da spielt die häufige Wiederholung der Struktur auch eine große Rolle. Aber z.B. ein bloßes Auswendiglernen der grammatischen Regel und dann sollst Du das anwenden können - das macht meiner Kenntnis nach fast nirgends (noch) jemand. So was liest man jedoch gelegentlich als Strohmann. Die Vorgabe einer Reihenfolge zB über die Lernschritte bei einer Grammatik wird auch manchmal als eine Art manipulative Verformung der Köpfe und obrigkeitstrunkener Paternalismus seitens der Lehrer gedeutet. "We don't need no education" 2018, yeah. Mit der Realität das nichts zu tun.



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