"Wahrnehmung" - sinnlich, leiblich, gefühlig (+ begrifflich)

Drei wichtige philosophische Schulen der Philosophie des 20. Jahrhunderts, welche die Philosophie europäischer und amerikanischer Provenienz mitgeprägt haben
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Friederike
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Fr 4. Jan 2019, 14:09

"Wahrnehmung" assoziieren wir üblicherweise mit dem Erkennen durch die Sinne. Wahrnehmung ist wie das Fühlen und das Denken auf die Welt gerichtet, d.h. sie ist intentional. Wir spüren eine Berührung, wir riechen einen Duft, wir hören einen Ton usw. Wenn man "Wahrnehmung" anders ausdrückt, nämlich als ein "für wahr nehmen" (etwas für wahr nehmen), dann verliert das Wort den engen Bezug zu den Sinnen. "Für wahr nehmen" kann man ebensogut etwas, das man denkt oder etwas, das man fühlt. Gefühle und Denken gehören insofern, könnte man sagen, ebenfalls zur Wahrnehmung.

Darauf gekommen bin ich eben, als ich den Aufsatz von D. Lauer, "Leiblichkeit und Begrifflichkeit" (über Merleau-Ponty + McDowell) neuerlich las, die beide von Wahrnehmung sprechen, wenn sie die leibliche Wahrnehmung (Merleau-Ponty) und die begriffliche Wahrnehmung (McDowell) meinen. Was den Beiden gemeinsam ist, das ist die Auffassung, uns sei der unmittelbare Bezug zur Welt gegeben bzw. das unmittelbare Erkennen der Welt, d.h. ohne Einschaltung von epistemischen Zwischengliedern. Genau dies ist ja der Punkt, weswegen wir gemeinhin mit "Wahrnehmung" die sinnliche Wahrnehmung verbinden, weil die Wahrnehmung durch die Sinne insofern einzigartig scheint, als sie uns die Welt unmittelbar erkennen läßt, "wie sie ist" (die Anführungsstriche deswegen, weil ich hiermit eine Formulierung von Dir @Jörn, übernehme), Gefühle oder Gedanken indes würden dies nicht tun.

Was ich hier gerne zusammenführend thematisieren würde, das sind die Emotionen und die Stimmungen, die ihrerseits eng mit den "Atmosphären" (u.a. den Schmitz'schen) und der sogenannten Leibphilosophie (Merleau-Ponty und auch H. Schmitz) verbunden sind.




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Jörn Budesheim
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Fr 4. Jan 2019, 17:01

Konnte den Aufsatz bisher nur überfliegen, klingt aber vielversprechend. Von Lauer hab ich ein schon ein paar gute Artikel zu McDowell gelesen. Das ganze passt natürlich auch perfekt in den Innen/Außen/Thread!




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Friederike
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Sa 5. Jan 2019, 08:40

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 4. Jan 2019, 17:01
Konnte den Aufsatz bisher nur überfliegen, klingt aber vielversprechend. Von Lauer hab ich ein schon ein paar gute Artikel zu McDowell gelesen. Das ganze passt natürlich auch perfekt in den Innen/Außen/Thread!
Du weißt, daß ich eher für die kompakteren Sammlungen denn für die Zerstreuung der Themen bin. Insofern hätte ich nichts dagegen, wenn Du meinen Eingangsbeitrag verschiebst und den Thread löschst. Frage mich bitte nicht, warum ich das nicht selber mache :lol: - mir fehlt heute der Antrieb, irgendwie.




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Jörn Budesheim
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So 19. Jul 2020, 17:22

Burkart hat geschrieben :
Sa 18. Jul 2020, 22:59
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jul 2020, 17:57
Burkart hat geschrieben :
Sa 18. Jul 2020, 15:22
Was meinst du, was unsere Augen und Ohren sonst wahrnehmen?
Ich meine, dass unsere Augen und Ohren überhaupt nicht wahrnehmen. Das halte ich für einen schweren Irrtum. Einen Aspekt dieses Irrtums habe ich ja in den Zeilen oben darzustellen versucht.
Stimmst du denn (präziser gesagt) zu, dass wir über unsere Augen und Ohren wahrnehmen? Oder zumindest Sinnesdaten aufnehmen, die zu Wahrnehmung führen?
Wahrnehmung ist ein Sammelbegriff für riechen, schmecken, hören, sehen ... je nach Quelle rechnet man zwischen 10 und 30 Sinnen, die zudem als Team arbeiten und nicht einfach Einzelspieler sind. nehmen wir dann noch ein Beispiel für eine Wahrnehmung heraus, nämlich das Sehen.

Dazu eine typische Alltags Episode:
"Woher weißt du, dass Müller die Akten hat?"
"Ich habe gesehen, dass er sie aus dem Schrank gestohlen hat."

Die Begriff Wahrnehmung gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Man kann den Vorgang bzw "die Tätigkeit" der Wahrnehmung meinen. Im obigen Fall ist Wahrnehmung ein "Erfolgs-Begriff". Es gibt nämlich keinen Sinn zu sagen "ich habe gesehen,dass Müller die Akten aus dem Schrank gestohlen hat, aber er war es nicht." Wenn Müller die Akten nicht aus dem Schrank gestohlen hat, dann hat man es folglich auch nicht gesehen. Wenn man etwas wahrgenommen hat, dann ist das, was man wahrgenommen hat, wirklich geschehen. Nehmen wir das für diesen Fall an. Was heißt das? Meines Erachtens bedeutet es, dass Wahrnehmen immer "Wahrnehmen dass" ist. Wir sehen nicht generell bloß ineinander gefügte Farbflecken. Wir sehen Ereignisse, Szenen, Tatsachen. Im vorliegenden Fall sogar mit starken normativen Hintergrund, es war schließlich ein Diebstahl!

Zudem nehmen wir auch nicht einfach irgendetwas wahr, sondern wir nehmen auch wahr, dass wir selbst das wahrgenommen haben: "Ich habe gesehen, dass Müller die Akten gestohlen hat." Solchen Wahrnehmungen sind immer eingebettet in Kontexte und nur aus diesen heraus verständlich: Müller hätte nämlich in diesem Raum gar nicht sein dürfen. ... Ich überlasse es euch, dass weiter auszumalen.

Das ist ein Alltagsbeispiel. Das zeigt Aspekte dessen, was der Begriff Wahrnehmung bedeutet. Und das wiederum zeigt, dass der Begriff des Sinnesdatum - vorsichtig formuliert - erklärungsbedürftig ist. Das ist ein philosophischer Fachterminus, den wir im Alltag nicht verwenden und den er erst ca 200 Jahren gibt. Das spricht natürlich erstmal nicht gegen ihn, aber man sollte schon erläutern, was damit sinnvollerweise gemeint sein könnte. Und er sollte nicht so konstruiert sein, dass er Alltagsszenen, wie die obige unmöglich macht.




Burkart
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Di 21. Jul 2020, 23:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 19. Jul 2020, 17:22
Burkart hat geschrieben :
Sa 18. Jul 2020, 22:59
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Jul 2020, 17:57


Ich meine, dass unsere Augen und Ohren überhaupt nicht wahrnehmen. Das halte ich für einen schweren Irrtum. Einen Aspekt dieses Irrtums habe ich ja in den Zeilen oben darzustellen versucht.
Stimmst du denn (präziser gesagt) zu, dass wir über unsere Augen und Ohren wahrnehmen? Oder zumindest Sinnesdaten aufnehmen, die zu Wahrnehmung führen?
Wahrnehmung ist ein Sammelbegriff für riechen, schmecken, hören, sehen ... je nach Quelle rechnet man zwischen 10 und 30 Sinnen,
Die Anzahl der Sinne ist ja erstmal kein Problem/Widerspruch.
die zudem als Team arbeiten und nicht einfach Einzelspieler sind.
Ist es nicht unser Gehirn, dass die verschiedenen Wahrnehmungen koordiniert? Ich kann ja nicht sehen, ob etwas laut ist oder eine Farbe hören; nur meine Erfahrung kann mir sagen, dass ein gesehener Düsenjet laut ist.
nehmen wir dann noch ein Beispiel für eine Wahrnehmung heraus, nämlich das Sehen.
Ok.
Dazu eine typische Alltags Episode:
"Woher weißt du, dass Müller die Akten hat?"
"Ich habe gesehen, dass er sie aus dem Schrank gestohlen hat."

Die Begriff Wahrnehmung gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Man kann den Vorgang bzw "die Tätigkeit" der Wahrnehmung meinen. Im obigen Fall ist Wahrnehmung ein "Erfolgs-Begriff".
Erfolgs-Begriff?
Es gibt nämlich keinen Sinn zu sagen "ich habe gesehen,dass Müller die Akten aus dem Schrank gestohlen hat, aber er war es nicht."
Das ist ein sprachlicher bzw. logischer Widerspruch, macht deshalb keinen Sinn.
Wenn Müller die Akten nicht aus dem Schrank gestohlen hat, dann hat man es folglich auch nicht gesehen. Wenn man etwas wahrgenommen hat, dann ist das, was man wahrgenommen hat, wirklich geschehen.
Nicht unbedingt, man kann sich auch verguckt haben, es war eine Fata Morgana u.ä.
Nehmen wir das für diesen Fall an. Was heißt das? Meines Erachtens bedeutet es, dass Wahrnehmen immer "Wahrnehmen dass" ist. Wir sehen nicht generell bloß ineinander gefügte Farbflecken. Wir sehen Ereignisse, Szenen, Tatsachen. Im vorliegenden Fall sogar mit starken normativen Hintergrund, es war schließlich ein Diebstahl!
Wir können keinen Tatsachen sehen, nur etwas, was wir erst einmal interpretieren müssen und daraus Schlussfolgerungen ziehen, die wahr, aber auch falsch sein können.
Das ist ein Alltagsbeispiel. Das zeigt Aspekte dessen, was der Begriff Wahrnehmung bedeutet.
Das zeigt, was es nach deiner Auffassungbedeutet. Wie gesagt kann man halt z.B. Tatsachen nicht wahrnehmen u.a.
Und das wiederum zeigt, dass der Begriff des Sinnesdatum - vorsichtig formuliert - erklärungsbedürftig ist.
Das ist ja auch ok.
Das ist ein philosophischer Fachterminus, den wir im Alltag nicht verwenden und den er erst ca 200 Jahren gibt. Das spricht natürlich erstmal nicht gegen ihn, aber man sollte schon erläutern, was damit sinnvollerweise gemeint sein könnte. Und er sollte nicht so konstruiert sein, dass er Alltagsszenen, wie die obige unmöglich macht.
"Sinnesdatum" macht Obiges ja nicht grundsätzlich unmöglich; die Daten sind nur eine Voraussetzung für eine (weiter-)Verarbeitung samt Interpretation u.ä.



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Jörn Budesheim
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Mi 22. Jul 2020, 06:03

Wir können keinen Tatsachen sehen, nur etwas, was wir erst einmal interpretieren müssen und daraus Schlussfolgerungen ziehen, die wahr, aber auch falsch sein können.
Das heißt, du gehst auf die Straße, siehst irgendwelche farbigen Flecken und überlegst dir: "oh, das könnten vielleicht Autos sein?" Meine Wahrnehmung funktioniert anders: Ich nehme wahr, dass Autos vorbeifahren.
Das zeigt, was es nach deiner Auffassungbedeutet. Wie gesagt kann man halt z.B. Tatsachen nicht wahrnehmen u.a.
Wir sagen z.b., ich habe gesehen, dass die Kinder im Garten spielen. Wir sehen (nehmen wahr) dass es Kinder sind und wir sehen, dass sie spielen. Ich sehe, dass vor mir ein Tablet steht und rechts davon ein Becher Kaffee. Ich höre die Autos vorbeifahren und im Hintergrund die Uhr ticken. Das ist bei mir so und das wird bei dir nicht anders sein. Du siehst nicht irgendwelche braunen Flecken und interpretierst sie dann als Tisch, sondern du siehst einen Tisch (eingebettet in einen größeren Zusammenhang).




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Jörn Budesheim
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Wenn Müller die Akten nicht aus dem Schrank gestohlen hat, dann hat man es folglich auch nicht gesehen. Wenn man etwas wahrgenommen hat, dann ist das, was man wahrgenommen hat, wirklich geschehen.
Nicht unbedingt, man kann sich auch verguckt haben, es war eine Fata Morgana u.ä.
Wenn eine Wahrnehmungstäuschung vorliegt, dann hat er es nicht wahrgenommen, sondern ist einer Täuschung erlegen. Wahrnehmen ist eben ein Erfolgsbegriff. Wenn wir sagen, Müller hat das und das wahrgenommen, dann heißt das: das und das war der Fall und Müller hat es wahrgenommen.




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Alethos
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 22. Jul 2020, 06:03
Wir können keinen Tatsachen sehen, nur etwas, was wir erst einmal interpretieren müssen und daraus Schlussfolgerungen ziehen, die wahr, aber auch falsch sein können.
Das heißt, du gehst auf die Straße, siehst irgendwelche farbigen Flecken und überlegst dir: "oh, das könnten vielleicht Autos sein?" Meine Wahrnehmung funktioniert anders: Ich nehme wahr, dass Autos vorbeifahren.
Das zeigt, was es nach deiner Auffassungbedeutet. Wie gesagt kann man halt z.B. Tatsachen nicht wahrnehmen u.a.
Wir sagen z.b., ich habe gesehen, dass die Kinder im Garten spielen. Wir sehen (nehmen wahr) dass es Kinder sind und wir sehen, dass sie spielen. Ich sehe, dass vor mir ein Tablet steht und rechts davon ein Becher Kaffee. Ich höre die Autos vorbeifahren und im Hintergrund die Uhr ticken. Das ist bei mir so und das wird bei dir nicht anders sein. Du siehst nicht irgendwelche braunen Flecken und interpretierst sie dann als Tisch, sondern du siehst einen Tisch (eingebettet in einen größeren Zusammenhang).
Ein ganz erfrischender Realismus :)



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Jörn Budesheim
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Mi 22. Jul 2020, 13:23

Wenn ich von der Intentionalität der Wahrnehmung spreche, spreche ich von ihrer Gerichtetheit auf Welt. Wahrnehmend sind wir in direktem Kontakt mit Welt, die Dinge selbst sind die intentionalen Gehalte unserer Wahrnehmung. McDowell erklärt, „daß man die Dinge in der sinnlichen Erfahrung […] aufnimmt“ (GW, S. 50). Merleau-Ponty charakterisiert die Wahrnehmung bekanntlich als „ZurWelt-Sein“ (PhW, S. 413) bzw. als „Sein-unter-den-Dingen“ (PhW, S. 402). In der Wahrnehmung ist Welt präsent – nicht repräsentiert, gegenwärtig – nicht vergegenwärtigt. Beide benutzen in diesem Zusammenhang dasselbe Bild: Sie sprechen von der menschlichen Wahrnehmung als einer Form der „Offenheit zur Welt“. Wahrnehmung, so könnte man sloganhaft zuspitzen, konfrontiert uns mit der Präsenz, nicht mit Repräsentationen der Welt.

Um die Pointe dieses Bildes besser zu verstehen, ist es hilfreich, zur Kontrastierung kurz an die Gegenposition zu erinnern, der zufolge wir nicht im strikten Sinne Welt wahrnehmen. Was wir tatsächlich wahrnehmen, ist nicht die Welt selbst, sondern sind innere Repräsentationen im Geist oder auch im Gehirn – epistemische Zwischenglieder, für die Ausdrücke wie Sinnesdaten oder ideas vorgeschlagen wurden.
Ich will noch mal an den Starttext erinnern, den Friederike gepostet hat. Lauers Auffassung zufolge "kann menschliche Wahrnehmung nur dann zufriedenstellend beschrieben werden, wenn sie als ein sowohl begriffliches als auch leibliches Vermögen beschrieben wird." Der Text wendet sich auch die ungerechtfertigte Identifikation des Begrifflichen überhaupt mit dem abstrakt Definierbaren ...

https://www.geisteswissenschaften.fu-be ... eprint.pdf

@Friederike: Ein wichtiger Aufsatz auch zum Begriff des "Unbegrifflichen" wie ich finde, der auch die große Bedeutung der "Deiktischen Definitionen" aufzeigt.




Burkart
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Mi 22. Jul 2020, 22:11

Offensichtlich gibt es verschiedene Wahrnehmungskonzepte, weshalb wir leicht aneinander vorbei sprechen können. Aus wikipedia:
[1.] In der Psychologie und der Physiologie bezeichnet Wahrnehmung die Summe der Schritte Aufnahme, Auswahl, Verarbeitung (z. B. Abgleich mit Vorwissen) und Interpretation von sensorischen Informationen – und zwar nur jener Informationen, die der Anpassung (Adaptation) des Wahrnehmenden an die Umwelt dienen oder die ihm eine Rückmeldung über Auswirkungen seines Verhaltens geben. Gemäß dieser Definition sind also nicht alle Sinnesreize Wahrnehmungen, sondern nur diejenigen, die kognitiv verarbeitet werden und der Orientierung eines Subjekts dienen. Wahrnehmung ermöglicht sinnvolles Handeln und, bei höheren Lebewesen, den Aufbau von mentalen Modellen der Welt und dadurch antizipatorisches und planerisches Denken. Wahrnehmung ist eine Grundlage von Lernprozessen.
[2.] In der Biologie ist der Begriff Wahrnehmung enger gefasst und bezeichnet die Fähigkeit eines Organismus, mit seinen Sinnesorganen Informationen aufzusuchen, aufzunehmen und zu verarbeiten.
[3.] In der Philosophie wird die Wahrnehmung von der Kognition (der gedanklichen Verarbeitung des Wahrgenommenen) unterschieden und bezeichnet – je nach Wahrnehmungstheorie – das sinnliche Abbild oder die sinnliche Repräsentation von Teilen oder Aspekten der Außenwelt im Zentralnervensystem von Lebewesen. Sie beinhaltet auch die Beziehungen der erfassten Objekte.

=> Ich argumentiere gerne der besseren Klarheit wegen mit 3., also unterscheide die Wahrnehmung von der Kognition, was du, Jörn, nicht tust.
Ich hoffe, dir ist die Problematik unserer unterschiedlichen Begriffsbildung klar.



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Jörn Budesheim
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Sa 26. Feb 2022, 16:45

Woher wissen wir eigentlich von unseren Sinnen? Wir sehen zwar z.b. nicht, dass wir sehen, aber dennoch wissen wir davon. Warum ist das so, woher kommt dieses Wissen?




Burkart
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So 27. Feb 2022, 07:30

Von unseren Sinnen wissen wir einfach aus Erfahrung, halt dass wir sehen, hören usw.
Wenn man sich eine Hand vor die Augen hält, wissen wir auch, wo unser Sehsinn sich befindet.
Genauere Analyse z.B. unserer Augen ist dann eine biologische bzw. medizinische.



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Jörn Budesheim
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So 27. Feb 2022, 07:48

Ich sehe den Flug der Krähen. Ich selbst bin es, der das sieht. Aber es wäre doch auch denkbar, dass der Flug einfach präsent wäre, ohne mein Wissen darum, dass ich selbst diesen Flug sehe. Wie komme ich zu diesem Wissen?

Wieso erleben wir unsere Sinnlichkeit? Und zwar so, dass wir selbst in irgendeiner Weise in diesem Erlebnis vorkommen, als diejenigen, die es haben.




Körper
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So 27. Feb 2022, 09:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 27. Feb 2022, 07:48
Wir sehen zwar z.b. nicht, dass wir sehen, aber dennoch wissen wir davon.
Verbaust du dir mit solchen Behauptungen nicht von Anfang an die gesuchte Lösung? - wozu soll das gut sein?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 27. Feb 2022, 07:48
Wieso erleben wir unsere Sinnlichkeit? Und zwar so, dass wir selbst in irgendeiner Weise in diesem Erlebnis vorkommen, als diejenigen, die es haben.
Der Körper befindet sich in einer Umwelt und durchläuft sämtliche Wechselwirkungen/Veränderungen.

Dieses Prinzip wendet der Körper einfach nochmal gegenüber seinen Fähigkeiten an.
Diese Reaktion reiht sich harmonisch in die Zusammenhänge aus "Körper Umwelt" ein - "es ist ja nichts Neues".

Wir sind darauf festgelegt, die eigenen Fähigkeiten wie "eine Umwelt" zu verwalten, zu der wir uns wahrnehmend positionieren ("Subjektivität"). Wie "Körper in Umwelt" verstehen wir uns auch hier als "Teil davon".
In der Folge "durchlaufen" wir hier "ständige Veränderungen" -> "Erleben".
In der Regel "integrieren sich" diese Veränderungen harmonisch in die "Körper/Umwelt"-Situation - "unser Innenleben/-erleben passt zur Weltsituation"




Burkart
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So 27. Feb 2022, 10:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 27. Feb 2022, 07:48
Ich sehe den Flug der Krähen. Ich selbst bin es, der das sieht. Aber es wäre doch auch denkbar, dass der Flug einfach präsent wäre, ohne mein Wissen darum, dass ich selbst diesen Flug sehe. Wie komme ich zu diesem Wissen?
Du kommst halt zu dem Wissen aus deiner Erfahrung, z.B. dass du den Flug gerade eben erst gesehen hast oder er dir vor einigen Minuten noch nicht präsent war.
Bei "nur präsent" könntest du auch glauben, dass das gerade ein Schwarm rosa Elefanten vorbei geflogen seien, aber daran denkst du i.a. nicht, oder?
Wieso erleben wir unsere Sinnlichkeit? Und zwar so, dass wir selbst in irgendeiner Weise in diesem Erlebnis vorkommen, als diejenigen, die es haben.
Weil wir/unser Körper unser Sinnliches beeinflussen (z.B. durch unsere eigene Bewegung, es muss nicht nur die Hand vor den Augen sein) und wir so Feedback auf uns haben.



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So 27. Feb 2022, 12:11

Körper hat geschrieben :
So 27. Feb 2022, 09:24
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 27. Feb 2022, 07:48
Wieso erleben wir unsere Sinnlichkeit? Und zwar so, dass wir selbst in irgendeiner Weise in diesem Erlebnis vorkommen, als diejenigen, die es haben.
Der Körper befindet sich in einer Umwelt und durchläuft sämtliche Wechselwirkungen/Veränderungen.
Dieses Prinzip wendet der Körper einfach nochmal gegenüber seinen Fähigkeiten an.
Diese Reaktion reiht sich harmonisch in die Zusammenhänge aus "Körper Umwelt" ein - "es ist ja nichts Neues".
Wir sind darauf festgelegt, die eigenen Fähigkeiten wie "eine Umwelt" zu verwalten, zu der wir uns wahrnehmend positionieren ("Subjektivität"). Wie "Körper in Umwelt" verstehen wir uns auch hier als "Teil davon".
Ich verstehe @Jörns Frage als eine Frage nach dem, was wir "Selbstbewußtsein" nennen. Falls das zutrifft, dann meine ich, daß Deine Antwort nicht das Phänomen erfaßt ("Phänomen" nenne ich es, weil es mir "phänomenal" = höchst erstaunlich vorkommt), daß wir in jedem Moment untrüglich wissen, daß "Ich" es bin, die dies oder jenes erlebt.




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Jörn Budesheim
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So 27. Feb 2022, 12:51

So ist es.

Erklärungen, die das voraussetzen, was sie doch erklären sollen, sind keine Erklärung.




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So 27. Feb 2022, 18:18

Friederike hat geschrieben :
So 27. Feb 2022, 12:11
Ich verstehe @Jörns Frage als eine Frage nach dem, was wir "Selbstbewußtsein" nennen. Falls das zutrifft, dann meine ich, daß Deine Antwort nicht das Phänomen erfaßt ("Phänomen" nenne ich es, weil es mir "phänomenal" = höchst erstaunlich vorkommt), daß wir in jedem Moment untrüglich wissen, daß "Ich" es bin, die dies oder jenes erlebt.
Dein Eindruck, dass meine Antwort nicht passen soll, wird bestimmt dadurch unterstützt, dass du von der Frage "nach dem Erleben der Sinnlichkeit" ("woher wissen wir von unseren Sinnen") zu "Selbstbewusstsein" wechselst.
In der Folge geht es dir nicht mehr um "das Erleben" als eine Art "Wissen von den Sinnen", sondern um "wieso ist es für mich untrüglich, dass Ich es bin, die erlebt".

Durch das Wort "Phänomen" drückst du aus, dass du nicht weisst, (aus) was es ist, wo es ist und wie es dazu kommt.
Dir steht quasi nur die Funktion (als Ganzes) zur Verfügung. Du kennst aber die Basis, den Hintergrund, nicht.
Weshalb du die Funktion wiederum wie ein Objekt ("das Selbstbewusstsein") behandeln kannst, weisst du nicht.
Wieso du dich selbst als (besonderes) Objekt verwaltest, weisst du nicht.

Ich denke man kann an die Sache (diese Fragen) auf zwei Arten herangehen:

1.
"Ich stehe einem vorhandenen Phänomen gegenüber"
-> das geht sozusagen in Richtung Existenz-Vermutung

2.
"Ich halte es für ein vorhandenes Phänomen"
-> das geht in Richtung Reaktion und die Entstehung dieser Reaktion

Ich tendiere zu Punkt 2 und hier sehe ich "Körper in einer Umwelt" als Lösungsbereich an.

Zielst du eher auf Punkt 1 ab oder gibt es noch andere Varianten?




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Jörn Budesheim
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So 27. Feb 2022, 18:24

Was Friederike gemacht hat, ist etwas ganz einfaches: sie hat versucht die Frage zu verstehen.




Körper
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So 27. Feb 2022, 18:54

Hier ein Link zu "Selbstbewusstsein in der Philosophie".
Das ist schon ein deutlicher Sprung von der Frage "nach dem Erleben der Sinnlichkeit" ("woher wissen wir von unseren Sinnen").

Wieso hast du das nicht nachvollziehen können, obwohl ich es gerade explizit geschrieben habe?




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