Was ist eine Person?
- Jörn Budesheim
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Ich sehe nicht die geringsten Indizien, warum ich Tauben Personenstatus zuschreiben sollte.
Bekanntlich sind mir Begriffsdebatten egal. Hier schlage ich eine Alternative vor:
Personen sind all diejenigen Akteure, die einen Personalausweis oder Reisepass besitzen. Tauben haben keinen. Und zwar deshalb, weil sie keine Taschen haben.
Personen sind all diejenigen Akteure, die einen Personalausweis oder Reisepass besitzen. Tauben haben keinen. Und zwar deshalb, weil sie keine Taschen haben.
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Solche Debatten sind wichtig, zum Beispiel auch für die Tierethik. Meines Erachtens sind sie weit davon entfernt, bloß Begriffsdebatten (was immer du damit meinst) zu sein, es geht schließlich darum, ob wir die Wirklichkeit angemessen erfassen, also mit einem guten, den Tatsachen entsprechenden Verständnis der fraglichen Begriffe.
Nebenbei: Wer Person ist, hat sicher andere Rechtsansprüche als Nichtpersonen. So was könnte weitreichende Folgen haben.
Nebenbei: Wer Person ist, hat sicher andere Rechtsansprüche als Nichtpersonen. So was könnte weitreichende Folgen haben.
Es liegt ja auch aus der abendländischen Tradition heraus nahe, dass man das Personsein als etwas Beharrendes, Dauerhaftes und sozusagen Substanzielles auffasst. Ich würde es aber stärker empirisch sehen: Nämlich so, dass Personalität etwas ist, das mal mehr mal weniger ausgeprägt ist, je nach konkretem Bewusstseinszustand. Je klarer ich über mir selbst und den Dingen stehe, desto mehr tritt meine Personalität in emanzipierter Form hervor, während sie sich in Fällen von Ekstase, starkem affektivem Betroffensein oder auch bei manchen Psychopathologien sehr weitgehend zurückziehen kann. Schlaf ist aus meiner Sicht tatsächlich kein personaler Zustand, denn im Schlaf bin ich ja sowieso ohne Bewusstsein. Aber klar, wenn ich aufwache, dann ist - wenn 'ich wieder zu mir komme'! - die Personalität meistens sehr schnell wieder da.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 16:10Ich meine jedoch, dass wir unser ganzes Leben in kompletter zeitlicher Ausdehnung sind, vom Anfang bis zum Ende. Und der Personenstatus "vererbt" sich gleichsam darauf, sonst hätten wir ja auch im Schlaf keinen Personenstatus, oder? Aber diese Argumente sind aus der Hüfte geschossen.
Ich würde kurzum sagen, dass Personsein eine empirische Zuständlichkeit ist, die nicht das ganze Leben über konstant vorliegt. Aber dass der Mensch grundsätzlich die Fähigkeit zur Personalität hat - d.h. eine große Spannweite zwischen Zuständen mit klarem Selbstverhältnis einerseits und vielfältigen Weisen der Depersonalisierung andererseits - das würde ich auf jeden Fall sagen.
Unangemessen bezüglich der persönlichen Wirklichkeit finde ich beispielsweise, Tauben auszuschließen und zugleich Delfine einzuschließen, und für diese Diskriminierung nicht einen einzigen Grund zu nennen. Das halte ich für beliebige Willkür, und wegen dieser Beliebigkeit kann ich solche Begrifflichkeiten auch nicht ernst nehmen. Warum beteilige ich mich dann? Um es hier und da etwas bunter zu machen, und um in Consuls endlosen Zitiertapeten ein paar Luftlöcher zu stanzen, zum Selberatmen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 16:27... es geht schließlich darum, ob wir die Wirklichkeit angemessen erfassen ...
Wir können es uns doch einfach mal leicht machen, und die Frage nach den Tieren ganz außen vorlassen. Wir können uns doch einfach erstmal an das halten, worüber wir etwas klarere Aussagen treffen können, und das ist doch das Personsein beim Menschen.
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Ich denke nicht, dass ich etwas Beharrendes, Dauerhaftes oder Substanzielles bin, denn schließlich ändere ich mich durchaus, teilweise sogar ziemlich krass. Ich bin heute sicherlich ziemlich anders, als ich mit 25 z.B. war. Aber diese Änderungen sind halt meine Änderungen.RoloTomasi hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 17:08Es liegt ja auch aus der abendländischen Tradition heraus nahe, dass man das Personsein als etwas Beharrendes, Dauerhaftes und sozusagen Substanzielles auffasst.
Wie meinst Du das: "meine Änderungen"? Meinst Du, dass du sie bewusst oder aktiv an Dir vornimmst?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 17:52Aber diese Änderungen sind halt meine Änderungen.
Wenn ja: Dann bezieht Du Dich der Sache nach auf die Kantische Tradition, in der die Person ein transzendentales Gebilde ist - Kant nennt es auch den "intelligiblen Charakter". Das es den gibt, bezweifle ich allerdings, er ist eine Transformation der älteren Seelenvorstellung. Noch Descartes schreibt: "Animus semper cogitans", also die "Seele denkt immer". Bei Kant wird daraus das berühmte "Ich denke, dass alle meine Vorstellung muss begleiten können" - das ist zwar deutlich weniger substanziell gedacht als die Seele, aber dennoch stark 'ichlich' gedacht. Empirisch gibt es das 'Ich denke...' aber z.B. im Schlaf nicht; da sind die Vorgänge, die an Dir passen (z.B. Träume) nicht von Dir gemachte oder kontrollierte Veränderungen. Und auch wenn man buchstäblich außer sich ist (vor Freude oder Wut), wird man eher von etwas beherrscht, als dass man die eigenen Veränderungen aktiv macht oder beherrscht.
Aber ich gebe Dir natürlich recht: Personalität tritt immer dann klar hervor, wenn ich Änderungen an mir aktiv, selbstbewusst und freiheitlich initiiere. Da ist die Person sozusagen auf ihrer Höhe - in Gestalt von Selbstbestimmung, Autonomie usw. Ich würde nur einschränkend sagen, dass das ein empirischer Zustand des Menschen unter vielen anderen empirischen Zuständen ist. Manche sind stärker personale Zustände, andere eher weniger.
Aber vielleicht meintest Du die Formulierung "meine Änderungen" auch anders?!
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Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 17:52Aber diese Änderungen sind halt meine Änderungen.
Das können, aber müssen keine Änderungen sein, die ich aktiv hervorgerufen habe. Das können auch Änderungen sein, die mir zugestoßen sind, z.B Schicksalsschläge. Im Prinzip, wenn man so will: das Auf und Ab, das Hin und Her, die verschlungenen Wegen der Biografie.RoloTomasi hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 18:07Aber vielleicht meintest Du die Formulierung "meine Änderungen" auch anders?!
@Jörn: Ja klar, dem stimme ich voll zu! Der Bezug auf Dich ist ja bei Personalität immer eingepreist. Da geht es immer um einen selbst - um das eigene Verhältnis zu sich selbst und zu anderem, und natürlich auch zu anderen Personen.Das können, aber müssen keine Änderungen sein, die ich aktiv hervorgerufen habe. Das können auch Änderungen sein, die mir zugestoßen sind, z.B Schicksalsschläge. Im Prinzip, wenn man so will: das Auf und Ab, das Hin und Her, die verschlungenen Wegen der Biografie.
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Ich sehe keine Willkür in der Unterscheidung zwischen Delfinen und Tauben. Delfine gehören zweifellos zu den intelligentesten Lebewesen auf unserem Planeten: Sie bestehen den Spiegeltest, leben in komplexen sozialen Gruppen, verwenden individuelle Signaturpfiffe – quasi persönliche „Namen“ – und zeigen beeindruckende Fähigkeiten im Problemlösen sowie der kulturellen Weitergabe von Wissen. (Zumindest erinnere ich mich so, ich habe irgendwann mal ein Feature darüber gesehen und außerdem kenne ich natürlich Flipper.)
Tauben hingegen sind zwar bemerkenswert bei der Mustererkennung und Navigation über große Distanzen, aber ihnen fehlen sowohl Anzeichen von Selbstbewusstsein als auch eine vergleichbare soziale oder kommunikative Komplexität. Ich wüsste nicht, was sie zu ernsthaften Kandidaten für den Personenstatus machen sollte. Ich bin zwar der Ansicht, dass jedes Leben einen Wert hat, deswegen bin ich irgendwann auch Vegetarier geworden, aber ich finde dennoch nicht, dass man den Personenbegriff mit der Gießkanne verteilen sollte.
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Ich glaube nicht, dass wir hier über Monismus, Substanz-Dualismus, Dualismus, Pluralismus, Type-Token-Identität etc reden müssen. Und auch nicht darüber, ob der Materialismus wahr ist.
Wenn man z.B die Etymologie des Personenbegriffs ernst nimmt und sagt, er hängt in irgendeiner Weise damit zusammen, dass wir als Menschen Rollen ausfüllen und interpretieren können, müssen wir dann unbedingt entscheiden, ob der Monismus oder der Substanzdualismus wahr ist? Ich sehe nicht, warum.
Ich glaube, dass auch Materialisten problemlos zugestehen können, dass Menschen geistige Lebewesen sind, insofern sie ein Leben im Lichte bestimmter Vorstellungen von sich selbst und ihrem Ort im Universum führen können.
Auch die Frage, ob Personsein etwas ist, was uns gleichsam "anhaftet" (ironisch gesagt), wie ich es oben dargestellt habe oder ob es sich mal mehr oder mal weniger zeigt, wie Rolo Tomasi es meint, ruft nicht sofort die Frage nach dem Substanz-Dualismus, dem Materialismus und Konsorten auf den Plan finde ich.
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Ich habe mal meinen Roboter gebeten, die Position von Scott Campbell zu erläutern, weil ich den Text verwirrend fand:
"Scott Campbell vertritt die Auffassung, dass eine Person keine physische Einheit ist, wie ein Körper, sondern eine Serie von mentalen Ereignissen und Zuständen. Das bedeutet, dass eine Person durch ihre Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Fähigkeiten definiert wird, die sich im Laufe der Zeit entfalten und miteinander verbunden sind.
Diese mentalen Ereignisse finden zwar im Gehirn statt, aber sie sind nicht das Gleiche wie der physische Körper. Campbell vergleicht das mit einem Computer: Die Hardware (der Computer) ist nicht dasselbe wie die Software, die auf ihm läuft. In ähnlicher Weise ist der menschliche Körper der Ort, an dem die mentalen Ereignisse stattfinden, aber die Person ist diese Serie von mentalen Ereignissen und nicht der Körper selbst.
Er veranschaulicht dies auch mit einem fiktiven Programm, das eine künstliche Person erschafft. Diese „Software-Person“ kann auf verschiedenen Computern laufen, aber sie ist nicht an einen bestimmten Computer gebunden. Ebenso könnte eine Person theoretisch auf einen anderen Körper „übertragen“ werden, zum Beispiel durch Teleportation, und sie bliebe trotzdem dieselbe Person, weil die Serie der mentalen Ereignisse das Entscheidende ist, nicht der Körper."
Passt das so ungefähr?
"Scott Campbell vertritt die Auffassung, dass eine Person keine physische Einheit ist, wie ein Körper, sondern eine Serie von mentalen Ereignissen und Zuständen. Das bedeutet, dass eine Person durch ihre Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Fähigkeiten definiert wird, die sich im Laufe der Zeit entfalten und miteinander verbunden sind.
Diese mentalen Ereignisse finden zwar im Gehirn statt, aber sie sind nicht das Gleiche wie der physische Körper. Campbell vergleicht das mit einem Computer: Die Hardware (der Computer) ist nicht dasselbe wie die Software, die auf ihm läuft. In ähnlicher Weise ist der menschliche Körper der Ort, an dem die mentalen Ereignisse stattfinden, aber die Person ist diese Serie von mentalen Ereignissen und nicht der Körper selbst.
Er veranschaulicht dies auch mit einem fiktiven Programm, das eine künstliche Person erschafft. Diese „Software-Person“ kann auf verschiedenen Computern laufen, aber sie ist nicht an einen bestimmten Computer gebunden. Ebenso könnte eine Person theoretisch auf einen anderen Körper „übertragen“ werden, zum Beispiel durch Teleportation, und sie bliebe trotzdem dieselbe Person, weil die Serie der mentalen Ereignisse das Entscheidende ist, nicht der Körper."
Passt das so ungefähr?
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Für meinen Teil finde ich es seltsam, das Thema auf diese Weise anzugehen – ob die Person nun ihr Körper ist oder eine Abfolge von mentalen Ereignissen. Wenn die Darstellung von Scott Campbells Argument korrekt wiedergegeben wurde, frage ich mich, was ich überhaupt über die Frage, was eine Person ist, erfahren habe. Ich selbst habe ich nichts Wesentliches daraus mitgenommen. Aber ich lasse mich gerne aufklären.
Auch wenn wir uns fragen, welche anderen Lebewesen den Personenstatus verdienen, bietet uns diese Erklärung von Scott Campbell nichts, was dabei weiterhelfen könnte, oder?
Ich stimme jedoch Rollo Tomasi zu, dass es vielleicht ratsam wäre, zunächst bei uns selbst zu fragen, was unseren Personenstatus ausmacht. Das schließt nicht aus, dass man sich, wenn man etwas Klarheit gewonnen hat, auch anderen Tieren zuwenden kann. Aber natürlich jeder, wie er Lust hat.
Auch wenn wir uns fragen, welche anderen Lebewesen den Personenstatus verdienen, bietet uns diese Erklärung von Scott Campbell nichts, was dabei weiterhelfen könnte, oder?
Ich stimme jedoch Rollo Tomasi zu, dass es vielleicht ratsam wäre, zunächst bei uns selbst zu fragen, was unseren Personenstatus ausmacht. Das schließt nicht aus, dass man sich, wenn man etwas Klarheit gewonnen hat, auch anderen Tieren zuwenden kann. Aber natürlich jeder, wie er Lust hat.
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Wenn man den Gedanken mit der "Rolle" ernst nimmt, dann ist der Bezug zu anderen Personen natürlich essentiell.RoloTomasi hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 18:26Da geht es immer um einen selbst - um das eigene Verhältnis zu sich selbst und zu anderem, und natürlich auch zu anderen Personen.
Ja klar, unbedingt! 'Rolle' ist ja eine soziale Kategorie, d.h. Rollen gibt es nur im sozialen Kontakt, also in der Interkation zwischen Personen. Aber nicht alles Personale zeigt sich in Gestalt sozialer Rollen. Ich bin auch für mich selbst schon Person: etwa wenn ich mir Mut mache oder mich gegen meine eigene Trägheit aufraffe.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 20:17Wenn man den Gedanken mit der "Rolle" ernst nimmt, dann ist der Bezug zu anderen Personen natürlich essentiell.
Im Selbstverhältnis sehe ich den Kern der Person. Rollen sind ins Soziale gewendete Selbstverhältnisse: Der Lehrer spielt die Lehrer-, die Schüler spielen die Schülerrolle - all das verbunden mit dem für Personalität maßgeblichen indirekten Selbstverhältnis, dass nämlich der Lehrer für die Schüler Lehrer ist und umgekehrt. Von einer Person als Rolle kann man dann auch entsprechendes Erwarten, z.B. dass sie sich als Lehrer verhält, und nicht wie der Hausmeister.
Daraus folgt, dass viele menschliche Wesen keine Personen sind: Föten, Neugeborene, Säuglinge, geistig Schwerbehinderte (z.B. Demente).Consul hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 11:46"[T]o find wherein personal Identity consists, we must consider what Person stands for; which, I think, is a thinking intelligent Being, that has reason and reflection, and can consider it self as it self, the same thinking thing in different times and places[.]"
——————
"Um herauszufinden, worin persönliche Identität besteht, müssen wir uns überlegen, wofür Person steht. Ich denke, dass es sich dabei um ein denkendes, intelligentes Wesen handelt, das über Vernunft und Reflexion verfügt und sich selbst als sich selbst betrachten kann, als dasselbe denkende Ding zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten." [Übersetzt von Google Translate]
(Locke, John. An Essay Concerning Human Understanding. 1690. Book II, Ch. XXVII, §9)
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
Wie diskriminierend! Das melde ich dem Deutschen Gehörlosen-Bund!Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 16:19Ich sehe nicht die geringsten Indizien, warum ich Tauben Personenstatus zuschreiben sollte.
"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding
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Selbstverhältnis – Beispiele von Rolo Tomasi:
Selbstbestimmung/Autonomie
sich Mut machen
sich aufraffen
Selbstironie (man lacht über sich selbst)
Selbstdarstellung (man tritt selbstbewusst auf)
Fassung bewahren (man lächelt, obwohl einem eher zum Weinen zumute ist)
Ich möchte das noch ein wenig weiterspinnen. Ein typisches "Selbstverhältnis" wäre wohl die Reflexion, die schon von der Metapher her ein Selbstverhältnis ist. Ich weiß nicht, von wem die folgende schöne Formulierung stammt – jedenfalls nicht von mir: "Menschen haben die Fähigkeit, sich von sich selbst zu unterscheiden." Metaphorisch gesagt, kann man sich daher auch "von außen" betrachten. Das ist ein anderes Bild als das der Reflexion. Man kann eine Szene in den Blick nehmen und sich fragen, wie "diese Person da" handeln sollte ... die man "zufällig" selbst ist. Diese Art, einen Aspekt des Selbstverhältnisses zu formulieren, habe ich von Thomas Nagel, und das gefällt mir besonders. Damit ist das Soziale übrigens gleich mit im Spiel.
Interessant, dass hier zwei zentrale Begriffe vom Theater kommen: Szene und Person. Die Fähigkeit, Szenen gedanklich durchzuspielen, ist sicher zentral bei der Handlungsplanung. Das mag ein anderes Thema sein, aber dennoch: Zu den notwendigen Bedingungen, um einem Wesen den Personenstatus zuzusprechen, gehört wohl auch, dass es ein Handlungsagent mit Freiheitsspielräumen ist. (Zur Handlung gehört die Vernunft, also die Sensibilität für Gründe.)
Das wäre eine kleine, sehr vorläufige Skizze. Vielleicht stimmen wir darin in manchem überein. Als Differenz möchte ich festhalten: Aus meiner Sicht sind wir immer eine Person, auch wenn wir die nötigen Fähigkeiten zeitweise nicht aktualisieren, zum Beispiel in der Ohnmacht.
Ein wichtiger Punkt ist womöglich die Frage, wie das Person-Sein mit der "gegenseitigen Zuschreibung oder Anerkennung" des Personseins verknüpft ist. Ich glaube zwar, dass man sowieso Person ist, also nicht "nur" durch die Zuschreibung anderer, doch die wechselseitige Anerkennung des Personenstatus ist ein wesentlicher Aspekt auch für unser Selbstverhältnis. (Damit ist eine ToM impliziert, schätze ich.)
Selbstbestimmung/Autonomie
sich Mut machen
sich aufraffen
Selbstironie (man lacht über sich selbst)
Selbstdarstellung (man tritt selbstbewusst auf)
Fassung bewahren (man lächelt, obwohl einem eher zum Weinen zumute ist)
Ich möchte das noch ein wenig weiterspinnen. Ein typisches "Selbstverhältnis" wäre wohl die Reflexion, die schon von der Metapher her ein Selbstverhältnis ist. Ich weiß nicht, von wem die folgende schöne Formulierung stammt – jedenfalls nicht von mir: "Menschen haben die Fähigkeit, sich von sich selbst zu unterscheiden." Metaphorisch gesagt, kann man sich daher auch "von außen" betrachten. Das ist ein anderes Bild als das der Reflexion. Man kann eine Szene in den Blick nehmen und sich fragen, wie "diese Person da" handeln sollte ... die man "zufällig" selbst ist. Diese Art, einen Aspekt des Selbstverhältnisses zu formulieren, habe ich von Thomas Nagel, und das gefällt mir besonders. Damit ist das Soziale übrigens gleich mit im Spiel.
Interessant, dass hier zwei zentrale Begriffe vom Theater kommen: Szene und Person. Die Fähigkeit, Szenen gedanklich durchzuspielen, ist sicher zentral bei der Handlungsplanung. Das mag ein anderes Thema sein, aber dennoch: Zu den notwendigen Bedingungen, um einem Wesen den Personenstatus zuzusprechen, gehört wohl auch, dass es ein Handlungsagent mit Freiheitsspielräumen ist. (Zur Handlung gehört die Vernunft, also die Sensibilität für Gründe.)
Das wäre eine kleine, sehr vorläufige Skizze. Vielleicht stimmen wir darin in manchem überein. Als Differenz möchte ich festhalten: Aus meiner Sicht sind wir immer eine Person, auch wenn wir die nötigen Fähigkeiten zeitweise nicht aktualisieren, zum Beispiel in der Ohnmacht.
Ein wichtiger Punkt ist womöglich die Frage, wie das Person-Sein mit der "gegenseitigen Zuschreibung oder Anerkennung" des Personseins verknüpft ist. Ich glaube zwar, dass man sowieso Person ist, also nicht "nur" durch die Zuschreibung anderer, doch die wechselseitige Anerkennung des Personenstatus ist ein wesentlicher Aspekt auch für unser Selbstverhältnis. (Damit ist eine ToM impliziert, schätze ich.)
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Es gibt vermutlich noch einen weiteren wichtigen Aspekt, der bei der Frage nach dem Personenstatus von anderen Lebewesen eine Rolle spielt. In einem neuen Buch unterscheidet Michael Tomasello zwischen dem, was ein Organismus tut und wie er es tut. (Ich kenne das Buch allerdings nur aus der Einleitung von Besprechungen.) Während Insekten wie Ameisen und Bienen zwar komplexe Verhaltensweisen zeigen, ist ihr Verhalten stark biologisch vorgegeben. Hingegen treffen beispielsweise Primaten individuelle Entscheidungen. Entscheidend ist dabei also die Kontrolle über das Verhalten: Agenten wie Primaten verfügen über variable Freiheitsgrade und können in unvorhersehbaren Situationen aktiv Entscheidungen treffen. Die Fähigkeit zum Handeln basiert also auf individueller Steuerung und nicht nur auf fest verdrahteten Verhaltensmustern. Selbst wenn das, was manche Organismen tun, beeindruckend ist – wie etwa bei Blobs –, bedeutet das noch lange nicht, dass das Wie in Richtung Agentenschaft weist.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 17. Okt 2024, 18:31Delfine gehören zweifellos zu den intelligentesten Lebewesen auf unserem Planeten: Sie bestehen den Spiegeltest, leben in komplexen sozialen Gruppen, verwenden individuelle Signaturpfiffe – quasi persönliche „Namen“ – und zeigen beeindruckende Fähigkeiten im Problemlösen sowie der kulturellen Weitergabe von Wissen. (Zumindest erinnere ich mich so, ich habe irgendwann mal ein Feature darüber gesehen und außerdem kenne ich natürlich Flipper.)
Tauben hingegen sind zwar bemerkenswert bei der Mustererkennung und Navigation über große Distanzen, aber ihnen fehlen sowohl Anzeichen von Selbstbewusstsein als auch eine vergleichbare soziale oder kommunikative Komplexität. Ich wüsste nicht, was sie zu ernsthaften Kandidaten für den Personenstatus machen sollte. Ich bin zwar der Ansicht, dass jedes Leben einen Wert hat, deswegen bin ich irgendwann auch Vegetarier geworden, aber ich finde dennoch nicht, dass man den Personenbegriff mit der Gießkanne verteilen sollte.