Philosophische Reflexionen der Gefühle

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 11. Aug 2019, 15:46

Einfach damit es hier nochmals klar ist, was ich unter formalem Objekt verstanden hatte, damals als wie den Ausdruck noch verwendeten :):

Ein formales Objekt ist der im Gegenstand manifestierte Grund der Emotion.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 11. Aug 2019, 15:58

Die ganz einfache und alltägliche Idee, dass viele, ganz verschiedene, Dinge gefährlich sein können, geht nun leider verloren :)




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 11. Aug 2019, 16:16

Überhaupt nicht, Jörn. :)

Ein Jedes, das gefährlich ist, bleibt gefährlich aus denselben Gründen, wie zuvor oder aus neuen. Ich weiss nicht, was du meinen könntest.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 11. Aug 2019, 16:28

Es geht an dieser Stelle nicht darum, warum etwas jeweils gefährlich ist, sondern um die einfache Feststellung, dass es vieles verschiedenes gibt, was gefährlich ist. Ich sehe nicht, warum man das bezweifeln sollte.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 11. Aug 2019, 20:44

Dass wir vor vielen verschiedenen Dingen Angst haben können, das ist, ich kann es nicht anders sagen, eine triviale Feststellung. Niemand kann das bezweifeln.

Was mich jedoch erstaunt, ist, dass du das in das, was ich schrieb, hineininterpretierst, denn ich sagte im Gegenteil: Dass die Gründe für die Emotionen in den Dingen liegen - Eine Vielzahl von Gründen in einer Vielzahl von Gegenständen.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 11. Aug 2019, 20:56

Wir können jedoch auch unbegründet Angst haben, indem wir etwas auf die Gegenstände projizieren z.b. Unsere Wahrnehmungen - auch die von Werten - sind eben fallibel.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 11. Aug 2019, 21:06

Ich würde sagen, dass es geeignetere und weniger geeignete Objekte der Angst gibt, und nicht, dass die Angst unbegründet ist.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 11. Aug 2019, 21:11

Deswegen kommen wir nicht zusammen. Für mich sind Wahrnehmung objektiv, und das heißt, dass sie auch falsch liegen können.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 11. Aug 2019, 21:18

Nun müsste man bei diesen falschen Vorstellungen durchwegs herausarbeiten können, dass sie falsch sind, was man aber nicht können wird, logisch gesehen nicht können wird. Emotionen haben immer einen Grund, der vielleicht nicht immer korrespondiert mit etwas, das in der Wirklichkeit dieses Gefühl rechtfertigen würde. Das entzieht der Emotion nicht den Grund, sondern nur die Erstreckung auf den Gegenstand.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 11. Aug 2019, 21:27

Wogegen ich mich wehre, ist die Konzeption, dass Gefühle mit Kognitionen gleichgesetzt werden (auch wenn sie eine Form sind, auf die Welt gerichtet zu sein und mit ihr zu interagieren). Ich denke nicht, dass Gefühle in binärlogischer Hinsicht (tertium non datur) richtig oder falsch sein können: Sie können plausibler oder weniger plausibel sein, aber doch nicht ganz unberechtigt im Sinne von grundlos.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 12. Aug 2019, 06:16

Kognition und Gefühle sind beides Wahrnehmungen.

Nimm dir ein krasses Beispiel: Jemand steht vorm Spiegel, ist spindeldürr und nimmt sich selbst als übergewichtig wahr. Das hat sicherlich irgendeinen "Grund", aber eben nicht den, dass er übergewichtig ist. Analog gilt: Jemand hat Angst vor X, X ist jedoch für ihn ungefährlich. Dann mag die Angst irgendeiner Form begründet oder verursacht sein, vielleicht aus der Biographie, vielleicht aus einem Hirndefekt, aber sie ist nicht in der Gefährlichkeit von X für die fragliche Person begründet, also ist sie unangemessen.

Irgendein Grund reicht eben nicht, es muss der richtige sein. Es muss so sein, dass das Formalobjekt erreicht wird. Wenn Gefahr angezeigt wird, muss Gefahr vorliegen. Und deswegen brauchen wir ein korrektes Verständnis von Formalobjekt und nicht eines, was die Erfolgsbedingungen der Emotionen von vornherein unterläuft.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 12. Aug 2019, 08:00

Emotionen sind Wahrnehmungen und dadurch auch Urteile.

Nun kann man zum krassen Beispiel greifen, um die Eindeutigkeit dieser Urteile zu verdeutlichen (analog: spindeldürr vs. schwergewichtig). In solchen Beispielen wird durch den klaren Kontrast simuliert, dass eine Emotion eindeutig richtige oder falsche Urteile erlaube. Ich denke aber, dass es in den allermeisten Fällen nicht um solche Situationen geht.

Ich glaube auch nicht, dass Emotionen isoliert vorkämen (das hattest du selbst auch so geschrieben), hier einen eindeutige Grund für eine vielschichtig ineinander spielende Emotionsdynamik suchen zu wollen, das halte ich jedoch für unmöglich. Denn Emotionen können für sich selbst auch Gründe sein für eine Emotion, die formal auf ein Objekt geht. Wenn ich Angst habe, dann wegen des gefährlichen Gegenstandes X und angemessen ist diese Angst, sofern X gefährlich. Aber es kann auch ausserhalb von X ein Grund vorliegen.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 12. Aug 2019, 08:33

Alethos hat geschrieben :
Mo 12. Aug 2019, 08:00
Ich glaube auch nicht, dass Emotionen isoliert vorkämen (das hattest du selbst auch so geschrieben), hier einen eindeutige Grund für eine vielschichtig ineinander spielende Emotionsdynamik suchen zu wollen, das halte ich jedoch für unmöglich. Denn Emotionen können für sich selbst auch Gründe sein für eine Emotion, die formal auf ein Objekt geht. Wenn ich Angst habe, dann wegen des gefährlichen Gegenstandes X und angemessen ist diese Angst, sofern X gefährlich. Aber es kann auch ausserhalb von X ein Grund vorliegen.
Und wenn außerhalb von X ein Grund vorliegt, dann ist die Emotion unangemessen?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 12. Aug 2019, 08:45

Das ganze ist natürlich nicht nur ein philosophisches Problem. Da Emotionen vor allem eine motivierende bzw demotivierende Kraft haben, hängt für das Subjekt viel davon ab, dass sie zuverlässig funktionieren.

Und wenn das Subjekt bemerkt, dass seine Gefühle ihn regelmäßig in die Irre führen, ist es wichtig ein richtiges Konzept der Emotion zu haben. Dann kann man nämlich versuchen, gegenzusteuern. Philosophische Argumente, dass die Emotion auf irgendeine Weise vielleicht doch begründet sein mag, wären hier mehr als verfehlt.

Ich weiß von einen Fall, wo jemand den Tod des Vaters (quasi aus dem Nichts heraus) miterleben musste. Das Ergebnis ist ein schwere Angststörung. So etwas ist schrecklich und bedarf einer Therapie. Angststörung heißt nichts anderes als, dass die Angst ihr Formalobjekt dauernd verfehlt. Man wähnt sich (vereinfacht gesagt) stets in Gefahrensituationen, obwohl keine Gefahr vorliegt.

Das richtige Konzept zeigt dann auch, wo man überhaupt ansetzen sollte: wenn es keine wirkliche "äußere" Gefährdungssituation gibt, sollte man versuchen, die Seele zu heilen, damit die Gefühle nicht mehr verrückt spielen und uns die Welt in einem falschen Licht zeigen.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 12. Aug 2019, 09:40

Friederike hat geschrieben :
Mo 12. Aug 2019, 08:33
Alethos hat geschrieben :
Mo 12. Aug 2019, 08:00
Ich glaube auch nicht, dass Emotionen isoliert vorkämen (das hattest du selbst auch so geschrieben), hier einen eindeutige Grund für eine vielschichtig ineinander spielende Emotionsdynamik suchen zu wollen, das halte ich jedoch für unmöglich. Denn Emotionen können für sich selbst auch Gründe sein für eine Emotion, die formal auf ein Objekt geht. Wenn ich Angst habe, dann wegen des gefährlichen Gegenstandes X und angemessen ist diese Angst, sofern X gefährlich. Aber es kann auch ausserhalb von X ein Grund vorliegen.
Und wenn außerhalb von X ein Grund vorliegt, dann ist die Emotion unangemessen?
Nein, sie ist nur eben nicht immer klar zuordenbar zu diesem X, manchmal ist der Gegenstand des Fühlens selbst so verworren, dass ein klares Urteil über die Angemessenheit dieses Gefühls nicht möglich ist.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 12. Aug 2019, 10:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 12. Aug 2019, 08:45
Das richtige Konzept zeigt dann auch, wo man überhaupt ansetzen sollte: wenn es keine wirkliche "äußere" Gefährdungssituation gibt, sollte man versuchen, die Seele zu heilen, damit die Gefühle nicht mehr verrückt spielen und uns die Welt in einem falschen Licht zeigen.
Aber, das steht doch gar nicht zur Debatte, finde ich. Ich wehre mich aber gegen deinen Befund, dass alle Nichtübereinstimmung eine Pathologie darstellen müsse, also alles phobisch sein müsse, dessen Angst in X keinen Gegenstand habe. Denn erstens finde ich, dass die Angst vor X nicht allein durch X vorgegeben sein kann, sondern durch mich mitgegeben sein muss als dieser wie auch immer konstituierte Mensch, der eine Emotion hat. Und andererseits ist diese Bezüglichkeit, also dass ich zu X in Relation stehe, selbst wiederum konstitutiv für ein Urteil über die Angemessenheit von etwas überhaupt diese Relation Betreffendes. Darum finde ich die Behauptung heikel, dass da ein Gefühl angemessen sei oder nicht sei, wo ein X ist oder nicht ist (und dies etwa noch notwendig so sein müsse).
X und Gefühl sind nicht miteinander so verbunden, wie es Erkenntnis und die Übereinstimmung ihres Gegenstandes sein müssen, um eindeutig wahre Urteile zu erlauben in empirischen Wissenschaften. Es entspringt dem Unterschied zwischen kognitivem und emotionalen Erkennen, dass das Objekt des Fühlens, also Gegenstand X, und das darauf bezogene Fühlen nicht als so miteinander verknüpft angesehen werden können wie das Grüne auf einer Wiese mit dieser Wiese. "Rot ist das Wellenspektrum des Lichts mit der Frequenz 700nm" und "Ich fühle gegenüber dieser Person Ärger " sind zwei verschiedenartige Urteile, und so zu tun, als wären sie einerlei, das halte ich für falsch.

"Ich habe ein bisschen Angst vor Spinnen" ist nicht einfach ein eindimensional wahrheitsfähiges Urteil über eine tatsächliche Gefahr im Aussen, denn die Angst ist nicht eindeutig einfach gegeben durch den Gegenstand X. Die Spinne könnte stark giftig sein (tödlich) oder auch nur ein bisschen giftig, die Person könnte allergisch sein oder sich vor der ekligen Vorstellung ängstigen, dass da ein haariges Ding über sie kriecht. Es könnte sich auch nur um einen Angstreflex handeln, ein eingeübtes Angsthaben im Schema verschiedener gleichartiger Situationen ("Wo Spinnen sind, da habe ich erst einmal Angst"). Es ist einfach nicht immer so klar, ob objektiv ein Grund für die Gefährdung allein durch den Gegenstand vorliegt, weil das Gesamte der Situation doch eine Objektivität bildet, darin der Gegenstand nur ein, wenn auch massgebliches, Objekt ist. Es ist real, dass Person P mit X intentional verbunden ist und nur diese Relation erlaubt über die Objektivität der Angst, d.h. der Angemessenheit oder nicht der Emotion, Aussagen zu machen. Und das wird mir bei deinem Definitionsansatz zu wenig beleuchtet, dass es da ein P gibt, das fühlt.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 12. Aug 2019, 10:25

Gefährlichkeit ist jedoch bereits eine Relation. Deswegen verstehe ich nicht, welche weitere Relation da noch ins Spiel kommen sollte oder fehlen könnte. Wenn die Person beispielsweise allergisch gegen Spinnen ist oder die Spinne giftig, dann ist die Relation der Gefährlichkeit gegeben. Ist die Spinne für die Person jedoch harmlos, dann liegt eben die Relation Harmlosigkeit vor und nicht die Relation Gefährlichkeit.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 12. Aug 2019, 11:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 12. Aug 2019, 10:25
Gefährlichkeit ist jedoch bereits eine Relation. Deswegen verstehe ich nicht, welche weitere Relation da noch ins Spiel kommen sollte oder fehlen könnte. Wenn die Person beispielsweise allergisch gegen Spinnen ist oder die Spinne giftig, dann ist die Relation der Gefährlichkeit gegeben. Ist die Spinne für die Person jedoch harmlos, dann liegt eben die Relation Harmlosigkeit vor und nicht die Relation Gefährlichkeit.
Nimm Ekel, das ist doch ein Gefühl: Ekelgefühl. Nun ist das angemessen oder nicht?

Wenn die Spinne nicht gefährlich ist, dann ist sie kein so geeignetes Objekt der Angst. Aber sie könnte in der Nacht auch in mein Nasenloch krabbeln, sich dort verfangen und ich könnte an ihr ersticken. Da ist doch die Angst vor so Krabbeltieren nicht einfach unbegründet, sondern vielleicht plausibler oder weniger, aber nie unbegründet. Mit dem Grad der Plausibilität einer Emotion steigt auch der Grad des Irrationalen an ihr und damit die Pathologie.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 12. Aug 2019, 11:19

Alethos hat geschrieben :
Mo 12. Aug 2019, 11:10
Aber sie könnte in der Nacht auch in mein Nasenloch krabbeln, sich dort verfangen und ich könnte an ihr ersticken.
Wenn die Spinne gefährlich ist, weil sie ins Nasenloch krabbelt und dich erstickt, dann ist diese Situation eben gefährlich. Dann ist es angemessen, Angst vor der Spinne im Nasenloch - also dieser Situation - zu haben. Wo ist das Problem?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23280
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 12. Aug 2019, 11:45

Alethos hat geschrieben :
Mo 12. Aug 2019, 11:10
Ekelgefühl. Nun ist das angemessen oder nicht?
Naja, kommt natürlich drauf an, worauf es sich bezieht. Ekel vor verfaultem Fleisch kann sehr angemessen sein.




Antworten