Das Schöne in der Mathematik

Die Philosophie der Mathematik fragt, ob mathematische Objekte wie Zahlen existieren. Sie fragt nach der erstaunlichen Effektivität mathematischer Modelle in den Naturwissenschaften und wie mathematische Erkenntnisse gewonnen werden.
Timberlake
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Di 2. Jul 2024, 23:11

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Di 2. Jul 2024, 11:27
Timberlake hat geschrieben :
So 30. Jun 2024, 22:52
Das Schöne in der Mathematik fand ich zumeist jenseits dessen . So zusagen bei der reinen Form.
Stimmt.

Ich würde zB Schulkindern eines bestimmten Alters, mich auf Kognitionsforschung stützend, folgende Aufgabe vorlegen: Der Vater von Fritz möchte, daß sein Sohn lernt, sparsam und klug mit Geld umzugehen. Er hatte sich bei der Bank hunderte von 5o-cent-Münzen besorgt, dem Sohn als eigene Sammlung präsentiert, und nun hat Fritz selbst zu sammeln angefangen und besitzt bereits 37 Münzen. Jetzt schlägt der Vater folgendes Spiel vor: es soll enden, wenn einer nicht mehr genug bezahlen kann, oder nach einer von Fritz bestimmten Schrittzahl, und es läuft so ab: der Vater gibt im ersten Schritt eine Münze, der Sohn gibt im zweiten Schritt zwei Münzen zurück, dann im dritten Schritt gibt der Vater drei Münzen, dann der Sohn vier, dann der Vater fünf usw. Begrenzt Fritz die Schrittzahl, darf er die Münzen behalten, wenn er richtig voraussagt, wieviele Münzen er dann hat. Sagt er das Ergebnis falsch voraus, wird das Spiel annuliert, Fritz hat nichts gewonnen, nur seine ursprünglichen 37 Münzen.
Ob das für Kinder eine spannende oder in irgend einem Sinn schöne Aufgabe ist, sei dahingestellt.
Wie gesagt .. Textaufgaben und dazu würde diese Aufabe zählen , sind so ganz und gar nichts meines. Insofern das zumindest für mich weder eine spannende , geschschweige denn in irgend einem Sinn schöne Aufgabe ist
  • "Zuvörderst muß bemerkt werden: daß eigentliche mathematische Sätze jederzeit Urteile a priori und nicht empirisch sein, weil sie Notwendigkeit bei sich führen, welche aus Erfahrung nicht abgenommen werden kann. Will man aber dieses nicht einräumen, wohlan, so schränke ich meinen Satz auf die reine Mathematik ein, deren Begriff es schon mit sich bringt, daß sie nicht empirische, sondern bloß reine Erkenntnis a priori enthalte. Man sollte anfänglich zwar denken daß der Satz 7+5=12 ein bloß analytischer Satz sei, der aus dem Begriffe einer Summe von Sieben und Fünf nach dem Satze des Widerspruches erfolge"
    Kant ..Kritik der reinen Vernunft
Wenn ich denn das Schöne in der Mathematik gefunden habe , dann in dem , worauf Kant seinen Satz einschränkt , auf die reine Mathematik wie z.B wie bei 7+5=12. Gutmöglich eben weil man jenseits dessen ... "aber dieses nicht einräumen will( Kant )"




Wolfgang Endemann
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Mi 3. Jul 2024, 12:32

Timberlake hat geschrieben :
Di 2. Jul 2024, 23:11


Wenn ich denn das Schöne in der Mathematik gefunden habe , dann in dem , worauf Kant seinen Satz einschränkt , auf die reine Mathematik
Gut, da habe ich falsch reagiert. Ich hätte Dir eine reine Mathematikaufgabe stellen müssen. Daß die Aufgabe als solche nicht schön ist, habe ich ja selbst schon gesagt (kontextualisierte Mathematikaufgaben sind oft albern); die Schönheit muß im Beweis gesucht werden, oder auch schon im Akt der Formalisierung. In Deinem Fall hätte ich sofort die mathematisierte Problematik formulieren sollen. Darin zeigt sich übrigens, daß sich schon durch diese Abstraktion das Problem trivialisiert, das Verständnis erheblich gefördert wird.
Der Zeichensatz von LibreOffice enthält keine zusammengesetzten mathematischen Symbole, daher muß ich eine Substitution benutzen. Sei also die verallgemeinerte Summe von 1 bis n n-Summe genannt: n-ΣA(i) := A(1)+A(2)+....+A(n), exp(a,b) die Exponentialfunktion a hoch b.
Dann läßt sich, das empfinde ich auch schon als schön, die Aufgabe formalisieren wie folgt:
m sei die Anzahl der ursprünglich im Besitz von Fritz seienden Münzen (hier 37) Dann lautet die Funktion f, die der Schrittzahl des Spiels den jeweiligen Besitz an Münzen zuordnet:
f(n) = m + n-Σexp(-1,i+1)·i also
n f(n)
0 m
1 m+1
2 m-1
3 m+2
4 m-2
5 m+3
... ...
Fritz muß also das Spiel im m+2-ten Schritt beenden und kann dafür richtig voraussagen, daß er dann seine Münzzahl nicht nur verdoppelt hat, sondern noch zwei zusätzliche Münzen besitzt.
Ich finde die Formalisierung der Aufgabe und die darin erscheinende einfache Lösung schön.

Wenn Du nun noch mehr reine Mathematik haben willst, müßten Dir doch die Konstruktionen und Beweise in der axiomatisierten Geometrie gefallen, also ua der Satz des Pythagoras und sein Beweis. Darauf hatte ich schon in meinem Eingangsbeitrag hingewiesen. Da hätte ich ein wunderbares Beispiel für mathematische Schönheit anzubieten. Falls irgend wer Interesse daran hat, bitte melden, dann stelle ich das mal vor.




Timberlake
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Mi 3. Jul 2024, 14:04

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Mi 3. Jul 2024, 12:32
Timberlake hat geschrieben :
Di 2. Jul 2024, 23:11


Wenn ich denn das Schöne in der Mathematik gefunden habe , dann in dem , worauf Kant seinen Satz einschränkt , auf die reine Mathematik

Der Zeichensatz von LibreOffice enthält keine zusammengesetzten mathematischen Symbole, daher muß ich eine Substitution benutzen. Sei also die verallgemeinerte Summe von 1 bis n n-Summe genannt: n-ΣA(i) := A(1)+A(2)+....+A(n), exp(a,b) die Exponentialfunktion a hoch b.
Dann läßt sich, das empfinde ich auch schon als schön, die Aufgabe formalisieren wie folgt:
m sei die Anzahl der ursprünglich im Besitz von Fritz seienden Münzen (hier 37) Dann lautet die Funktion f, die der Schrittzahl des Spiels den jeweiligen Besitz an Münzen zuordnet:
f(n) = m + n-Σexp(-1,i+1)·i also
n f(n)
0 m
1 m+1
2 m-1
3 m+2
4 m-2
5 m+3
... ...
Fritz muß also das Spiel im m+2-ten Schritt beenden und kann dafür richtig voraussagen, daß er dann seine Münzzahl nicht nur verdoppelt hat, sondern noch zwei zusätzliche Münzen besitzt.
Ich finde die Formalisierung der Aufgabe und die darin erscheinende einfache Lösung schön.

"Schön" ist , dass mir diese rein formale Schreibweise , aus der Zeit , während meines Ingenieurstudiums , doch noch sehr bekannt vorkommt. Hingegen unschön ist , weil sei dem nicht mehr verwendet , dass ich heute , fast vierzig Jahre später , nun mehr bestenfalls nur noch erahnen kann, wie das Schöne dieser rein formalen Mathematik zu verstehen ist.

Wie dem auch sei, wenn es denn jenseits all dessen ein Beispiel für "Das Schöne in der Mathematik" gibt , dann ganz sicher in dem , wo sich quasi unmittelbar eine Schnittmenge zum "Schönen in der Natur" ergibt …





.. und zwar in der fraktalen Geometrie einer s.g. Mandelbrot-Menge

Erinnert sei in diesen Zusammenhang allerdings auch an den goldenen Schnitt der Fibonacci-Folge ..



Übrigens , wenn man dem. in dem Video Beschriebenen , glauben schenken darf , so scheint Trumps Frisur "Fibonacci zu folgen"
Zuletzt geändert von Timberlake am Mi 3. Jul 2024, 14:46, insgesamt 2-mal geändert.




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Quk
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Mi 3. Jul 2024, 14:29

Timberlake hat geschrieben :
Mi 3. Jul 2024, 14:04
... meine Ingenieurstudiums ...
Falls Du Du diese private Frage, die ich aus kollegialer Neugier stelle, beantworten möchtest: Welches Fach hast Du studiert?




Timberlake
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Mi 3. Jul 2024, 14:44

Quk hat geschrieben :
Mi 3. Jul 2024, 14:29
Timberlake hat geschrieben :
Mi 3. Jul 2024, 14:04
... meine Ingenieurstudiums ...
Falls Du Du diese private Frage, die ich aus kollegialer Neugier stelle, beantworten möchtest: Welches Fach hast Du studiert?
Aber selbstverständlich möchte ich diese Frage beantworten . Ich habe an der ehemaligen . Fachschule für Verkehrstechnik Dresden Maschinenbau, im Allgemeinem und Schienenfahrzeugtechnik , im Besonderen studiert.




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Quk
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Mi 3. Jul 2024, 14:59

Sehr schön.




Timberlake
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Mi 3. Jul 2024, 15:39

Schön war das alles aber für mich nicht. Ich hatte zwar , das doch sehr unschöne Ausleseverfahren des ersten Semesters nicht zuletzt wegen sehr guter Noten im Mathematik überstanden . (Spitzname ..Sinus Tangentus ) Aber irgendwie befand ich mich bei dem Ganzen , wo hier schon mal davon die Rede war , dann doch off topic auf einen falschen Dampfer.




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Quk
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Mi 3. Jul 2024, 19:26

Hast Du dann die Branche gewechselt und bist Philosoph geworden?




Wolfgang Endemann
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Do 4. Jul 2024, 14:15

Timberlake hat geschrieben :
Mi 3. Jul 2024, 14:04
wenn es denn jenseits all dessen ein Beispiel für "Das Schöne in der Mathematik" gibt , dann ganz sicher in dem , wo sich quasi unmittelbar eine Schnittmenge zum "Schönen in der Natur" ergibt …
Das ist einerseits richtig, die Schönheit der Fraktale hat eine sehr große Ähnlichkeit mit der Naturschönheit, etwa der der Blumen, andrerseits entspricht das, was ich als Schönheit in der Mathematik bezeichne, doch eher dem Kunstschönen. Denn im ersten Fall ist das Schöne eine unmittelbare Ordnung, eine einfache Einfachheit, während im zweiten die Abstraktion, die Reduktion eines Komplexen auf ein Einfaches, oder umgekehrt die Integration von Einfachem auf ein Komplexes, dh das Maß der Überbrückung des Komplexitätsunterschieds von Teil und Ganzem das spezifische Kriterium des Schönen ist. Man kann allerdings auch in beiden anderen Beispielen, den Blumen und den Fraktalen, dieses Maß finden. Einmal in der biologischen Funktionalität, die die Regelmäßigkeit produziert, das andere Mal in der rekursiven Struktur struktureller Ähnlichkeit. Da stellt sich dann auch diese bemerkenswerte Verstehfreude ein. Wobei die Naturschönheit der fraktalen sogar überlegen ist, weil sie durch die natürliche Art ihrer Entstehung das Ebenmaß bricht, die Fraktale dagegen zu ebenmäßig sind und daher einen dekorativen Charakter annehmen, der die Schönheit mindert, sie sind sozusagen zu "rein" abstrahiert. Naturschönheit zeigt sich auch in der Zerklüftetheit von steinigen Gebirgen, von überraschenden Äquipotentialstufen, zB Sinterterrassen.
Zur rekursiven Verknüpfung (integration) zu einem Ganzen bzw der rekursiven Analyzität möchte ich den Fraktalen und der Fibonaccifolge die mengentheoretische Konstruktion aus dem Nichts zur Seite stellen. die reine Zahlhaftigkeit wird konstruiert durch den Prozeß der inhaltslosen Mengenbildung. 0=Ø, wenn n, dann definiere ich n+1 := {n}.




Wolfgang Endemann
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Do 4. Jul 2024, 17:32

Nachtrag.
Besser ist es, die Repräsentanten der Kardinalzahlen expliziter zu definieren:
0 := Ø
Wenn n, dann n+1 := {n}U{{n}}, denn dann ist die Mächtigkeit der Menge unmittelbar an der Menge ablesbar.
Die Ordinalzahlen sind dann die geordneten Mengen {<0,1,....,n>}




Timberlake
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Do 4. Jul 2024, 19:40

Quk hat geschrieben :
Mi 3. Jul 2024, 19:26
Hast Du dann die Branche gewechselt und bist Philosoph geworden?
Im Sinne eines Broterwerbs , bin ich letztendlich jemand geworden, der nach der s. g.. Wende, auf Montage Fassadenelemente montiert hat und später als Schlosser , beispielsweise an Kurtz Formteilautomaten , Werkzeugwechsel und gelegentlich Reparaturarbeiten durchgeführt hat. Letzteres , also diese Schlosserarbeiten, das war übrigens für mich on topic und da war ich deshalb auf den richtigen Dampfer. Philosophie war für mich immer nur bloß ein Hobby. Etwas , was man als solches schön findet. Wenn es denn das Schöne in der Mathematik gibt , warum dann nicht auch in der Philosophie? Insofern ich Wolfgang Endemann durchaus beneide . Konnte er sich doch , im Gegensatz zu mir , dessen Faden an dem Schönen in der Mathematik gänzlich abgerissen ist , beides bewahren

Das Schöne in der Philosophie , wie auch das Schöne in der Mathematik.




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Quk
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Do 4. Jul 2024, 19:59

Interessant. Da gibt es wohl Schnittmengen zu meinen eigenen, lange vergangenen Lebensabschnitten in der Fabrik. Deren Härte, Geselligkeit, Melancholie im schönen wie im hässlichen, sollten wir einen Extra-Faden widmen, glaube ich.




Timberlake
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Do 4. Jul 2024, 20:30

Glaube ich auch . Zumal wenn das berufliche und in meinen Fall auch das private Milieu so ganz und gar nicht mit dem in Vereinbarung zu bringen ist, was hier gelegentlich diskutiert wird. Dazu würde ich übrigens auch das Thema dies Threads zählen. Man muss sich im Vergleich dazu nur mal das Fernsehprogramm ansehen. Bei all dem Schönen, Philosophie geschweige denn Mathematik findet dort praktisch nicht statt. Wie denn auch , wenn es doch , weil die breite Masse reflektierend , dieses Milieu letztendlich gemäß den Einschaltquoten bedient.




Timberlake
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Do 11. Jul 2024, 01:51

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Do 4. Jul 2024, 14:15
Timberlake hat geschrieben :
Mi 3. Jul 2024, 14:04
wenn es denn jenseits all dessen ein Beispiel für "Das Schöne in der Mathematik" gibt , dann ganz sicher in dem , wo sich quasi unmittelbar eine Schnittmenge zum "Schönen in der Natur" ergibt …
Das ist einerseits richtig, die Schönheit der Fraktale hat eine sehr große Ähnlichkeit mit der Naturschönheit, etwa der der Blumen, andrerseits entspricht das, was ich als Schönheit in der Mathematik bezeichne, doch eher dem Kunstschönen. Denn im ersten Fall ist das Schöne eine unmittelbare Ordnung, eine einfache Einfachheit, während im zweiten die Abstraktion, die Reduktion eines Komplexen auf ein Einfaches, oder umgekehrt die Integration von Einfachem auf ein Komplexes, dh das Maß der Überbrückung des Komplexitätsunterschieds von Teil und Ganzem das spezifische Kriterium des Schönen ist. Man kann allerdings auch in beiden anderen Beispielen, den Blumen und den Fraktalen, dieses Maß finden. Einmal in der biologischen Funktionalität, die die Regelmäßigkeit produziert, das andere Mal in der rekursiven Struktur struktureller Ähnlichkeit. Da stellt sich dann auch diese bemerkenswerte Verstehfreude ein.

Verstehfreude , die das Schöne in der Mathematik zur Voraussetzung hat , währenddessen das Schöne bei den Blumen und den Fraktalen ganz ohne Verstehfreude auskommt. In dem zur Mathematik auch die Grundrechenarten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division zählen , so sollte übrigens ein jeder , mit dieser Voraussetzung, das Schöne in der Mathematik nachvollziehen können. Einmal in der ... Funktionalität , die die Regelmäßigkeit produziert, das andere Mal in der rekursiven Struktur struktureller Ähnlichkeit. Nur das in diesem Fall sich diese funktionelle Regelmäßigkeit beispielsweise beim Bezahlen an der Supermarktkasse und einer rekursiven Struktur struktureller Ähnlichkeit , der auf dem Laufband befindlichen Artikel abspielt.
Im ersten Fall , dem Bezahlen , ist das Schöne eine unmittelbare Ordnung, eine einfache Einfachheit, während im zweiten , den Artikel , die Abstraktion, die Reduktion eines Komplexen auf ein Einfaches. Vorausgesetzt natürlich, dass für dich "andererseits" auch diese Grundrechenarten dem entsprechen , was du als Schönheit in der Mathematik bezeichnest , dem Kunstschönen.




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Quk
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Do 11. Jul 2024, 10:56

Mathematik kann manchmal auch zu unschönem führen und Verstehfrust auslösen. Gestern habe ich mein kleines Autolein in der Nähe einer Einmündung geparkt. Die Straßenecke dort ist rund, daher muss man den Schnittpunkt der letzten erkennbaren Geraden extrapolieren. Zwischen diesem Schnittpunkt und dem Auto wird eine Mindestentfernung gefordert mit dem Wert 5,0 in der Einheit Meter; dies lernte ich aus dem unterm Scheibenwischer geklemmten Verwarnzettel. Bei mir betrug der Wert frustrierenderweise nur 4,5. Zu diesem Betrag fügte sich bedauerlicherweise noch der Betrag 10 in der Einheit Euro. Die Mathematik ist da eiskalt. Nicht schön. Was nun? Wie sag ichs dem Vater, der Mutter, der Kinder siebenköpf'ger Schar?




Wolfgang Endemann
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Do 11. Jul 2024, 11:17

Das ist der Unterschied von Leben und Kunst, Wahrheit und Schönheit. Die Wahrheit löst interessenbedingt je nachdem Vestehfreude oder Verstehfrust aus. Die Schönheit ist befreit von Nützlichkeit, und kennt daher nur die Verstehfreude im interesselosen Wohlgefallen. Daher finden wir in der angewandten Mathematik Verstehfreunde und -qual, nur in der reinen Mathematik können wir folgenlos genießen. Wenn wir die Organlust des Denkens empfinden können.




Burkart
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So 14. Jul 2024, 23:09

Quk hat geschrieben :
Do 11. Jul 2024, 10:56
Mathematik kann manchmal auch zu unschönem führen und Verstehfrust auslösen. Gestern habe ich mein kleines Autolein in der Nähe einer Einmündung geparkt. Die Straßenecke dort ist rund, daher muss man den Schnittpunkt der letzten erkennbaren Geraden extrapolieren. Zwischen diesem Schnittpunkt und dem Auto wird eine Mindestentfernung gefordert mit dem Wert 5,0 in der Einheit Meter; dies lernte ich aus dem unterm Scheibenwischer geklemmten Verwarnzettel. Bei mir betrug der Wert frustrierenderweise nur 4,5. Zu diesem Betrag fügte sich bedauerlicherweise noch der Betrag 10 in der Einheit Euro. Die Mathematik ist da eiskalt. Nicht schön. Was nun? Wie sag ichs dem Vater, der Mutter, der Kinder siebenköpf'ger Schar?
Also da würde ich nicht gerade der Mathematik die Schuld dran geben ;) ...wie wäre es alternativ den Menschen und wenn schon nicht direkt ihnen der Physik, der Juristerei, dem Straßenverkehr...
Timberlake hat geschrieben :
Do 4. Jul 2024, 19:40
Wenn es denn das Schöne in der Mathematik gibt , warum dann nicht auch in der Philosophie?
Da ist sicher was dran. Als Unterschied sehe ich die Mathematik allerdings als etwas (abstrakt) Objektives an, über das man nicht groß streiten kann, im Gegensatz zur Philosophie.

Ja, mit Mathematik lassen sich einige Dinge schön einfach beweisen wie das Schachbrett-Färbe-Problem zeigt.
Manchmal kann sie auch Unintuitives gut beweisen, wenn man z.B. an das Ziegenparadoxon (3 Türen-Problem) denkt.

Persönlich finde ich es besonders schön (faszinierend), dass scheinbar einfache Dinge sehr kompliziert werden können wie das bisher unbewiesene Achterbahn-(Collatz-)Problem (3n+1-Vermutung).



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Wolfgang Endemann
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Mo 15. Jul 2024, 23:40

Burkart hat geschrieben :
So 14. Jul 2024, 23:09

Ja, mit Mathematik lassen sich einige Dinge schön einfach beweisen wie das Schachbrett-Färbe-Problem zeigt.
Manchmal kann sie auch Unintuitives gut beweisen, wenn man z.B. an das Ziegenparadoxon (3 Türen-Problem) denkt.
Der Reiz von Paradoxien liegt in ihrer scheinbaren Logizität, obwohl man zu unauflösbaren Widersprüchen kommt. Oder ihrer Logik, die scheinbare Widersprüche erzeugt. Die Auflösung der Paradoxie ist sehr befriedigend und kann als schön empfunden werden.
Im Falle des Ziegenparadoxons freilich meine ich, daß nicht Unintuitives gut bewiesen, sondern in einer Scheinlösung erschlichen wurde. Der Fehler in der Scheinauflösung besteht darin, daß die ursprüngliche Wahrscheinlichkeit sich durch die Aufdeckung einer falschen Lösung für die Alternative, die ursprüngliche Wahl beizubehalten oder zu wechseln, sich verändert, von 1/3 zu 1/2, aber das gilt ja für beide verbleibenden Möglichkeiten der Beibehaltung der ursprünglichen Wahl oder des Wechsels auf die zweite noch verschlossene Tür. Für mich ist nach wie vor die intuitive Lösung richtig, es macht keinen Unterschied, zu wechseln oder nicht, da mit der zusätzlichen Information die relative (bedingte) Wahrscheinlichkeit für die zur Wahl stehenden Möglichkeiten gleichbleibt. Oder habe ich die Aufgabe falsch verstanden?

Daß nicht nur die Auflösung von Problemen, sondern auch das Auftauchen von Problemen bei Sachverhalten, die intuitiv als klar erschienen, reizvoll oder "schön" sein kann, sehe ich genauso.




Wolfgang Endemann
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Di 16. Jul 2024, 12:11

Wir hatten hier schon über die Verstehfreude geredet und darin ein nicht unwesentliches Moment des Schönheitserlebnisses gefunden. Ich glaube tatsächlich, daß Mathematik lernen die Schönheit der Mathematik kennen lernen bedeutet. Ich bin kein Didaktiker, weiß nicht, wie heute das Mathematiklernen organisiert wird. Ich möchte aber mal an einem Beispiel demonstrieren, wie ich es mir vorstelle, und ich hoffe auf Zustimmung, aber Widerspruch wäre mir auch recht.

Wenn ich also Lehrer wäre, würde ich zu einem geeigneten Zeitpunkt, der von der Kognitionswissenschaft bestimmt werden müßte, den Kindern, nachdem sie das kleine 1x1 gelernt haben, sagen: "So, nun vergeßt mal, was Rechnen ist, jetzt beginnen wir mit Mathematik. Wenn wir weiter Rechnen lernen wollten, käme jetzt das große 1x1 dran, damit meine ich nicht das ganz große, sondern nur das bis 20·20; es wäre ganz nützlich, das zu können, manche Lehrer halten das für unverzichtbar. Ich schlage aber etwas anderes vor: wir machen uns klar, wie man das große 1x1 so vereinfachen kann, daß wir es in ein Rechnen mit dem kleinen 1x1 überführen können. Aus einem schwierigen Rechenschritt werden vier einfache, die wir schon beherrschen. Wenn u, v, x, y Ziffern sind, berechnen wir:
1v · 1y = 10·1y + v·1y = 1y0 + v·1y
v·1y = 10·v + v·y = v0 + v·y
1v · 1y = 1y0 + v0 + v·y
So ist das große 1x1 auf das kleine zurückgeführt. Ganz fundamental muß hier noch etwas anderes gelernt werden, nämlich der Unterschied von Ziffernschreibweise und Multiplikation, denn wir vereinfachen oft die Multiplikation durch weglassen des Verknüpfungszeichens ·, schreiben xy statt x·y, das führt zu Verwechslungen, wenn die Variablen nicht für Zahlen, sondern für Ziffern stehen. So lernt man etwas über die mathematische Syntax.

Hat man das begreifen gelernt, ist der nächste kleine Schritt das ganz große 1x1 mit allgemeinen Ziffern u, v, x, y.
uv · xy = (u·10 + v) · (x·10 + y) = u·x·100 + u·y·10 + v·x·10 + v·y
Das also die Zurückführung des ganz großen 1x1 auf das kleine. Es setzt allerdings einen Denkschritt voraus, der keineswegs intuitiv klar ist. Um so zu verallgemeinern, ist es notwendig, die algebraische Struktur des Rechnens mit ganzen Zahlen zu verstehen, in diesem Fall das Distributivgesetz. Man muß Kommutativ-, Assoziativ- und Distributivgesetz verstanden haben. Und damit sind wir in der Mathematik, Rechnen ist durch Denken und Verstehen ersetzt.




Wolfgang Endemann
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So 21. Jul 2024, 12:02

Noch ein schlagendes Beispiel für Schönheit in der Mathematik. Ich zitiere hier einen Beweis, der in einem parallelen Thread angesprochen wurde.

Ich setze die elementare Arithmetik, insbesondere die rekursive Definition der natürlichen Zahlen und die elementaren Operationen + und · voraus. Dann definiere ich die Primzahleigenschaft durch:
P(x) :↔ {x⌡y<x→y teilt nicht x}

Gibt es viele oder nur wenige Primzahlen? Das ist tatsächlich eine interessante Frage, die für die Kenntnis der natürlichen Zahlen eine große Bedeutung hat. Wenn wir uns das anschauen, stoßen wir zunächst auf sehr viele Primzahlen, dann aber immer seltener, und das ist natürlich evident, denn je mehr Primzahlen wir schon gefunden haben, desto mehr natürliche Zahlen werden als Vielfache von Primzahlen und Primzahlprodukten als Nichtprimzahlen ausgesondert. Könnte es da nicht sein, daß irgendwann alle Zahlen ausgesondert sind? Hierauf liefert der Primzahlsatz eine Antwort: es gibt unendlich viele Primzahlen. Man beachte, daß das eine Aussage über die Gesamtheit aller unendlich vielen natürlichen Zahlen ist. Wie kann man etwas streng mathematisch beweisen über eine unendliche Fallmenge? Indem man alle Fälle durch ein Rekursionsverfahren erfaßt (das nennt man vollständige Induktion), oder indem man einen indirekten Beweis führt, man nimmt die Eigenschaft an, in diesem Fall die Eigenschaft der Nichtunendlichkeit (daß es also nur endlich viele Exemplare gibt), und zeigt dann, daß man ein weiteres Exemplar erzeugen kann. Das ist ein Widerspruch, daher muß die Annahme falsch sein.

Ich würde im Primzahlsatz zunächst eine eher nichtevidente Vermutung sehen. Seine Beweisbarkeit ist also alles andere als trivial, und man muß in Mathematik ziemlich geübt sein, um selbst auf diesen Beweis zu kommen. Und dennoch, der Beweis ist kinderleicht nachzuvollziehen. Wenn ich gegrübelt habe, ob und wie er zu beweisen ist, dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen, wenn ich ihn vor mir sehe. Jedes Schulkind kann ihn verstehen. Die Schönheit, oder vielleicht ist besser von Faszination zu sprechen, dieses Beweises ist die Fallhöhe von Rätselhaft zu Gelöst. Es ist, als wenn ich in einem Vexierbild auf einmal die andere Sicht entdecke.

Der Beweis: Dazu benötige ich nur die Verallgemeinerung der Produktfunktion auf beliebig viele Faktoren und die entsprechende Schreibweise. Habe ich eine endliche Zahlenmenge, kann ich diese der Größe nach ordnen und komme damit zu einer Aufzählung der Menge mit der größten Zahl x(n): {x(i)⌡i≤n}. Das verallgemeinerte Produkt ∏x(i) ist dann das Produkt aus allen Zahlen x(i). Dies ist eine Verallgemeinerung der Fakultätfunktion: x! := ∏x(i) = ∏i , wo x(i)=i.
Mit dieser Schreibweise läßt sich der Beweis exakt formulieren.

Sei P(x) die geordnete Menge aller Primzahlen bis zur Größe m:
P(x) := {x⌡x≤m und x ist Primzahl}
Entgegen dem Prinzahlsatz nehme ich an, es gäbe eine größte Primzahl m.
Dann bilde ich die Zahl z := 1 + ∏x(i) mit x(i) aus P (also i≤m).
Wäre m die größte Primzahl, dann dürfte z keine Primzahl sein, da z>m.
Dann muß es eine Primzahl x(n) aus P geben, die z teilt.
x(n) ist jedoch ein Faktor in ∏x(i), teilt also ∏x(i).
Die einzige Zahl, die sowohl ∏x(i) als auch 1+∏x(i) teilt, ist 1, also gibt es keine Primzahl aus P, die z teilt, also ist z eine Primzahl >x(m).




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