Tommy hat geschrieben : ↑ Sa 13. Okt 2018, 17:16
Denn es geht mir ja nicht darum, dass es einen Grund gibt, sondern um den propositionalen Gehalt des Grundes.
Dass ich keine Möwen mag ist doch keine objektive, von jedem anzuerkennende Wahrheit. Wie sollte das gehen? Es ist meine persönliche, subjektive, innere Einstellung, die andere teilen können, aber nicht müssen. Du magst Möwen vielleicht sehr.
Natürlich ist es eine objektiv anzuerkennende Wahrheit, dass du keine Möwen magst. Oder soll ich nächstes Mal hinterfragen, dass du deine Freundin liebst oder dass du der Meinung bist, die AfD sei eine verabscheuungswürdige politische Erscheinung? Es gilt objektiv, dass du so und so fühlst, denkst, eingestellt bist,
Dass nur du eine Einstellung hast, ein Gefühl hast, eine Ansicht vertrittst, macht sie vielleicht zu etwas Persönlichem, aber doch nicht apriori zu etwas rein Subjektivem.
Nun ist der Knackpunkt vielleicht ein anderer: die Verbindlichkeit des von dir Gefühlten, Gemeinten etc. im Sinne einer allgemeingültigen Aufforderung an alle anderen, es dir gleichzutun. Denn das ist ja Normativität, eine Aufforderung zu einem bestimmten Wollen in der Form eines Sollens. Es ist nicht evident, warum sich aus deinem Dafürhalten eine solche Verbindlichkeit für alle ergeben sollte. Und tatsächlich stellt sich diese Verbindlichkeit nun nicht ohne Weiteres ein.
Es gibt also hier zwei Arten von Objektivität, wie ich meine: die empirisch-sinnliche, die die Sachen betreffende Ebene der stofflichen Tatsachen, und die Objektivität der argumentativ verfassten Wirklichkeit. Letztere ist nun doch aber nicht menschengemacht (subjektiv, intersubjektiv) bloss, weil sie für Menschen relevant ist (da nur wir diese reflexive Fähigkeit zu argumentieren aufweisen) resp. nicht allein deshalb, weil es Menschen sind, die sich diese Gründe geben. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass Gründe im Geflecht von Tatsachen begründet liegen und sie sich aus ihnen ergeben, so dass sich aus ihnen und ihrer gegenseitigen Abgewogenheit das Ansichsein ihrer Wahrheit einstellt. Gründe haben demnach immer objektiven Charakter, weil sie auf dem gründen, was Tatsache ist.
Aber wenn die Objektivität der empirisch-sinnlichen, sagen wir einmal, naturwissenschaftlichen Wahrheit dem Wahrheitssuchenden den Weg weist: "Hier lang sollst du denken!", so wird dem Wahrheitssuchenden auch die argumentative Wahrheit den Weg weisen.
Die normative Kraft von Gründen kommt aber nicht von den Tatsachen, sondern von der Frage, was richtig oder falsch sei mit Bezug auf Moralität. Diese Frage ist das Apriori aller Normativität, denn von den Dingen her wird uns diese Frage nicht gestellt, sie stellt sich uns nur als soziale Wesen. Erst, wenn wir unsere Handlungen im Licht dieser Frage untersuchen, werden aus schieren Tatsachen Handlungsoptionen, die wir abwägen und erst diese sind normativ aufgeladen. Denn wenn ich mich für eine Handlungsoption entscheide, erst dann bin ich (und ist jeder in dieser Situation) aufgefordert sich zu fragen, ob es richtig oder falsch sei, so zu handeln. Dann aber bewegen wir uns nicht mehr in der subjektiven Sphäre, denn die Objektivität argumentativer Strukturen ist für die Vernunft, egal wer sie nun anwendet, verbindlich.