Daran habe ich auch gedacht oder auch an folgendes:Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 21. Feb 2021, 15:21Nehmen wir mal ein Beispiel: vor mir oder hinter mir gehen Personen. Irgendetwas bekommt man von ihnen ja mit, entweder sieht man den Rücken oder man hört die Stimmen oder ähnliches. Aber dabei bleibt es ja nicht. Irgendwie unterschwellig komplettiert man das "unvollständige Bild". Das merkt man spätestens dann, wenn man überrascht ist, die Person dann wirklich zu sehen, etwa wenn man sich umdreht oder die Person dreht sich um.
Das heißt, auch in solchen Alltagssituationen ist immer sehr viel Fantasie im Spiel.
Wenn mir jemand von seiner Urlaubsreise erzählt, von einem Erlebnis, einem Vorfall etc., möchte er mich in gewisser Weise daran teilhaben lassen, indem er mich partizipieren lässt an der Situation in Gedanken. Es ist möglich, mit ihm dann an diesen Ort zu gehen, der in der Phantasie vermutlich ganz anders ausschaut, als er sich ihm zeigte. Und doch versetzen wir uns dank der phantasierenden Anteilnahme in die Lage annähernd zu verstehen, zu fühlen, was der andere fühlt und fühlte. Die Vorstellungskraft ist so gesehen ein jederzeit verfügbares Medium für das grundlegende Bedürfnis, den anderen verstehen zu wollen und zu können. Sie macht die gemeinsame Erkundung von Sachverhalten unter der Bedingung der Kontingenz möglich, weil es sich ja tatsächlich auch anders als vorgestellt verhalten haben könnte, aber sie schärft sich mit der Präzision der Beschreibung, mit der wir mit Anderen in eine Erzählung einstimmen.
Den Anderen verstehen zu können heisst in diesem Sinn, sich ein möglichst authentisches Bild darüber zu machen, was es hiesse, dort gewesen zu sein, wo der Andere war und das erlebt zu haben, was der Andere erlebte.
Dieses Einfühlungsvermögen in Andere ist ohne Vorstellungskraft kaum denkbar, weshalb wir vermutlich gänzlich andere wären ohne Vorstellungskraft: weniger Verständige und Verständnisvolle. Die Wirklichkeit würde sich uns ganz anders vermitteln. Kein Buch, kein Roman, kein Bericht: Nichts hätte essenziellen Informationswert, wenn die Texte in uns nicht Bilder hervorbrächten, durch die wir eintauchen können in eine um vorgestellte Räume erweiterte Wirklichkeit, die das sinnlich Vorfindbare übersteigt und uns umfassendere Zusammenhänge denkbar werden lässt.