Philosophische Reflexionen der Gefühle

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
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Friederike
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So 11. Aug 2019, 09:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 07:23
Friederike hat geschrieben :
Sa 10. Aug 2019, 18:15
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 10. Aug 2019, 10:37
Du beschreibst gerade den Unterschied der formalen Objekte und dann sagst du es gäbe keinen?
Nee, das reicht nicht hin, finde ich.
?
Wie ich im voranstehenden Beitrag schrieb, ist das io des Neides ein Gegenstand. Das io der Mißgunst ist eine Person. Insofern ist mir heute der Unterschied klar. Die Diffusität der beiden Gefühle liegt für mich im Feeling-Aspekt. Darauf bezogen finde ich die beiden Gefühle kaum unterscheidbar. Und gestern war mir das io ein bißchen aus dem Blick geraten, ich hatte io und feeling miteinander vermischt.




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Friederike
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So 11. Aug 2019, 09:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 07:26
Bei unseren Emotionen geht es um etwas, was bewertet wird. Und dieses etwas ist das intentionale Objekt.
Zu Deiner Nachfrage @Alethos, ich kann mich, was das fo betrifft, der Aussage von Jörn anschließen.

Dein Häuschen ist Gegenstand = intentionales Objekt meines Neides, weil ich ein Häuschen zu haben als erwünscht bewerte. Die Bewertung ist das fo.

Mir geht es so, daß ich mir immer wieder vergegenwärtigen muß, daß eine Emotion und das formale Objekt begrifflich zusammengehören.

Aus dem von Dir zitierten Beitrag zum fo, @Alethos:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 2. Dez 2018, 14:19
Das formale Objekt ist die Eigenschaft, die man dem Objekt der Emotion "zuschreiben" können muss, damit es sich überhaupt um die fragliche Emotion handeln kann. Das ist ein begrifflicher Zusammenhang.
Mir geht es so, daß ich mir immer ausdrücklich vergegenwärtigen muß, daß eine Emotion und das formale Objekt begrifflich zusammengehören.

Die Bewertung erfolgt durch die Emotion und damit zugleich durch das formale Objekt.




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Alethos
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So 11. Aug 2019, 11:44

Friederike hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 09:50
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 07:26
Bei unseren Emotionen geht es um etwas, was bewertet wird. Und dieses etwas ist das intentionale Objekt.
Zu Deiner Nachfrage @Alethos, ich kann mich, was das fo betrifft, der Aussage von Jörn anschließen.

Dein Häuschen ist Gegenstand = intentionales Objekt meines Neides, weil ich ein Häuschen zu haben als erwünscht bewerte. Die Bewertung ist das fo.
Ich hadere noch mit mir, die Bewertung als Formalobjekt anzunehmen. Bewerten kann ich alles irgendwie, formalobjektiv gesehen aber nur ein Etwas. Vorrangiges Formalobjekt ist das bewertete Etwas vielmehr als die Bewertung dieses Etwas selbst.

Das mag ein kleiner Unterschied in der Formulierung sein. Mir geht es nur darum zu betonen, dass, auch wenn eine Bewertung von etwas sich auf ein Etwas beziehen mag, es doch diese Bewertung ist, die fühlen zu machen scheint, aber es ist ja nicht, aus schierer Willkür, dass wir bewerten, sondern einem Objekt entlang. Es ist das bewertete Objekt, das uns fühlen macht und erst dann ergibt auch der Begriff Formalobjekt Sinn.
Ich weiss nicht, ob ich mich verständlich machen kann :) Das eine, die Bewertung, als ein Vorgang, ist ein rein subjektives Moment und sicherlich notwendig für ein Fühlen. Das andere ist aber ein bewertetes Wirkliches und hebt den Aspekt dieses real Vorhandenen als wahren Grund für die Emotion hervor.

Vielleicht meintest du genau das und ich bin hier einfach mäusemelkerisch :roll:



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So 11. Aug 2019, 11:54

Friederike hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 09:50
Dein Häuschen ist Gegenstand = intentionales Objekt meines Neides
Das würde ich etwas anders analysieren. Wir beneiden immer jemanden für, um oder wegen etwas. Das intentionale Objekt des Neides ist immer eine Person, finde ich. Und zwar eine Person in einer gewissen Hinsicht: Die Person als Hausbesitzer, als Erfolgreiche, als Chef, als Begabte, als jemand, der eine bestimmte Leistung erbracht hat - z.b. ein Marathon in zweieinhalb Stunden zu laufen, ... Wir beneiden die Person um diese Eigenschaft, dieses etwas.

Nehmen wir z.b. an, wie sehen irgendwo wunderschöne Blumen. Nach deiner Analyse müssten diese Blumen Gegenstand des Neides werden können. Stehen diese aber einfach irgendwo rum und wachsen frei auf dem Felde, so ist dies kaum möglich, finde ich. Sehen wir dieselben Blumen in Nachbars Garten, die er letztes Jahr gepflanzt hat und die jetzt wunderbar gedeihen, dann können wir durchaus neidisch sein und zwar: auf den Nachbarn wegen seiner Blumen.

Es gibt verschiedene Formen des Neides, bis hin zum zur Missgunst. Ist es hingegen möglich sich an dem Pflanzerfolg des Nachbarn zu erfreuen und ihn zugleich zu beneiden? Ich weiß nicht... eher nicht. Wahrscheinlicher ist doch, dass wir ihn beneiden, weil wir denken, dass wir den selben Erfolg auch verdient hätten - vielleicht sogar noch vor ihm!

Das heißt, das formale Objekt ist irgendeine Form der vergleichenden Wertung, wobei die Person eine erstrebenswerte "Eigenschaft" besitzt, die uns fehlt, die wir gerne hätten und von der wir glauben, sie stünde uns auch zu. In der Regel gehört zu, dass wir diese Asymmetrie als ungerecht empfinden.




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So 11. Aug 2019, 12:35

Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 11:44
Formalobjekt
Man sollte nicht zu sehr an dem Wort "Objekt" hängen. Ich hab einen Text in Erinnerung (aber keine Quelle parat) der deutlich macht, dass dieser Begriffsteil der Begriffshistorie geschuldet ist. Ursprünglich war damit tatsächlich "Objekt" in irgendeiner Form gemeint. Heute wird der Begriff aber einfach so nicht mehr verwendet. Es geht um die axiologische/evaluative Kategorie. Das Formalobjekt ist kein Objekt. Es ist die spezifische Wertung, die einer Emotion eigen ist. Auf diese Weise sind zwei Dinge geleistet: Man kann die diversen Emotionen unterscheiden und feststellen, ob die Wertung angemessen ist.




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So 11. Aug 2019, 12:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 11:54
In der Regel gehört zu, dass wir diese Asymmetrie als ungerecht empfinden.
Die Beschreibung ist noch unvollständig, denn irgendwie muss in die auch einfließen, dass "Neid" (sowie Hass) in aller Regel abzulehnende Gefühle sind.




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So 11. Aug 2019, 12:40

Friederike hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 09:50
Mir geht es so, daß ich mir immer wieder vergegenwärtigen muß, daß eine Emotion und das formale Objekt begrifflich zusammengehören.

Die Bewertung erfolgt durch die Emotion und damit zugleich durch das formale Objekt.
Ich denke auch, dass das formale Objekt und die Emotion begrifflich zusammengehören.

Versuchen wir es anhand des Neids (Emotion N) durchzudenken.

Da ist ein Haus, es gehört jemand anderem als mir. Ich will es haben, nicht deshalb, weil ein anderer es hat (denn ich kann vieles gar nicht wollen, das ein anderer hat), sondern weil ich einen Mangel empfinde, wenn ich es nicht habe, und mich durch diesen Mangel im Nachteil gegenüber der Person fühle, die den Gegenstand hat, will ich ihn. Ich möchte eine Differenz beseitigen, die einen Mangel darzustellen vermag, durch den ich mich in eine unangenehme Situation (Gefühl der Benachteiligung, Gefühl der Minderwertigkeit, Gefühl des entgangenen Nutzens, Angst vor sozialem Stellungsverlust etc.) versetzt fühle, die ich beseitigen will. Hier kommen also ganz viele verschiedene Gefühle zusammen, so dass sich Neid erst ausbilden kann: Jemand hat etwas, das ich nicht habe. Ich will es haben, weil x, y, z. Erst x, y, z geben die Gründe für das Habenwollen eines Gegenstandes, das jemand hat und ich nicht. Dann aber ist der Gegenstand des Neids gar nicht so sehr, dass er dieser Gegenstand ist, sondern dass ich in x, y, z Gründe habe, ihn zu wollen. Neid bezieht sich wohl auf fremdes Eigentum, also stets auf einen Anderen, der hat. Aber der Grund für das Habenwollen findet sich nicht am Gegenstand selbst, sondern er steht quasi repräsentativ für etwas anderes, das ich durch diesen Gegenstand gewinne oder beseitige (Ich gewinne Prestige, materiellen Wert etc. resp. ich beseitige ein Gefühl der Benachteiligung usw.). Der Anlass für das Fühlen findet sich im intentionalen Objekt, aber es ist nicht den Gegenstand, den wir beneiden (ohnehin nicht), sondern die Person, die den Gegenstand besitzt, aber nicht, weil sie ihn besitzt, sondern weil wir uns vom Besitz diesen und jenen Vorteil versprechen. Der Neid entsteht somit nicht durch das Unmittelbare, durch die andere Person oder den ersehnten Gegenstand, sondern zeigt sich vermitteltet durch ein Gefühl des Benachteiligtseins gegenüber jemand anderem. Wir denken, dass diese Person uns übervorteilt, und nur dadurch kann Neid entspringen und sich an einem x-beliebigen Gegenstand entzünden.

Das formale Objekt des Neids wäre dann so gesehen alles das, was wir mir dem Gegenstand verknüpfen, aber nicht verknüpfen wir es damit, weil er dieser Gegenstand ist, sondern weil wir in ihm die Form finden, durch das sich das Gefühl des Benachteiligtseins ausdrücken kann. Das intentionale Objekt wäre nur die Form des Fühlens von Neid, als wir durch ihn ein Gefühl ausdrücken, somit ist er die Art und Weise, nicht der Grund selbst, eines Gefühls. Es ist nur eine Repräsentation des Gefühls an diesem Gegenstand ausgedrückt. Am Gegenstand fühlen wir Neid, aber nicht wegen ihm.

Und das trifft auch auf die Angst zu: Weil wir nicht verletzt werden wollen, haben wir Angst, weil wir verletzbar sind, sterben können, weil wir schmerzempfindlich sind, spüren wir Angst, nicht wegen der Schlange. Sie scheint vielmehr nur die Form zu sein, durch die sich diese Angst vor x,y,z manifestieren kann.

Das formale Objekt und das Bewerten zeigen sich in diesem Zusammenspiel als zwei verschiedene Momente. Das Bewerten ist ein emotionales Gerichtetsein auf etwas, nicht wegen dieses Etwas, sondern wegen Gründen, die sich in diesem Etwas lediglich Gestalt geben.



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Jörn Budesheim
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Notiz:

Wann immer es Diskussionen um soziale Schieflagen geht - die einen haben viel, die anderen wenig - wird behauptet, es handle sich hier ein Wahrheit um eine Neiddebatte. Wenn aber Menschen solche Schieflagen als ungerecht empfinden, dann liegt doch kein Neid vor, vielleicht eher eine Form der Empörung. Das muss in der Analyse des Begriffs geklärt werden.




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Friederike
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So 11. Aug 2019, 13:37

Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 12:40
Der Anlass für das Fühlen findet sich im intentionalen Objekt, aber es ist nicht den Gegenstand, den wir beneiden (ohnehin nicht), sondern die Person, die den Gegenstand besitzt, aber nicht, weil sie ihn besitzt, [...]
Nur am Rande angemerkt, weil die obige Formulierung mir so zutreffend scheint - "Mißgunst" würde ich als das Gefühl bezeichnen, das hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf die Person gerichtet ist (io ist immer eine Person + fo "eine Person hat etwas, von dem ich meine, sie sollte es nicht haben" ). Diese Person soll den Gegenstand nicht haben, weil sie es ist. Vielleicht, weil man die Person nicht leiden kann.

Der Moment, Ihr hattest es beide bei Euren "Neid"-Analysen geschrieben, der "Asymmetrie" oder der empfundenen "Ungerechtigkeit" spielt auch bei der Mißgunst eine Rolle. Ich habe nicht übersehen @Alethos, daß Du im Zitat über "Neid" schreibst und nicht über "Mißgunst" und daß ich Deine Negation umgekehrt habe.

Worin Ihr übereinstimmt, das ist also, daß "Neid" zum intentionalen Objekt immer eine Person hat. Hm, ich weiß noch nicht ...




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Friederike
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So 11. Aug 2019, 13:59

Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 12:40
Da ist ein Haus, es gehört jemand anderem als mir. Ich will es haben, nicht deshalb, weil ein anderer es hat (denn ich kann vieles gar nicht wollen, das ein anderer hat), sondern weil ich einen Mangel empfinde, wenn ich es nicht habe, und mich durch diesen Mangel im Nachteil gegenüber der Person fühle, die den Gegenstand hat, will ich ihn. Ich möchte eine Differenz beseitigen, die einen Mangel darzustellen vermag, durch den ich mich in eine unangenehme Situation (Gefühl der Benachteiligung, Gefühl der Minderwertigkeit, Gefühl des entgangenen Nutzens, Angst vor sozialem Stellungsverlust etc.) versetzt fühle, die ich beseitigen will. Hier kommen also ganz viele verschiedene Gefühle zusammen, so dass sich Neid erst ausbilden kann: Jemand hat etwas, das ich nicht habe. Ich will es haben, weil x, y, z. Erst x, y, z geben die Gründe für das Habenwollen eines Gegenstandes, das jemand hat und ich nicht. Dann aber ist der Gegenstand des Neids gar nicht so sehr, dass er dieser Gegenstand ist, sondern dass ich in x, y, z Gründe habe, ihn zu wollen. Neid bezieht sich wohl auf fremdes Eigentum, also stets auf einen Anderen, der hat. Aber der Grund für das Habenwollen findet sich nicht am Gegenstand selbst, sondern er steht quasi repräsentativ für etwas anderes, das ich durch diesen Gegenstand gewinne oder beseitige (Ich gewinne Prestige, materiellen Wert etc. resp. ich beseitige ein Gefühl der Benachteiligung usw.).
Ich nehme das Wort "Gegenstand" im von mir unterstrichenen Satz und interpretiere es [das Wort] als "intentionales Objekt". Dann, so denke, ist der Gegenstand/io des Neides eben nicht der Gegenstand, der es prima facie zu sein scheint (Haus, Auto). Dann ist Gegenstand/io des Neides das Ansehen einer anderen Person, die soziale Stellung, die sie hat. Also das, was die Begleit- oder Folgeerscheinungen sein mögen, die aus dem Besitz einer Sache hervorgehen.

Das ist kein Einwand gegen Deine Analyse, ich wollte nur den Punkt mit dem intentionalen Objekt deutlich machen.




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Jörn Budesheim
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So 11. Aug 2019, 14:13

Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 12:40
Das formale Objekt und das Bewerten zeigen sich in diesem Zusammenspiel als zwei verschiedene Momente. Das Bewerten ist ein emotionales Gerichtetsein auf etwas, nicht wegen dieses Etwas, sondern wegen Gründen, die sich in diesem Etwas lediglich Gestalt geben.
Die "zwei verschiedene(n) Momente" sind in der Analyse der Emotion, die auf das fo und das io setzen, jedoch vorhanden und zwar exakt in diesen beiden Begriffen. Es geht letzendlich um unser Leben und die "Selbstsorge". Wir sind verletzlich und daher gefährdet. Das ist in dem Formalobjekt "aufgehoben", da geht es im Grunde um das Gefährliche im Allgemeinen. In der konkreten Gefährdungssituation mit der Schlange gibt es jedoch ein konkretes Objekt, nämlich diese Schlange, die die Gefährdung bedeutet, weswegen wir vor ihr Angst haben.

In der Schlange (io) tritt uns das Gefährliche (fo) entgegen.




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So 11. Aug 2019, 14:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 13:35
Notiz:

Wann immer es Diskussionen um soziale Schieflagen geht - die einen haben viel, die anderen wenig - wird behauptet, es handle sich hier ein Wahrheit um eine Neiddebatte. Wenn aber Menschen solche Schieflagen als ungerecht empfinden, dann liegt doch kein Neid vor, vielleicht eher eine Form der Empörung. Das muss in der Analyse des Begriffs geklärt werden.
Man bräuchte nur die Bewertung des Neides als eines "abzulehnenden" Gefühls, wie Du weiter oben geschrieben hattest, umkehren in eine positive Bewertung. Und interessant ist ja, Ihr hattet beide darauf hingewiesen, daß "Neid" auf irgendeine Weise mit einem Eindruck/einer Bewertung, "etwas sei ungerecht, ungleich gewichtet" o.ä verbunden ist. Dieser Aspekt wird, wie man in der Neiddebatte den Neid versteht, eigentlich entfernt. Die Ungerechtigkeit scheint -aus der Sicht derer, die "bloß neidisch" sagen- beim Neiden keine Rolle zu spielen.

Der Neid ist eine Erfindung der Herrschaft. Oder der Neid als eines negativen Gefühls, das man möglichst nicht haben sollte.




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So 11. Aug 2019, 14:47

Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 11:44
Das mag ein kleiner Unterschied in der Formulierung sein. Mir geht es nur darum zu betonen, dass, auch wenn eine Bewertung von etwas sich auf ein Etwas beziehen mag, es doch diese Bewertung ist, die fühlen zu machen scheint, aber es ist ja nicht, aus schierer Willkür, dass wir bewerten, sondern einem Objekt entlang. Es ist das bewertete Objekt, das uns fühlen macht und erst dann ergibt auch der Begriff Formalobjekt Sinn.
Ich weiss nicht, ob ich mich verständlich machen kann :) Das eine, die Bewertung, als ein Vorgang, ist ein rein subjektives Moment und sicherlich notwendig für ein Fühlen. Das andere ist aber ein bewertetes Wirkliches und hebt den Aspekt dieses real Vorhandenen als wahren Grund für die Emotion hervor. Vielleicht meintest du genau das und ich bin hier einfach mäusemelkerisch :roll:
Nein, das meinte ich zwar nicht, weil bei mir der Aspekt des real Vorhandenen, das bewertet wird, immer unterbelichtet bleibt ... aber ich stimme Dir zu.




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Jörn Budesheim
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Der Kranke kann den Gesunden, der Alte den Jungen beneiden. Hier kann es um soziales Prestige gehen, aber muss es das?




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So 11. Aug 2019, 15:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 14:13
Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 12:40
Das formale Objekt und das Bewerten zeigen sich in diesem Zusammenspiel als zwei verschiedene Momente. Das Bewerten ist ein emotionales Gerichtetsein auf etwas, nicht wegen dieses Etwas, sondern wegen Gründen, die sich in diesem Etwas lediglich Gestalt geben.
Wir sind verletzlich und daher gefährdet. Das ist in dem Formalobjekt "aufgehoben", da geht es im Grunde um das Gefährliche im Allgemeinen. In der konkreten Gefährdungssituation mit der Schlange gibt es jedoch ein konkretes Objekt, nämlich diese Schlange, die die Gefährdung bedeutet, weswegen wir vor ihr Angst haben.

In der Schlange (io) tritt uns das Gefährliche (fo) entgegen.
Ja, und zwar in der Emotion der Angst.

Mir gefällt in diesem Zusammenhang der Begriff des 'Aufgehobenseins', das vielleicht nur am Rande. Das formale Objekt beinhaltet beides: Das io und seine Bewertung als konkret Gefährliches. Konkret gefährlich kann es nur sein, weil es Gefährlichkeit überhaupt gibt, und sie gründet in vielerlei Hinsicht auf unser Sosein: verletzlich sein etc. im Angesicht eines intentionalen Objekts, das uns gefährlich werden kann, uns verletzen, töten usw. kann. Es liegt daher kein formales Objekt der Angst vor in einer Wiesenblume, wenn in deren Angesicht wir keinen berechtigten Grund haben,
diese als für unser gefährlich anzusehen, denn nur, insofern nur sie uns verletzen kann, kann sie gefährlich überhaupt werden und nur dann, sie vor uns habend, kann sie konkret Angst auslösen.



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So 11. Aug 2019, 15:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 15:13
Der Kranke kann den Gesunden, der Alte den Jungen beneiden. Hier kann es um soziales Prestige gehen, aber muss es das?
Nö, muß es nicht. Aber ich verstehe Deine fragende Überlegung nicht.




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Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 15:16
Das formale Objekt beinhaltet beides: Das io und seine Bewertung als konkret Gefährliches.
Ich glaube nicht, dass wir noch eine Chance haben, uns auf ein einigermaßen gleiches Begriffsverständnis zu einigen. Ich für meinen Teil finde es eigentlich nicht so kompliziert, aber ich mag mich täuschen.

Wir sollten auf die beiden Begriff in Zukunft also verzichten, da wir sonst systematisch an einander vorbei reden :-)




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Friederike hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 15:26
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 15:13
Der Kranke kann den Gesunden, der Alte den Jungen beneiden. Hier kann es um soziales Prestige gehen, aber muss es das?
Nö, muß es nicht. Aber ich verstehe Deine fragende Überlegung nicht.
Wurde nicht weiter oben behauptet, es ging immer um soziales Prestige?




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So 11. Aug 2019, 15:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 15:13
Der Kranke kann den Gesunden, der Alte den Jungen beneiden. Hier kann es um soziales Prestige gehen, aber muss es das?
Ich denke nicht. Neid hängt vielmehr mit einer an einen Gegenstand / eine Person geknüpften Vorstellung, dass das Haben dieses aus vielerlei Gründen wünschenswert ist. Das kann, muss aber nicht Prestige sein.

Und wo man die Hoffnung oder die Kraft nicht hat, sich dieses, was der andere hat, zu beschaffen, dann entsteht Missgunst. Denn das Ungleichgewicht der Begünstigung, will so oder anders beseitigt sein: durch den Wunsch der Vernichtung des Vorteils des anderen (Missgunst) oder durch Erlangung des Vorteils für mich selbst (Nachahmungswürdigkeit).



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So 11. Aug 2019, 15:36

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 15:28
Alethos hat geschrieben :
So 11. Aug 2019, 15:16
Das formale Objekt beinhaltet beides: Das io und seine Bewertung als konkret Gefährliches.
Ich glaube nicht, dass wir noch eine Chance haben, uns auf ein einigermaßen gleiches Begriffsverständnis zu einigen. Ich für meinen Teil finde es eigentlich nicht so kompliziert, aber ich mag mich täuschen.

Wir sollten auf die beiden Begriff in Zukunft also verzichten, da wir sonst systematisch an einander vorbei reden :-)
Vermutlich, ja.



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