Emotionen und Emotionsregulation

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
Timberlake
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Mo 23. Okt 2023, 22:47

Eiwa hat geschrieben :
Mo 23. Okt 2023, 21:41


Ich kann Frau Charf empfehlen, wenn man sich gerne mehr mit dem Thema auseinander setzen möchte.

Danke für das Video. Finde ich mich doch , wenn es darin gleich zu beginn heißt .. ich zitiere ..
  • .. einige Therapieformen ..sage ich mal so .. sind sozusagen eher wie ein Skill Training . Also ich übe bestimmte Dinge und muss sie eigentlich immer anwenden. Das heißt, es ist ein sogenanntes Top Down Management was ich lerne mit mir selbst. Was erst mal durchaus hilfreich sein kann. Aber Selbstregulation kann man mit Übungen initiieren , wie ich das im Kurs auch an biete. ... dann ist es sozusagen erst mal eine Übung, die ich willentlich tue und dann aber ist der Sinn, dass quasi das Teil meines Systems wird . Das der Körper das adaptiert und sagt : „hey das ist cool“ . Das hilft mir mich zu regulieren... gute Selbstregulation ist natürlich automatisiert.
.. in meiner bzw. Melissos These im Beitrag 69503 bestätigt. Einer These , die davon ausgeht , dass mit der Anzahl Übungen , sich emotionale Vorgänge irgendwann von selbst automatisch regulieren sollten. .. Konjunktiv! Was man zu Anfangs noch willentlich tut, um eine Emotion zu regulieren, wird im Verlauf dessen vom Körper adaptiert und geschieht , als Teil meines Systems , am Ende ganz von selbst , ohne mein zu tun. Keine Frage ... "gute Selbstregulation ist natürlich automatisiert." Schlechte Selbstregulation erfolgt stets manuell im Top Down Management.




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Jörn Budesheim
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Di 24. Okt 2023, 08:26

Dami Charf hat geschrieben : "Selbstregulation eine der wichtigsten Funktionen unseres Lebens. Sie entsteht in den ersten drei Lebensjahren und ihre Qualität wird durch die Qualität der Bindung und die Qualität des Kontaktes mit unseren Bezugspersonen bestimmt."
Melissos hat geschrieben : "[Aus] dem neusten Buch von Gerhard Roth "Über den Menschen" folge, können wir bei chronischen Gewalttätern, insbesondere impulsiv-reaktiven erkennen, dass bei den Eltern oft eine "Unfähigkeit" vorlag, "die Gefühle ihres Kindes zu erkennen" [...]
Jörn Budesheim hat geschrieben : "Ich habe in diesem Thread auf zwei Arten der Emotionsregulation hingewiesen, so wie ich den Begriff verstehe und was meine kleine Recherche und die Erläuterungen von Melissos damals ergeben haben. Das eine war das Beispiel mit der Mutter, der Tochter und der Katze. Und bei dem anderen Beispiel geht es darum, Emotionen, die einen zu überwältigen drohen, zum Beispiel nach einer Trennung, nach dem Tod eines nahen Angehörigen oder anderen schwierigen Situationen, wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen."
Dami Charf sagt am Anfang des Videos, das ich mir noch nicht ganz angeschaut habe, sinngemäß, Selbstregulation hätten wir in den ersten, vor allem in den ersten drei Lebensjahren lernen sollen. Und für diejenigen von uns, die das eben nicht gut gemacht haben, ist es später natürlich einfach viel schwieriger. Die Selbstregulation von Emotionen ist also von großer Bedeutung in unserem Leben, die sich - wie Dami Charf erläutert - in den ersten drei Lebensjahren entwickelt und stark von unseren Bindungen und Bezugspersonen beeinflusst wird. Eine gute Selbstregulation ist entscheidend für unser inneres Wohlbefinden, Stressbewältigung, Impulskontrolle und zwischenmenschliche Beziehungen.

Melissos erklärt sinngemäß: Das Thema Emotionsregulation wurde in den letzten 10-15 Jahren intensiv erforscht. Zuvor wurden "Emotionen" in der Psychologie und Philosophie überwiegend als eher statisches Phänomen betrachtet. Seit etwa 2005 hat sich der Fokus von der Statik zur Dynamik verschoben. In diesem Zusammenhang hat die "Emotionsregulation" an Bedeutung gewonnen. Auch Melissos betont, dass die ersten Lebensjahre in dieser Hinsicht besonders wichtig sind. "Emotionsregulation" wird im "sozialen Kontext" gelernt, wie Klavierspielen, Tanzen oder Zähneputzen.

Warum ist das aus philosophischer Sicht wichtig? Ganz einfach: Wenn die Philosophie der Gefühle fragt, was Emotionen sind, muss sie diese Aspekte natürlich berücksichtigen, sonst verfehlt sie ihr Wesen.

Zum Thread: Naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die uns zeigen, wie Emotionen mit Vorgängen im Gehirn zusammenhängen, sind sicher wichtig, aber der "soziale Charakter" von Emotionen darf dabei nicht aus dem Blick geraten. Dies entspricht nach meiner Lektüre auch nicht dem Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Auch wenn die Hirnforscherin Feldmann Barrett natürlich einen ganz anderen Ansatz verfolgt, als es Emotions-Philosoph:innen für gewöhnlich tun, ist dies ein Punkt, auf den auch sie hinweist. In ihrer eigenwilligen Sprache: "Ihr Gehirn arbeitet heimlich mit anderen Gehirnen zusammen". Emotionen haben also einen (intrinsischen) "sozialen" Charakter. Das hat auch Konsequenzen für die hier vertretene Auffassung, dass Emotionen einfach angeboren sind und uns nolens volens bestimmen, vernachlässigt diesen wichtigen Aspekt.

Von "zwei Arten der Emotionsregulation" zu sprechen, wie ich es getan habe, ist deshalb nicht ganz korrekt, weil es den Eindruck erwecken könnte, man habe es mit zwei getrennten Phänomenen zu tun. Tatsächlich handelt es sich aber um zwei miteinander verbundene Phänomene bzw. um ein einziges (in sich differenziertes) Phänomen.




Timberlake
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Di 24. Okt 2023, 16:00

Wenn es denn darum geht , wie in dem von @Eiwa empfohlenen Video beschrieben eine automatisierte und somit gute Selbstregulation zu befördern , so sollte man mit den Übungen dazu , tatsächlich in den frühesten Kinderjahren beginnen.

Quk hat geschrieben :
So 22. Okt 2023, 08:33
Ist Alkohol ein Emotionsregulator?

Um dazu auf den Emotionsregulator Alkohol zurück zu kommen ,womit mit diese Frage zugleich nach meiner Ansicht zugleich beantwortet wurde. In einer meinen frühesten Kindheitserinnerungen habe nach einer Feier , als ich völlig allein , frühmorgens den Tisch mit seinen alkoholischen Hinterlassenschaften erblickte, mich dazu entschlossen , die Reste in den Gläsern in einem Glas zusammen zu schütten. Um dann sogleich selbiges in einem Zug zu leeren. Was danach mit mir geschah , entzieht sich allerdings meiner Erinnerung. Ganz im Gegensatz zu meinen Eltern. Berichteten sie mir doch später., dass sie drauf und dran waren , den Arzt zu rufen . Wie dem auch sei. ..

Mit dem Thema Alkohol , als Emotionsregulator , war ich danach offenbar durch.


Für den Fall , dass ich tatsächlich irgendwann, warum auch immer , so etwas wie einen Bierdurst verspüre , dann hat sich das bereits nach wenigen Schlucken aus der Flasche erledigt. Um eine Flasche ganz zu leeren, bedarf es auf Grund des Ekels schon einer erheblichen „Emotionsregulation“.
Wenn ich überhaupt einmal bewusst Alkohol zu mir nehme, dann um die Emotion , beim Schlachten einer meiner zu Hause gehaltenen Enten , zu regulieren. Fällt mir doch dergleichen im Rausch sehr viel leichter. Gleichwohl , auch hier macht die Dosis das Gift. Zuviel des Guten und schon wird mir Speiübel.

Eine Emotionsregulation , die sich möglicherweise tatsächlich , auf Grund dieser „Übung“ aus den frühesten Kinderjahren , automatisiert hat.

Was die anderen automatisierten Emotionsregulationen betrifft, insbesondere die,mit den ich hier im Forum anecke, welche „Übungen“ dafür stehen, die entziehen sich allerdings meiner Erkenntnis.

Vielleicht dazu nur soviel, ich hätte damals als Kind , mich auch an einer der Schnapsflaschen bedienen können. Tat ich aber bewusst nicht. Weil mir schon damals, das Wegschütten der Reste in den Gläsern , als Verschwendung erschien. Möglicherweise steckt die Emotion, die bei mir Verschwendung verursacht auch in den Genen. Wenn ich also , weil u.U. damit verknüpft, hier im Forum beispielsweise gelegentlich auf den ökologischen Fußabdruck aufmerksam mache, so möge man mir das bitte nachsehen. Zumal eine solche automatisierte Emotionsregulation m.E. durchaus wünschenswert ist.

Wenn man das, was Luher sagte ...
  • "Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Amen"
.. auf sich selbst bezieht , für was wäre das denn wünschenswert , für den Genuß von Alkohol oder für die Vermeidung von Verschwendung ? In sofern bei den Emotionen und Emotionsregulationen stets nach dem wünschenswerten und den zu verdammenden Regulationen zu unterscheiden ist.




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