Indigenialität

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
ahasver
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Mo 26. Dez 2022, 19:39

Kann es ein richtiges Leben im Falschen geben?
Anfangs der 80iger Jahre schrieb ich, unbeleckt von Adorno: "Was tun? Was tun, jetzt da alles Tun Mit-tun geworden ist?

https://www.hoerspielundfeature.de/theo ... richtungen.

Das Hörspiel beantwortet meine obige Frage mit den Worten:
Auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schaun. Sein, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung könnte an Stelle von Prozess, Tun, Erfüllen treten.
Das ist indigenial!



"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."

Timberlake
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Mi 28. Dez 2022, 02:25

Nick Nickless hat geschrieben :
Mo 26. Dez 2022, 12:36
Timberlake hat geschrieben :
Mo 19. Dez 2022, 22:49
  • Was sagt dein Gewissen? – »Du sollst der werden, der du bist.«
Nietzsche reduziert diese "So-Sein" wenn schon denn schon auf das Gewissen.
Ein Gewissen hin - und her gerissen zwischen dem , was zum Einem das Gedächtnis und zum Anderem der Stolz sagt. In dem Schlußendlich das Gedächnis nach gibt , weil der Stolz unerbittlich bleibt , so wird man der, wer man ist. Das sagt einem das Gewissen bzw. das sollte einem das Gewissen sagen.
Was sagt denn der Umstand, dass das Gewissen dies sagt, darüber aus, was dies »der du bist« bedeutet? Gar nichts. Oder das nachträgliche Spielchen von Schuld und Stolz? Noch viel weniger. Nichts als ein triviales Spiel mit der Personifikation der Konkurrenz von Motiven, die jeder kennt. Das kritische Denken sagt: Es ist dürftig; die Eitelkeit des psychologischen Durchblickers sagt: Es ist groß; und schließlich gibt, wie bei allen bloß kritischen Geistern, die Kritik nach ... Man sollte gerade bei N. immer vor der glänzenden Rhetorik auf der Hut sein und nach jedem Satz fragen: Ist das denn auch wirklich so?
Ich denke mal , dass man bei den von mir o.g. Zitaten bzw Sätzen von Nietzsche , durchaus davon ausgehen kann , dass das für Nietzsche " auch wirklich so ist". Insbesondere im Zusammenhang mit dem , was @ahasver in Eröffnungsbeitrag , zum Thema dieses Threads , erwähnt hat ..
ahasver hat geschrieben :
Di 29. Nov 2022, 12:55

Es ist noch nicht lange her, da begann im paradiesischen Afrika in der damals völlig unbedeutenden Gattung Homo neuronales Gewebe oberhalb des Stammhirns zu wuchern. Diese Wucherung führte zu einer weltweiten, ungebremsten Verbreitung der Gattung, die sich selbst wenig später "Homo sapiens" nannte und erweist sich derzeit als lebensbedrohlich für die Art selbst, aber auch für die gesamte Biosphäre des Planeten Erde.


Was tun im Angesicht globaler Zerstörung des Lebens durch eben diese Vernunft?

.. und zwar der globalen Zerstörung des Lebens durch eben diese menschliche Vernunft. "Das" hat man getan«, sagt das Gedächtnis. »"Das" kann man nicht getan haben« – sagt der Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich – gibt das Gedächtnis nach. und sind wir nicht auch Stolz , auf die Errungenschaften des wissenschaftlich technischen Fortschritts , die diese globale Zerstörung des Lebens überhaupt erst ermöglicht hat?
  • Dialektische Materialismus
    Der dialektische Materialismus ist eine philosophische Weltanschauung. Sie verwendet die Methode der Dialektik – des Denkens in Widersprüchen –, um die Welt auf materialistischer Grundlage zu erklären. Sie grenzt sich damit deutlich vom dialektischen Idealismus des Philosophen G. W. F. Hegel ab, aber auch von vorangegangenen materialistischen Philosophien wie z. B. der von Ludwig Feuerbach.
In diesem Sinne, also dem "Widerspruch im Denken" zwischen den die Errungenschaften des wissenschaftlich technischen Fortschritts .. Einerseits! .. und die globale Zerstörung des Lebens durch eben diesen Fortschritt .. Andererseits! . wären übrigens unmittelbar bei dem angekommen , was der dialektische Materialismus sich auf seine Fahnen geschrieben .
  • Von den Vorurtheilen der Philosophen.
    Man darf nämlich zweifeln, erstens, ob es Gegensätze überhaupt giebt, und zweitens, ob jene volksthümlichen Werthschätzungen und Werth-Gegensätze, auf welche die Metaphysiker ihr Siegel gedrückt haben, nicht vielleicht nur Vordergrunds-Schätzungen sind, nur vorläufige Perspektiven, vielleicht noch dazu aus einem Winkel heraus, vielleicht von Unten hinauf, Frosch-Perspektiven gleichsam, um einen Ausdruck zu borgen, der den Malern geläufig ist? Bei allem Werthe, der dem Wahren, dem Wahrhaftigen, dem Selbstlosen zukommen mag: es wäre möglich, dass dem Scheine, dem Willen zur Täuschung, dem Eigennutz und der Begierde ein für alles Leben höherer und grundsätzlicherer Werth zugeschrieben werden müsste. Es wäre sogar noch möglich, dass was den Werth jener guten und verehrten Dinge ausmacht, gerade darin bestünde, mit jenen schlimmen, scheinbar entgegengesetzten Dingen auf verfängliche Weise verwandt, verknüpft, verhäkelt, vielleicht gar wesensgleich zu sein. Vielleicht!— Aber wer ist Willens, sich um solche gefährliche Vielleichts zu kümmern! Man muss dazu schon die Ankunft einer neuen Gattung von Philosophen abwarten, solcher, die irgend welchen anderen umgekehrten Geschmack und Hang haben als die bisherigen,—Philosophen des gefährlichen Vielleicht in jedem Verstande.— Und allen Ernstes gesprochen: ich sehe solche neue Philosophen heraufkommen.
    Friedrich Nietzsche .. Jenseits von Gut und Böse Vorspiel einer Philosophie der Zukunft.

.. oder weil es sogar noch möglich wäre , dass was den Werth jener guten und verehrten Dinge .. des wissenschaftlich technischen Fortschritts .. ausmacht ,gerade darin bestünde, mit jenen schlimmen, scheinbar entgegengesetzten Dingen .. wie die globaler Zerstörung des Lebens .. auf verfängliche Weise verwandt, verknüpft, verhäkelt, vielleicht gar wesensgleich zu sein., bei Nietzsches "Umwertung aller Werte" .

Gut möglich , dass als solches die Schöpfer des "dialektische Materialismus" zu jenen "neuen Philosophen" gehörten , die Nietzsche heraufkommen sah.
Zuletzt geändert von Timberlake am Mi 28. Dez 2022, 03:03, insgesamt 3-mal geändert.




Timberlake
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Mi 28. Dez 2022, 02:53

ahasver hat geschrieben :
Mo 26. Dez 2022, 19:39
Kann es ein richtiges Leben im Falschen geben?
Anfangs der 80iger Jahre schrieb ich, unbeleckt von Adorno: "Was tun? Was tun, jetzt da alles Tun Mit-tun geworden ist?

https://www.hoerspielundfeature.de/theo ... richtungen.

Das Hörspiel beantwortet meine obige Frage mit den Worten:
Auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schaun. Sein, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung könnte an Stelle von Prozess, Tun, Erfüllen treten.
Das ist indigenial!
Um was "Richtiges" zu tun , sollte man , zumindest nach meinem Dafürhalten, zuvor das "Falsche" zu Kenntnis nehmen. Im Hörspiel heißt es dazu metaphorisch gesprochen :
  • "Die traditionellen Wohnungen, in denen wir groß geworden sind , haben etwas unerträgliches angenommen , jeder Zug des Behagens darin , ist mit Verrat der Erkenntnis bezahlt. . .. Es gehört zur Moral , nicht mehr bei sich selber zu Hause zu sein". ( 10:30 Min)




ahasver
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Mi 28. Dez 2022, 10:56

Timberlake hat geschrieben :
Mi 28. Dez 2022, 02:53
Um was "Richtiges" zu tun , sollte man , zumindest nach meinem Dafürhalten, zuvor das "Falsche" zu Kenntnis nehmen.
Um diese Erkenntnis geht es mir in diesem Thread.



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Jörn Budesheim
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Fr 30. Dez 2022, 09:41

Hier gibt es vom Deutschlandfunk ein Interview mit dem Philosophen Andreas Weber:
deutschlandfunkkultur hat geschrieben : Philosoph Andreas Weber über „Indigenialität“

Hin zum Einklang mit der Natur

Klimawandel und Artensterben seien fatale Folgen einer falschen Weltsicht, sagt der Philosoph Andreas Weber. Von indigenen Völkern könnten wir lernen, unsere Lebensgrundlagen besser zu schützen und im Einklang mit der Natur zu leben.

Zerstören wir die Natur und ruinieren das Klima, weil uns zu wenig bewusst wird, wie viel Gewalt wir damit uns selbst antun? „Wir brauchen dringend eine neue Kosmologie, eine neue umfassende Weltsicht“, sagt der Philosoph und Biologe Andreas Weber. „Hier ist der Mensch, hier sind seine Kultur, sein Geist und seine Sprache, und da sind die Dinge der Natur – diese Trennung funktioniert nicht mehr.“ ...

https://www.deutschlandfunkkultur.de/ph ... m-100.html




ahasver
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Do 5. Jan 2023, 13:29

https://www.youtube.com/watch?v=c8-BT6y_wYg

Cohen: There is a crack, a crack in everything. That's how the light gets in
Hemingway: We are all broken. That's how the light gets in.

ahasver: alles Geschehen ist füreinander offen. That's how the light gets in.
Wichtig für unsere Themen ist aber die weltanschauliche Bedeutung dieser spukhaften Verschränkung. Sie besagt nämlich, dass alles Geschehen miteinander verbunden ist und daß sich in letzter Konsequenz nur ein einziges großes Geschehen ereignet, das ich Kosmos nenne.

Meine Behauptung: Nur ein neues Denken und Fühlen kann uns retten. Ein nichtklassisches Denken und ein Mit-Fühlen. Verbundenheit.



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Timberlake
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Do 5. Jan 2023, 13:45

ahasver hat geschrieben :
Do 5. Jan 2023, 13:29
https://www.youtube.com/watch?v=c8-BT6y_wYg

Cohen: There is a crack, a crack in everything. That's how the light gets in
Hemingway: We are all broken. That's how the light gets in.

ahasver: alles Geschehen ist füreinander offen. That's how the light gets in.

Cohen:

Ich kann nicht mehr fortlaufen
Inmitten der gesetzlosen Masse
Während die Mörder in den oberen Etagen
Ihre Gebete lauthals plärren
Aber sie haben etwas heraufbeschworen
Einen Gewittersturm
Und sie werden noch von mir hören

Läute die Glocken, die noch klingen
Vergiss deine wohlfeilen Gaben
Da ist ein Riss, ein Riss in allem
Das ist der Spalt, durch den das Licht einfällt



.. stellt sich eigentlich nur noch die Frage, was die " gesetzlose Masse" von ihm zu hören bekommt und von welcher Beschaffenheit das Licht ist , dass durch den Spalt fällt . Zumal man selbst vermutlich zu dieser Masse zählt , vor der man nicht mehr fortlaufen kann.
ahasver hat geschrieben :
Di 29. Nov 2022, 12:55


Goethe fuhr, meine Frage beantwortend, fort:
Hier bleibt nur ein doppelter Weg, einer so traurig wie der andere: entweder selbst das Neue zu ergreifen und das Verderben zu beschleunigen, oder aufzubrechen, die Besten und Würdigsten mit sich fort zu ziehen und ein günstigeres Schicksal jenseits der Meere zu suchen.
.. einer gesetzlosen Masse, die als solches das Verderben nur noch beschleunigt ..
  • Wie groß ist der ökologische Fußabdruck in Deutschland?

    In Deutschland stehen jedem Menschen 1,6 gha zur Verfügung, der Verbrauch liegt derzeit aber bei 4,9 gha. Würden alle Menschen so leben wie wir, bräuchten wir sogar drei Erden (Quelle: footprintnetwork.org). Deinen persönlichen ökologischen Fußabdruck kannst du beim Global Footprint Network berechnen.
.. die Besten und Würdigsten, die es , um ein günstigeres Schicksal jenseits der Meere zu suchen . so Goethe . mit sich fort zu ziehen gilt , wären demnach diejenigen , die mit nur 1,6 gha auskommen. Obgleich , weil sich diesbezüglich mitunter Spot und Hohn aussetzend, darum mehr , als nur darum bemüht , noch nicht einmal ich zähl mit meinen 3. 1 gha zu diesen Besten und Würdigsten. Die indigenen Völker, die zählen ganz sicher dazu . Vorausgesetzt natürlich , dass sie auch "indigenial" leben.

Ich denke mal , so versteht man auch, warum auch dieser andere Weg und zwar .. ich zitiere .. "selbst das Neue zu ergreifen" für Goethe traurig ist. Wer will schon "indigenial" bzw. selbst wenn es in einer Industriegesellschaft möglich wäre, mit einem dementsprechenden persönlichen ökologischen Fußabdruck leben. Die Methode "Wasch mir den Pelz , aber mach mich nicht nass" ., wie von der "gesetzlosen Masse" favorisiert und wie von .. "den oberen Etagen, in ihren Gebeten lauthals geplärrt ( Cohen) " wird jedenfalls ganz sicher nicht funktionieren.




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