Philosophische Reflexionen der Gefühle

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 9. Aug 2021, 11:12

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 03:28
Stattdessen führt man eine Ersatzdiskussion darüber, ob es angemessen ist Angst vor Wolken zu haben, weil man glaubt damit belegen zu können dass es "falsche" Gefühle gibt "Falsch" ist aber nicht "unecht" Ob etwas falsch ist ist wieder eine ganz andere Frage..
Der Vollständigkeit halber: Diesen Begriff „echt“ habe ich in die Runde geworfen, als es um die Frage nach Alternativbegriffen ging. Friederike nannte „einzigartig“.

Das „echt“ kam dann von mir als weiteren Vorschlag um zu verdeutlichen, dass Gefühle auch falsch liegen können. Diesen Begriffsvorschlag kann man diskutieren. Ich hänge nicht so sehr an ihm.

PS: Dass Gefühle immer echt sein sollen, das lernen Schauspieler bereits in der Ausbildung.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jovis
Beiträge: 228
Registriert: So 19. Apr 2020, 08:46

Mo 9. Aug 2021, 11:27

Gedankenblitz: Gefühle stellen keine Verbindung her oder vermitteln nicht zwischen Innen und Außen, sondern sind Teil unseres In-der-Welt-Seins. (Keine Ahnung, ob das weiterträgt …)




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 9. Aug 2021, 11:41

Jovis hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 10:15
Ich verstehe den Punkt, dass Gefühle nicht etwas komplett Inneres sind, weil sie dadurch funktionslos würden. Ich bin auch damit einverstanden, dass sie uns mit der Außenwelt verbinden – mein Begriff der Vermittlung drückt dasselbe aus. Ich verstehe aber nicht, warum deswegen das Konzept von Innen und Außen überflüssig wird. Ganz im Gegenteil, ich halte es für essentiell. Denn wenn wir nicht diese Außenhülle hätten, die ein Inneres zur Folge hat, bräuchten wir doch Gefühle als eine unserer Möglichkeiten der Barriereüberschreitung vermutlich gar nicht.
Das "Innen" und "Aussen" wird hier einfach falsch verstanden. Im Prinzip meinen wir damit "Dies sind meine Gefühle, sie gehören zu mir". Das ist eine Abgrenzung des Ichs (und seiner Gefühls- und Gedankenwelt) von der Aussenwelt. Damit will aber kein Mensch sagen, dass Gefühle und Gedanken überhaupt keine Verbindung zur Umwelt haben (Im Gegenteil, sie sind ja eine Schnittstelle).
Wer diese "Trennung!" in Frage stellt, stellt das ganze "Ich" in Frage. Und auch so gängige Konzepte, wie zum Beispiel das Urheberrecht werden dann völlig sinnlos. Wenn z.B. meine Gedanken nicht mehr zu mir gehören, wie könnte ich dann ihr Urheber sein?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 9. Aug 2021, 11:50

Alethos hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 11:12
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 03:28
Stattdessen führt man eine Ersatzdiskussion darüber, ob es angemessen ist Angst vor Wolken zu haben, weil man glaubt damit belegen zu können dass es "falsche" Gefühle gibt "Falsch" ist aber nicht "unecht" Ob etwas falsch ist ist wieder eine ganz andere Frage..
Der Vollständigkeit halber: Diesen Begriff „echt“ habe ich in die Runde geworfen, als es um die Frage nach Alternativbegriffen ging. Friederike nannte „einzigartig“.
Meine Gefühle gehören einfach zu mir. Es sind meine Gefühle (und nicht die eines anderen). Und natürlich sind sie echt (einfach weil sie da sind).
Und auch das mit den "falschen" und "richtigen" Gefühlen ist problematisch. Wir sprechen da eigentlich eher von negativen Gefühlen (Angst, Hass, Wut usw) und positiven Gefühlen (Freude, Liebe, Verbundenheit).
Es gibt einen gesellschaftlichen Kontext aus dem heraus diese Bewertung/Zuordnung stattfindet.
"Richtig" und "falsch" sind meiner Meinung nach nicht die Gefühle, sondern die Handlungen die aus ihnen resultieren. Von erwachsenen Menschen wird erwartet, dass sie ihren negativen Gefühlen (die wir alle haben) nicht einfach unreflektiert nachgeben.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 9. Aug 2021, 12:33

Stefanie hat geschrieben :
So 8. Aug 2021, 22:48
[...]Wenn ich Angst hatte, hatte ich Angst. Wenn sich dann herausstellt, dass die Angst nicht begründet war, hatte ich doch das Gefühl Angst. Sie war ja da diese Angst. In dem Moment wo die Angst auftaucht, ist es Angst und kein sich freuen. Ich verstehe Friederike so, dass sie dies damit meint, wenn sie von Gefühle können nicht irren schreibt. Oder? [...]
Ja, das meinte ich (daß ich dies meinte, ist mir zwar selber erst am Abend nach dem Ende des Gespräches klar geworden, aber Du hast mich richtig verstanden, darauf kommt es an).




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 9. Aug 2021, 12:41

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 03:28
Eben. Und deshalb sind Gefühle auch nicht "echt" oder "unecht". Sie sind immer echt. Ausnahmslos.
Das wurde aber überhaupt nicht verstanden.
O doch, das wurde sehr wohl verstanden, ich hatte Dir darauf geantwortet. Wenn die Freude eine unechte ist (Alethos Beispiel: die Schadenfreude), dann ist es keine Freude, sondern ein anderes Gefühl. Wenn Dein Ärger über die Ignoranz der hier Schreibenden ein unechter ist, dann ist es eben kein Ärger, sondern ein anderes Gefühl. Ein Gefühl ist das, was es ist.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 9. Aug 2021, 12:46

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 11:50
Und auch das mit den "falschen" und "richtigen" Gefühlen ist problematisch. Wir sprechen da eigentlich eher von negativen Gefühlen (Angst, Hass, Wut usw) und positiven Gefühlen (Freude, Liebe, Verbundenheit). Es gibt einen gesellschaftlichen Kontext aus dem heraus diese Bewertung/Zuordnung stattfindet.
Niemand hier hat in der gesamten Diskussion mit "falschen" Gefühlen "negative" Gefühle und mit "richtigen" Gefühlen "positive" Gefühle gemeint.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23265
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 9. Aug 2021, 14:13

Friederike hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 12:41
sondern ein anderes Gefühl
Ja, wir können uns natürlich auch in dieser Weise in unseren Gefühlen irren. Ein Beispiel aus der Literatur: Müller glaubt, sich über den Nachbarn zu empören, weil dieser schon wieder ein neues dickes Auto hat. Aber er irrt sich in sich selbst: In Wahrheit ist er neidisch.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 9. Aug 2021, 14:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 14:13
Friederike hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 12:41
sondern ein anderes Gefühl
Ja, wir können uns natürlich auch in dieser Weise in unseren Gefühlen irren. Ein Beispiel aus der Literatur: Müller glaubt, sich über den Nachbarn zu empören, weil dieser schon wieder ein neues dickes Auto hat. Aber er irrt sich in sich selbst: In Wahrheit ist er neidisch.
Oja! Das ist mir sehr bekannt. Aber wie funktioniert das? Kriegt man es selber schon halb mit, daß die Wut nur vorgeschoben ist und dahinter -vordergründig und hintergründig- der Neid steht? Oder ist an der Oberfläche die Wut und nur dann, wenn man sich hinsetzt und tiefer schürft, entdeckt man den Neid? Aber dennoch bleiben die Wut "Wut" und der Neid "Neid".




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23265
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 9. Aug 2021, 16:25

Friederike hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 14:31
Kriegt man es selber schon halb mit, daß die Wut nur vorgeschoben ...
Ich denke, das gibt es in verschiedenen Ausprägungen. Wichtig für den Zusammenhang ist, wie ich finde, dass man sich auch in so etwas irren kann.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 9. Aug 2021, 16:27

Friederike hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 12:46
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 11:50
Und auch das mit den "falschen" und "richtigen" Gefühlen ist problematisch. Wir sprechen da eigentlich eher von negativen Gefühlen (Angst, Hass, Wut usw) und positiven Gefühlen (Freude, Liebe, Verbundenheit). Es gibt einen gesellschaftlichen Kontext aus dem heraus diese Bewertung/Zuordnung stattfindet.
Niemand hier hat in der gesamten Diskussion mit "falschen" Gefühlen "negative" Gefühle und mit "richtigen" Gefühlen "positive" Gefühle gemeint.
Ja, eben. Von "richtigen" und "falschen" Gefühlen zu reden ergibt ja überhaupt keinen Sinn (Was soll das sein?). Über negative und positive Gefühle zu reden hingegen schon.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 9. Aug 2021, 16:30

Friederike hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 12:41
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 03:28
Eben. Und deshalb sind Gefühle auch nicht "echt" oder "unecht". Sie sind immer echt. Ausnahmslos.
Das wurde aber überhaupt nicht verstanden.
O doch, das wurde sehr wohl verstanden
Ja, von Dir vielleicht.

Beispiel:
Friederike hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 14:31
Aber dennoch bleiben die Wut "Wut" und der Neid "Neid".
Wieso musst Du das immer wieder sagen, wenn es doch schon verstanden wurde?
Denn natürlich empfindet Jemand, der wütend und neidisch ist Wut und Neid, auch wenn ihm das Neidmotiv zunächst nicht bewusst ist.
Es ist eben nicht so, dass die Wut rückwirkend zum Neid wird ("oh, ich habe ja niemals Wut empfunden").
So etwas ist höchstens bei einem Menschen vorstellbar der Wut und Neid nicht unterscheiden kann. Kinder zum Beispiel, die noch nicht wissen, wie sich Wut und Neid äußern und was wir darunter verstehen.
Die verwechseln dann aber einfach nur die Bezeichner (an so einem Gefühl hängt ja kein Schild auf dem steht "ich bin Wut").



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 9. Aug 2021, 17:04

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 16:30
Wieso musst Du das immer wieder sagen, wenn es doch schon verstanden wurde? Denn natürlich empfindet Jemand, der wütend und neidisch ist Wut, und Neid, auch wenn ihm das Neidmotiv zunächst nicht bewusst ist. Es ist eben nicht so, dass die Wut rückwirkend zum Neid wird ("oh, ich habe ja niemals Wut empfunden"). [...]
Ja, ich habe es nochmal gesagt, weil es die Antwort auf meine Frage war, wie es möglich ist, ein Gefühl (wie Wut) zu haben und später zu entdecken, daß man eigentlich traurig oder verletzt ist (ich nehme dieses Beispiel, weil dies meiner Erfahrung entspricht). Ich war zuerst unschlüssig, ob man im Wütendsein schon eine Ahnung des dahinter oder darunter liegenden Gefühls hat. Insofern in solch einem Fall tatsächlich das Wort "unecht" zu gebrauchen naheliegend wäre. Aber dann bin ich zu dem Entschluß gekommen, daß man (echt :lol: ) wütend ist und "in Wahrheit" traurig oder neidisch (gleichzeitig geht, glaube ich, nicht).




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 9. Aug 2021, 17:06

Alethos hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 11:12
Dass Gefühle immer echt sein sollen, das lernen Schauspieler bereits in der Ausbildung.
Das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man die Innen- nicht mit der Aussenwelt gleichsetzen soll und das äußere "Reaktionen" (oder "Aktionen") nicht identisch sind mit dem Gefühl, es also ein Fehler ist das gleichzusetzen.
Wenn der Schauspieler ein Gefühl spielt (mehr oder weniger gut) dann macht er das ja vor allem über Mimik und Gestik die gewöhnlich mit einem Gefühl einher geht (Lächeln mit Freude, Trauer mit Tränen usw).
Das heißt über diese Äußerlichkeiten ist es möglich den Beobachter zu täuschen. Es wird ein Gefühl dargestellt, das nicht vorhanden ist.
Am besten (und authentischsten) ist es natürlich wenn der Schauspieler das Gefühl das er mimt auch wirklich selber fühlt. Ich nehme an das unterscheidet einen guten von einem schlechten Schauspieler.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mo 9. Aug 2021, 17:30, insgesamt 1-mal geändert.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jovis
Beiträge: 228
Registriert: So 19. Apr 2020, 08:46

Mo 9. Aug 2021, 17:09

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 10:59
Jovis hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 10:15
Wir sind Lebewesen mit einer Außenhülle.
Das ist richtig. Es markiert aber nach meiner Sicht nur ein weiteres Problem der "Innen-Außen" Terminologie. Das Begriffspaar ist nämlich (mindestens) doppeldeutig. Einerseits kann damit der Bereich diesseits der Hautgrenze gemeint sein. Dann sind die Knochen und die Organe innen. Das ist aber gar nicht gemeint, schätze ich, wenn man andererseits von einem Innen in einem mentalen Sinne spricht. In dieser Terminologie gehören die Knochen und Organe zur Außenwelt des Bewusstseins.
Das ist für mich erst einmal kein Problem, sondern Anzeige eines Sachverhaltes. Das Innen-Außen-Konzept kann sich sowohl auf das Körperliche als auch auf das Mentale beziehen, weil wir ja sowohl körperliche als auch „mentale“ (vielleicht besser: soziale) Gefühle haben. Ich hatte im Laufe der Diskussion schon mehrfach überlegt, ob es für das Thema eigentlich egal ist, ob ich beispielsweise von Bauchschmerzen oder von Neid spreche. Bauchschmerzen gehen nach innen, Neid nach außen, grob gesagt.

Ich trenne nicht strikt zwischen körperlich und mental, sondern sehe sie als aufeinander aufbauend, einander beeinflussend, ineinander verschränkt an, mit fließenden, nicht immer klar abgegrenzten Übergängen. Gefühle haben ja oft sowohl einen körperlichen als auch einen mentalen Anteil. Nicht nur, dass Körper(dys)funktionen Gefühle auslösen und Gefühle sich körperlich auswirken können (mit Zahnschmerzen bin ich missmutig, im Flow spüre ich keine Müdigkeit; besonders faszinierend finde ich ja, dass man sich in gute Laune versetzen kann, indem man einfach lacht – die reine Körperbewegung löst ein Gefühl aus); sondern dass man traditionell bestimmten Gefühlen bestimmte Körperregionen zugewiesen hat, hat ja insofern seine Berechtigung, als sich bei Angst z. B. das Herz zusammenkrampft, Traurigkeit die Muskeln erschlaffen lässt etc.

Der enge Zusammenhang zwischen Körper und Geist spielt ja auch beim Fledermausbeispiel eine Rolle. Warum weiß ich nicht, wie es ist, eine Fledermaus zu sein? Weil u. a. ihre Physiologie so sehr verschieden von meiner ist, dass ich mich nicht hineinfühlen kann. Warum kann ich mich dagegen in einen anderen Menschen hineinversetzen? Weil unsere Physiologie – mit allem, was darauf aufbaut – dieselbe ist.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 9. Aug 2021, 17:19

Friederike hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 17:04
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 16:30
Wieso musst Du das immer wieder sagen, wenn es doch schon verstanden wurde? Denn natürlich empfindet Jemand, der wütend und neidisch ist Wut, und Neid, auch wenn ihm das Neidmotiv zunächst nicht bewusst ist. Es ist eben nicht so, dass die Wut rückwirkend zum Neid wird ("oh, ich habe ja niemals Wut empfunden"). [...]
Ja, ich habe es nochmal gesagt, weil es die Antwort auf meine Frage war, wie es möglich ist, ein Gefühl (wie Wut) zu haben und später zu entdecken, daß man eigentlich traurig oder verletzt ist (ich nehme dieses Beispiel, weil dies meiner Erfahrung entspricht).
Wie das möglich ist? Na durch Selbstreflexion, oder durch Jemanden der einen darauf hinweist: "Sag' mal kann es sein, dass Dich der Vorfall verletzt hat?"
Aber die Frage ist doch wieso wir hier überhaupt darüber sprechen. Jörn bringt diese Beispiele ja nicht zum Spaß. Er bringt sie, weil er meint das seien Beispiele für "richtige" und "falsche" Gefühle, bzw dafür dass man sich irren kann und ein Gefühl meint zu haben was man nicht hat. Und warum will er klarstellen dass man sich irren kann? Das ist halt seine Realistenmission: Nur wenn man sich irren kann, dann ist es objektiv (sonst nicht).
Und dagegen spreche ich mich hier aus, weil ich nicht glaube, dass es bei Gefühlen einen Irrtum in dieser Form gibt. Irren (oder im Unklaren sein) können wir uns über unsere Gefühle nur in sofern, als das wir nicht genau wissen welches Gefühl da gerade in uns vorhanden ist: "Ich dachte das war Wut, aber eigentlich war es Neid". Dann hat aber nicht das Gefühl gewechselt und es gab auch kein "falsches Gefühl".
Das Gefühl bleibt ganz und gar das Gleiche, wir haben es nur falsch benannt. Es kann aber auch genauso gut beides sein. Wir empfinden Neid und Wut, wobei die Wut so dominant ist, dass wir den Neid nicht bemerken (erst dann wenn wir anfangen über unsere Gefühle und Motive intensiver nachzudenken: "Warum bin ich so wütend? Weil ich neidisch bin").
Ich war zuerst unschlüssig, ob man im Wütendsein schon eine Ahnung des dahinter oder darunter liegenden Gefühls hat. Insofern in solch einem Fall tatsächlich das Wort "unecht" zu gebrauchen naheliegend wäre. Aber dann bin ich zu dem Entschluß gekommen, daß man (echt :lol: ) wütend ist und "in Wahrheit" traurig oder neidisch (gleichzeitig geht, glaube ich, nicht).
Es könnte auch ein Drittes sein. Manchmal ist unsere Gefühlwelt chaotisch und ja, natürlich können wir zu einer Sache mehrere - auch widersprüchliche - Gefühle gleichzeitig haben.
Denk mal an die Hassliebe, oder das Gefühlschaos das man hat, wenn man Liebeskummer hat. Man liebt und trauert und fürchtet sich gleichzeitig (und manchmal hasst man auch: "Warum tut er/sie mir das an?").
Der Thrill des Achterbahnfahrens (oder bei Extremsportarten) kommt bei manchen daher, dass man Angst hat und diese Angst gleichzeitig Freude bereitet ("Nervenkitzel"). Sehr eng verbunden sind auch Schmerz und Lust (zumindest bei einigen Menschen).
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mo 9. Aug 2021, 17:47, insgesamt 4-mal geändert.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 9. Aug 2021, 17:38

Jovis hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 17:09
Weil unsere Physiologie – mit allem, was darauf aufbaut – dieselbe ist.
Ja, wobei das ein indirektes Schliessen ist. Diesem Schluß liegt die Annahme zugrunde, wer wie ich ein Mensch ist, der hat die selben Fähigkeiten.
Damit will ich nicht sagen dass dieser Schluß ungültig ist. Ich denke das kann man gut und gerne so behaupten.
Aber im strengen Sinne WISSEN was in einem Anderen vorgeht (wie sich für ihn die Gefühle die wir kennen anfühlen) kann ich nicht.
Letztlich ist da jeder mit seiner eigenen Innenwelt allein. Auch wenn Gefühle u.a. genau den Zweck haben uns zu verbinden.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 9. Aug 2021, 17:52

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 17:38
[...] Aber im strengen Sinne WISSEN was in einem Anderen vorgeht (wie sich für ihn die Gefühle die wir kennen anfühlen) kann ich nicht.
NWDM hat geschrieben : Irren (oder im Unklaren sein) können wir uns über unsere Gefühle nur in sofern, als das wir nicht genau wissen welches Gefühl da gerade in uns vorhanden ist: "Ich dachte das war Wut, aber eigentlich war es Neid". Dann hat aber nicht das Gefühl gewechselt und es gab auch kein "falsches Gefühl".
Das ist, wie ich finde, ein Phänomen (=erstaunlich). Wie lernen wir Gefühle? Das geht nur über "Verhalten" und "Sprechen". So und so sieht ein Mensch aus, wenn er erbost ist (die Eltern); Gestik, Mimik, Ton und dazu gibt es die entsprechenden Erklärungen ("weil du x oder y getan hast, deswegen ist deine Mutter verärgert"). In der Art etwa. Wie identifiziert man jetzt dieses Gefühl für sich, wenn man es hat? Wie geht der Sprung vom Verhalten und Wissen zum "feeling"? Oder auch umgekehrt?

Bei dem zweiten Zitat weiß ich nicht genau, ob Du nur mißverständlich formulierst oder ob Du meinst, man könne das Gefühl traurig sein verwechseln mit zornig sein?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23265
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 9. Aug 2021, 18:12

Jovis hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 17:09
Das ist für mich erst einmal kein Problem, sondern Anzeige eines Sachverhaltes. Das Innen-Außen-Konzept kann sich sowohl auf das Körperliche als auch auf das Mentale beziehen, weil wir ja sowohl körperliche als auch „mentale“ (vielleicht besser: soziale) Gefühle haben.
Das Problem entsteht, wenn für zwei verschiedene Sachverhalte ein und derselbe Ausdruck verwendet wird. Der Eine sagt innen und meint: Flatulenzen und die Andere versteht: Bewusstsein :)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23265
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 9. Aug 2021, 18:39

Jovis hat geschrieben :
Mo 9. Aug 2021, 17:09
Ich trenne nicht strikt zwischen körperlich und mental, sondern sehe sie als aufeinander aufbauend, einander beeinflussend, ineinander verschränkt an, mit fließenden, nicht immer klar abgegrenzten Übergängen. Gefühle haben ja oft sowohl einen körperlichen als auch einen mentalen Anteil. Nicht nur, dass Körper(dys)funktionen Gefühle auslösen und Gefühle sich körperlich auswirken können (mit Zahnschmerzen bin ich missmutig, im Flow spüre ich keine Müdigkeit; besonders faszinierend finde ich ja, dass man sich in gute Laune versetzen kann, indem man einfach lacht – die reine Körperbewegung löst ein Gefühl aus); sondern dass man traditionell bestimmten Gefühlen bestimmte Körperregionen zugewiesen hat, hat ja insofern seine Berechtigung, als sich bei Angst z. B. das Herz zusammenkrampft, Traurigkeit die Muskeln erschlaffen lässt etc.
Wenn wir sagen, dass Geistiges und Körperliches aufeinander aufbauen, einander beeinflussen, ineinander verschränkt sein können, dann unterscheiden wir sie doch, oder? Unterscheiden ist ja nicht trennen! Und "innen" als Raumangabe - "zwei Fingerbreit neben dem Herzen" und "innen" als Innenwelt, das sind schon zwei verschiedene Bedeutungen, finde ich.




Antworten