Gedanken zur Hermeneutik

Drei wichtige philosophische Schulen der Philosophie des 20. Jahrhunderts, welche die Philosophie europäischer und amerikanischer Provenienz mitgeprägt haben
Groot
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Di 27. Apr 2021, 21:37

Ist die Hermeneutik vielleicht sogar geeignet, die Perspektive von Leibniz Monadologie auf ein säkulares Fundament zu setzen, diese also konsistent überflüßig zu machen?

Denn es scheint ja so, dass sich hier das Subjekt, das Kern-Ich, das Selbst auflöst in seine Unmittelbarkeit als funktionaler Organismus, so dass es nicht mehr bedarf ein "geistiges" Selbst zu denken bzw. zu sein, welches "innerhalb" des Organismus säße. Sondern es scheint, als könne die Hermeneutik tatsächlich das Problem auflösen, welches mit der (scheinbaren) Unbegründbarkeit von Moral einhergeht - was eben dieses Auflösen eines geistigen "Ich-Punktes", der losgelöst vom Körper wäre, ermöglichte. Oder irre ich hier?

Ein Punkt wäre hierbei, dass die christliche Überlieferung und die damit einhergehende Weltanschauung deskriptiv erfassbar wird als Philosophiegeschichte oder allg. als Theoriegeschichte und in der empirischen Unterscheidung von narrativer Geschichte und faktischer Historie.

Etwas, das sicher auch Spinoza ermöglicht, aber nur, wenn man keine Sozietät als einheitliches Gebilde mitdenken will, sondern diese auf Natur reduziert.

Allerdings wäre das wohl nur denkbar unter Preisgabe, dass Marx (bzw. jeder nicht-Liberalismus) nicht "wahres" bzw. wissenschaftiches sagte, sondern maximal weltanschaulich wäre. Denn die Hermeneutik, so scheint es mir, setzt jede politische Ansicht als wahr, weil sie das Kollektiv aufzulösen scheint; hinein in die Analyse der Geistesgeschichte und ihrer unzähligen, in Büchern manifestierten Meinungen/Perspektiven. (Darum ist Habermas ja auch schlimm konservativ geworden und im Grunde nicht mehr "kritisch". Man denke nur daran, dass er das Folgen als gangbaren Weg preist in "Der philosophische Diskurs der Moderne")




Groot
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Di 27. Apr 2021, 21:37

die Bild und Anschauung sowie Virtualität und Imagination
Gadamer und Internet. Geht daszusammen? Es fehlt mir die Möglichkeit doppelter Kontingenz, dieRichtschnur der modernen Soziologie ist. Diese fehlt ebenso beiDerrida, jedoch andersartig. Dadurch wird es kompliziert das Internetin Gadamer(s Anspruch) hineinzubugsieren. Das "Du" findetsich ja so, dass die Geschichte emergiert - und nicht dasInternet.

Könnte man das nicht so sehen, dass man dieVirtualität und die Imaginationskraft der Vorstellungsleistungen soansetzt, dass diese auf die Schrift und das Abstraktionsvermögenverweisen. Im Kern also hermeneutisch sind.

Während Bild undAnschauung, die im Kern ja nicht-kognitiv, sondern "expressiv"sind, sich weiterhin an der Phänomenologie orientieren, weil diese"analoge", "stetige" Größen sind.
Virtualitätund Imagination hingegen sind "diskret" und"differenziert", weshalb sie auf die Hermeneutik, also aufdie Künstlichkeit in ihrer psychologischen Komponente verweisen; denMoment der Entfaltung eines Momentes also theoretisch analysierend,statt ihn praktisch erlebend, "erfassend" (Gadameranalysiert dies unter dem Stichwort Horizontverschmelzung, wenn ersich um die Analyse des wirkungsgeschichtlichen Bewusstseins kümmert.Also im letzten Kapitel vor dem 3. Teil, besonders 3. c), implizitaber bereits auch schon in den Abschnitten zuvor.)

Interessantist, dass Gadamer sich säkular mit der Differenz von Juristerei undTheologie beschäftigt - und hier Werkräume der Hermeneutik zeigt,die über die bloße Verweisungsstruktur: "Schau, es gibtKunst!" hinaus gehen, also auch in utilitaristischen, nicht bloßin deontischen Zusammenhängen Relevanz aufweisen. Bzw. anders: Dankder juristischen Hermeneutik sagt die Hermeneutik nicht nur: "Nichtalles ist bloße Wissenschaftstheorie!" (also negativeTheologie), sondern es sei auch die Freiheit des Einzelnen sichidiotisch/unsittlich zu verhalten.




Groot
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Di 27. Apr 2021, 21:40

Das versteh ich nicht, kannst du das nochmal näher erklären?
Beim Fussball gibt es bestimmt auch technische Regeln...
Fußball ist ein Spiel. Sicher gibt es dort Regeln. Aber diese sind, weil es ein Spiel ist, spielerisch. Und nicht eben normativ oder technisch-naturwissenschaftlich-logisch - und auch nicht ästhetisch (Sofern man der Ästhetik mal kurz ein Regelwerk zuordnet bzw. ein solches für den Moment behauptet).

Das ist ja der Punkt. Dass dem Spiel die Regeln zugesetzt werden. Während technische, normative und ästhetische Regeln von außen an uns rangetragen werden. (Wenn man vom Spezialfall der Logik mal absieht.)




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Jörn Budesheim
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Mi 28. Apr 2021, 06:38

Bei getabstract gibt es eine Zusammenfassung von Wahrheit und Methode, die sich ganz gut lesen lässt:
Somit stellt für ihn [Hans-Georg Gadamer] das Verstehen die Seinsweise des Menschen schlechthin dar. https://www.getabstract.com/de/zusammen ... thode/6677




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Jörn Budesheim
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Mi 28. Apr 2021, 18:31

Hermeneutik ist die Wissenschaft des Verstehens, der Auslegung und Deutung, vor allem von Kunstwerken, aber auch von Geschichte und von Sprache allgemein.
Dabei fällt mir ein, ich habe irgendwo im Regal ein Buch von Hans-Georg Gadamer, wo er Gedichte von Paul Celan interpretiert - einen bestimmten Zyklus, das ist wirklich atemberaubend, ich muss es mal raussuchen und vielleicht kann ich dann was hierher kopieren! Wichtig in diesem Zitat finde ich für meinen Teil den letzten Aspekt, dass nämlich Hermeneutik sich zwar natürlich mit Kunstwerken beschäftigt - aber letztlich mit Sprache allgemein ebenso!

Und: „Verstehen ist der ursprüngliche Seinscharakter des menschlichen Lebens selber.“ (Hans-Georg Gadamer)





Groot
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Mi 2. Jun 2021, 03:22

Wieso sollte man die Hermeneutik vor der Phänomenologie wählen? Die Methoden der Beschreibung, die die Hermeneutik wählt, zielen auf semiotische Gehalte. Auf Schrift, Text und die Juristerei; derer sie den Liberalismus und die Freiheit aufhalst.
Die semiotischen Gehalte können nun aber ebenso aus einer Phänomenologie gewählt werden. Denn es scheint beliebig, ob man das Wesen der Anschauung – oder aber das Wesen der Historie zur Grundlage wählt. In beiden Fällen enden die Probleme im Feld der Ethnologie; der Differenz in den Kulturen einer Zivilisation. Der unsrigen Zivilisation, des unsrigen Erdballes.
Wenn man nicht in der Ethnologie landet, dann womöglich in der Philologie mit ihrem Geld der Dramaturgie und der Etymologie. Die Philologie könnte man als den „synchronen“ Teil der Semiotik sehen; während der diachrone Teil mittels der Ethnologie auf die Historie in ihren nicht-textualen Anteilen verweist. Man könnte hier fragen, in wie weit die Historie denn digital zu verstehen sei?
Jedenfalls haben wir also auf der einen Seite die Probleme, die Probleme als „System“ begreifen. Auf der anderen Seite haben wir die, die „Probleme“ in Strukturen determinieren. Beide Seiten „erfassen“, d.h. sie spielen syntagmatisch damit, eine Assoziationsmenge zu entfalten, in der Erfassen in einem Spiel steht mit Begreifen, Erfahren, Verstehen. Jedoch ist die Methode eine unterschiedliche. Während nämlich die Hermeneutik die Historie als Problemgeschichte deutigt, die durch ihre Wirkungen sich als Seinsgeschehen zeigen, arbeitet die Phänomenologie hier auf eine Weise, die der Entfaltetheit eines Gegenwartsraumes ihr besonderes Augenmerk schenkt. Während in der Hermeneutik also Unendlichkeit – also Offenheit des Subjekts – eine historische Dimension veranschlagt, arbeitet die Phänomenologie bereits in der stetigen Präsenz einer rekursiven Struktur, die die Gegenwart ein jeden Moment von neuem ins Zentrum stellt. Statt also die „Kontinuität mit sich selbst“ zu suchen, die der Hermeneutiker dadurch sich erhabt (der Entwurf in seiner Geworfenheit [Fischer]), dass er den Text aufleben lässt, ihm Ohr und Auge zugleich schenkt und dadurch die Historie zum Gespräch macht. Statt also dies zu tun und dadurch „Kontextualität“ zu generalisieren, also die Welt apriori zu versprachlichen, lässt sich die Historie auch in die Gegenwart „hineintransportieren“. Man kann diese nämlich realiter bereits in sozialen Systemen unendlich machen; also in phänomenologisch begründbaren Strukturen, statt mittels dem Verweis auf die Historie. Sicher ist, dass beide Methoden funktionieren. Aber die Problemstellung erscheint völlig andersartig für beide Weisen.
Denn die Hermeneutik erfasst sehr viel symbolischer. Sie zielt auf semiotische Gehalte und damit einhergehend auf die tradierte Lebenswelt. Die tradierte Lebenswelt gilt hierbei als andersartig gelagert als die rationalisierte oder auch die kommunikative Lebenswelt und die Vernunft höchstselbst. Hierin zeigt sich der Grund für den aszientischen Anteil in der Hermeneutik. Sie befasst sich nicht mit Wissenschaftsgenese, sondern mit der Genese des Selbstes. Eher mit der Krankheit, als mit dem „gesunden Menschenverstand“ (in Differenz zum „common sense“ oder „bon sens“). Dadurch ist sie im strengen Sinne nicht wissenschaftlich; sondern entweder dem Bildungsbürger liebster Ort für Pathos und die Kunst – oder aber der Ort, in der das sein Unwesen treibt, das man „Metapherologie“ nennt. Denn die Hermeneutik scheint im Mythos zu gründen; womit man die Frage stellen könnte, ob die Hermeneutik denn im Kern stets religiöse Wurzeln hat? Der Weg würde dann dorthin gehen, zu fragen, wie die Episteme des Erlebnisses sich von der des Ereignisses unterscheidet; was in der Konsequenz dann hieße, dass nach erneuter Beurteilung die Hermeneutik in den Abendländern, den liberalen Demokratien, wichtiger scheint um eben jene Ideale von Freiheit und Eigentum (oder eine „ästhetische Unterscheidung“) „einzufugen“. Dies ist zwiespältig zu deuten, denn zum einen arbeitet die Naturwissenschaft ja nunmal wenig hermeneutisch; zu einem weiteren steht die Hermeneutik quer zu einer Sozialwissenschaft die ohne Ideologie systematisiert (also auf Basis von „-Poiesis“). Zu einem dritten erscheint sie erkenntnistheoretisch als Nachfolger der Phänomenologie; denn sie erkennt das Wesen des Historischen an, welches die Phänomenologie nicht ins Auge fasst. Denn Phänomenologie ist eine Methode, die sich auf die Gegenwart und deren Entfaltung in ihren szientischen Mustern bezieht. Sie will die Zukunft dem Seinsgeschehen, welches vergangen ist, vorziehen; allerdings auf Kosten eben jenes Mythos, den die Hermeneutik dadurch bewahren will, dass sich „Gott“, „das Eine“ oder „Kontextualität“ in der historischen Dimension bspw. als architektonische Kontingenz zeigt oder sich determniert in der „Kontinutät von sich selbst“, die dann die Historie unter Aspekten des Ästhetischen und der Moral in sich fundamentiert hat – und für diese, mangels Alternative, die tradierte Erzählung wählt. Womit man bei der Frage wäre, ob der Liberalismus und sein Eigentumsbegriff sinnvoll ist oder nicht? Oder dabei, zu fragen, ob das szientische Ereignis – oder aber das „jemeinige“ echte Erlebnis der Kern dessen sein solle, was Mensch sei. Ich persönlich glaube, dass sich hier die Europäer und die Asiaten unterscheiden; während wir das Erlebnis präferieren (müssen), wählt die asiatische Kultur vermutlich eher der Ereignis. Der Familienname erscheint dort vor dem, was in Europa „Vorname“ heißt.




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Jörn Budesheim
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Ein Gesprächsangebot ist das nicht, oder?

Das frage ich als User und nicht als Mod




Groot
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Mi 2. Jun 2021, 15:14

wieso sollt es das nicht sein?




Groot
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Mi 2. Jun 2021, 16:50

Hermeneutik setzt ein historisches Bewusstsein und stülpt dieses über die Lebenswelt. Das ist nicht verkehrt, aber es verhehlt die Komplexität der Lebenswelt. Denn der Fokus wird dann bei der Hermeneutik beinahe in Gänze auf die Deutung von Büchern und Texten gelegt. Hierbei erscheint jedoch nicht die materielle Seite der Historie, die sich ja im Text verbergen solle. Denn nur Text könne überliefern, also solle der Text auch die Wahrheit kundtun. Während die phänomenologische Seite hierbei also einer textual geprägten Hermeneutik subordiniert wird, übernimmt der Text die Funktion schriftlicher Überlieferung. Diese jedoch ist in ihrer Prägung von anderer Art als die Überlieferungen, die mit der materiellen Seite einhergehen. Denn die materielle Seite der Historie wirkt in der Öffentlichkeit. Sie ist Öffentlichkeit in dem Sinne, dass der Erwartungshorizont der einzelnen Individuen durch diese Historie geformt wurde, bspw. das Rechtswesen oder die Kommodifizierung.
Wenn also die Hermeneutik übersieht, dass die Lebenswelt existiert und als solche ein Regelwerk hat, welches zwar von Hermeneutik umgriffen, nicht aber von Hermeneutik durchsetzt ist, dann fragt sich doch, wie man dieses Gebiet so greifen kann; dass es ersichtlich wird. Hier ist einmal der Weg der Geisteswissenschaft und der Ästhetik möglich, aber auch die Ethologie und Statistik – oder die soziologische Systemtheorie und eine Ebene „simulierter“ Gouvermentalität in der idealen Sprechsituation, die ja gerade ihren Sinn darin findet, auf eine optimale Situation zu verweisen, in der Gespräche unter Staaten und zwischen supranationalen Institutionen möglich ist.

Die Hermeneutik fragt noch metaphysisch, nicht bereits metabiologisch; nicht so als wäre Geist eine Ungenauigkeit, sondern als wäre Text und die ästhetische Anschauung gerade dies; also gerade Geist. Das ist sicher nicht verkehrt. Nur scheint die Frage, was damit gewonnen sei, sich seines Geistes zu versichern? Denn das Problem der Hermeneutik scheint ja, dass diese Richtung Vergangenheit blickt und am Mythos zum erliegen kommt, während es doch darum geht, dass Philosophie eine Perspektive nach Vorne und in Richtung der Praxis bringen soll; sonst wäre Philosophie ja dasselbe wie Religion.




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Jörn Budesheim
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Groot hat geschrieben :
Mi 2. Jun 2021, 15:14
wieso sollt es das nicht sein?
Wenn du das anders siehst, dann ist es ja prima. Ich für meinen Teil fühle mich nicht zu einem Gespräch eingeladen.




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Alethos
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Mi 2. Jun 2021, 21:56

Und ich verstehe die Hälfte oder mehr nicht. Gewiss ist das kein Grund zu behaupten, du hättest Unsinn geschrieben, Groot, ich verstehe es bloss nicht.

Es klingt aber auch sehr philosophisch gebildet, so, als würdest du dich an eine Denk-Elite von Superhirnen richten. Dazu zähle ich (leider) nicht.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

Groot
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Do 3. Jun 2021, 12:19

Das ist schade, dass ich unverständlich schreibe. Ich bemühe mich stets, so wenig abstrakt als möglich zu sein; es scheint nicht immer zu gelingen.

Ich hoffe immer auf Fragen, sodass dadurch dann Diskurs entsteht, der alle Beteiligten voranbringt. Aber diese Methode knallt dann Texte vor den Latz, die vielleicht manchmal sehr massiv erscheinen. Ich hoffe, das irgendwann in populärere Worten darlegen zu können.




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