Philosophische Reflexionen der Gefühle

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
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Jörn Budesheim
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Di 6. Aug 2019, 09:46

Wir kommen nicht vorwärts, wenn wir die Probleme nicht genauer spezifizieren, meine ich. Es sind nämlich zwei komplett verschiedene Fragen/Probleme, ob ich die richtigen Wörter für die fraglichen "Steigerungsformen" genommen habe und, ob es die fraglichen Steigerungsformen gibt. Meines Erachtens können wir schwer daran zweifeln, dass es lässliche Ungerechtigkeiten gibt und himmelschreiende und alles mögliche dazwischen. Ebensowenig wir wir daran zweifeln können, dass das mit den entsprechenden Abstufungen der Emotionen korrelieren kann.

Mir ist hier nicht mal wirklich klar, was dabei der Streitpunkt sein könnte :-)




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Alethos
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Di 6. Aug 2019, 11:03

Friederike hat geschrieben :
Di 6. Aug 2019, 09:01
für "Verstimmung" oder "Wut" andere formale Objekte
Ja, sehe ich auch so, dass Zorn nicht einfach eine maximal intensive Verstimmung ist. Auch Trauer ist eine Verstimmung und Unwohlsein wegen Blähungen auch.

Wir sollten die real existierenden Gefühle ihrer Qualität nach voneinander unterscheiden, und, was ja gar nicht unbescheiden wäre :), eine 'Kategorientafel der Emotionen' ausarbeiten. Ihr habt mit dem formalen Objekt und der Untersuchung diverser Gefühlsarten ja verschiedene Schritte in diese Richtung unternommen.



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Alethos
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Di 6. Aug 2019, 11:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 6. Aug 2019, 09:46
Mir ist hier nicht mal wirklich klar, was dabei der Streitpunkt sein könnte :-)
Die Bemessenbarkeit der Grade :) resp. die Objektivität ihrer Kriterien.



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Jörn Budesheim
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Di 6. Aug 2019, 11:51

Was ist das Thema des Threads? :-) Wir versuchen die Frage, was sind Gefühle? zu beantworten. Und wenn schon nicht zu beantworten, dann zumindest ein grobes Gefühl dafür zu bekommen, was Gefühle denn sind. So ungefähr sehe ich es. Müssen wir um diesen Fragekomplex zu klären, klären, ob man die fließenden Stärkegrade messen kann? Warum?




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Alethos
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Di 6. Aug 2019, 12:05

Wir müssen gar nichts in diesem Thread, aber er hat sich so entwickelt (formales Objekt, Angemessenheit etc), dass es natürlich erscheint, dieser Objektivität auf der Spur zu bleiben.

Für mich persönlich auch mit dem Ziel, die Verbindungen zur Ethik auszuarbeiten, und insbesondere ihre Objektivität argumentativ zu untermauern.



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Friederike
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Di 6. Aug 2019, 12:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 15:32
Der Zorn ist meines Erachtens ein Teil des Erkennens der Unrechtssituation und nicht etwas was einfach noch hinzu kommt als Begleitung. Denn das hieße schließlich, dass es auch einfach wegbleiben könnte.
Mir ist es wichtig, den obigen Punkt zu klären. Ich hatte gemeint, es sei möglich, eine Unrechtssituation zu erkennen ohne zornig zu werden. Jetzt kannst Du natürlich einwenden, diese Möglichkeit interessiere hier nicht, weil es um Gefühle ginge und nicht um Erkenntnisse ohne Gefühle. Ich finde den Punkt nicht belanglos, weil, wenn ich Dich richtig verstehe, bist Du der Auffassung, nur das Gefühl ließe uns Unrecht in einer Situation erkennen. Auf meine Frage hin, ob Deine eigene Erfahrung nicht Deiner obigen Aussage widerspräche, hast Du die Abstufungen ins Spiel gebracht.
Jörn hat geschrieben : Natürlich macht nicht jede Ungerechtigkeit zornig. Es gibt verschiedene Grade der Ungerechtigkeit. Die entsprechende Reaktion kann von einer leichten Verstimmung, über eine Verärgerung, hin zur Wut und dann zum Zorn gehen - je nach Fall.
Und hier ist mir nicht deutlich, ob sich Grade der Ungerechtigkeit aufs formale Objekt beziehen. Denn wenn Du das meinst, dann wird es mit der Funktion, die das formale Objekt erfüllen soll, schwierig. Darauf hatte ich aufmerksam machen wollen, unabhängig davon, ob Du die passenden oder unpassenden Emotionen herangezogen hast. Der Punkt ist, daß eine Abstufung der Emotion, der der Abstufung des formalen Objektes korreliert, in Grauzonen führt, die die Tauglichkeit des Modells der Struktur, mit dem wir bisher hier gearbeitet haben, zumindest infrage stellt.




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Alethos
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Di 6. Aug 2019, 14:03

... auf den Punkt gebracht.

Und ich denke nicht, dass dieser Einwand grundsätzlich die Ablehnung des theoretischen Modells über das formale Objekt bedeuten muss, sondern die eine feingliedrigere Auseinandersetzung damit empfiehlt.



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Friederike
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Di 6. Aug 2019, 14:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Aug 2019, 15:54
Nein, dann landen wir nicht beim "Subjektivismus", finde ich. Dass manche Tiere gefährlicher sind als andere (um ein Beispiel zu geben), führt doch nicht zum Subjektivismus, oder?
Hier beziehst Du Dich auf den Gegenstand der Emotion und nicht auf das formale Objekt? Trifft das zu?

Mir scheint der schwache Punkt am formalen Objekt zu sein (obwohl ich seine Einführung in die Gefühlsstruktur für nützlich halte, wie mehrfach gesagt), daß das fo den vielen feinen Abstufungen eines Gefühls nicht gerecht werden kann. Wenn wir andererseits das fo abgestuft sein lassen, dann verliert es nahezu die Funktion der Bestimmung eines Gefühls als genau diesem Gefühl.




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Jörn Budesheim
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Di 6. Aug 2019, 15:35

Das ist mir leider zu hoch :-(

Das formale Objekt der Angst ist "das Gefährliche". Manches ist gefährlicher als anderes.
Das formale Objekt des Zorn ist "das Ungerechte". Manches ist ungerechter als anderes.

Ich sehe hier kein Problem.




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Alethos
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Di 6. Aug 2019, 16:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 6. Aug 2019, 15:35
Das ist mir leider zu hoch :-(

Das formale Objekt der Angst ist "das Gefährliche". Manches ist gefährlicher als anderes.
Das formale Objekt des Zorn ist "das Ungerechte". Manches ist ungerechter als anderes.
Das Problem ist die Formalität der Steigerungsformen. Wenn wir etwas unter eine Form bringen, unter ein 'formales Objekt', das darin Vorkommende aber in Abstufungen vorkommt, dann betrifft dies unmittelbar die Form. Aber wenn jede Form in Abstufungen vorkommt, dann kommt
sie eben in sehr viel verschiedenen Varianten vor, wodurch sich der Formalismus in Individualismus auflöst.

Prägnanter kann ich es nicht sagen, tut mir leid. Warte auf prägnante Erwiderung :)



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Jörn Budesheim
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Di 6. Aug 2019, 16:28

Muss ich leider passen :-( Es gibt halt kleine und große Gefahren, nichtsdestotrotz sind es Gefahren. Ich kann hier euer Problem nicht sehen.




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Friederike
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Di 6. Aug 2019, 16:46

Ich zitiere zuerst noch einmal den Beitrag von Dir @Alethos, von gestern, in der die Problematik deutlich wird:
Alethos hat geschrieben : Natürlich unterscheiden sich unsere Gefühle nach dem Grad ihrer, sagen wir einmal, Intensität. Und es gibt auch Mischformen, bei denen mehrere Gefühle ineinander wirken.

Aber diese Tatsache, dass Gefühle Grade aufweisen, was bedeutet das für unsere 'Theorie des formalen Objekts'? Es bedeutet ganz notwendig, dass auch das formale Objekt in Graden vorkommen muss, denn sonst würden wir ja nicht in Graden emotional an ihm partizipieren. Das geht aus unseren vorherigen Überlegungen hervor.

Wenn aber das formale Objekt so schattiert und nuanciert ist, d.h. wenn er emotional so ausdifferenziert ist, dass er diesen und jenen Grad an Gefühlen erwecken kann, dann landen wie doch bei einem Subjektivismus. Denn woran wollten wir denn sonst, wenn nicht an und selbst als Individuen, festmachen, welchen Aspekt des formalen Objekts wir erfühlen sollten?
Wenn das formale Objekt der Bestimmung eines Gefühles dient, dann legen wir mit dem formalen Objekt fest, was "Zorn" zum "Zorn" macht und was ihn vom Ärger unterscheidet. Es erfüllt die Funktion einer Unterscheidung in verschiedene Gefühle, damit nicht alles ein Einheitsbrei von Gefühlen ist. Wenn man nun das Unangenehme (ich glaube, für den "Ärger" hatten wir noch nicht nach einem fo gesucht, das "Unangenehme" finde ich ganz passend) in viele Stufen sich aufteilen läßt, dann wird es annähernd so individuumsbezogen wie die vielen unterschiedlichen Sachverhalte oder Gegenstände, in denen das Unangenehme auftauchen kann. Hm, nein, das ist noch nicht der entscheidende Punkt. Wenn wir unterschiedliche Grade des formalen Objektes einführen, dann wird das fo vernebelt, denn wo gehen das "minimal Gefährliche" oder das "ganz leicht Unangenehme" in "nicht gefährlich" oder "nicht unangenehm" über? Womit die These von der Angemessenheit eines Gefühls bzw. der Richtigkeit eines Gefühls ... zumindest angekratzt würde.




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Friederike
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Di 6. Aug 2019, 16:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 6. Aug 2019, 15:35
Das formale Objekt der Angst ist "das Gefährliche". Manches ist gefährlicher als anderes.
Das formale Objekt des Zorn ist "das Ungerechte". Manches ist ungerechter als anderes. Ich sehe hier kein Problem.
Hier sprichst Du wieder vom Gegenstand, wenn Du sagst, manches sei gefährlicher als anderes.




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Jörn Budesheim
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Di 6. Aug 2019, 16:56

Jaa?!




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Friederike
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Di 6. Aug 2019, 17:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 6. Aug 2019, 16:56
Jaa?!
Die Steigerungsgrade beziehst Du auf die Gegenstände einer Emotion. Manches ist gefährlicher. Steigern sich damit automatisch die Grade des formalen Objektes: das Gefährlichere = intensivere oder stärkere Angst?




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Jörn Budesheim
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Di 6. Aug 2019, 18:13

Das formale Objekt ist in sich weit. Es umfasst viele Stärken der Gefährlichkeit.




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Friederike
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Mi 7. Aug 2019, 08:26

@Alethos, ich bin heute anderer, nämlich gegenteiliger Meinung als gestern, weil ich glaube, daß die Frage bzw. die Antwort auf die Steigerungsfähigkeit des formalen Objektes komplett irrelevant ist. Ob wir uns das formale Objekt gestuft denken oder für gestuft halten oder dies nicht tun, das verändert überhaupt gar nichts. Insofern kommt mir diese Problematisierung heute unsinnig vor, wie neben der Sache.

Die Emotion "Zorn" hat zum Gegenstand/zum Objekt eine Situation oder einen Sachverhalt, in dem Unrecht/Ungerechtigkeit erkannt wird. Die Stärke der Emotion "Zorn" wird u.a. von dem Maß des Unrechten, das erkannt wird, beeinflußt. Da das formale Objekt der Emotion sozusagen implantiert oder implementiert ist (die Fremdwörter, man sollte wissen, was man sagt, wenn man eines benutzt), also da das formale Objekt in die Emotion eingearbeitet ist, taucht es zusammen mit der Emotion in verschiedenen Abstufungsgraden auf. Diesen folgerichtigen Schluß hattest Du dargelegt.

Das formale Objekt hat 2 Funktionen. Einmal definiert es eine Emotion, sodaß sie identifizierbar ist und zum anderen steckt es den Bereich der für eine Emotion infragekommenden Gegenstände/Objekte ab. Beide Funktionen sind aber doch von Steigerung oder Nicht-Steigerung in keiner Weise berührt. Das ist wirklich exakt das Gegenteil von dem, was ich gestern gedacht und geschrieben habe ... :mrgreen: Man müßte präzise sagen können, inwiefern genau das formale Objekt und somit die Emotion von Abstufung oder Nicht-Abstufung betroffen ist. Das ist mir nicht gelungen, an meinem Herumeiern gestern habe ich gemerkt, daß irgendwas nicht stimmt.

Könntest Du bitte versuchen, meine Gedanken wohlwollend nachzuvollziehen, und würdest Du selber auch nochmal Deine Überlegungen prüfen ... vielleicht sind wir auf dem Holzweg gewesen.




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Friederike
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Mi 7. Aug 2019, 09:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 4. Aug 2019, 15:32
Der Zorn ist meines Erachtens ein Teil des Erkennens der Unrechtssituation und nicht etwas was einfach noch hinzu kommt als Begleitung. Denn das hieße schließlich, dass es auch einfach wegbleiben könnte.
Jörn hat geschrieben : Natürlich macht nicht jede Ungerechtigkeit zornig. Es gibt verschiedene Grade der Ungerechtigkeit. Die entsprechende Reaktion kann von einer leichten Verstimmung, über eine Verärgerung, hin zur Wut und dann zum Zorn gehen - je nach Fall.
@Jörn, die Frage, ob wir Unrecht in einer Situation erkennen können, ohne zornig zu sein und überhaupt ohne ein anderes Gefühl, die ist aus meiner Sicht noch nicht -von Dir- beantwortet, oder jedenfalls nicht so, daß ich sicher bin, ob wir uns richtig verstanden haben.

Ich bin der Meinung, man könne Unrecht in einer Situation erkennen ohne Zorn oder ein sonstiges Gefühl, im Einzelfall. Und Dich habe ich so verstanden, daß Du die Auffassung vertrittst, nur und ausschließlich über das Gefühl würden wir Unrecht in einer Situation erkennen. Und zwar immer und in jedem Fall. Das heißt, wenn Du -ich mache es persönlich- in der Zeitung über ein Skandalon liest, dann kriegst Du nur mit, daß es sich hier um ein Unrecht handelt, weil Du erzürnt bist oder ein Unbehagen fühlst o.ä. Stimmt das?




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Alethos
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Mi 7. Aug 2019, 10:36

Friederike hat geschrieben :
Mi 7. Aug 2019, 08:26
Man müßte präzise sagen können, inwiefern genau das formale Objekt und somit die Emotion von Abstufung oder Nicht-Abstufung betroffen ist. Das ist mir nicht gelungen, an meinem Herumeiern gestern habe ich gemerkt, daß irgendwas nicht stimmt.
Nach dem gemeinsam erarbeiteten Verständnis, was ein formales Objekt sei, bedeutet es die objektive Form der Emotion im Gegenstand. Aber ein Gegenstand ist immer nur in der Situation, in der ich auch vorkomme, so dass der Gegenstand auch Objekt meiner Empfindung sein kann. Wir haben es mit einer Triangulation zu tun, wie festgestellt.

Nun sagen wir, dass das fo in Abstufungen vorkomme, so dass ein Gegenstand in einer Situation eine graduelle Vielfalt von, ich sage einmal, 'emotionalen Erscheinungsformen' annehmen kann. Um mit Jörn zu sprechen:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 6. Aug 2019, 18:13
Das formale Objekt ist in sich weit. Es umfasst viele Stärken der Gefährlichkeit.
Und dagegen ist ja auch gar nichts einzuwenden. Denn insofern Tatsachen vielfältige sind, konfigurieren sie auch vielfältige emotionale Sachverhalte, weil ja das Gefühl Intentionalität hat, also auf etwas (das fo) gerichtet ist, das so und so strukturiert ist. Deshalb ist auch die Emotion entsprechend ausgeprägt.

Wenn wir aber untersuchen, was eine Struktur ist, dann stellen wir fest, dass sie ein Gefüge von Eigenschaften ist. Graduelle Unterschiede in diesen Eigenschaften stellen verschiedene Bestimmungen des Dings, also auch des formalen Objekts dar: Das Gefährliche käme nach dem Gedanken der Gradualität als Lebensgefährliches, bloss sehr Gefährliches, eher nicht Gefährliches und in vielen, ja, in indefinit vielen Modi des Gefährlichen vor, wie gesagt. Aber diese betrffend das Fühlen, also die Empfindung, nicht die Emotion als Kategorie.

Die Problematik, die sich uns stellt, ist, dass wir keine Begriffe der Emotion haben, also wir sie in uns gar nicht in dieser Nuanciertheit vorfinden können, wie sie in den indefiniten Formen des formalen Objekts selbst als an ihm befindliche emotionale Strukturen vorkommen. D.h. dass wir zurückgeworfen bleiben auf ein Schema des Fühlens, also auf einen allgemeinen Begriff der Bedeutung der Emotion, als die sie in uns vorkommt. Es mögen dynamische Begriffe sein, d.h. sie sind nicht starr, weil wir auf das formale Objekt in seiner Wandelbarkeit gehen: Der Tiger bewegt sich weg von uns oder dreht den Kopf zur Seite, was die Gefährlichkeit verringert, und dies können wir nachvollziehen und insofern 'begreifen', als wir weniger Angst empfinden als zuvor. Unsere emotionalen Begriffe sind dynamisch, aber sie bleiben ein Schema, durch das wir die Gefährlichkeit als Gefährlichkeit, somit das formale Objekt als dieses erkennen, jedoch in den Grenzen des Formalen als unser Begriff einer Empfindung. Gefährlichkeit/Gefahr ist extensional limitiert darauf, das Gefährliche unter sich zu fassen, ähnlich einem Begriff, geradezu wie ein Begriff. Das Gefährliche steht nicht für das Unangenehme, das Traurige oder das Unrechte, womit doch ersichtlich wird, dass die Emotion limitiert bleibt auf ein Sinngefüge, eine allgemeine Struktur der Form des Gefühls, der Empfindung, durch die wir dieses formale Objekt erkennen, ungeachtet der verschiedenen Grade, die er aufweisen kann. Wir erkennen wohl die verschiedenen Grade des formalen Objekts, aber nur gegeben unsere Empfindungen, d.h. sofern wir einen Begriff haben für ihre Ausformung. Und darum kann es bei der Bestimmung einer Emotion als etwas, das auf etwas anderes bezogen ist, mithin intentional ist, gar nicht darauf ankommen, die Emotion als auf diese Grade des Vorkommens Bezogenes zu verstehen, sondern auf die Modi des Schemas selbst, durch das es diese Emotion ist und keine andere. Das heisst: Ein Unrecht ist nicht ein kleineres Unrecht als ein anderes: Es ist Unrecht oder nicht. Eine Gefährlichkeit ist nicht weniger gefährlich als eine andere, sondern sie ist Gefahr oder nicht, denn obwohl sie sich dem Grad im feeling selbst unterscheiden lassen, also intensiv oder weniger intensiv empfunden werden, sind sie als diese Emotion, die ein feeling unter sich begreift, kategorial definiert, also durch das Schema bestimmt, durch das wir sie als diese erkennen.

Dies alles führen wir doch deshalb aus, weil uns die Frage beschäftigte, warum jemand ein Unrecht fühlt, wo der andere es nicht fühlt. Und wir dürfen, wenn obiges stimmt, nicht sagen, dass es mit den Graden zusammenhänge, denn wenn jemand kein Unrecht fühlt, wo eines ist, dann irrt er sich in seinem Fühlen, da er etwas, das ist, nicht erkennt, also keine Wahrheit in seinem Fühlen sein kann. Er erkennt es nicht nicht wegen des Grades des Unrechts, sondern weil ihm ein Sinn fehlt, es zu erkennen, also die Fähigkeit abgeht, das Unrecht überhaupt zu empfinden, weil ihm der Begriff fehlt, durch den er das formale Objekt erkennen müsste. Denn ein anderer hat das Unrecht ja erkannt, womit er ungeachtet des wie auch immer gearteten Grades des formalen Objekts richtigerweise die Empfindung des Zorns hatte.

Aber angenommen, beide fühlten Zorn ob eines Unrechts, der eine brennenden, der andere gemässigteren, doch auch hier geht der Unterschied nicht auf die Grade des formalen Objekts, sondern auf etwas, das in den beiden Subjekten selbst anders verfasst sein muss, durch das sie je anders empfinden. Denn beide irren sich nicht, indem sie Zorn empfinden, gehen sie doch richtigerweise auf das formale Objekt, und doch unterscheiden sie sich in dem Grad der Gefühlsintensität, aber nicht wegen des Grads des Objekts, auf das sie beide gleichsam gerichtet sind, denn dann verspürten sie beide brennenden Zorn oder kühleren. Also muss in ihnen beiden der Unterschied liegen, weshalb sie auf dasselbe anders reagieren.

Und das ist, womit ich sagen will, dass die Objektivität der Form einer Emotion an der Sache selbst uns nur sagen kann, welche Emotion als diese gegeben sein kann, aber nicht in welchem Grade sie uns gegeben sein muss, da diese aus den subjektiven Bestimmungen des dynamischen Zusammenspiels von Subjekt und Objekt hervorgehen. Und so empfinden wir alle ähnlich und nicht gleich (wenn wir denn nicht irren), d.h. aber nur nach einem Schema, nicht nach jedem Grade.



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Friederike
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Mi 7. Aug 2019, 12:41

Kurze Zwischenmeldung @Alethos - zweimal habe ich Deinen Beitrag schon durchgelesen.




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