Einen Tisch wahrnehmen

Im Zuge der philosophischen und Debatten der letzten 30 Jahre sind Theorien des Schönen und philosophisch inspirierte Theorien medialer Erfahrungen zunehmend in den Vordergrund gerückt.
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Jörn Budesheim
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Di 11. Okt 2022, 21:16

Das soll kein weiterer Thread sein über Erkenntnistheorie sein oder Spektizismus. In diesem Faden gilt es daher als gesetzt, dass es erstens Tische gibt und dass wir sie zweitens wahrnehmen können.

Außerdem soll es um die Wahrnehmung von Menschen und nicht etwa von Hunden oder Katzen gehen. Der Gegenstand der Wahrnehmung soll explizit ein Tisch sein, und nicht etwa ein Stein. Denkbar und passend wäre z.b, die Wahrnehmung eines unaufgeräumten Schreibtisches zu thematisieren.

Ziel ist, von mir aus auch auf lockere Art und Weise, den Begriff der Wahrnehmung nachzuspüren und ihn etwas zu vertiefen.




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AufDerSonne
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Di 11. Okt 2022, 22:19

Aber eine Frage hätte ich schon noch.
Nehmen wir einen bestimmten Tisch an, also ist die Idee, dass wir alle vom gleichen Tisch reden oder kann das irgendein Tisch sein?



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Jörn Budesheim
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Mi 12. Okt 2022, 06:25

Irgendein Tisch. Die Idee dabei ist, das Szenario realistischer zu machen, also die Vorstellung beiseite zu schieben, dass wir es, wenn wir etwas wahrnehmen, im Wesentlichen mit Dingen zu tun haben, die "unabhängig" von uns existieren.




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AufDerSonne
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Mi 12. Okt 2022, 08:18

In dem Buch von Russell, das ich gerade lese, geht es um genau diese Frage. Wie nehmen wir einen Tisch wahr?
Möglicherweise macht die Unterscheidung in Erscheinung und Wirklichkeit Sinn für die Diskussion.

Dazu kann man sich zwei Fragen stellen:
1. Gibt es überhaupt einen wirklichen Tisch?
2. Wenn ja, was für eine Art Gegenstand kann das sein?

Weiter unterscheidet Russel zwischen Sinnesdaten und Empfindung. Sinnesdaten sind zum Beispiel, die Farbe des Tisches, die Härte, Gerüche, Geräusche, wenn wir darauf klopfen usw.
Empfindung ist das Erlebnis, das wir haben, wenn wir den Tisch wahrnehmen.
Wenn man den Tisch einen materiellen Gegenstand nennt, dann kann man obige Fragen auch anders formulieren.
1. Gibt es so etwas wie Materie?
2. Wenn ja, worin besteht das Wesen dieser Materie?

Dann kann man sich noch fragen. Existiert der Tisch unabhängig von uns (von mir)? Und wieso sind wir so sicher, dass der Tisch auch dann da ist, wenn wir ihn gerade nicht wahrnehmen? Etwa, wenn wir schnell in die Küche einen Kaffee holen gehen?



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Lucian Wing
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Mi 12. Okt 2022, 08:32

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 08:18

Dann kann man sich noch fragen. Existiert der Tisch unabhängig von uns (von mir)? Und wieso sind wir so sicher, dass der Tisch auch dann da ist, wenn wir ihn gerade nicht wahrnehmen? Etwa, wenn wir schnell in die Küche einen Kaffee holen gehen?
Man muss unterscheiden zwischen "existieren" und "da sein". Wäre der Tisch nach dem Kaffeeholen weg, ist das kein hinreichender Grund, um an seiner Existenz zu zweifeln.



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AufDerSonne
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Mi 12. Okt 2022, 08:44

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 08:32
AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 08:18

Dann kann man sich noch fragen. Existiert der Tisch unabhängig von uns (von mir)? Und wieso sind wir so sicher, dass der Tisch auch dann da ist, wenn wir ihn gerade nicht wahrnehmen? Etwa, wenn wir schnell in die Küche einen Kaffee holen gehen?
Man muss unterscheiden zwischen "existieren" und "da sein". Wäre der Tisch nach dem Kaffeeholen weg, ist das kein hinreichender Grund, um an seiner Existenz zu zweifeln.
Du hast recht. Meinst du es so, dass "da sein" bedeutet, dass der Tisch an einem bestimmten Ort ist?
Während "existieren" bedeutet, dass es ihn überhaupt gibt, egal wo er gerade ist?



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AufDerSonne
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Mi 12. Okt 2022, 09:10

Ich habe gerade im anderenThread, Felder, gelesen. Dort geht es um Felder und Raumpunkte und so.
Und jemand hat geschrieben, die Frage, die sich Philosophen stellen dürfen in diesem Zusammenhang ist...(ahasver)

Ich sehe es anders. Die Philosophen haben den Vorteil, dass sie die Physik ausblenden können. Ihr Zugang zum Thema Existenz ist viel breiter als der des Physikers.
Aber wenn ein Philosoph es für angebracht hält, dann kann er Raum und Zeit voraussetzen, um gewisse Tatsachen zu erklären. Muss aber nicht. Das macht die Philosophie geschmeidiger als die Physik, die auf Raum, Zeit und Materie beschränkt ist.



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Jörn Budesheim
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Mi 12. Okt 2022, 09:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Okt 2022, 21:16
In diesem Faden gilt es daher als gesetzt, dass es erstens Tische gibt und dass wir sie zweitens wahrnehmen können.
AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 08:18
1. Gibt es überhaupt einen wirklichen Tisch?




Burkart
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Mi 12. Okt 2022, 10:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 11. Okt 2022, 21:16
Das soll kein weiterer Thread sein über Erkenntnistheorie sein oder Spektizismus. In diese Faden gilt es daher als gesetzt, dass es erstens Tische gibt und dass wir sie zweitens wahrnehmen können.

Außerdem soll es um die Wahrnehmung von Menschen und nicht etwa von Hunden oder Katzen gehen. Der Gegenstand der Wahrnehmung soll explizit ein Tisch sein, und nicht etwa ein Stein. Denkbar und passend wäre z.b, die Wahrnehmung eines unaufgeräumten Schreibtisches zu thematisieren.

Ziel ist, von mir aus auch auf lockere Art und Weise, den Begriff der Wahrnehmung nachzuspüren und ihn etwas zu vertiefen.
Mir ist (auch!?) nicht klar, was es genauer nachzuspüren und zu vertiefen gibt. Dass Mensch mit seinen Sinnen wahrnimmt, ist ja irgendwie klar.



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Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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AufDerSonne
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Mi 12. Okt 2022, 10:35

Burkart hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 10:13

Mir ist (auch!?) nicht klar, was es genauer nachzuspüren und zu vertiefen gibt. Dass Mensch mit seinen Sinnen wahrnimmt, ist ja irgendwie klar.
Ja, ich denke auch. Das Thema wäre dann darauf beschränkt, wie unser Sinnesorgane funktionieren, also Augen und Ohren und Tastsinn.
Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, wenn man Existenz und Wahrnehmung strikt trennt.



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Jörn Budesheim
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Mi 12. Okt 2022, 10:40

Burkart hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 10:13
Dass Mensch mit seinen Sinnen wahrnimmt, ist ja irgendwie klar.
Das ist sicher nicht richtig. Zwar könnten wir ohne die traditionellen Sinne nicht wahrnehmen, aber um einen Tisch wahrzunehmen, braucht es offensichtlich deutlich mehr. Denn wir nehmen den Tisch ja als Tisch bzw., als unordentlichen Tisch wahr. Das heißt, unsere Wahrnehmung hat eine starke begriffliche "Komponente". Etwas als etwas sehen, ist schließlich eine begriffliche Fähigkeit und hat damit auch die damit zusammenhängenden normative Aspekte.

Wie aber kommen wir zu den meisten (nicht allen) Begriffen? Man bringt sie uns bei. Viele Begriffe lernen wir. Grundlegend sind dabei Episoden, in denen wir mit anderen triangulieren. Der Vater zeigt auf etwas und wir lernen im Zuge solcher Blickführungsepisoden, was was ist. Das da ist ein Tisch. Wahrnehmen hat also eine starke soziale Komponente.

Ein ganz anderer Aspekt. Besonders faszinierend finde ich Folgendes: Der Tisch ist uns ja stets nur in einer bestimmten Perspektive gegeben. Die Tischplatte ist darin geometrisch "verzerrt/verkürzt". Dennoch sehen wir ineins, dass die Platte ein Rechteck bildet und keineswegs an sich selbst "krumm" oder verzerrt ist. Das ist beeindruckend. Bei kleinen Kindern liegen die Dinge wohl noch heftiger. Vor kurzem hab ich dazu einen kurzen Text gelesen. Wenn Kinder einen Teller zeichnen, zeichnen sie in der Regel nicht, was sie "geometrisch/perspektivisch" sehen, also ein Oval, sondern, was sie "wissen", nämlich einen Kreis.

Manche Kinder, die (eine gewisse Periode) unter einer besonderen Form von "Autismus" (oder wie auch immer diese Krankheit heißt) leiden, zeichnen demgegenüber besonders "realistisch", also Ovale. Wenn diese Krankheit verschwindet, dann verschwinden damit zugleich ihre Fähigkeiten als "realistische" Zeichner. Das heißt, sie zeichnen dann wieder Kreise statt Ovale.

Viele stellen sich Wahrnehmen so vor, als seinen wir im Grunde kaum mehr als "biologische Überwachungskameras". Aber das trifft nicht den phänomenalen Befund.




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Mi 12. Okt 2022, 10:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 10:40
Ein ganz anderer Aspekt. Besonders faszinierend finde ich Folgendes: Der Tisch ist uns ja stets nur in einer bestimmten Perspektive gegeben. Die Tischplatte ist darin geometrisch "verzerrt/verkürzt". Dennoch sehen wir ineins, dass die Platte ein Rechteck bildet und keineswegs an sich selbst "krumm" oder verzerrt ist. Das ist beeindruckend. Bei kleinen Kindern liegen die Dinge wohl noch heftiger. Vor kurzem hab ich dazu einen kurzen Text gelesen. Wenn Kinder einen Teller zeichnen, zeichnen sie in der Regel nicht, was sie "geometrisch/perspektivisch" sehen, also ein Oval, sondern, was sie "wissen", nämlich einen Kreis.

Manche Kinder, die (eine gewisse Periode) unter einer besonderen Form von "Autismus" (oder wie auch immer diese Krankheit heißt) leiden, zeichnen demgegenüber besonders "realistisch", also Ovale. Wenn diese Krankheit verschwindet, dann verschwinden damit zugleich ihre Fähigkeiten als "realistische" Zeichner. Das heißt, sie zeichnen dann wieder Kreise statt Ovale.

Viele stellen sich Wahrnehmen so vor, als seinen wir im Grunde kaum mehr als "biologische Überwachungskameras". Aber das trifft nicht den phänomenalen Befund.
Und damit stellst du doch einen Bezug zur Existenz des Tisches her. Wenn wir ihn aus verschiedenen Perspektiven betrachten.
Das ist richtig. Sogar die Farbe kann sich deutlich ändern, je nach Blickpunkt.



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Jörn Budesheim
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Mi 12. Okt 2022, 11:07

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 10:56
Und damit stellst du doch einen Bezug zur Existenz des Tisches her.
Das ist einfach nicht das Thema des Fadens. Es ist in diesem Faden vorausgesetzt, dass der Tisch existiert. Das steht nicht infrage. Es ist ebenso vorausgesetzt, dass wir ihn wahrnehmen können. Es geht also nicht um "Epistemologie". Es geht um unsere, also die menschliche Wahrnehmung. Beispiel ist der Tisch - oder von mir aus auch andere Dinge, die wir selbst geschaffen haben - say Kulturgüter.




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Jörn Budesheim
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Mi 12. Okt 2022, 11:27

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 10:56
Sogar die Farbe kann sich deutlich ändern, je nach Blickpunkt
Aber liegen die Dinge wirklich so? Wenn sich das Licht ändert, sodass der Tisch anders erscheint, dann nehmen wir ja gerade NICHT wahr, dass der Tisch seine Farbe ändert. Sondern wir nehmen wahr, dass die Farbe gleich bleibt und nur anders erscheint (wenn überhaupt). Wir nehmen also trotz der Änderungen des Lichts die konstante Farbe wahr.




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Lucian Wing
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Mi 12. Okt 2022, 11:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 11:07
- say Kulturgüter.
Womit auch das Stichwort gefallen ist, wie du oben schon darauf hingewiesen hast.

Rein wahrnehmungstheoretisch gesehen nehmen wir ein Objekt, eine auf eine bestimmte Art und Weise zusammengesetzte Ansammlung von Molekülen wahr, die uns "erscheinen". Dass wir das Objekt als "Tisch" wahrnehmen, ist kulturell vermittelt. Wir müssen dazu lernen, über das Wort zum Begriff zu kommen und dafür immer mehr über diese Ansammlung wissen, um eine solche als Tisch zu identifizieren.

Ist spannend, weil ich das seit einem Jahr mit einem kleinen Kind (jetzt 26 Monate alt) erlebe, dieses Lernen. Am coolsten war der Buddha, das dritte Wort das der Kleine konnte. Obwohl die Figuren hier im Haus von sehr unterschiedlicher Machart und Gestalt und aus unterschiedlichsten Materialien gefertigt sind, erkennt er solche Figuren schon seit er 15 Monate alt ist zielsicher, ohne dass jemand ihm das bei jeder einzelnen Figur gesagt hätte. Natürlich noch ohne zu wissen, was sich mit dem Begriff des Buddhas verbindet.

Ich nehme an, dass ein Mensch aus einer Kultur, die keine Tische kennt, keinen Tisch, sondern etwas anderes sehen würde. Aber ich glaube, wir können hier den Tisch nicht in Wahrnehmungselemente und Wissenselemente zerlegen, also den Begriff für das Objekt im Wahrnehmungsvorgang isolieren, Denken von Wahrnehmen trennen.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Jörn Budesheim
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Mi 12. Okt 2022, 11:53

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 11:41
Denken von Wahrnehmen trennen
Das liegt wohl daran, dass Denken selbst eine Form von Wahrnehmen ist. Aber das wäre ein anderer Faden.




sybok
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Mi 12. Okt 2022, 12:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 11:07
[Das ist einfach nicht das Thema des Fadens. Es ist in diesem Faden vorausgesetzt, dass der Tisch existiert. Das steht nicht infrage. Es ist ebenso vorausgesetzt, dass wir ihn wahrnehmen können. Es geht also nicht um "Epistemologie". Es geht um unsere, also die menschliche Wahrnehmung. Beispiel ist der Tisch - oder von mir aus auch andere Dinge, die wir selbst geschaffen haben - say Kulturgüter.
Also geht es dir um Sinn und Unsinn von Kategorien und Kategorisierung?
Diese basiert mMn auf statistischer Inferenz, wie Du und Lucien Wing bereits schrieben, Kategorisierung wird ja von der Gemeinschaft vermittelt, in die man geboren wird. Klassisches Beispiel das in solchen Zusammenhängen immer wieder mal genannt wird ist ja die chinesische Taxonomie der Lebewesen: "Tiere die dem Kaiser gehören", "Tiere die beissen",... .
Mir ist aber auch noch nicht ganz klar, worauf der Thread sich fokussieren möchte, lockere Assoziationen / "Brainstorming", Sapir-Whorf, Kategorisierung und seine Widersprüche (Schiff von Theseus), ...?




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Jörn Budesheim
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Mi 12. Okt 2022, 12:05

sybok hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 12:00
Also geht es dir um Sinn und Unsinn von Kategorien und Kategorisierung?
Nein, darum geht es mir nicht. Deswegen schreibe ich gleich zu Beginn, dass eine der Voraussetzungen ist, dass es Tische gibt. Es gibt Tische und wir können sie wahrnehmen. Das ist eine der Voraussetzungen des Fadens.




sybok
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Mi 12. Okt 2022, 12:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 12:05
sybok hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 12:00
Also geht es dir um Sinn und Unsinn von Kategorien und Kategorisierung?
Nein, darum geht es mir nicht. Deswegen schreibe ich gleich zu Beginn, dass eine der Voraussetzungen ist, dass es Tische gibt. Es gibt Tische und wir können sie wahrnehmen. Das ist eine der Voraussetzungen des Fadens.
Ja ok, aber ich hätte mir gedacht, dass es Tische geben kann und wir sie aber nicht als solche bezeichnen. Das wäre ja dann die Krux zwischen "Objekt existiert" und "Wahrnehmung des Objektes". Du schreibst ja auch von dem Zusammenhang des existierenden Objektes und der entsprechenden Wahrnehmung die über Sprache läuft. Wenn wir aber keinen Begriff, keine Kategorie bilden würden, würden wir den - trotzdem existierenden - Tisch nicht als solchen wahrnehmen (aber trotzdem, im Sinne von Reizverarbeitung, wahrnehmen), oder nicht?
Anders gesagt, wenn man davon ausgeht, dass "Tisch existiert" mit "Kategorie 'Tisch' ist objektiv gesehen gerechtfertigt" gleichsetzt, dann verstehe ich Deine und Lucien Wings Gedanken bezüglich Kultur nicht. Denn dann gibt es den Tisch objektiv, für alle Menschen in allen Zeiten unabhängig von deren Kulturen, oder?




Burkart
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Mi 12. Okt 2022, 12:57

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 10:40
Burkart hat geschrieben :
Mi 12. Okt 2022, 10:13
Dass Mensch mit seinen Sinnen wahrnimmt, ist ja irgendwie klar.
Das ist sicher nicht richtig.
Doch, ist es, wenn du den Satz nur nicht so als falsch verstehen wollen würdest.
Aber schön, dass ich dir nun ein paar Stichpunkte hervorlocken konnte, über die man sprechen kann.
Zwar könnten wir ohne die traditionellen Sinne nicht wahrnehmen, aber um einen Tisch wahrzunehmen, braucht es offensichtlich deutlich mehr. Denn wir nehmen den Tisch ja als Tisch bzw., als unordentlichen Tisch wahr. Das heißt, unsere Wahrnehmung hat eine starke begriffliche "Komponente". Etwas als etwas sehen, ist schließlich eine begriffliche Fähigkeit und hat damit auch die damit zusammenhängenden normative Aspekte.
Das ist ja auch völlig richtig. Sobald wir etwas wahrnehmen, vor allem sehen, assoziieren wir mit den Sinnesdaten sehr schnell etwas Bekanntes, z.B. eben einen Tisch, das oft genug mit einem (sprachlichen) Begriff leicht verknüpfbar ist.
Wie aber kommen wir zu den meisten (nicht allen) Begriffen? Man bringt sie uns bei. Viele Begriffe lernen wir. Grundlegend sind dabei Episoden, in denen wir mit anderen triangulieren. Der Vater zeigt auf etwas und wir lernen im Zuge solcher Blickführungsepisoden, was was ist. Das da ist ein Tisch. Wahrnehmen hat also eine starke soziale Komponente.
Auch einverstanden. Übrigens stelle ich mir die Begriffsbildung für eine mögliche KI sehr ähnlich vor.
Ein ganz anderer Aspekt. Besonders faszinierend finde ich Folgendes: Der Tisch ist uns ja stets nur in einer bestimmten Perspektive gegeben. Die Tischplatte ist darin geometrisch "verzerrt/verkürzt". Dennoch sehen wir ineins, dass die Platte ein Rechteck bildet und keineswegs an sich selbst "krumm" oder verzerrt ist. Das ist beeindruckend. Bei kleinen Kindern liegen die Dinge wohl noch heftiger. Vor kurzem hab ich dazu einen kurzen Text gelesen. Wenn Kinder einen Teller zeichnen, zeichnen sie in der Regel nicht, was sie "geometrisch/perspektivisch" sehen, also ein Oval, sondern, was sie "wissen", nämlich einen Kreis.

Manche Kinder, die (eine gewisse Periode) unter einer besonderen Form von "Autismus" (oder wie auch immer diese Krankheit heißt) leiden, zeichnen demgegenüber besonders "realistisch", also Ovale. Wenn diese Krankheit verschwindet, dann verschwinden damit zugleich ihre Fähigkeiten als "realistische" Zeichner. Das heißt, sie zeichnen dann wieder Kreise statt Ovale.

Viele stellen sich Wahrnehmen so vor, als seinen wir im Grunde kaum mehr als "biologische Überwachungskameras". Aber das trifft nicht den phänomenalen Befund.
Ja, der normale Mensch lernt i.a., den dreidimensionalen Raum so zu verarbeiten, wie er ist, und nicht, wie er ihn nur wahrnimmt.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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