Die Frage zu beantworten impliziert, den Neidgegenstand geschluckt zu haben ... oder entgeht mir der Clou der Geschichte. Ich verstehe nicht, warum zum Erkennen des Neides, worum es offenbar geht, ein Beispiel herhält, bei dem ebenso offenkundig ist, daß es Neid nicht auslöst.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 11:08Aber damit änderst du das Gedankenexperiment. Und zwar entscheidend. Gegenstand des Neides sollen der Unfall und der starke Schmerz der kleinen Schwester sein. Und die Frage lautet, wie der Vater erkennen kann, dass der Sohn darauf neidisch ist.
Philosophische Reflexionen der Gefühle
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Mag sein. Dann sage Du, wohin mit dem Urvertrauen und wohin mit dem Vertrauen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 10:33Ich finde keineswegs, dass Vertrauen und Urvertrauen einfach das Selbe sind, oder?
Für mich besteht hinsichtlich der Frage, in welche Schublade man die beiden Begriffe tut, kein Unterschied. Den Unterschied würde ich eher in die Entwicklungsgeschichte packen. Urvertrauen als früheste Erfahrungen, aus denen später Vertrauen erwächst.
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Das ist eine Frage nach der Struktur der Emotionen am Beispiel des Neids. Offenbar ist dieser Gegenstand (der Schmerz des Bruders) dem Gefühl nicht angemessen. Das sehe ich auch so. Was heißt das für die Struktur der Emotion, wenn nicht beliebiges Gegenstand sein kann? Es heißt doch wohl, dass es öffentliche "Kriterien" geben muss, die etwas zum angemessenen Gegenstand machen, oder? Und das ist auch ein Fingerzeig, in welche Richtung man vermutlich gehen muss, um die diversen Emotionen zu identifizieren.
Vertrauen bedeutet für mich entweder die völlige Abwesenheit von Zweifeln (grenzenloses Vertrauen) oder geringe Zweifel mit einem als eher klein eingeschätzten Risiko, die "trotzdem" Vertrauen ermöglichen.Friederike hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 09:34Insofern "Vertrauen" keinen Gegenstand hat, ist es keine Emotion. Insofern "Vertrauen" ein "feeling" hat, ist es ein Gefühl. Aber stimmt das? Man vertraut jemanden, man vertraut in, man vertraut darauf ... Vertrauen bezieht sich auf irgendetwas, irgendwen. Also ist es intentional. Ja, und das "feeling"? Mir fällt nur die Negativ-Variante ein, ein Gefühl der Angstlosigkeit.
Da Du ein Fragezeichen gesetzt hast, nehme ich an, daß es Dir ebenfalls zweifelhaft scheint, Vertrauen für ein Gefühl (oder eine Emotion) zu halten. Nur, wohin sonst damit? 'Ne Stimmung ist es auch nicht. Eine "Gestimmtheit"? Eine geistige Haltung?
Ich würde Vertrauen umschreiben als die Annahme, daß Wünsche, Bedürfnisse und Absichten erfüllt werden und sich erfüllen lassen.
Vertrauen ist im letzten Fall also das Produkt einer Mischung aus Überlegung, Einschätzung, "Prüfung" der Person, der Lage, der Umstände, ohne ein Untersuchungsverfahren durchzuführen, und einer Art Wette auf die Zukunft.
Vertrauen muss mehr oder weniger begründet sein.
Urvertrauen ist das in der Kindheit erlernte Vermögen, mit seiner Mit-/Umwelt in Kontakt zu treten und zu handeln.
Urvertrauen setzt unbedingt Selbstvertrauen voraus.
Urvertrauen ist eine Einstellung.
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Wir vertrauen auf etwas oder jemanden.Friederike hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 11:39Dann sage Du, wohin mit dem Urvertrauen und wohin mit dem Vertrauen.
Urvertrauen hat nicht den Bezug zu einer Person. Wir urvertrauen nicht jemandem. Urvertrauen ist nach meiner Ansicht eher eine grundlegende Disposition. Vermutlich kann man es nicht ohne Verlust in Worte fassen. Es geht wohl um so etwas wie: mir kann nichts passieren. Ich bin hier zu Hause. Ich bin am richtigen Ort. Alles wendet sich zum Guten... Man vertraut darauf, dass die metaphysischen Umstände günstig sind und man geborgen ist.
Beide sind nach meinem Gefühl Emotionen und Werturteile, die natürlich auch enttäuscht werden können.
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Ja, völlig beliebig können die Gegenstände nicht sein. Selbst wenn man am Beispiel des Neides x-tausend Dinge oder Sachverhalte nennen kann, auf die sich der Neid richten könnte, so sind andererseits sehr viele Dinge oder Sachverhalte als Neidgegenstand wiederum nicht denkbar. Denkbar schon, aber es dürfte unwahrscheinlich sein, daß sie Neid bewirken. Die öffentlichen Kriterien zur Gegenstandsfestlegung würde ich noch dahingehend erweitern, daß es wohl ebenfalls öffentliche Kriterien sind, mit denen die Unangemessenheit oder Angemessenheit in Bezug auf das Ausmaß und die Intensität einer Emotion beurteilt wird.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 11:43Das ist eine Frage nach der Struktur der Emotionen am Beispiel des Neids. Offenbar ist dieser Gegenstand (der Schmerz des Bruders) dem Gefühl nicht angemessen. Das sehe ich auch so. Was heißt das für die Struktur der Emotion, wenn nicht beliebiges Gegenstand sein kann? Es heißt doch wohl, dass es öffentliche "Kriterien" geben muss, die etwas zum angemessenen Gegenstand machen, oder?
NS: Vielleicht liegt das Beurteilungskriterium doch -wider meine Annahme vorhin- hauptsächlich im Gegenstand. Als Mücke ist der Ärger-Gegenstand angemessen, als Elefant hingegen nicht.
O, interessant ... obwohl ich in diesem Moment noch gar nicht verstehe, wie ich mir das denken kann.Jörn hat geschrieben : Und das ist auch ein Fingerzeig, in welche Richtung man vermutlich gehen muss, um die diversen Emotionen zu identifizieren.
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Hm, ich glaube, das finde ich sehr zutreffend (hört sich ein bißchen verquer an, meine Zustimmung).Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 12:50[...] Man vertraut darauf, dass die metaphysischen Umstände günstig sind uns man geborgen ist.
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Meines Erachtens geht es hier nicht um Wahrscheinlichkeiten. Sondern um angemessen oder nicht angemessen. Dabei haben wir wieder den Unterschied zwischen Ursache und Grund.Friederike hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 13:08Denkbar schon, aber es dürfte unwahrscheinlich sein, daß sie Neid bewirken.
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Daß eine Krankheit Gegenstand von Neid wird, ist unwahrscheinlich - im Sinne von eher selten. Wie setzt Du hier angemessen vs. unangemessen ein?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 13:40Meines Erachtens geht es hier nicht um Wahrscheinlichkeiten. Sondern um angemessen oder nicht angemessen. Dabei haben wir wieder den Unterschied zwischen Ursache und Grund.Friederike hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 13:08Denkbar schon, aber es dürfte unwahrscheinlich sein, daß sie Neid bewirken.
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Einen Schritt weiter gedacht: Bestimmte Sachverhalte, denen bestimmte Emotionen zugeordnet werden.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 11:43Es heißt doch wohl, dass es öffentliche "Kriterien" geben muss, die etwas zum angemessenen Gegenstand machen, oder? Und das ist auch ein Fingerzeig, in welche Richtung man vermutlich gehen muss, um die diversen Emotionen zu identifizieren.
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Der Begriff Neid ist dann einfach falsch gebraucht. Weil es sich dann nicht um das Gefühl Neid handelt, wenn der Gegenstand dieses Gefühl nicht beneidenswert ist. Personen werden (vereinfacht gesagt) beneidet um etwas Positives, was sie sind oder haben. Krankheiten und starke Schmerzen sind nichts Positives.Friederike hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 13:52Daß eine Krankheit Gegenstand von Neid wird, ist unwahrscheinlich - im Sinne von eher selten. Wie setzt Du hier angemessen vs. unangemessen ein?
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Jetzt bist du wirklich in der Bredouille. Wirst du deine eigene Widerlegung gelten lassen?Tommy hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 14:14So selten ist das gar nicht. Und zwar deshalb nicht, weil mit einer Krankheit meistens auch eine gesteigerte Aufmerksamkeit der Mitmenschen einhergeht. Der Neid bezieht sich dann meist auf diese Aufmerksamkeit, weswegen Kinder sich dann manchmal auch krank wünschen und neidisch sind auf den der krank ist.
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Aus meiner Sicht verengst Du lediglich die Variationsbreite der möglichen Neid-Gegenstände. Üblicherweise ist klar, was als "positiv" und was als "negativ" angesehen wird. Im Einzelfall kann es dennoch sein, daß eine Krankheit für etwas Erstrebenswertes erachtet und deswegen Gegenstand des Neides wird. Starke Schmerzen sind in meinem Beispiel ja nicht vorgekommen, und von allen Krankheiten war nicht die Rede. Es könnte sich also um eine ganz spezifische Erkrankungsform handeln, z.B. kleinere entzündliche Krankheiten, die mit einem Antibiotikum gezielt und sicher auszuheilen gehen. Und wenn sich das Neid-Feeling einstellt, wie kann man unter diesem Umstand von einem falschen Gebrauch des Wortes sprechen?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 14:14Der Begriff Neid ist dann einfach falsch gebraucht. Weil es sich dann nicht um das Gefühl Neid handelt, wenn der Gegenstand dieses Gefühl nicht beneidenswert ist. Personen werden (vereinfacht gesagt) beneidet um etwas Positives, was sie sind oder haben. Krankheiten und starke Schmerzen sind nichts Positives.
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Es braucht (zur Kommunikation) eine Triangulation, meine ich. Das gilt auch bei Emotionen, ihrem Ausdruck, dem Gegenstand der Emotion und dem Rezipienten. Ohne dass etwas Beneidenswertes im Brennpunkt der Kommunikation steht, ist es in der Regel nicht möglich, die Emotionen zu identifizieren, schätze ich.Friederike hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 14:11Bestimmte Sachverhalte, denen bestimmte Emotionen zugeordnet werden.
Und wenn alles beliebige Gegenstand des Neides werden könnte, dann könnte auch niemand diesen Begriff erwerben.
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"alles beliebige" ... gewiß nicht.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 15:39Es braucht (zur Kommunikation) eine Triangulation, meine ich. Das gilt auch bei Emotionen, ihrem Ausdruck, dem Gegenstand der Emotion und dem Rezipienten. Ohne dass etwas Beneidenswertes im Brennpunkt der Kommunikation steht, ist es in der Regel nicht möglich, die Emotionen zu identifizieren, schätze ich.
Und wenn alles beliebige Gegenstand des Neides werden könnte, dann könnte auch niemand diesen Begriff erwerben.
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Es geht - wie Musil sagt - um die "Fürchterlichkeit selbst". Im Brennpunkt der Kommunikation muss nach meiner Einschätzung etwas stehen, was "entzückend oder beschämend oder ekelerregend sei". Ohne das kommt die Kommunikation gar nicht in Gang, weil der öffentliche Bezug fehlt. Auch in Bezug auf Gefühle und ihre Gegenstände ist der Externalismus wahr. Erstaunlich ist das eigentlich nur, weil man als aufgeklärter Mitteleuropäer "gelernt" hat, sich selbst aus dem herauszurechnen, was es wirklich gibt.„Es nähert sich uns im ersten Eindruck auch nicht etwas, das sich vielleicht als fürchterlich erweisen könnte, sondern die Fürchterlichkeit selbst kommt uns nahe, möge es sich immerhin einen Augenblick später schon als Täuschung herausstellen. Und gelingt es uns, den unmittelbaren Eindruck wieder herzustellen, so lässt sich diese scheinbare Umkehrung einer vernünftigen Reihenfolge auch an Erlebnissen wahrnehmen wie dem, dass etwas schön und entzückend oder beschämend oder ekelerregend sei.“ (Musil)
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Und warum und wozu münden die "öffentlichen Kriterien" nun in dem, was es "wirklich gibt"? Die Anführungsstriche kennzeichnen 2 von Dir verwendete Ausdrücke in 2 unterschiedlichen Beiträgen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 15:39Es braucht (zur Kommunikation) eine Triangulation, meine ich. Das gilt auch bei Emotionen, ihrem Ausdruck, dem Gegenstand der Emotion und dem Rezipienten. Ohne dass etwas Beneidenswertes im Brennpunkt der Kommunikation steht, ist es in der Regel nicht möglich, die Emotionen zu identifizieren, schätze ich.
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Die Frage verstehe ich nicht, kannst du das kurz erläutern?Friederike hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 17:15Und warum und wozu münden die "öffentlichen Kriterien" nun in dem, was es "wirklich gibt"?
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Zuvor:Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 16:04Es geht - wie Musil sagt - um die "Fürchterlichkeit selbst". Im Brennpunkt der Kommunikation muss nach meiner Einschätzung etwas stehen, was "entzückend oder beschämend oder ekelerregend sei". Ohne das kommt die Kommunikation gar nicht in Gang, weil der öffentliche Bezug fehlt. Auch in Bezug auf Gefühle und ihre Gegenstände ist der Externalismus wahr. Erstaunlich ist das eigentlich nur, weil man als aufgeklärter Mitteleuropäer "gelernt" hat, sich selbst aus dem herauszurechnen, was es wirklich gibt.
Daraus habe ich geschlossen, daß die öffentlichen Kriterien sich daran orientieren, was es "wirklich gibt".Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 4. Nov 2018, 11:43Es heißt doch wohl, dass es öffentliche "Kriterien" geben muss, die etwas zum angemessenen Gegenstand machen, oder? Und das ist auch ein Fingerzeig, in welche Richtung man vermutlich gehen muss, um die diversen Emotionen zu identifizieren.
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Die Gegenstände der Gefühle sind das, was im Fokus der Triangulation steht. Es gibt sie wirklich - genau das meine ich. Man könnte den Slogan von Putnam dazu variieren: "Bedeutungen sind nicht bloß im Kopf" und Gefühle neither.